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Dieser Band enthält folgende Western: Und dann schlägt dir die Stunde, McQuade (Pete Hackett) Salbeibusch-Justiz (Pete Hackett) Die Rache des Jonathan Randall (Pete Hackett) Todestrail (Pete Hackett) Jonathan Randall zügelte sein Pferd und starrte auf die Ansammlung von Häusern, Hütten und Schuppen in der Senke, die sich am Fuß des Hügels erstreckte, auf dem er verhielt. Ein heißer Südwind wehte den feinen Staub Über die Dächer, die Hitze ballte sich auf der breiten Main Street. "Sterling City", murmelte er. "Heiliger Rauch, der Ort sieht noch genauso aus wie vor fünf Jahren." Das Pferd trat auf der Stelle und schnaubte. Jonathan Randall hatte die Hände über dem Sattelhorn verschränkt und ließ das Bild, das sich ihm bot, auf sich wirken. Es war ein verschlafenes Nest am North Concho River, ruhig und beschaulich, ein Ort, den er vor etwas mehr als fünf Jahren verlassen musste... Er war fortgejagt worden. Wie einen tollwütigen Hund hatte ihn sein Vater aus dem Land gejagt. Jetzt war er zurückgekommen. Und er hatte den Vorsatz gefasst, sich seinen Platz hier zurück zu erobern... Jonathan Randall trieb das Pferd an. Er lenkte es den Hügel hinunter. Die Hufe stampften. Das Tier peitschte mit dem Schweif. Pferd und Reiter waren verschwitzt. Die Luft schien zu kochen. Dann passierte Jonathan die ersten Häuser der Stadt. Breit und staubig lag vor ihm die Main Street. Winzige Kristalle glitzerten im Staub. Kinder spielten am Straßenrand. Einige Hunde lagen in den Schatten und dösten. Auf den Gehsteigen zu beiden Seiten waren nur wenige Passanten zu sehen.
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Wenn der Salbeibusch brennt: Western Sammelband 4 Romane
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Und dann schlägt dir die Stunde, McQuade
Salbeibusch-Justiz
Die Rache des Jonathan Randall
Todestrail
Dieser Band enthält folgende Western:
Und dann schlägt dir die Stunde, McQuade (Pete Hackett)
Salbeibusch-Justiz (Pete Hackett)
Die Rache des Jonathan Randall
Todestrail (Pete Hackett)
Jonathan Randall zügelte sein Pferd und starrte auf die Ansammlung von Häusern, Hütten und Schuppen in der Senke, die sich am Fuß des Hügels erstreckte, auf dem er verhielt. Ein heißer Südwind wehte den feinen Staub Über die Dächer, die Hitze ballte sich auf der breiten Main Street.
"Sterling City", murmelte er. "Heiliger Rauch, der Ort sieht noch genauso aus wie vor fünf Jahren."
Das Pferd trat auf der Stelle und schnaubte. Jonathan Randall hatte die Hände über dem Sattelhorn verschränkt und ließ das Bild, das sich ihm bot, auf sich wirken. Es war ein verschlafenes Nest am North Concho River, ruhig und beschaulich, ein Ort, den er vor etwas mehr als fünf Jahren verlassen musste...
Er war fortgejagt worden. Wie einen tollwütigen Hund hatte ihn sein Vater aus dem Land gejagt. Jetzt war er zurückgekommen. Und er hatte den Vorsatz gefasst, sich seinen Platz hier zurück zu erobern...
Jonathan Randall trieb das Pferd an. Er lenkte es den Hügel hinunter. Die Hufe stampften. Das Tier peitschte mit dem Schweif. Pferd und Reiter waren verschwitzt. Die Luft schien zu kochen.
Dann passierte Jonathan die ersten Häuser der Stadt. Breit und staubig lag vor ihm die Main Street. Winzige Kristalle glitzerten im Staub. Kinder spielten am Straßenrand. Einige Hunde lagen in den Schatten und dösten. Auf den Gehsteigen zu beiden Seiten waren nur wenige Passanten zu sehen.
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Alfred Bekker
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Western von Pete Hackett
Pete Hackett Western - Deutschlands größte E-Book-Western-Reihe mit Pete Hackett's Stand-Alone-Western sowie den Pete Hackett Serien "Der Kopfgeldjäger", "Weg des Unheils", "Chiricahua" und "U.S. Marshal Bill Logan".
Über den Autor
Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war – eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.
Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung."
Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.
Ein CassiopeiaPress E-Book
© by Author www.Haberl-Peter.de
© der Digitalausgabe 2013 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
www.AlfredBekker.de
Der Richter schlug mit dem Holzhammer auf den Tisch. Im Gerichtssaal kehrte lastende Stille ein. Richter Hanson heftete seinen Blick auf Calem Tanner, der auf der Anklagebank saß, und sagte: „Die Entscheidung der Jury ist eindeutig. Sie lautet schuldig. Sie sind des Doppelmordes für schuldig erklärt worden, Angeklagter. Ich verurteile Sie deshalb zum Tod durch den Strang. Man wird Sie am Hals aufhängen, bis bei Ihnen der Tod eintritt. Als Tag der Vollstreckung ordne ich den 19. August an, das ist heute in einer Woche.“
Calem Tanner spuckte geringschätzig vor sich auf den Fußboden. Er gab sich völlig unbeeindruckt.
