Wen küss ich und wenn ja, wie viele? - Mara Andeck - E-Book

Wen küss ich und wenn ja, wie viele? E-Book

Mara Andeck

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Beschreibung

"Wissenschaftliche Erkenntnis des Tages: Von den Gladiatorfröschen kann man viel lernen. Auf der Suche nach dem Frosch fürs Leben hüpft die Fröschin von Männchen zu Männchen und haut jedem so richtig eine rein. Wer umfällt, ist raus aus dem Spiel. Am Schluss nimmt sie den, der übrig bleibt, denn der kann am besten wegstecken. Hmmm, gefällt mir irgendwie. Verstößt aber vermutlich gegen die Schulordnung ..."

Lilia hat es satt! Die Jungs in ihrer Klasse nehmen sie überhaupt nicht wahr. Das muss sich ändern, beschließt sie an ihrem 16. Geburtstag. "Das Balzverhalten im Tierreich" - so lautet das Thema ihres Bio-Referats. Und weil der Mensch auch nur ein haarloses Tier ist, wendet Lilia ihr neues Wissen einfach auf dei Gattung Homo sapiens an. Was folgt, ist ein wahres Liebeschaos ...

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Seitenzahl: 241

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Inhalt

Cover

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

Sonntag, 22. Mai

Montag, 23. Mai

Dienstag, 24. Mai

Mittwoch, 25. Mai

Immer noch Mittwoch, 25. Mai

Donnerstag, 26. Mai

Freitag, 27. Mai

Samstag, 28. Mai

Immer noch Samstag, 28. Mai

Sonntag, 29. Mai

Montag, 30. Mai

Dienstag, 31. Mai

Mittwoch, 1. Juni

Danke

Über die Autorin

Mara Andeck wurde 1967 geboren. Sie hat Journalismus und Biologie studiert, volontierte beim WDR und arbeitet heute als Wissenschaftsjournalistin. Sie lebt mit ihrem Mann, zwei Töchtern und einem Hund in einem kleinen Dorf bei Stuttgart. Wen küss ich und wenn ja, wie viele? ist ihr erstes Jugendbuch, in dem sie die Erfahrung mit Teenagern, ihre Begeisterung für Biologie und ihren Spaß an guten und lustigen Geschichten zusammenbringt. Die Autorin schreibt bereits an der Fortsetzung.

MARA ANDECK

Wen küss ichund wenn ja,wie viele?

Lilias Tagebuch

Vollständige eBook-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Copyright © 2023 by Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 − 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Überarbeitete Neuausgabe

Umschlaggestaltung: Kristin Pang, München unter Verwendung von Motiven © shutterstock.com (Freud | art of line); AdobeStock (littleWhale | Good Studio)

Vignetten: Gisela Kullowatz

eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf

ISBN 978-3-8387-2511-6

Sie finden uns im Internet unter: one-verlag.de

Bitte beachten Sie auch luebbe.de

 

Für Mimi und Polly

Sonntag, 22. Mai

Problem: Seit exakt drei Stunden bin ich sechzehn. Ich darf jetzt bis Mitternacht weggehen. Und Segelflugzeuge fliegen! Traktor fahren! Und Bier trinken! Außerdem kann ich ab sofort bestimmen, wer nach meinem Tod meine Organe bekommt, meine Leber oder meine Augenhornhaut. Das ist doch super. Warum bin ich trotzdem so deprimiert?

19.33 Uhr  Pfrrrrrrrrrrrrrr. Allein der Gedanke, dass man Hornhaut auf den Augen hat … Bäh!

19.36 Uhr  Habe den Verdacht, dass andere Leute an ihrem sechzehnten Geburtstag abends nicht allein in ihrem Zimmer vorm Laptop rumhängen, Tagebuch schreiben, nebenher Videos gucken und über ihre Augenhornhaut nachdenken. Oder doch?

19.38 Uhr  Hab den Laptop zugeklappt. Mit Schwung. Grund: Eine Reportage über die Jugend von heute. »Das Leben ist eine einzige Party für die Generation Geil, die heutigen Sechzehnjährigen«, hat das Schnarchgesicht von Reporter ins Mikro gebrüllt. Hinter ihm tanzten braungebrannte Jungs und Mädels mit bauchfreien Tops ekstatisch irgendwo am Strand von Lloret de Mar. Dann küssten sich zwei in Großaufnahme. Ihre Augenhornhaut war ihnen total egal, das sah man.

Toll.

Danke.

19.43 Uhr  Esse noch ein Stück Geburtstagskuchen.

Mit Smarties.

Das ist doch auch sehr schön.

Pffff.

19.45 Uhr  Wenn mein Leben eine Party ist, dann möchte ich jetzt bitte nach Hause.

19.50 Uhr  Ich sollte ehrlich sein, wenigstens in diesem Tagebuch: Ja, ich hatte auf eine Überraschungsparty gehofft. Ich hatte sogar fest damit gerechnet. Hatte in der Clique erwähnt, wie gern ich feiere und wie ungern ich Partys organisiere. Und als sie alle sagten, sie müssten heute Bio lernen und wir würden meinen Geburtstag irgendwann nachholen, da dachte ich, das sei eine Ausrede und sie würden in Wahrheit, ach, egal.