Der Richter ergriff noch einmal das Wort: „Bringen Sie den Verurteilten in seine Zelle zurück, Sheriff. Und tragen Sie dafür Sorge, dass am 19., morgens um 6 Uhr, alles den Bestimmungen entsprechend abläuft.“
„Sicher, Euer Ehren“, knurrte County Sheriff Troy Howell und nickte den beiden Deputys zu, die Calem Tanner bewachten. Die beiden packten den Banditen und zerrten ihn in die Höhe. Er hatte sich geweigert, sich zur Urteilsverkündung zu erheben. Tanners Hände waren mit Handschellen gefesselt. Sein Mund verzerrte sich, gehässig schrie er: „Freut euch nur nicht zu früh, ihr Dummköpfe! Die Hängepartie wird nicht stattfinden. Ihr Kerle, die ihr euch anmaßt, über mich den Stab brechen zu dürfen – ihr werdet büßen. Ihr werdet diese Stunde verfluchen!“
Der Bandit riss sich los, sprang einen Schritt nach vorn und wirbelte herum. Sein Blick verkrallte sich an McQuade, der in vorderster Reihe im Zuschauerraum stand. „Und dich, dreckiger Menschenjäger, schicke ich allen anderen voraus in die Hölle. Du wirst es bereuen, dass du mich nach Tucson vor dieses Gericht geschleppt hast. Ja, du wirst heulen und mit den Zähnen knirschen. Das ist ein Versprechen.“
„Fort mit ihm!“, schnarrte der Richter ungeduldig, und sein Holzhammer knallte auf den Tisch. „Schafft dieses Subjekt in die Zelle, wo Tanner bleibt, bis er gehängt wird!“
„Auch du, Richter …“
Calem Tanner konnte seine Drohung nicht zu Ende sprechen, denn die Deputies packten ihn mit harten Händen und schleppten ihn ohne viel Federlesen davon.
„Ihr werdet es büßen!“, brüllte der Bandit mit kippender Stimme.
Nachdem ihn die Deputies aus dem Gerichtssaal entfernt hatten, erhob sich Gemurmel. Der Richter verließ den Saal durch eine Tür hinter seinem Tisch. Die Mitglieder der Jury und die Zuschauer strebten dem Ausgang zu. Auch McQuade verließ das Courthouse. Gray Wolf, der auf dem Vorbau lag, erhob sich, dehnte seinen muskulösen Körper und gähnte laut. „Go on, Partner“, forderte der Kopfgeldjäger den Hund auf, ihm zu folgen.
„Einen Moment, McQuade!“
Die Stimme holte den Texaner ein. Er drehte sich um und sah Troy Howell, den County Sheriff auf sich zukommen. Howell war ein Mann Ende der vierzig, schwergewichtig und einen halben Kopf größer als der Kopfgeldjäger, den man mit sechs Fuß und zwei Zoll auch nicht gerade als klein bezeichnen konnte. Die Haare des Gesetzeshüters begannen sich schon grau zu färben. Sein Gesicht wies eine gesunde Farbe auf. Die blauen Augen blickten wachsam und verrieten Intelligenz.
Einen Schritt vor McQuade hielt der County Sheriff an und sagte: „Sicher wird innerhalb der nächsten fünf Minuten jemand in dieser Stadt aufs Pferd klettern, um Jedidiah Tanner und dem Rest dieser verdammten Brut Bericht zu erstatten.“
„Es ist sowieso verwunderlich“, erwiderte McQuade, „dass weder der alte Tanner noch einer seiner Söhne zum Prozess erschienen sind.“
„Sie sind nicht gekommen, weil sie sich an fünf Fingern abzählen konnten, wie das Urteil lauten wird. Doch jetzt, da ihnen nur noch eine Woche Zeit verbleibt, werden sie sicherlich aktiv. Darum dürfen wir Calems Drohung nicht auf die leichte Schulter nehmen.“
„Ich kenne Jed Tanner und seine anderen Söhne nicht persönlich“, erklärte McQuade und zuckte mit den Achseln. „Tucson verfügt über ein Dutzend Gesetzesmänner und über eine Bürgermiliz. Die Tanners werden es sich zweimal überlegen, ob sie hier für Furore sorgen sollen.“
„Es sind verkommene Subjekte, denen Niedertracht und Skrupellosigkeit in die Gesichter geschrieben ist. Keiner von denen schreckt vor irgendeiner Schandtat zurück. Aber Sie haben recht, McQuade. Ich werde die Bürgerwehr mobilisieren und sowohl mein Büro als auch das des Town Marshals in Bereitschaft versetzen.“
„Dann kann kaum etwas schief gehen“, murmelte McQuade.
„Bleiben Sie bis zur Hinrichtung in Tucson?“, fragte Howell den Kopfgeldjäger.
McQuade schüttelte den Kopf. „Ich habe den Steckbrief Hondo Jordans von der Anschlagtafel Ihres Büros genommen, Sheriff. Es wird Zeit, dass diesem Zeitgenossen das blutige Handwerk gelegt wird.“
„Sicher. Wann verlassen Sie die Stadt?“
„Morgen.“
„Falls wir uns nicht mehr sehen – Hals und Beinbruch, McQuade. Ich kann Ihnen auch eine erfolgreiche Jagd wünschen. Geben Sie auf sich Acht.“
„Mein Partner ist für mich die beste Lebensversicherung, Sheriff“, erklärte McQuade und kraulte Gray Wolf zwischen den Ohren. Der Wolfshund drängte sich gegen sein Bein. Jetzt begann er leise zu fiepen.
„Klar.“ Der Ordnungshüter zeigte ein grimmiges Grinsen. „Gott sei mit Ihnen, McQuade. Und er sei auch mit uns, bis in einer Woche alles über die Bühne gebracht ist. Jedidiah Tanner und seine verwahrloste Satansbrut werden nicht tatenlos zusehen, das wir Calem unter den Galgen führen.“
Der Sheriff reichte dem Texaner die Hand, dann wandte er sich ab, stieg die Stufen zur Straße hinunter und ging schnell davon.
Auf der staubigen Fahrbahn ballte sich die Hitze. Tucson lag unter einem flirrenden Hitzeschleier. Kein Windhauch regte sich. Die Sonne stand fast senkrecht über der Stadt. Am Himmel, der sich von einem Horizont zum anderen spannte, zeigten sich sporadisch kleine, weiße Wolken.