20.00 Uhr  Oh, da sind sie ja endlich, die Guten! Höre von unten Musik und Gelächter. Werde schleunigst Kajal nachziehen und Party-Top anziehen. Oder doch nicht? Muss ja aussehen, als hätte ich nichts geahnt. Vielleicht sexy Schlafshirt und verwuscheltes Haar? Schreibe später weiter!

20.10 Uhr  Bongbongbong. Würde am liebsten meinen Kopf auf die Tischplatte hauen. Bin eben runtergeschlichen und habe durchs Schlüsselloch ins Wohnzimmer gelinst. Keine Party. Nur Mama und Paps, lesend, bei einem Glas Wein. Absolute Stille, ich konnte die Standuhr ticken hören. Die Musik und das Gelächter kamen von den Nachbarn.

20.17 Uhr  Warum krieg ich immer nie was?

20.25 Uhr  So ein bekloppter Geburtstag!

Komisch, eigentlich ist er ja genau wie die letzten 15, und die fand ich immer ganz okay. Morgens Geschenke, mittags mein Lieblingsessen, nachmittags Besuch von Oma und Opa, noch mal Geschenke, dazu der traditionelle Kult-Kuchen mit Smarties, und abends »mit den Geschenken spielen«. Die Party mit Freunden gab es traditionell immer schon irgendwann später, wenn’s eben passte. War doch immer ganz nett. Klar, meinen Adrenalinspiegel bringt das seit Jahren nicht mehr in Wallung, aber es fühlte sich jedes Mal warm und gemütlich an. Warum reicht mir das nicht mehr?

20.27 Uhr  Keine Ahnung. Aber so ist es. Ich will Party, ich will Jungs, ich will Musik. Und ich will auch einen Kuss in Großaufnahme.

Menno!!!

Mama und Paps sitzen jetzt friedlich unten im Wohnzimmer und glauben, dass alles in Ordnung ist. Sie denken, dass ich einen Film sehe. Und weil der Laptop mein Geburtstagsgeschenk war, läuft das unter »mit den Geschenken spielen«. Also ist alles wie immer, alles in schönster Ordnung. Wahrscheinlich lächeln sie sich gerade an und seufzen und denken an die Zeit, als ich rund und rosig auf die Welt kam. Und sie freuen sich, dass ich immer noch so ein Wonneproppen bin. Pflegeleicht, das hat Mama neulich über mich gesagt, Lilia war immer schon pflegeleicht.

Na klar, und voll waschbar bei 30 Grad, aber nach dem Waschen bitte in Form ziehen und auf keinen Fall in den Trockner tun, sonst geht sie ein!

Ich will nicht mehr pflegeleicht sein. Wild und gefährlich, das wär’s!

Habe kurz überlegt, ob ich runtergehen und meinen Frust an den beiden auslassen soll. Bringt aber nix. Was mir gerade fehlt, sind definitiv nicht meine Eltern.

20.55 Uhr  Nee, so geht das nicht. Ich habe ein Problem und ich habe Geburtstag. Das sind zwei gute Gründe, um irgendjemanden stundenlang vollquatschen zu dürfen. Ich rufe jetzt Dana an, die hat genug gelernt, die kann sich jetzt mal ein bisschen um mich kümmern. Wozu hat man Freundinnen?

21.00 Uhr  Danas Handy sagt: »Mein Name ist Box. Mail Box. Bitte sprechen Sie nach dem Piepton.«

Haha, Dana, sehr witzig!

21.10 Uhr  Habe es in meiner Verzweiflung bei Danas Tante versucht. Sie sagte, Dana sei im Kino. Im Kino? Meine beste Freundin?? An meinem Geburtstag??? Ohne mich????

21.15 Uhr  Ich brauche jetzt wirklich jemanden zum Reden. Egal, wen. Wenn ich hier noch länger allein herumsitze, knibbele ich noch alle Aufkleber von meinem Schrank ab. Das habe ich nämlich eben gemacht. Echt! An meinem Geburtstag! Fehlt nicht viel und ich gehe in die Küche und picke die Krümel aus der Besteckschublade.

Warum eigentlich nicht? Das würde meinem Dasein wenigstens einen Sinn geben.

Tom!!! Ich schreibe Tom. Wird wohl ein bisschen wortkarg, dieser Chat, aber der versteht mich immer, und wenn nicht, dann gibt er es wenigstens nicht zu.

21.20 Uhr  Erst kommt gar keine Antwort. Dabei sehe ich, dass er online ist.

Und dann schreibt er: »Sorry, kann gerade nicht, melde mich später.« Nicht mal ein trauriges Emoji schickt er. Hey, ich hab Geburtstag!