McQuade beschloss, in den Saloon zu gehen und sich ein saftiges Steak zu gönnen.
*
Es war finster. Die Glocke auf dem Turm der Methodistenkirche in Tucson hatte zehn Mal geschlagen. McQuade trat auf den Vorbau des Saloons und atmete tief durch. Seine Lungen füllten sich mit frischem Sauerstoff. Er blieb beim Vorbaugeländer stehen, schwenkte seinen Blick die Straße hinauf und hinunter, dann sprang er auf die Fahrbahn und wandte sich nach links. Der Kopfgeldjäger wollte am Morgen sehr frühzeitig aufbrechen und sich noch einmal ausschlafen.
Unter seinen Stiefelsohlen knirschte der Staub. Das brüchige Leder seiner alten Stiefel knarrte leise, melodisch klirrten die Sporen. Gray Wolf glitt lautlos neben dem Kopfgeldjäger her. Er bewegte sich auf einer der vielen Seitenstraßen Tucsons. Jetzt passierte er die Mündung einer Gasse. Zwischen den Gebäuden mutete die Dunkelheit geradezu stofflich und greifbar an. In diesem Moment wurde der Texaner von der anderen Fahrbahnseite angerufen. „He, McQuade!“
Der Kopfgeldjäger wirbelte halb herum, seine Hand fuhr zum Colt. Obwohl es auf der Straße hell genug war, konnte er niemand sehen. Er ging blitzschnell auf das linke Knie nieder. „Gray Wolf!“ Die Rechte McQuades hatte sich um den Knauf des Sechsschüssers verkrampft. Sein Daumen lag auf der Hammerplatte.
Die Pfoten des Wolfshundes schienen kaum den Boden zu berühren, als er über die Straße jagte.
Hinter sich vernahm McQuade ein knirschendes Geräusch. In dem Moment jedoch, als ihm siedendheiß bewusst wurde, dass sich ihm die Gefahr von hinten näherte, war es für ihn zu spät. Etwas knallte mit stählerner Härte gegen seinen Kopf, vor seinen Augen schien die Welt zu explodieren, instinktiv wollte er sich hochdrücken, aber da erhielt er schon den zweiten Schlag. Er schien in ein tiefes schwarzes Loch zu stürzen, dann riss sein Denken. Seinen Aufprall auf der Straße spürte er schon nicht mehr.
Als McQuade erwachte und die Augen öffnete, glaubte er im ersten Moment, der Boden glitte unter ihm dahin. Aber da war auch das dumpfe Pochen von Hufen, und bei dem Kopfgeldjäger stellte sich die Erinnerung ein. Er hing über dem Rücken eines Pferdes. Das Land, über das sie ritten, wurde vom Mond- und Sternenlicht versilbert. In McQuades Schädel dröhnte und hämmerte es. Das Rauschen in seinen Ohren war sein Blut, das durch seine Adern jagte. Für einen Moment drohte er wieder in den grauen Nebeln der Benommenheit zu versinken, und er schloss die Augen, um so dem Schwindelgefühl entgegenzuwirken.
Nach und nach überwand der Kopfgeldjäger seine Not. Es waren drei Reiter, die ihn begleiteten. Sie ritten schweigend. Das Klirren der Gebissketten, das Pochen der Hufe, das Knarren des Sattelleders sowie das Schnauben und Prusten der Pferde waren die einzigen Geräusche, die von der kleinen Gruppe ausgingen. McQuades Hände waren auf den Rücken gefesselt. Sie hatten ihn am Sattel festgebunden, damit er nicht abrutschen konnte.
Der Kopfgeldjäger ahnte, wer die drei Kerle waren, die ihn überwältigt und entführt hatten, nämlich die Brüder von Calem Tanner, den das Gericht mittags zum Tode verurteilt hatte.
McQuade verriet nicht, dass er bei Besinnung war. Seine schmerzenden Rippen ignorierte er. Er fragte sich, was aus Gray Wolf geworden war, und nagende Sorge um den Hund stellte sich bei ihm ein.
Sie ritten über Grasland. An manchen Stellen war das Gras so hoch, dass es das Gesicht McQuades streifte. Meile um Meile ging es dahin. Der Texaner wusste, dass die Tanners irgendwo in den Tucson Mountains auf einer halb verfallenen Ranch lebten. Man hatte ihm erzählt, dass sie dort hausten wie die wilden Tiere. Wovon sie ihren Lebensunterhalt bestritten, wusste kein Mensch.
Das Grasland endete, der Boden wurde sandig, und oftmals klirrten die Hufe auf steinigem Untergrund. Sie ritten zwischen die Hügel. McQuade hatte keine Ahnung, wie lange sie schon unterwegs waren. Er hatte, nachdem er bewusstlos gewesen war, jeglichen Zeitbegriff verloren.
Er glaubte nicht daran, dass sie ihn zu ihrer Ranch brachten. Denn spätestens am Morgen würde man in Tucson feststellen, dass er entführt worden war, und ein Aufgebot würde sich sofort auf den Weg in die Tucson Mountains machen.
Was haben die Kerle vor?, fragte er sich. Warum haben sie dich nicht gleich umgelegt? Was soll das werden?
Irgendwann erklang eine heisere Stimme: „Wir sind da.“
Die Pferde wurden angehalten, die Reiter saßen ab. Einer von ihnen zerschnitt die Schnüre, mit denen McQuade am Sattel festgebunden war. Dann fuhr er mit dem Arm unter die Beine des Kopfgeldjägers, schleuderte sie in die Höhe und McQuade stürzte kopfüber vom Pferd. Mit ungebremster Wucht krachte er auf den Boden. Er hatte das Gefühl, der Schädel müsse ihm zerspringen. Ein gurgelnder Laut kämpfte sich in seiner Brust hoch und brach aus seiner Kehle.