21.30 Uhr  Dann schreib ich halt Maiken. Sie antwortet sofort. Aber auch: »Melde mich später!«

21.35 Uhr  Ich frag beide: »Wo bist du?«

Und beide antworten gleichzeitig: »Im Kino«. Boah, mir ist schlecht. Die gxanze Clique ist da, nur ich nicht.

22.20 Uhr  Auweia. Habe eben so fest gegen meinen Schrank getreten, dass er mit Gepolter an die Wand rumpelte. Habe damit Rosalie geweckt und sie kam in ihrem Nachthemd herübergetappt, mit Wuschelhaaren, ohne Brille, blind wie ein kleiner Maulwurf. Sie kroch in mein Bett und fragte: »Warum bist du so traurig?«

Rosalie kriegt viel mehr mit, als Kinder mit fünf normalerweise checken, sie hat feine Antennen, man kann sie nicht anlügen. Aber sie versteht oft nicht, was sie fühlt, und dann muss man vorsichtig sein, sonst macht man ihr Angst.

Ich schlüpfte zu ihr unter die Decke, nahm sie in den Arm und sagte: »Ich bin traurig, weil ich nicht so bin, wie ich gern wäre.«

»Wie willst du denn sein?«, fragte sie und kitzelte mich mit ihren Wimpern an der Wange.

»Beliebt«, sagte ich. »Alle Mädchen sollen meine Freundinnen sein und alle Jungs sollen mich anbeten.« Ich versuchte, das Ganze witzig rüberzubringen. Schließlich bin ich Rosalies große Schwester, sie bewundert mich. Ich kann ja nicht gut zu ihr sagen: »Deine Lilia ist eine Loserin.«

»Mach dir Locken«, sagte Rosalie.

»Locken???«

Rosalie nickte ernst. »Laura Jahn hatte neulich in der Schule Locken. Ihre Mutter hat ihr vorm Schlafengehen Zöpfe geflochten und als Laura morgens aufwachte, hatte sie ganz viele blonde Wellen im Haar. Und in der Pause wollten alle Mädchen mit ihr spielen. Und in Musik beim Dornröschen-Lied durfte sie die Prinzessin sein. Du, und alle Jungs wollten Prinz sein.«

Der kleine Maulwurf schnaufte heftig.

»Aber auf die Haare kommt es doch gar nicht an«, sagte ich weise.

Rosalie runzelte die Stirn. »Bei uns schon!«

»Rosinchen, und du?«

»Ich war eine Dornenhecke. Bin ich immer.« Sie seufzte. »Ohne Locken ist man Dornenhecke.«

»Warum lässt du dir nicht auch mal Locken machen?«

»Mama hat keine Zeit für so was.« Rosalie zuckte mit den Achseln und zog die Nase hoch. »Und Papa kann es nicht.«

Siebzehn kleine dünne Zöpfe habe ich ihr dann geflochten, meiner kleinen Schwester, und morgen wird sie Dornröschen sein. Das beruhigt mich. Sie soll es mal besser haben als ich.

Ob das in meinem Alter auch noch klappen würde mit Locken? Schön wär’s, aber ich glaube das ist vorbei.

23.10 Uhr  Eben war der Flokati hier und wollte meinen Zirkel ausleihen. Und meine Buntstifte und meinen Spitzer.

Ich fass es nicht! Morgen hat mein Herr Bruder Physik-Abi und nachts um elf merkt er, dass ihm dafür das Zubehör fehlt. Und jetzt soll ich ihn raushauen.

Klar, hab ich gemacht, aber dafür schuldete er mir was, Abi hin oder her. Wenigstens einen Rat! Immerhin hat Florian zwei Jahre mehr Lebenserfahrung als ich, da kann man doch davon ausgehen, dass ihm nichts Menschliches fremd ist, oder?

Ja, von wegen. So verlief unser »Gespräch« (wenn man es denn so nennen will):

Ich: »Flocke?«

Er: »Hm.«

Ich: »Ich hab da ein Problem.«

Er: »Wä?«

Ich: »Irgendwie läuft’s bei mir grad nicht gut.«

Er: »Wieso?«

Ich: »Na, sieh dich doch mal um. Ich hab Geburtstag! Sieht so eine rauschende Party aus?«

Er: »Hokay. Verstehe.«

Ich: »Ich mein, um es mal auf den Punkt zu bringen: Mit meinen Freunden läuft’s grad nicht so super und von meinem Liebesleben will ich gar nicht erst anfangen. Kein Junge beachtet mich. Was mach ich falsch?«

Er: Geht demonstrativ an mir vorbei, ohne mich zu beachten.

Ich: »Florian, echt jetzt! Sag, was ich tun soll, oder der Zirkel und die Stifte bleiben hier.«

Er (runzelt die Stirn, spricht sehr langsam): »Du hast ein Problem, hokay?«

Ich: »Jep.«

Er: »Du brauchst ’ne Lösung, hokay?«

Ich: »Jau.«

Er: Verdreht die Augen.

Ich: Klopfe mit dem Zirkel Löcher in meine Schreibunterlage und sehe ihn dabei drohend an.

Er: »Pass mal auf, Lil. Du spielst ein Spiel, ohne die Regeln zu kennen. Kein Wunder, dass du gleich in der ersten Runde rausfliegst.«

Ich: »Hä? Welche Regeln?«

Er (zuckt mit den Achseln): »Jungsregeln. Mädchenregeln. Flirtregeln.«

Ich: »Kenn ich nicht.«

Er: »Sag ich doch.«

Ich: »Bring sie mir bei!«

Er: »Sehe ich aus wie einer, der die Regeln kennt?«

Ich: Betrachte seinen krummen Rücken, seine löchrigen Socken, seine Flokati-Zottelfrisur. Halte ihm wortlos den Zirkel und die Buntstifte hin.

Er: »Siehste!« Grinst und geht.

23.20 Uhr  Okay – oder soll ich sagen hokay? – die Flirtregeln also. Meint er etwa diesen Quatsch aus den rosa Glitzerheften für Girls? Überschrift: »So sagst du ihm, wie süß du ihn findest«, und dann stehen da Flirtsprüche wie »Hast du Fieber, du siehst so heiß aus?« Solche Regeln kenne ich schon, aber ich habe noch niemanden getroffen, bei dem das funktioniert.

Dafür kenne ich die Flokati-Regeln. Ich weiß, dass mein Bruder über mein Problem nachdenken wird. Da kommt noch was, der lässt mich nicht hängen.

Und zum Thema Flirtregeln: Vielleicht gibt es ja auch welche ohne rosa Glitzer. Von Psychologen vielleicht. Noch kenne ich sie nicht. Aber gleich. Ich such mal unter #flirttipps.

23.30 Uhr   Ups. Sind das etwa die Regeln, die alle kennen, nur ich nicht? Da sind Bilder von »Sexy Jessie« im Leoparden-String, und ich soll ihr sagen, ob ich sie heiß finde??? Das ist Flirten? Wie ich die finde, das will die bestimmt nicht wissen.

Überhaupt scheint Flirten ein Männerthema zu sein. Da gibt’s Tausende von Tipps, wie man eine Frau anbaggert. Aber das wollte ich gar nicht wissen.

23.45 Uhr   So, jetzt hab ich im Netz ein paar Regeln gefunden. Erst mal: Was ist Flirten? Laut Wikipedia »eine erotisch motivierte Annäherung zwischen zwei Personen.« Ich hätte es anders ausgedrückt, aber im Prinzip trifft es das. Hier eine erfreuliche Nachricht, ich zitiere aus www.flirttippsforgirls.de: »Mit einer klugen Taktik ist es möglich, auch unerreichbare Männer für sich zu gewinnen.« Das isses, hier bin ich richtig! Ich wüsste, an wem ich das zu gern mal ausprobieren würde …

Also, richtiges Vorgehen (ich fass jetzt mal Übereinstimmungen aus verschiedenen Seiten zusammen):

 

Toll aussehen.

Blickkontakt! Lang und tief in die Augen schauen.

Kurven zeigen. (Äh, und wenn man keine hat?)

Lippen betonen, rot ist sexy.

Attraktive Menschen werden überhäuft mit Flirtangeboten.

Man muss sich also von der Masse abheben, um aufzufallen. Außerdem habe ich noch rausgefunden, dass die begehrte Person einen besonders liebt, wenn man ihren Drang nach Abenteuer befriedigt.

23.55 Uhr  Aha. Aha. Aha. Ich glaube, ich weiß jetzt, wo es bei mir hakt. Das Stichwort heißt Abenteuer.

Ganz kurz ein Exkurs zum Thema »Lilia und Abenteuer«.

Spätere Generationen, die dieses Tagebuch auf dem Dachboden finden, können ja gar nicht beurteilen, wie viel Abenteuerpotenzial in mir schlummert. Deswegen hier erst mal ein kurzer Steckbrief zu meiner Person:

Name: Lilia Kirsch. (Zu meinem Namen gibt’s noch was zu ergänzen: In der Sechsten haben mich die Jungs aus meiner Klasse spontan in Lilia Erbse umbenannt. Die Fülle meiner Oberweite hatte sie dazu inspiriert. Darüber bin ich inzwischen aber hinausgewachsen – im wahrsten Sinne des Wortes. Heute wäre vielleicht Lilia Mandarine angemessen. Die Hoffnung auf Lilia Pampelmuse musste ich begraben, denn ich bin ein realistischer Mensch. So viel zum Nachnamen. Auch mit meinem Vornamen habe ich lange gehadert. Wer heißt schon gern wie eine Blume? Aber dann ist mir klar geworden, wie viel Glück ich hatte. Meine Eltern haben da nämlich einen Spleen, wir hören alle auf botanische Namen. Mein Vater heißt Oliver, meine Mutter Iris, unser Nesthäkchen Rosalie ist eine kleine Rose und der Name Florian bedeutet »der Blühende«. Wenn ich Pech gehabt hätte, könnte ich jetzt auch Amaryllis Kirsch heißen. Oder Gladiole Kirsch. Boah!)