Türscharniere knarrten rostig, eine grollende Stimme rief: „Habt ihr ihn?“
„Klar, Dad.“
McQuade lag auf der Seite. Mit verschleiertem Blick sah er Laternenschein auf sich zukriechen. Leises Quietschen war zu hören. Es verursachte die Laterne, die am Drahtbügel schaukelte. Der Lichtschein huschte über ihn hinweg. Dann berührte ihn eine Stiefelspitze, ein Tritt, und er rollte auf den Rücken.
„Dieser dreckige Bastard!“, knirschte Jedidiah Tanner. „Ich kann es kaum erwarten, ihm das Fell über die Ohren zu ziehen. – Kannst du mich hören, McQuade?“
Der Kopfgeldjäger, der mit geschlossenen Augen am Boden lag, sagte sich, dass es keinen Sinn hatte, länger den Besinnungslosen zu spielen. „Natürlich. Du bist Jed Tanner, nicht wahr?“
„Ja, ich bin der Mann, dessen ältesten Sohn du an seine Henker ausgeliefert hast!“, kam es mit hassverzerrter Stimme zurück. Jedidiah Tanner versetzte McQuade einen brutalen Tritt gegen die Seite. Der Kopfgeldjäger ächzte. Der Schmerz zuckte bis unter seine Hirnschale. „Du wirst es bitter bereuen, dass du dich mit mir und meinen Jungens angelegt hast, Menschenjäger. Fang an zu beten. Viel Zeit wirst du schätzungsweise nicht mehr haben.“
Jedidiah Tanner wandte sich an seine Söhne. Es waren dunkelhaarige, bärtige Typen, deren Augen im Laternenschein glitzerten, Kerle, von denen etwas Animalisches ausging und die nur aus Härte, Gewissenlosigkeit, Niedertracht, Brutalität und allem, was grausam und unmenschlich macht, zusammengesetzt waren.
„Bringt ihn in die Hütte beim Bach“, gebot er. „Ihr bewacht ihn abwechselnd. Du, Aaron, reitest morgen nach Tucson und übergibst dem Sheriff meinen Brief. Sag ihm, dass ich, wenn Calem bis spätestens übermorgen Mittag nicht bei uns ist, McQuade ein Ohr abschneiden werde. Und er soll sich hüten, ein Aufgebot loszuschicken. McQuade würde es auszubaden haben.“
„Ich glaube nicht, dass sich Howell erpressen lässt!“, knurrte einer der Tanner-Söhne skeptisch.
„Wir werden es sehen“, versetzte Jedidiah Tanner. „Du reitest jedenfalls.“
„Dein Sohn hat recht!“, presste McQuade hervor. „Howell lässt sich ganz sicher nicht erpressen. Den Ritt nach Tucson kann er sich sparen.“
Der Kopfgeldjäger erntete einen derben Tritt gegen die Rippen, Jedidiah Tanner giftete: „Du hältst das Maul, Menschenjäger, oder ist stopfe es dir mit Pferdemist. – Vorwärts, Jungs, setzt ihn auf den Gaul und haut ab.“
„Was habt ihr mit meinem Hund gemacht?“, fragte McQuade und stellte damit die Frage, die ihn am meisten beschäftigte.
„Die verdammte Bestie hat meinen Gewehrkolben zu spüren gekriegt“, knurrte einer. „Wahrscheinlich habe ich diesem Untier den Schädel eingeschlagen. Es ist sicher nicht schade um das Mistvieh. Es wartet in der Hölle auf dich, McQuade.“
Der Kopfgeldjäger wurde auf die Beine gezerrt und aufs Pferd gehoben. Sie fassten ihn nicht mit Samthandschuhen an. Die drei Brüder schwangen sich in die Sättel. Einer angelte sich die Zügel des Pferdes, auf dem McQuade saß.
Jedidiah Tanner gebot seinen Söhnen, zu warten. Er kehrte ins Haus zurück, kam gleich darauf zurück und reichte seinem Sohn Aaron einen Umschlag. „Das ist der Brief für den Sheriff. Sag ihm, dass wir es höllisch ernst meinen, mein Junge. Sag ihm, dass ich nicht zulassen werde, dass mein Fleisch und Blut am Galgen endet.“
„Ich werde es ihm bestellen“, versicherte der Bursche grollend.
Sie trieben die Pferde an.
Dem Kopfgeldjäger war klar, dass er dem Tod wieder einmal ins höhnisch grinsende Auge blicken musste.
*
Als der Morgen graute, erreichten sie die Weidehütte. Sie war seit vielen Jahren dem Verfall preisgegeben. Ein Stangencorral war nahezu gänzlich zusammengebrochen. Es war dunstig und kühl. Aus dem Bach stieg Nebel wie weißer Rauch. Leise säuselte der Nachtwind. Die Sterne begannen zu verblassen und im Osten verfärbte sich über dem bizarren Horizont der Himmel schwefelgelb.
Die Pferde wurden in den Stand gezerrt. Die Brüder saßen ab und einer riss McQuade aus dem Sattel. Wieder krachte er auf den harten Boden. Wieder glitten die Nebel der Benommenheit heran und einen Moment lang hatte er das Gefühl, in den Abgrund einer erneuten Besinnungslosigkeit gerissen zu werden.
Nachdem sie die Pferde angebunden hatten packten sie ihn und zerrten ihn auf die Beine. Er wurde in die Hütte bugsiert. Es roch nach Moder. McQuade konnte die Umrisse zweier Betten, eines Tisches und zweier Stühle wahrnehmen. Einer der Brüder rückte einen der Stühle zurecht, die beiden anderen nötigten McQuade, sich zu setzen. Die Hände des Kopfgeldjägers waren taub, denn die enge Fesselung verhinderte, dass sie richtig durchblutet wurden. Seine Handgelenke brannten, denn sie waren von dem rauen Hanf der Schnur aufgescheuert. Es war McQuade nicht gelungen, die Fessel zu lockern.