Alter: 16. Seit sechs Stunden. Siehe oben!

Größe: 170 Zentimeter.

Gewicht: 55 Kilo. Mindestens fünf davon versammeln sich an meinem Po, aber das find ich sogar gut, denn so habe ich an dieser Stelle wenigstens eine Andeutung von Kurve. Wenn die nicht wäre, könnte ich zu Fasching als Zahnstocher gehen.

Haare: Blond und fast bis zum Po. Immerhin etwas!

Augen: Dunkelbraun. Ganz in Ordnung. Ich mag meine Augen.

Zähne: Ein perfektes Gebiss! Wäre ich ein Pferd, würde das meinen Preis in die Höhe treiben. Weil ich ein Mensch bin, erspart es meinen Eltern die Kosten einer Zahnspange.

Lippen: Ja, es fällt mir gerade erst auf, aber die sind nicht richtig rot und nicht wirklich sexy. Es sind ganz normale Lippen. Da könnte man noch was tun.

Abenteuer-Ausstrahlung: Null. Ich bin kein fleischgewordener Traum aller Jungs, ich bin der fleischgewordene Traum aller Schwiegermütter. Nett. Wohlerzogen. Ordentlich. Gute Noten. Und sooo vernünftig.

Das muss aufhören! Das wird aufhören!

Ab morgen wird alles anders!

0.20 Uhr  Gähn. Ich glaub … Waaah! Mama!

Brüllt! Spät! Bett! Morgen! Schule!

Grrr.Zurückgebrüllt! Ich! Bin! 16! Und gehe! Ins Bett! Wann! Ich! Will!!!!!!!!!!!

0.27 Uhr  Vielleicht sollte ich doch langsam mal schlafen.

Neiiiiin! Kreisch! Ich hab die Bio-Arbeit vergessen. Da schimpfe ich die ganze Zeit, dass alle lernen, und komm vor lauter Geburtstag überhaupt nicht auf die Idee, dass ich das ja auch mal tun könnte.

Na, macht nichts, dann lese ich mir eben jetzt noch schnell das Heft durch. Das schaff ich!

0.35 Uhr  Au weia. Da ist kein Heft. Liegt wohl noch im Bio-Saal. Dieses Lebensjahr fängt ja richtig gut an.

22.05., 00.37 Uhr

Sprachnachricht von Tom Barker an Felix von Winning

Hey, du Vollhorst, ich vermiss dich. Und nicht nur ich, die ganze Klasse. Wie sollen wir ohne deine flachen Witze und den fischigen Geruch deiner Socken weiterleben?

Echt, das geht nicht.

Dass die in deiner Reha-Klinik dich jetzt Tag und Nacht haben und wir fünf Wochen darauf verzichten müssen, ist ungerecht.

Wie ist deine Kur? Geht’s dir besser? Bist du die Krücken schon los? Liegst du oft im Pool? Massieren sie dir danach sanft alle Verspannungen weg?

Oh, ich wette, dass es so ist! Und wir müssen ohne dich Bio schreiben.

Bitte lern schnell wieder laufen! Und mach am besten auch einen Kurs »Straßenverkehr für Anfänger«. So was wie deinen Unfall will ich nämlich nie, nie, nie wieder erleben.

Klar, du hattest Vorfahrt. Aber warum auf diesem Recht bestehen, wenn man nur ein Fahrrad hat und der andere einen Zwölftonner, du Pfosten?

Du hast nach Lilia gefragt. Nee, wir haben heute nicht gefeiert. Ging nicht, ihre Eltern haben es nicht erlaubt. Ihr Bruder hat ja morgen Physik-Abi, da kann man am Tag vorher keine Party feiern.

Wir hatten gehofft, dass Lil ins Kino kommt, im Odeon lief ja heute dieser Konrad-Lorenz-Film, den Herr Welter uns als Vorbereitung für die Bio-Arbeit empfohlen hatte.

Und wir wollten vorher für Lilia singen. Eine Tüte Popcorn mit einer Kerze drin hatten wir auch für sie. Aber sie war nicht da.

Also haben wir das selbst gefuttert. Nur das Popcorn natürlich, die Kerze nicht.

Vermutlich war es gut so, Lilia hätte das gehasst. Sie ist nicht der Typ für Überraschungen.

So, muss jetzt ins Nest, sonst bin ich morgen nicht fit für Bio.

Bis bald!

Montag, 23. Mai

Aufgabe 5: Beschreibe den Verlauf von Instinkthandlungen. (5 Punkte)

Aufgabe 6: Erkläre Instinkthandlungen mit Hilfe des psychohydraulischen Modells von Konrad Lorenz. (5 Punkte)

Aufgabe 7: Handelt es sich beim Balztanz der Gackeltrappe um eine Instinkthandlung? Begründe deine Antwort. (1 Punkt)

7.50 Uhr  Ich fasse es nicht! Dass mir das passieren muss, ausgerechnet in meinem Lieblingsfach!!!

Es ist ganz still im Klassenzimmer, man hört nur das Kratzen von Stiften auf Papier. Alle feilen an wohlformulierten Sätzen über die psychohydraulische Instinkttheorie von Konrad Lorenz. Alle außer mir. Ich schreibe zwar auch, aber ich kritzele nur irgendetwas auf diesen Zettel, um nicht aufzufallen. Herr Welter soll ja keinen Verdacht schöpfen. Er schleicht gerade mit Luchsaugen um die Tische, späht auf unsere Aufschriebe und versucht, Spickzettel-Benutzer und Abschreiber zu ertappen.

Tatsächlich, es klappt, ich wirke sooo fleißig und wissend, dass er mich schon zweimal wohlwollend angelächelt hat. Ich schäme mich etwas, weil ich ihn hintergehe, aber ich werde Buße tun. Jawohl, ich schwöre es, ich werde den Zettel später in mein Tagebuch einkleben, um diesen Moment der Schmach zu meiner ewigen Schande festzuhalten.

8.00 Uhr  Ich habe keine Ahnung, was diese bescheuerte psychohydraulische Theorie sein soll. Ehrlich gesagt, ich wusste bis eben nicht, dass es sie überhaupt gibt. Ich wusste ja nicht mal, dass es Wörter mit zwei Ypsilons gibt. Wo war ich, als wir das in Bio behandelt haben? Und wo ist mein Bio-Heft? Hier ist es auch nirgends!

8.05 Uhr  Heißt es eigentlich »Ypsilons«? Oder »Ypsilone«? Oder »Ypsila«? Und was ist eine Gackeltrappe? Ein Vogel?

8.10 Uhr  Soll ich einfach hinschreiben, dass diese Theorie längst widerlegt ist? Dunkel erinnere ich mich, dass Konrad Lorenz schon ewig tot ist. Also ist die Theorie alt und alle alten Theorien sind widerlegt. Ich könnte behaupten, dass sie von Irenäus Eibl-Eibesfeldt grundlegend auf den Kopf gestellt wurde. Von dem hat Herr Welter neulich irgendwas erzählt. Ist wohl auch ein berühmter Verhaltensforscher wie dieser Lorenz. Ich konnte mir seinen Namen merken, weil er klingt, als wäre dieser Irenäus ein Bewohner von Entenhausen. Ein Nachbar von Daniel Düsentrieb vielleicht.

8.17 Uhr  Wo war ich eben? Ach ja, die psychohydraulische Theorie und ihre Widerlegung. Ich habe das dann doch nicht hingeschrieben mit Eibl-Eibesfeldt. Ich würde ja nicht mal einen Mitleidspunkt bekommen, selbst wenn der gute Irenäus die Theorie von Konrad Lorenz wirklich widerlegt hätte. Bei Herrn Welter hat Geschwafel keine Chance. Der will eine Antwort, die genau zur Frage passt, oder gar keine.

8.20 Uhr  Ups, Herr Welter guckte eben von ferne misstrauisch auf mein Geschreibsel. Wenn er sich jetzt neben mich stellt und auf mein Blatt äugt, fliege ich auf. Ich muss hier also sofort was über Konrad Lorenz und seine Gackeltrappen schreiben, nur zur Tarnung.

Wie wär es denn mit dieser Theorie: Der Balztanz der Gackeltrappe zählt mit hundertprozentiger Sicherheit zum Instinktverhalten, weil es bestimmt keine Tanzschulen für Gackeltrappenknaben gibt, in denen die das Balzen lernen. Wäre es nämlich so, dann wäre die Gackeltrappe mit großer Wahrscheinlichkeit längst ausgestorben. Das Risiko, dass der Gackeltrappentanzlehrer beim Gackeltrappentanzunterricht einen herannahenden Kojoten übersieht und von ihm gefressen wird, ist viel zu groß. Und wenn die jungen Gackeltrappen nach so einem sehr wahrscheinlichen Zwischenfall gackeltrappentanzlehrerlos aufwachsen müssten, könnten sie nicht balztanzen und niemals ein Weibchen erobern und es gäbe keinen Nachwuchs. Dann hätte die Evolution längst »tschüss« gesagt zur Gackeltrappe. Hat sie aber nicht. Also ist der Tanz angeboren.

9.00 Uhr  Oder ist die Gackeltrappe etwa ausgestorben??? Keine Ahnung.

9.05 Uhr  Uff. Mehr als eine Seite ist jetzt voll. Und darauf stehen ganz oft wichtige Wörter wie Gackeltrappe und Tanz und Balz. Perfekt!