Mit einem Lasso fesselten sie ihn an die Lehne des Stuhles. Einer der Kerle verschwand nach draußen, kam aber gleich darauf mit einer halbleeren Flasche Brandy zurück. Mit den Zähnen zog er den Korken heraus, dann trank er und reichte die Flasche einem seiner Brüder. Der hielt McQuade die Öffnung der Flasche unter die Nase. „Willst du auch mal, Menschenjäger?“, grunzte er, dann begann er zu lachen, trank gierig und keuchte: „Warte nur, Menschenjäger. Sie werden Calem laufen lassen. Dann wird er kommen. Und dann schlägt dir die Stunde.“ Wieder lachte er. Es waren giftige Laute, die aus seinem Mund quollen. Dann trank er noch einen Schluck, schmatzte widerlich und gab die Flasche an den dritten Bruder weiter. „Ich bin übrigens Joshua“, sagte er zu McQuade. „Calem steht mir sehr nahe. Du bist ziemlich harsch mit ihm umgesprungen. Darum …“
Er schlug McQuade die flache Hand ins Gesicht. Der Kopf des Kopfgeldjägers wurde auf die Schulter gedrückt. Die Schmerzen in seinem Kopf drohten zu eskalieren. Eine Woge von Benommenheit spülte ihn hinweg, ebbte aber schnell ab und er konnte wieder klar denken.
Joshua setzte sich auf den anderen Stuhl. Jener der drei Brüder, der von ihm die Flasche Brandy erhalten hatte, ließ sich auf die Kante eines der Betten nieder. Der dritte der Kerle warf sich rücklings auf das zweite Bett und schob die Hände hinter den Kopf. „Sobald die Sonne aufgeht reite ich“, stieß er hervor. „Zur Hölle damit!“, setzte er sogleich hinzu. „Ich habe mir die ganze Nacht um die Ohren geschlagen …“
„Denk nicht darüber nach“, knurrte Joshua Tanner. „He, McQuade!“
„Was willst du?“ Die Wange des Kopfgeldjägers brannte noch von der Maulschelle.
„Warum tust du das?“
„Was meinst du?“
„Weshalb jagst du Männer? Ist es nur des Geldes wegen?“
„Die Männer, die ich jage, sind Geschwüre im Antlitz unserer schönen Mutter Erde“, kam es sarkastisch von McQuade. „Eiterbeulen, die …“
Mit einem Ruck kam Joshua Tanner hoch, ein Schritt, und er stand vor McQuade. Seine Hände schossen vor und packten den Kopfgeldjäger an den Revers des braunen Staubmantels. „Mein Bruder ist also eine Eiterbeule!“, zischte er und sein heißer Brandyatem schlug dem Kopfgeldjäger ins Gesicht. Angewidert hielt er die Luft an.
„Er hat ein Farmerehepaar ermordet“, sagte McQuade, nachdem er die verbrauchte Atemluft ausgestoßen hatte.
„Der Narr hat meinen Bruder mit einem Gewehr bedroht. Es war Notwehr.“
„Das behauptet Calem. Als ich ihn schnappte, ritt er noch immer das Pferd, das er auf der Farm gestohlen hatte. Aber selbst wenn er den Farmer in Notwehr erschossen hätte: Warum tötete er die Frau?“
Joshua Tanners Hände lösten sich von McQuades Mantel. Der Bursche richtete sich auf. „Sicher war sie verdammt hässlich“, knurrte er verächtlich. „Außerdem waren es nur dreckige Schollenbrecher. Sie zerstören das Weideland. Man muss sie ausrotten. Sie versetzen den Viehzüchtern nach und nach den Todesstoß.“
McQuade schwieg. Diese Aussage war bezeichnend für die niedrige Gesinnung der Tanners. Sicherlich aber war es auch Ausdruck einer Primitivität, die ihresgleichen suchte.
„Warum sagst du nichts?“
„Weil mir darauf nichts einfällt.“
Joshua Tanner schwang herum, ging zur Tür und stieß sie auf. Mit dem Zwielicht des beginnenden Tages strömte ein kühler Luftzug in die Hütte. Der bärtige Bursche trat ins Freie. Ein Pferd wieherte. „Die Sonne geht auf, Aaron.“
„Ja, ja, schon gut.“ Der Gerufene erhob sich ächzend, rückte seinen Revolvergurt zurecht und murmelte eine Verwünschung. „Warum hat Dad keinen von euch als Boten bestimmt?“, regte er sich auf.
„Weil du die jüngsten Knochen von uns allen hast“, sagte der dritte Bruder, der mit der Brandyflasche auf dem Bett lag, lachend.
Aaron Tanner stapfte nach draußen. McQuade konnte die Brüder vor der Hütte sprechen hören, verstehen konnte er nichts. Gleich darauf erklangen Hufschläge, die sich schnell entfernten.
Das Verhältnis stand nur noch zwei zu eins. Kein schlechtes Verhältnis, wie McQuade fand. Er musste die beiden Brüder nur dazu bringen, ihn loszubinden und seine Handfessel zu öffnen.
Joshua Tanner kam wieder in die Hütte.
McQuade sagte: „Ich habe Hunger und Durst. Ihr wollt mich doch nicht verhungern oder verdursten lassen, bis euer Bruder mit einer Antwort des Sheriffs aus Tucson zurückkehrt.“
„Wir haben nur Wasser und Pemmican“, gab Joshua Tanner zu verstehen.
„Ich bin nicht anspruchsvoll.“
„Was meinst du, Hiram?“
Der Bursche auf dem Bett richtete den Oberkörper auf, stellte die Brandyflasche, deren Hals er mit der linken Hand umklammerte, auf seinen Oberschenkel und antwortete: „Calem will sicher, dass der Menschenjäger im Vollbesitz seiner körperlichen und geistigen Kräfte ist, wenn er ihn in die Hölle schickt.“ Er kicherte dümmlich. „Schließlich soll McQuade ja etwas davon mitbekommen. Das verleiht das ganzen Sache ja wohl erst die Würze.“
Der Kopfgeldjäger schöpfte Hoffnung.
Diese Flamme der Zuversicht, die vorsichtig zu lodern begonnen hatte, sank jedoch sofort wieder zusammen, als Joshua Tanner grollte: „Na schön, von mir aus. Aber denk nur nicht, dass ich deine Fesseln löse, Menschenjäger. Ich werde dich füttern.“
Der bärtige Bursche ging wieder aus der Hütte, um gleich darauf mit einer Wasserflasche und einem Päckchen Pemmican zurückzukehren. McQuade presste die Lippen zusammen. Die beiden Kerle waren sicher nicht besonders intelligent. Aber ein langes Leben außerhalb von Recht und Ordnung und ein untrüglicher Instinkt für Gefahr, über den normalerweise nur wilde Tiere verfügen, hatte sie vorsichtig, wachsam und misstrauisch werden lassen.
„Ich werde dich jetzt füttern wie ein Baby, Menschenjäger“, sagte Joshua Tanner und grinste spöttisch. „Betrachte es als Henkersmahlzeit.“
*
Es war später Nachmittag, als das Pochen von Hufen in die Hütte sickerte. Joshua und Hiram Tanner lagen auf dem Bett und dösten. McQuade war nach wie vor auf dem Stuhl festgebunden. Er hatte weiterhin versucht, seine Handfessel zu lockern, doch es war vergeblich gewesen. Das Brennen, das die Reibung der groben Schnur auf seiner Haut hervorgerufen hatte, war fast unerträglich.
Die Brüder erhoben sich. Joshua Tanner zog den Revolver und ging zum unverglasten Fenster, spähte nach draußen und sagte: „Es ist unser Kleiner.“ Er rammte den Sechsschüsser ins Holster. „Bleib in der Hütte und gib auf McQuade Acht, Bruder.“ Nach dem letzten Wort ging er nach draußen.
Die Hufschläge wurden lauter, brachen vor der Hütte ab, und McQuade vernahm Joshua Tanners Stimme: „Was hast du erreicht in Tucson?“
„Howell meinte, er müsse erst darüber nachdenken. Wenn er sich dazu entscheidet, Calem freizulassen, dann so rechtzeitig, dass er morgen Mittag auf der Ranch eintreffen kann.“
„Weiß Dad Bescheid?“
„Ja.“
In dem Moment dröhnte ein Schuss. In die Detonation mischte sich ein Aufschrei, dann war ein dumpfer Aufprall zu hören. „Gott verdamm mich!“, brüllte jemand, dann peitschte wieder ein Gewehr.
Hiram Tanner hatte es regelrecht herumgerissen. Seine Rechte war auf den Knauf des Revolvers gefallen und umklammerte ihn. Die Spannung krümmte seine Gestalt. Draußen war das letzte Echo des zweiten Schusses verklungen. Und plötzlich kam trommelndes Hufgetrappel auf. Es entfernte sich rasend schnell und verschmolz mit einem weiteren Schuss.
Und dann jagte Gray Wolf zur Tür herein.
Hiram Tanner riss den Colt aus dem Holster, doch ehe er ihn hochschwingen konnte, verbiss sich Gray Wolf in seinem Unterarm. Hiram Tanner brüllte auf wie ein waidwunder Bisonbulle. Seine Hand öffnete sich und der schwere Sechsschüsser klatschte auf den festgestampften Boden. Gray Wolf zerrte am Arm Tanners, ein aggressives Grollen der Kehle.
Das Hufgetrappel wurde leiser und leiser und war schließlich nur noch als entferntes Rumoren zu vernehmen, als weitere Hufschläge aufkamen und bald wie eine Brandungswelle heran schlugen. Bei der Hütte endeten sie, eine Gestalt verdunkelte die Tür. Im nächsten Moment erkannte McQuade den Mann. Es war ein Deputy aus dem Büro des County Sheriffs. Er hielt den schweren, langläufigen Coltrevolver in der Rechten und richtete ihn auf Hiram Tanner, dessen Gesicht vom Schmerz verzerrt war und in dessen weit aufgerissenen Augen nur Verzweiflung zu lesen war.
Gray Wolf hatte die Situation im Griff. Er zerrte am Arm Hiram Tanners, und sein Knurren wurde mit jeder Sekunde wütender.
Der Deputy holte sich den Revolver Hiram Tanners, steckte ihn in den Hosenbund und zerschnitt dann McQuades Fesseln. Als die Handfessel fiel, schoss das Blut mit Vehemenz in McQuades Hände. Seine Fingerkuppen begannen zu stechen. Und während er die Hände massierte, sagte der Deputy: „Ich bin Hilfssheriff Cole Warren. Wir fanden heute Morgen in der Seitenstraße Ihren Stetson und Ihren Revolver, McQuade. Am Straßenrand saß Gray Wolf und es hatte den Anschein, dass er auf Sie wartete. Irgendwann im Laufe des Vormittags tanzte dann Aaron Tanner an und forderte die Freilassung seines Bruders. Der Sheriff erklärte, dass er sich das gut überlegen müsse. Mit Hilfe Gray Wolfs folgte ich Aaron Tanner erst auf die Farm, wo er seinem Vater Bericht erstattete, dann führte er mich hierher. Ich habe Joshua eine Kugel verpasst. Aaron ist allerdings die Flucht gelungen. Er wird den alten Tanner warnen.“
Der Deputy zog den Revolver Hiram Tanners aus dem Hosenbund und reichte ihn McQuade. Der nahm ihn und stieß ihn ins Holster. Dann befahl er: „Lass ihn los, Gray Wolf. Aus, Partner!“
Sofort öffnete der graue Wolfshund seinen mächtigen Fang und wich zwei Schritte zurück. Vom Unterarm Hiram Tanners tropfte Blut. Seine linke Hand umklammerte ihn. Der Bursche atmete stoßweise, und zwischen den Atemzügen entrangen sich ihm Laute, die sich anhörten wie trockenes Schluchzen.
Gray Wolf ließ sich auf die Hinterläufe nieder. Sein drohendes Knurren war leiser geworden und hatte an Aggressivität verloren, aber er ließ Hiram Tanner nicht aus den Augen und schien nur darauf zu warten, dass dieser eine falsche Bewegung machte.
„Danke“, murmelte McQuade, an Cole Warren gewandt. „Ist Joshua Tanner tot?“
„Ich denke schon.“
McQuade ging nach draußen und beugte sich über die reglose Gestalt im Boden. Joshua Tanner hatte die Kugel in die rechte Brustseite bekommen. Sein Hemd hatte sich über der Brust mit Blut voll gesaugt. Sein Puls ging noch ganz schwach.
Als sich McQuade aufrichtete, stolperte Hiram Tanner ins Freie. Cole Warren folgte ihm. Gray Wolf glitt ebenfalls durch die Tür.
„Joshua Tanner lebt“, murmelte McQuade. „Bis in die Stadt wird er es nicht schaffen. Aber wir können ihn auf die Ranch zu seinem Vater bringen.“
„Wir müssen ihn notdürftig versorgen und eine Schleppbahre bauen“, versetzte der Deputy. „Wenn wir ihn zu Jed Tanner bringen, werden wir Ärger bekommen, McQuade.“
„Meine Mutter kann ihm vielleicht helfen“, presste Hiram Tanner mit schmerzverzerrter Stimme hervor. „Sie wurde, als sie noch keine zwanzig war, von den Apachen verschleppt und lebte bei ihnen fast fünf Jahre, bis die Armee sie befreite. Sie versteht sich auf Wundbehandlung.“
„Dann wollen wir keine Zeit vergeuden“, gab McQuade zu verstehen.
*
Als sie auf der verwahrlosten Ranch ankamen, trafen sie dort nur auf Lee Ann Tanner, die Gattin Jed Tanners und die Mutter seiner missratenen Söhne. Sie war Anfang fünfzig, sah aber mindestens um zehn Jahre älter aus. Graue, strähnige Haare rahmten ein verhärmtes Gesicht ein. Die grauen Augen blickten müde und freudlos, die schmalen Lippen waren welk. Ihr Dasein an der Seite Jedidiah Tanners war ein einziger Überlebenskampf gewesen. Sie kannte keine Freuden und hatte nur die Tiefen des Lebens kennen gelernt.
McQuade und der Deputy parierten die Pferde. Cole Warren führte das Tier, das die Schleppbahre zog, auf der Joshua Tanner lag. Hiram Tanner hockte zusammengekrümmt auf dem vierten Pferd. Seine Augen glänzten fiebrig, in seinen Mundwinkeln zuckte es. Er war nur noch ein kläglicher Haufen Elend.
„Wo ist Ihr Mann, Ma’am?“, fragte McQuade die Frau, die vor der Tür des heruntergekommenen Farmhauses stand. Den Eindruck, den sie vermittelte, konnte man nur als ärmlich und Mitleid erregend bezeichnen.
„Sie sind weg“, antwortete Lee Ann Tanner. Sie setzte sich in Bewegung und ging, wie von Schnüren gezogen, zu der primitiven, aus zwei Stangen und einer Decke gefertigten Schleppbahre, auf der ihr Sohn lag. „Ihr – ihr nehmt mir alle meine Kinder“, murmelte sie und beugte sich über Joshua Tanner.
McQuade ließ seinen Blick in die Runde schweifen. Er verspürte Anspannung. Sie boten sich hier im Hof der Ranch dar wie auf einem Präsentierteller. Der Kopfgeldjäger fühlte sich absolut unwohl in seiner Haut.
„Joshua ist tot“, murmelte Lee Ann Tanner, richtete sich auf und wandte sich Hiram Tanner zu. „Was haben sie dir angetan, mein Junge? Was ist mit deinem Arm?“
„Dieses elende graue Biest …“
McQuade schwang sich vom Pferd und zog das Gewehr Hiram Tanners, das er sich angeeignet hatte, aus dem Scabbard. Wie mechanisch lud er durch. Es war wie eine Eingebung. Denn fast im selben Augenblick peitschte ein Schuss. Cole Warren kippte nach vorn und stürzte am Hals seines Pferdes vorbei kopfüber zu Boden.
McQuade rannte schon in den Schutz eines ausgetrockneten Tränketroges bei dem kleinen, verwaisten Corral. Wieder knallte ein Schuss, die Kugel aber verfehlte den Kopfgeldjäger. Dann lag er in Deckung. Gray Wolf jagte mit langen Sätzen davon. Über den Rand des Wassertroges hinweg starrte der Kopfgeldjäger nach Norden, wo Hügel buckelten, auf denen genügend Strauchwerk wuchs, um einem Heckenschützen Schutz zu bieten. Vor einem dieser Büsche zerflatterte eine kleine Pulverdampfwolke.
Hiram Tanner war vom Pferd gesprungen, zu seiner Mutter gelaufen und nun zerrte er sie hinter sich her ins Farmhaus.
McQuade begann zu feuern. In rasender Folge jagte er ein halbes Dutzend Kugeln in den Strauch hinein, in dem er einen der Tanners vermutete. Gray Wolf, der in diese Richtung gelaufen war, verschwand in einem Hügeleinschnitt zwischen dem Buschwerk.
Auf dem Hof stampften die Pferde unruhig, sie schnaubten und prusteten, eines der Tiere scharrte mit dem linken vorderen Huf im Staub.
Plötzlich begann Cole Warren zu kriechen. Er hatte den Kopf gehoben, seine Finger verkrallten sich im Boden. Die Anstrengung verzerrte sein Gesicht.
„Liegen bleiben!“, rief McQuade. „Bleiben Sie …“
Seine weiteren Worte gingen unter im Peitschen eines Schusses. Das Gesicht des Deputys fiel in den Staub, seine Gestalt erschlaffte.
McQuade biss die Zähne zusammen, dass es schmerzte. Hart traten die Backenknochen in seinem Gesicht hervor.
„Das war für meinen Bruder Joshua!“, erklang im Farmhaus Hiram Tanners schrilles Organ. „Und auch dich schicken wir in die Hölle, Menschenjäger. Deinen Kadaver werde ich in der Wildnis den Raubtieren als Mahlzeit servieren.“
„Für den Mord an dem Deputy wirst du hängen, Hiram!“, versprach McQuade.
„Warren wird zusammen mit dir in der Wildnis verrotten!“, kreischte Hiram Tanner. „Wer will mich anklagen? Es wird niemand geben, der bezeugt, dass ich es war, der dem dreckigen Sternschlepper das Tor zur Hölle aufgestoßen habe.“
„Ich werde dafür sorgen, dass du hängst!“, rief McQuade mit einer Stimme, die den Klang von zerspringendem Eis aufwies.
Es klang wie ein Schwur.
Hiram Tanner jagte zwei Schüsse in die Wand des Tränketroges. Die Detonationen wurden über McQuade hinweggeschleudert und stießen hinaus in die Ödnis. Und plötzlich fielen auch zwischen den Hügeln Schüsse. Aber sie galten nicht dem Kopfgeldjäger, sondern dem Wolfshund. Ein schriller, geradezu unmenschlicher Aufschrei erklang, der jäh abriss.
McQuade setzte alles auf eine Karte. Blitzschnell kam er hoch, mit einigen kraftvollen Sätzen erreichte er eines der Pferde, seine Linke umklammerte das Sattelhorn, ein schriller Schrei – der Jagdschrei eines Pumas -, stieg aus der Kehle des Texaners und er versetzte das sowieso schon nervöse Tier in Panik. Aus dem Stand sprang es an, der Kopfgeldjäger wurde mitgerissen und stieß sich ab. Er landete im Sattel, hämmerte dem Pferd die Sporen in die Seiten und beugte sich weit nach vorn.
Sowohl vom Hügel als auch aus dem Haus wurde er unter Feuer genommen. Aber die Tanners schossen viel zu hastig und zielten kaum. Eine Kugel streifte das Pferd an der Kruppe und versetzte es noch mehr in Panik. Die Gegend schien an McQuade vorbeizufliegen. Schließlich stob er zwischen die Hügel und Felsen im Westen der Farm und war in Sicherheit.
Zwischen den teils eng zusammenstehenden Felsen mit den schroffen Wänden nistete schon die Abenddämmerung. Die Sonne war untergegangen und ihr Widerschein färbte den Westhimmel glühend rot. Einige Wolkenbänke hatten sich vor diese Kulisse geschoben. Jetzt, da die Detonationen verhallt waren, mutete alles ruhig und friedlich an. Die Natur schien den Atem anzuhalten.
Die Ruhe war trügerisch.
Ein Drama bahnte sich an. Die Regie führte der Tod persönlich. Sein Assistent war der Teufel …
McQuade trieb das Pferd schräg einen Abhang hinauf. Einige Yards unterhalb des Hügelrückens stieg er ab, band das Tier an einem verkrüppelten Strauch fest und lief auf die Kuppe. Aus dem Schutz eines Busches beobachtete er die Ranch. Der Anblick der reglosen Gestalt des Deputys ließ in seiner Mundhöhle einen gallenbitteren Geschmack entstehen.
Als McQuade ein Hecheln vernahm, drehte er den Kopf nach links. Gray Wolf kam mit heraushängender Zunge zwischen einigen Sträuchern hervor. Bei McQuade angelangt leckte er ihm einige Male über den Handrücken und fiepte. Der Kopfgeldjäger strich ihm über den Rücken. Der Wolfshund ließ sich nieder.
Der rötliche Schein, den der Sonnenuntergang auf das Land gelegt hatte, verblasste. Die Dunkelheit nahm zu, am Firmament begannen die ersten Sterne zu funkeln. McQuade traute seinen Augen nicht, als er plötzlich zwei Pferde aus einer Hügellücke im Norden ziehen sah. Auf einem der Tiere saß ein Mann. Einzelheiten konnte der Kopfgeldjäger bei den schlechten Lichtverhältnissen nicht erkennen. Er kniff die Augen zusammen, und er glaubte quer über dem Rücken des anderen Tieres eine schlaffe Gestalt hängen zu sehen. McQuade erinnerte sich des grässlichen Schreis, kurz nachdem Gray Wolf zwischen den Hügeln verschwunden war, und ihm war klar, dass er es hier auf der Ranch nur noch mit zwei Gegnern zu tun hatte.
Nach einiger Zeit erhielt der Kopfgeldjäger die Gewissheit, dass es sich bei dem Reiter um Jedidiah Tanner handelte. Bei der leblosen Gestalt über dem Pferderücken konnte es sich nur um Aaron Tanner handeln. Der Klang von Stimmen wehte heran, Jedidiah Tanner stieg mitten im Hof vom Pferd. Er ging zu dem reglosen Deputy hin und versetzte ihm einen Tritt. Dann trat er an die Bahre heran, auf der Joshua Tanner lag. Einige Zeit starrte er auf den Toten hinunter, schließlich stieß er die linke Faust zum Himmel und brüllte: „Hörst du mich, McQuade? Wenn du mich hörst, dann lass dir gesagt sein, dass ich nicht ruhen werde, bis du und die graue Bestie tot sind. Joshua und Aaron! Meine Söhne sind tot. Es gibt keinen Platz auf dieser Erde, an dem ihr euch vor mir verstecken könnt.“