Jetzt muss ich nur noch ganz unauffällig Tom ein Zeichen geben, damit der seine Arbeit ein zweites Mal abschreibt, und zwar in meiner Schrift und mit ein paar anderen Formulierungen. Zum Glück kann der meine Klaue so perfekt kopieren, dass ich manchmal selbst denke, ich hätte geschrieben, was er mir unter die Nase hält.

Danach muss ich diesen Zettel hier nur noch in den Tiefen meines Rucksacks verschwinden lassen, gebe den von Tom ab, und die Bio-Note ist gerettet. Mensch, wenn ich Tom nicht hätte.

9.30 Uhr  Hiiiilfe!!! Tom guckt überhaupt nicht hoch. Der ist so mit der Gackeltrappe beschäftigt, der scheint überhaupt nicht zu merken, dass es noch Menschen auf diesem Planeten gibt. Ich habe eben einen Hustenanfall simuliert, der dem Gebell eines Kojoten sehr nahe kam, aber Tom hat nicht mal mit der Wimper gezuckt. Geschweige denn hochgeguckt. Er schreibt und schreibt. Wenn es hier Kojoten gäbe, wäre Tom längst ausgestorben.

Was mach ich nur????

14.20 Uhr  Bin wieder zu Hause. Habe aufs Mittagessen verzichtet. Kann nicht essen. Bin zu deprimiert. Ich fühle mich soooo elend.

14.22 Uhr  Seufz! Ist es nicht seltsam, dass die Menschheit keine Gesten und Verhaltensweisen für diesen elenden Zustand kennt – außer Seufzen? Ich sitze nun schon eine Stunde allein in meinem Zimmer und seufze voll Inbrunst, aber a) hört das keiner und b) lindert es mein Elend nicht.

14.25 Uhr  Nachricht an Dana: »Hilfe! Bin völlig am ende! Ruf mich mal an«

14.28 Uhr  Nachricht von Dana: »Klavierstunde!!! Dann volleyball! Wir reden später!«

Toll!

14.30 Uhr  Nachricht an Tom: »Ich stärrrrrbääää!«

14.33 Uhr  Nachricht von Tom: »So schnell stirbt man nicht!«

14.35 Uhr  Nachricht an Tom: »Hatte auf edlen ritter auf weißem pferd gehofft, der mich rettet«

14.36 Uhr  Nachricht von Tom: »Der ritter muss gerade spülen und danach staubsaugen«

Oha, Tom braucht wohl wieder mal Geld, dann hilft er nämlich immer seiner Mutter im Haushalt.

14.45 Uhr  Ich sitze immer noch rum und seufze, aber das bringt mich nicht weiter. Werde jetzt therapeutisches Schreiben versuchen und alles aufschreiben, was heute passiert ist. Vielleicht hilft mir das ja aus diesem Loch heraus.

Wo fange ich an? Da, wo ich heute Morgen aufgehört habe, nach der Bio-Arbeit:

Als Herr Welter sein übliches »noch fünf Minuten, noch drei, noch zwei, noch eine Minute, jetzt Stifte weg« brüllte, schmiss ich wie alle anderen meinen Kuli auf die Seite, stand auf, griff mir alle Arbeiten, die vor den Nebensitzern in meiner Bankreihe lagen, stauchte sie zu einem Stapel zusammen und legte meine eigene Arbeit darunter. Aber nur den Aufgabenzettel. Die beschriebenen Tagebuch-Blätter hatte ich vorher schnell unter mein Schmierpapier geschoben.

Den offiziellen Zettelstapel brachte ich nach vorn und legte ihn aufs Lehrerpult, den Schmierstapel schob ich in meinen Rucksack.

Ich hatte kein gutes Gefühl bei dieser Aktion, aber ich hatte keine Wahl. In meinem Blut schwappten gerade so viele Stresshormone, dass ich befürchtete, ein Teil davon könnte durch meine Tränendrüsen entweichen, wenn ich Herrn Welter mein Versagen gestehen würde. Und vorn neben dem Pult stand – Jakob. Der hatte Tafeldienst, ich musste also cool bleiben.

Jakob sehen und cool bleiben, das ist für mich allerdings ein Widerspruch in sich. Ich kann nicht mal an ihn denken und dabei kühl und sachlich bleiben. Ja, nicht mal über ihn schreiben kann ich. Es geht einfach nicht. Hier der Beweis:

Name: Jakob Bentheim

Alter: 17 (Er hat nach einem Jahr in den Staaten eine Klasse wiederholt.)

Größe: Groß. Sehr groß.

Haarfarbe: Braun. Sehr braun.

Stimme: Tief. Sehr tief.

Augen: Schwarz. Kohlrabenschwarz.

Figur: Etwa so wie Ken, der Typ von Barbie.

Lippen: Ich darf gar nicht dran denken!

Abenteuer-Ausstrahlung: Sein zweiter Vorname muss Adventure sein, so wie er aussieht!

Da! Das ist der Beweis! Das ist nicht mein übliches Niveau! Wenn ich nur an Jakob denke, verwandelt sich mein Gehirn in eine geleeartige Glibbermasse und ich bringe kein zusammenhängendes Wort mehr heraus. Liebe Nachfahren, ihr müsst an dieser Stelle ohne eine Beschreibung von ihm auskommen. Denkt ihn euch einfach aus und legt eurer Fantasie keine Zügel an, dann passt das schon.

Wo war ich? Ach ja, die Bio-Arbeit. Als ich in der Pause zum Lehrerzimmer ging, um Herrn Welter das Fehlen meiner Bio-Arbeit zu erklären, war der schon weg. Das habe ich also noch vor mir. Toll.

Man könnte meinen, dass der Tag mit dieser missglückten Arbeit seinen Tiefpunkt erreicht hatte, aber so war es nicht. Es kam noch viel schlimmer.

Erst wollte ich mich bei Tom über seine unterlassene Hilfeleistung beschweren, aber der war nirgends zu sehen. Danach wollte ich mich bei Dana ausweinen – auch nicht da. Und Maiken – weg. Die ganze Clique hatte sich in der Pause verkrümelt und ich stand alleine rum.

Mensch, wegen irgendetwas müssen die stinksauer auf mich sein. Ich zermartere mir schon den ganzen Tag das Hirn, welchen Bock ich wohl geschossen habe. Ist es, weil ich Dana neulich Nacktmull genannt habe, als sie sich aus Versehen fast alle Augenbrauenhärchen ausgezupft hat? Oder haben sie sich gegen mich zusammengerottet, weil ich Maiken neulich erzählt habe, dass Hitler auch Vegetarier war? Okay, das war blöd von mir, aber sie nervt auch ganz schön rum. Immer wenn ich in mein politisch korrektes Bio-Brötchen mit Bio-Salami aus artgerechter Salami-Haltung beiße, fängt sie davon an, dass Fleischkonsum aggressiv macht. Und dann hält sie mir wieder eine neue wissenschaftliche Studie unter die Nase, die das angeblich beweist. Gibt es eigentlich auch Studien, die beweisen, dass militante Körnerfresser aggressiv machen?

Oder habe ich Tom beleidigt, als ich sagte, er sei so verschossen in Vicky, dass es nicht zum Aushalten mit ihm sei? Na gut, genau genommen hab ich das etwas anders formuliert. Ich sagte, er würde ja sogar ihre Fürze inhalieren, wenn sie ihn ließe. Aber warum muss er sie auch dauernd verteidigen, wenn ich über sie ablästere? Er hat doch sowieso keine Chance bei ihr. Sie steht auf Jakob, und, was noch schlimmer ist, er vielleicht auf sie. Das ist Grund genug sie zu hassen, oder?

Okay, ich sehe es selbst, ich habe in den letzten Tagen ganz schön ausgeteilt, ich war echt mies drauf. Aber das passiert doch jedem mal. Das ist kein Grund, jemanden aus der Clique auszustoßen.

However, ich stand also in der großen Pause allein im Foyer herum und mopste mich und da ---------------------

Ohgottohgotohgott. Ich kann’s nicht niederschreiben. Jede Körperzelle sträubt sich dagegen.

Ommmmmmmmmmm. Es muss sein. Schreibtherapie.

Ich versuche mal, die peinliche Situation wie eine Filmszene zu schildern, vielleicht schafft das die nötige Distanz:

Tatatatamm. Unheilvolle Hintergrundmusik. Zeitlupe.

Lilia K. geht durchs Foyer in Richtung Klassenzimmer. Plötzlich stockt ihr Schritt. Da steht Jakob, das Objekt ihrer Begierde. Am Rektorat. Vorm Vertretungsplan. Seine dunklen Haare schimmern im Sonnenlicht. Unter seinem T-Shirt zeichnen sich kräftige Rückenmuskeln ab. Lilia K. fühlt plötzlich keine knöchernen Gelenke mehr in ihren Knien. Da ist nur noch Gummi. Jakob sieht sie nicht, das gibt ihr Zeit für einen Plan.

Tatatatamm. In diesem Schicksalsmoment fällt Lilias Blick auf ein Plakat, das für die Teilnahme an der Theater-AG wirbt. »Wenn du willst, was du noch nie gehabt hast, musst du tun, was du noch nie getan hast«, steht da.

Lilia K. beißt sich auf die Lippen, damit diese sich röten. Sie atmet tief ein und wölbt den Brustkorb, um eventuell vorhandene Kurven zur Geltung zu bringen. Und dann tut Lilia K., was sie besser gelassen hätte.

Tatatatamm.

Nee, echt, ich kann’s nicht aufschreiben. Erst recht nicht als Film. Wenn ich mir das vor meinem inneren Auge noch mal vorspiele, verknoten sich meine Eingeweide.

Aber es hilft nichts. Aufschreiben muss ich es. Das ist Teil der Therapie.

Ich versuche es mal im Konjunktiv, dann klingt es nicht so real. Eher so, als ob. Und ich pirsche mich langsam an das Thema heran, um es aus dem Hinterhalt zu überwältigen: