Wenn die Macht der Toten erwacht: Gruselroman Großband 3 Romane 11/2021 - Alfred Bekker - E-Book

Wenn die Macht der Toten erwacht: Gruselroman Großband 3 Romane 11/2021 E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Wenn die Macht der Toten erwacht: Gruselroman Großband 3 Romane 11/2021 von Alfred Bekker Über diesen Band: Dieser Band enthält folgende Romane: Der Totengräber Die Rückkehr des Dämonenjägers Der Todesengel Sie fühlte sich beobachtet, glaubte regelrecht körperlich spüren zu können, wie der Blick eines Fremden auf ihr ruhte. Ich bin nicht allein... Es war eine instinktive Erkenntnis. Sie sah hinaus in das Lichtermeer des nächtlichen Londons. Nebel zog von der Themse herauf. Ein gestaltloses Etwas, das immer neue gespenstische Formen auszubilden schien. Und dann hörte Rabea auf einmal wieder jenes Geräusch, das sie geweckt hatte. Jetzt, da sie es erneut hörte, erinnerte sie sich und erkannte es wieder. Es war das hektische Schlagen schwarzer Schwingen. Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

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Wenn die Macht der Toten erwacht: Gruselroman Großband 3 Romane 11/2021

Alfred Bekker

Published by Alfred Bekker, 2021.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Wenn die Macht der Toten erwacht: Gruselroman Großband 3 Romane 11/2021

Copyright

Alfred Bekker Grusel-Krimi #8: Der Totengräber

Alfred Bekker Grusel-Krimi #8

Der Totengräber

Copyright

1. Kapitel: Das Haus am Friedhof

2. Kapitel:  Der Horror im Keller

3. Kapitel: Die Nacht der Ewigen Lichter

4. Kapitel: Der Unheimliche

5. Kapitel: Böses Erwachen

6. Kapitel: Stimmen aus dem Totenreich

7. Kapitel: Die Toten leben

8. Kapitel: Nächtlicher Spuk

9. Kapitel: Der Geist im Fenster

10. Kapitel: Das Haus am Waldrand

11. Kapitel: Die Nacht der Entscheidung

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Alfred Bekker Grusel Thriller: Die Rückkehr des Dämonenjägers

Dedication

Die Rückkehr des Dämonenjägers

Copyright

Prolog

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Alfred Bekker Grusel-Krimi #14: Der Todesengel

Alfred Bekker Grusel-Krimi #14

Der Todesengel | von Alfred Bekker

Copyright

Teil 1: DER HIRNFRESSER | Prolog | In der Schädelhöhle von Maskatan...

Bangor, Maine... | Einige Wochen später...

Teil 2: MURPHYS DOLCH

New York City...

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Wenn die Macht der Toten erwacht: Gruselroman Großband 3 Romane 11/2021

von Alfred Bekker

Über diesen Band:

Dieser Band enthält folgende Romane:

Der Totengräber

Die Rückkehr des Dämonenjägers

Der Todesengel

––––––––

Sie fühlte sich beobachtet, glaubte regelrecht körperlich spüren zu können, wie der Blick eines Fremden auf ihr ruhte.

Ich bin nicht allein...

Es war eine instinktive Erkenntnis.

Sie sah hinaus in das Lichtermeer des nächtlichen Londons. Nebel zog von der Themse herauf.

Ein gestaltloses Etwas, das immer neue gespenstische Formen auszubilden schien.

Und dann hörte Rabea auf einmal wieder jenes Geräusch, das sie geweckt hatte. Jetzt, da sie es erneut hörte, erinnerte sie sich und erkannte es wieder.

Es war das hektische Schlagen schwarzer Schwingen.

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker (https://www.lovelybooks.de/autor/Alfred-Bekker/)

© Roman by Author / COVER WERNER ÖCKL

© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alfred Bekker Grusel-Krimi #8: Der Totengräber

Alfred Bekker Grusel-Krimi #8: Der Totengräber

Alfred Bekker

Published by Alfred Bekker, 2019.

Table of Contents

UPDATE ME

Alfred Bekker Grusel-Krimi #8

Übernatürliche Wesen bedrohen die Welt. Dämonen suchen die Menschen heim – und mutige Dämonenjäger begegnen dem Grauen...

––––––––

ALFRED BEKKER IST EIN bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

Titebild: Klaus Dill

Der Totengräber

Horror-Roman

von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 115 Taschenbuchseiten.

Ausgerechnet in das verfallene Haus direkt neben dem Friedhof ziehen Brad und seine Mutter ein! Sie haben keine andere Wahl, nachdem Brads Vater bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Zuerst hört Brad ein Stöhnen, dann bemerkt er, dass der Totengräber mitten in der Nacht seltsame Rituale an den Gräbern vollzieht...

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2016 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.

Alles Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

1. Kapitel: Das Haus am Friedhof

Das graue Gemäuer des verwitterten Hauses wirkte düster und abweisend. Eine Aura der Fäulnis und des Verfalls umgab das Gebäude. Der Wind wehte einen leicht modrigen Geruch herüber und die Pflanzen im Vorgarten waren verdorrt, so als hätte jegliches Leben versucht, sich von diesem Ort zurückziehen. Gleich dahinter befand sich eine windschiefe, aus dem gleichen grauen Gestein gebaute Kirche – umgeben von einem Friedhof. Knorrige, seltsam verwachsene Bäume wuchsen dort, die aussahen wie dämonische Wächter, die ein magischer Bannspruch hatte erstarren lassen.

„Es wird dir schon gefallen, Brad!“

„Ja, Mom!“

„Wir machen es uns schön hier!“

„Gleich neben einem Friedhof. Na großartig!“

„Brad...“

„Wenn ich jetzt so ein abgefahrener Gruftie wäre, der sich mit Leichenöl einreibt, das Gesicht weiß anmalt und nachts schwarze Messen auf Friedhöfen feiert – dann würde ich mich freuen!“

„Brad, wir haben das doch alles besprochen.“

„Sicher!“

„Es ist nun mal nicht zu ändern.“

„Ich weiß. Aber das heißt doch noch lange nicht, dass ich es deswegen toll finden muss, oder?“

Brad stieg aus der Beifahrertür des Pick Up, dessen Ladefläche mit Umzugskartons beladen war. Eigentlich sogar überladen, aber da ihr altes Haus nur ein paar Straßen entfernt lag, hatte Mom gesagt, dass man es riskieren könnte. Schneller als zwanzig Meilen die Stunde war sie dennoch nicht gefahren. Mit gutem Grund. Unterwegs war ihnen ein kleinerer Karton  auf die Straße gefallen und sie hatte anhalten müssen, um ihn wieder auf den Kasten des Pick Up zu hieven.

Brad Walker blickte seufzend zur niedrigen, etwa hüfthohen Mauer hinüber, die das Grundstück, das zu ihrem neuen Zuhause gehörte, vom Friedhof trennte.

Ein Mann war damit beschäftigt, die Gräber zu pflegen.

Brad konnte nur seinen gekrümmten Rücken sehen. Der Rest seiner Gestalt verschwand hinter einer Hecke.

„Der Bus zu deiner High School in Stamford fährt gleich hier um die Ecke“, sagte Mom. „Du wirst in Zukunft also etwas länger schlafen können!“

„Super!“, maulte Brad.

„Man muss eben auch das Positive sehen! Trotz allem!“

„Tut mir leid, wenn ich im Moment nicht so’n sonniges Gemüt habe, Mom.“

„Ach, Brad!“

„Eigentlich hatte ich gedacht, ich kann ab nächstem Jahr mit dem Wagen fahren, sobald ich den Führerschein habe“, gab Brad zurück. Aber er ahnte bereits, dass auch daraus nichts werden würde. Das war nur einer von mehreren Träumen, die er wohl begraben musste.

Mom seufzte.

Das allein hätte als Antwort schon völlig ausgereicht. Den Rest konnte Brad sich denken. Er konnte sich gerade noch zurückhalten und verzichtete darauf, ihre Worte mitzusprechen, was sie immer besonders ärgerte. Aber das hatte sie im Moment nicht verdient, fand er. Immerhin ging es ihr ja auch nicht gut.

„Brad, du weißt doch, wie es finanziell um uns steht.“

Brad verdrehte die Augen.

„Ja, sicher...“

„Wir werden den Pick Up verkaufen, sobald der Umzug erledigt ist. Und dann müssen wir mit einem Wagen auskommen.“

Brad schluckte. Seine Stimme klang heiser. „Ja, habe ich mir schon gedacht. Und diesen einen Wagen brauchst natürlich du, um ins Büro zu kommen!“ Zum Glück lagen jetzt erstmal Sommerferien vor ihm, sodass er sich darüber erst in drei Monaten zu ärgern brauchte.

Mrs. Dorothy Walker zögerte mit ihrer Antwort. Sie schluckte. Brad bemerkte, dass ihre Augen rot wurden. Und er selbst fühlte auch einen Kloß im Hals. Dads Tod war erst ein paar Monate her. Er war bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen und lag jetzt auf dem Friedhof von Willington, Connecticut, einer kleinen Stadt direkt an der Küste des Long Island Sound. Bis Stamford waren es nur wenige Kilometer und um nach New York zu kommen, brauchte man anderthalb Stunden mit dem Wagen.

So fern man einen Wagen hat!, dachte Brad etwas verdrießlich. Willington war ein verschlafenes Nest und Brad hätte heulen können, wenn er daran dachte, dass die coolste Stadt der Welt nur anderthalb Autostunden entfernt lag!

Dad hatte ihm einen Wagen versprochen, wenn er die Fahrlizenz in der Tasche hatte.

Aber für die Walkers hatte sich im Handumdrehen alles geändert.

Dad hatte als Anwalt gut verdient, aber er war nie besonders sparsam gewesen. Drei Autos für eine Familie, in der nur zwei Personen einen Führerschein besaßen, waren schon recht üppig. Mit dem Sportflitzer, den er sich selbst zu Weihnachten geschenkt hatte, war Dad dann auf der Küstenstraße Richtung New York State verunglückt. Er war sofort tot gewesen. Man hatte nichts für ihn tun können. Jetzt lag er auf genau jenem Friedhof, in dessen Nachbarschaft Brad und seine Muter notgedrungen gezogen waren, denn die Villa auf der anderen Seite von Willington war nicht mehr zu halten gewesen. Schon zu Dads Lebzeiten war sie eigentlich eine Nummer zu groß und luxuriös im Vergleich zu den finanziellen Möglichkeiten der Familie. Mom hatte zwar neben ihrem Job in einem Steuerberaterbüro noch versucht, i Versicherungen zu verkaufen, aber es war schnell klar geworden, dass es einfach nicht reichte. Das Haus musste verkauft werden.

Die Miete für das alte Haus am Friedhof war nicht einmal halb so hoch wie die Abzahlungsraten für ihr vorhergehendes Zuhause.

„Auf jeden Fall haben wir auch hier Platz genug!“, meinte Mom und versuchte damit etwas positive Stimmung zu verbreiten.

Zweckoptimismus!, erkannte Brad und dachte nicht im Traum daran, da mitzuspielen. Wenn etwas der totale Mist ist, sollte man es auch so nennen! Jedenfalls hatte Brad keinesfalls vor, gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

„Sieht aus wie das Horror-Haus von Norman Bates in den Psycho-Filmen!“, lautete daher Brads bissiger Kommentar. „Pass auf, dass wir im Keller nicht irgendeine mumifizierte Oma finden oder jemand eine präparierte Leiche im Tiefkühlschrank vergessen hat!“

„Ach, Brad!“

„Jedenfalls riecht es selbst hier draußen schon so. Einmal eingetrocknete Leiche mit Spinnwebenüberzug und einer extragroßen Portion Staub gefällig? Kriegst du wahrscheinlich umsonst, wenn du auf den Boden steigst.“

„Jetzt übertreibst du!“

„Das ist noch nett ausgedrückt.“

Mom verdrehte genervt die Augen.

„Brad! Was redest du da? Gib dem Haus `ne Chance!“

Brad zuckte mit den Schultern.

„Klar!“

„Die Alternative ist nur, dass du im Garten dein Zelt aufschlägst!“

„Sicher! Gras und Unkraut stehen so hoch, dass mich dann nicht mal die Zombies bemerken würden, die hier wahrscheinlich nachts aus den Gräbern steigen!“

„Du bist unmöglich!“

„Nein“, sagte er. „Nicht ich bin unmöglich, sondern dieses Haus. Es ist unmöglich, sich in dieser Bruchbude wohl zu fühlen!“

*

SIE GINGEN ZUR TÜR. Bislang hatte nur Mom das Haus von innen gesehen. Brad war in der Schule gewesen, als sie es besichtigt hatte. In der Zwischenzeit wäre zwar durchaus noch Gelegenheit genug gewesen, sich das neue Zuhause doch noch anzusehen, aber irgendetwas in Brad hatte sich zutiefst dagegen gesträubt. So als hätte er es so lange wie möglich vermeiden wollen, diesen Ort aufzusuchen.

Jetzt gab es keine Ausflucht mehr.

Und kein Zurück.

Schmerzlich wurde ihm dies bewusst und er fühlte einen dicken Kloß im Hals, sodass er kaum zu schlucken vermochte.

Vielleicht hatte er es insgeheim einfach nicht wahrhaben wollen, dass diese Bruchbude demnächst sein Zuhause sein sollte.

Mom schloss die Tür auf.

Mit einem Knarren öffnete sie sich.

„Na großartig, wenn jetzt gleich ein Gespenst mit rasselnden Ketten um die Ecke kommt, wundere ich mich über gar nichts mehr!“

„Ein bisschen Öl wird es schon richten, Brad!“

„Wenn man diese Wände zu streng ansieht, fallen sie doch in sich zusammen!“

„Du übertreibst!“

Innen herrschte Halbdunkel. Ein eigenartiger, feuchter und leicht modriger Geruch stieg ihm in die Nase. Wie in einer Gruft!, dachte er. Alles abgestanden und modrig. Wahrscheinlich gammeln irgendwo noch ein paar mumifizierte Ratten vor sich hin... 

Es hatte hier seit Jahren niemand mehr gewohnt und das bedeutete, es konnte Wochen dauern, bis dieser Gestank verschwunden war. Brad drückte auf den Lichtschalter. Nichts geschah.

Tot.

„Toll, Mom! Du kannst gleich den Elektriker anrufen – mal vorausgesetzt, die Telefonleitung ist überhaupt noch in Ordnung – was ich sehr bezweifle.“

„Das Telefon wird erst nächste Woche angeschlossen“, erwiderte Mom. „Aber da wir beide ein Handy haben, dürfte das auch kein Problem sein.“

Brad sah sich die leeren Räume einen nach dem anderen an. Sie waren sehr hoch und jeder Schritt hallte darin auf gespenstische Weise wider.

Mom redete irgendetwas davon, dass man eigentlich zusätzliche Decken einziehen müsste, zum die Heizkosten im Griff zu behalten, aber Brad hörte ihr nicht weiter zu.

Er ging hinauf ins Obergeschoss. Überall lag eine dichte Staubschicht. Spinnenweben spannten quer über die Treppe.

„Mom, das ist ekelhaft hier!“, beklagte sich Brad.

„Wenn alles hergerichtet ist, wird es richtig gemütlich“, antwortete sie aus der Küche.

„Leere Versprechungen!“

„Was hast du gesagt?“

„Nichts, Mom.“

Schließlich hatte Brad das Obergeschoss erreicht. Er betrat eines der Zimmer. Ein Schrank war dort vom Vorbesitzer zurückgelassen worden. Das dunkle Holz wies Verzierungen in Form von chinesischen Drachen auf, deren Gesichter wie die Fratzen missgünstiger Geister wirkten.

Er konnte nicht anders, trat an den Schrank heran und versuchte vorsichtig, ihn zu öffnen. Aber er war verschlossen. Dort wo seine Hände das Holz berührt hatten, entstanden Linien in der Staubschicht. Linien, die für den Bruchteil einer Sekunde die Konturen eines Gesichts zu ergeben schienen.

Brad zuckte zusammen. Er fühlte einen Schauder wie nie zuvor in seinem Leben. Für einen kurzen Moment war er unfähig zu atmen. Der Puls schlug ihm bis zum hals. Ein stöhnender Laut drang von Ferne in sein Bewusstsein.

„Brad!“, kreischte eine Stimme.

„Brad!“

„Brad!“

Erst beim dritten Mal begriff er, dass es seine Mutter war.

Die Konturen im Staub waren plötzlich nicht mehr da.

Fängst du jetzt schon an zu spinnen?, ging es ihm durch den Kopf. Ist vielleicht doch alles ein bisschen viel gewesen in letzter Zeit? Dads Tod und alles, was damit zusammenhängt, hat unser Leben ziemlich durcheinander gewirbelt.

„Brad, warum gibst du eigentlich keine Antwort?“, rief Mom ziemlich sauer. „Muss ich erst die ganze Nachbarschaft zusammenschreien, damit du mir die Gnade einer Gesprächsaudienz gibst?“

Brad atmete tief durch und blickte zur Seite aus dem Fenster, von wo man einen hervorragenden Rundumblick über zwei Drittel des Friedhofs hatte. „Diese Nachbarschaft hört dich sowieso nicht, gleichgültig, wie laut du schreist!“, murmelte er.

„Was ist?“, rief Mom.

„Ich komme gleich!“, antwortete Brad.

„Du könntest mir mal anfassen! Allein schaffe ich diese Kiste nicht!“

„Sofort!“, sagte Brad nun leicht genervt.

Sein Blick blieb nun bei dem Mann hängen, dessen Rücken er hinter einer Hecke hatte hervortauchen sehen. Brad trat näher an die Fensterfront heran. Jetzt sah er den Mann von oben. Er war inzwischen an einem anderen Grab damit beschäftigt, die Blumen wieder in Ordnung zu  bringen.

Es war allerdings nicht irgendein Grab, sondern das seines Vaters. Das ist vielleicht das einzig gute an diesem Umzug, dachte Brad. Dad ist uns auf diese Weise nahe. Dass sein Vater nicht mehr am Leben war, hatte Brad noch lange nicht verarbeitet. Wenn er allein war, sprach er manchmal mit ihm, so wie er es früher getan hatte, als er noch lebte. Manchmal half ihm das. Aber es kam auch vor, dass die Traurigkeit dadurch nur noch schlimmer wurde. Er hatte dann ein Gefühl, als würde ihm jemand die Luft abschnüren und den Brustkorb zusammendrücken. Irgendwann, so hoffte er, würde das aufhören. Allerdings hatte er bis jetzt eher das Gefühl, dass es von Mal zu Mal schlimmer wurde und nicht schwächer.

Mit Mom konnte er im Moment über viele Dinge nicht sprechen – und über seine Trauer schon gar nicht. Sie hatte Dads Tod selber noch nicht einmal ansatzweise verwunden.

„Wo bleibst du denn, Brad?“

Brad starrte zu dem Grab seines Vaters hinunter.

JEFFERSON R. WALKER – den Namenszug konnte man sogar hier oben noch lesen. Der Grabstein war frisch und sauber – im Gegensatz zu den verwitterten Exemplaren, die man ansonsten überwiegend hier finden konnte.

In diesem Augenblick blickte der Mann, der sich um die Blumen kümmerte, auf.

Sein Gesicht war bleich und eingefallen wie ein Totenschädel. Die Gesichtsknochen traten deutlich hervor. Die Haut war pergamentartig. Er hatte so gut wie keine Haare mehr auf dem Kopf und wirkte uralt.

Der Mann trug eine Sonnenbrille mit pechschwarzen Gläsern und schien Brad zu mustern. Dieser war für einen Moment wie hypnotisiert.

Dann nahm der Mann die Brille ab.

Rote Augen kamen zum Vorschein. Der Unheimliche starrte Brad an und plötzlich spielte ein Lächeln um seinen lippenlosen Mund.

2. Kapitel:  Der Horror im Keller

„Der Elektriker kommt erst morgen“, sagte Mom. „Es scheint wirklich ein Fluch auf diesem Haus zu liegen. Die Toilette funktioniert übrigens auch nicht.“

„Gott sei Dank haben wir noch bis Ende der Woche Zeit“, erwiderte Brad.

Mom nickte. „Ja. Aber diese Zeit werden wir auch brauchen, um alles herzurichten.“

„Hast du Reverend Donaldson mal gefragt, wer vorher hier gewohnt hat?“

„Nein. Warum sollte ich?“

Brad zuckte die Achseln „Nur so. Würde mich halt interessieren.“

„Soweit ich weiß, steht das Haus schon länger leer, als wir in Willington wohnen.“

Eine Antwort, die Brad abwimmeln sollte. Aber so leicht ließ er nicht locker. „Könnte es vielleicht sein, dass dafür ein triftiger Grund existiert?“

„Was denn für ein Grund?“

Die zu einem Gesicht geformten Staubspuren fielen Brad wieder ein – und plötzlich veränderten sich vor seinem inneren Auge dessen eher unklare Konturen zu den Gesichtszügen des alten, bleichen Mannes mit der Sonnenbrille.

Brad versuchte den Gedanken daran so gut es ging zu verscheuchen. Was er da auch gesehen hatte – an übernatürliche Erscheinungen glaubte er nicht.

„Was für ein Grund? Mom, das dürfte sogar dir aufgefallen sein! Dies ist eine Bruchbude. Beim ersten Sturm fliegt das Dach weg oder es stürzt wie ein Kartenhaus in sich zusammen!“

„Das stimmt nicht, Brad.“

„So?“

„Der Reverend hat mir ein Gutachten gezeigt, danach ist mit der Bausubstanz alles in Ordnung. Es sind lediglich ein paar kleinere Schönheitsreparaturen durchzuführen.“

*

DIE NÄCHSTEN TAGE VERBRACHTEN sie damit, ihre Sachen von einem Haus zum anderen zu fahren. Für den Transport der Möbel engagierte Mom dann doch eine Firma, als sie einsah, dass sie das allein mit Brads Hilfe nicht bewältigen konnte. Außerdem drängte die Zeit. Die Villa war verkauft und die Walkers mussten zu einem festgelegten Termin raus. Schafften sie das nicht, wäre sogar Miete für das ehemals eigene Haus fällig gewesen. Ein Betrag, der ein großes Loch in die ohnehin knappe Haushaltskasse gerissen hätte.

Am Freitag kam der Elektriker. Er hieß Davis und war ein breitschultriger Mann mit roten Haaren.

„Also, ich hätte nicht gedacht, dass das Haus noch mal jemand kauft“, bekannte Davis grinsend. „Ein richtiges Hexenhaus. Ich hoffe, Sie haben nicht allzu viel dafür bezahlt, Ma’am!“

Mom hatte die Arme vor der Brust verschränkt und warf Brad einen genervten Blick zu. „Wir haben es gemietet“, bekannte sie. „Außerdem wohnen wir hier nur übergangsweise, bis wir etwas Besseres gefunden haben.“

„Sicher, Mrs. Walker. Am besten, Sie zeigen mir jetzt mal den Sicherungskasten!“

„Ich schätze, der ist im Keller, aber genau weiß ich das auch nicht.“

„Ich werde ihn schon finden. Haben Sie eine Taschenlampe?“

„Mein Sohn hat eine.“ Mom wandte sich an Brad und fragte: „Wärst du so freundlich und würdest Mister Davis in den Keller leuchten?“

„Klar.“

*

BRAD HOLTE SEINE TASCHENLAMPE und wartete an der Kellertür.

Davis erkundigte sich inzwischen bei Mrs. Walker, ob das Licht bei der Hausbesichtigung denn noch funktioniert hätte.

„Es hat funktioniert, da bin ich mir ganz sicher“, behauptete sie. „Glauben Sie, ich hätte das Haus genommen, wenn das nicht klar gewesen wäre?“

„Dann geht die Rechnung an den Vermieter?“

„Ja.“

„Ist das nicht die Kirchengemeinde von Willington?“

„Genau.“

Davis atmete tief durch und fragte: „Waren Sie schon im Keller?“

„Nein. Der war mir ziemlich gleichgültig.“

„Dann wollen wir mal sehen, was uns da erwartet.“ Er grinste. „Man erzählt sich ja ziemlich seltsame Geschichten über dieses Haus. Angeblich soll’s hier spuken. Aber diese Geschichten rühren sicher nur daher, weil es so nahe am Friedhof liegt.“

„Wahrscheinlich“, gab Mrs. Walker ziemlich einsilbig zurück. Davis schien sich gerne etwas unterhalten zu wollen, Mom hatte dazu aber offensichtlich keine Lust.

Die erste Schwierigkeit war, dass sich die Kellertür nicht öffnen ließ. Keiner der Schlüssel, die man Mom gegeben hatte, passte.

„Also, Ma’am, wenn Sie wollen, komme ich auch Montag wieder, wenn Sie Ihren Vermieter erst um die Erlaubnis fragen wollen, die Tür aufzubrechen!“, meinte Davis.

Aber das wollte Mom nicht.

Die Sache mit dem Strom sollte jetzt so schnell wie möglich über die Bühne gebracht werden.

Also entschied sie, dass die Tür aufgebrochen werden sollte.

Der Elektriker hebelte die Tür mit einem Schraubenzieher aus. Das Holz war so morsch, dass das Schloss kaum noch halt hatte. Alles zerbröselte zu einer faserigen, übel riechenden Masse. Käfer quollen aus dem Holz hervor und krabbelten anschließend über den Boden. Brad trat ein paar von ihnen tot.

„Hier unten scheint noch länger niemand gewesen zu sein, als im Rest des Hauses“, stellte Davis fest.

Brad ging mit der Lampe voran. Angst hatte er nicht. Er war jetzt nicht mehr in einem Alter, in dem man sich vor dem Gang in den finsteren Keller fürchtete. Nur dieser Geruch raubte ihm fast den Atem. Modrig und feucht roch es. Wie in einer Gruft. Asseln krochen über die Treppenstufen, brachten sich vor den Füßen der Menschen in Sicherheit und flohen in die Ritzen zwischen den Steinen.

Am Fuß der Treppe begann ein Korridor.

Es gab neben der Tür auch einen Lichtschalter, der offenbar zu einer einsamen Glühbirne an der Decke gehörte. Brad betätigte den Schalter.

„Alles tot“, sagte er.

„Ich fürchte, das könnte eine größere Operation werden“, glaubte der Elektriker. 

Dann hatten sie den Sicherungskasten erreicht.

„Den Strahl genau hier hin, Junge!“, forderte Davis.

Brad leuchtete genau dorthin, wohin Davis es verlangte.

„Können Sie schon was sagen?“, rief Mom, die darauf verzichtet hatte, mit in den Keller zu kommen.

„Oh, oh“, murmelte der Elektriker nur vor sich hin. Zu einer weitergehenden Diagnose wollte sich Davis im Moment offenbar noch nicht herablassen.

Plötzlich zuckte ein Blitz die frei an der Decke verlegte Leitung entlang. Funken tanzten und ein bläulicher Schimmer bildete sich wie eine Aura. Die Glühbirne begann zu leuchten. Funken sprühten nun auch aus dem Sicherungskasten heraus. Davis stand wie erstarrt da und wurde von der bläulichen Aura umgeben. Er zitterte, murmelte Worte vor sich hin, die eigenartig dumpf klangen. Stöhnende Laute kamen jetzt aus dem Mund des Elektrikers.

Dann zerprang die Glühbirne.

Brads Taschenlampe erlosch ebenfalls. Es war vollkommen finster in dem modrig-kalten Korridor. Nur die bläuliche Aura schwebte jetzt durch die Luft, näherte sich Brad. Dieser fühlte, wie eine Kraft ihn zu Boden schleuderte und niederdrückte.

Die blau schimmernde Aura war über ihm. Er wollte schreien, aber nicht ein einziger Laut kam ihm über die Lippen. Brad war wie erstarrt.

Die blaue Aura löste sich langsam auf.

Kurz bevor sie ganz verschwand, hatte Brad den Eindruck, eine Stimme zu hören. Aber er verstand die Worte nicht. Im nächsten Moment herrschte vollkommene Finsternis.

Brad versuchte die Taschenlampe einzuschalten, aber sie funktionierte nicht. Mom kam die Treppe hinunter.

„Brad, was ist los?“

„Ich weiß nicht. Ein elektrischer Schlag oder so etwas. Meine Lampe...“

Mom nahm sie ihm aus der Hand. Sie ließ sich plötzlich wieder einschalten, als ob nichts gewesen wäre.

Sie leuchtete auf Davis, der stöhnend am Boden lag. Er war unfähig zu sprechen. Seine Augen waren vor Angst geweitet.

„Wir müssen den Notarzt rufen“, sagte Mom.

*

EIN KRANKENWAGEN TRAF wenig später ein und holte Davis ab.

Ein paar Leute aus der Nachbarschaft standen in der Nähe herum, um zu sehen was los war. Unter anderem erschien auch Reverend Donaldson.

„Das Haus ist alt“, erklärte er. „Das Stromnetz ist sicher renovierungsbedürftig. Dass es so marode ist, hatte ich nicht erwartet. Ich sorge natürlich dafür, dass ein anderer Elektriker sich der Sache annimmt.“

„Okay“, sagte Mom. „Ich hoffe nur, dass Mister Davis nichts Ernsthaftes geschehen ist...“

Unter den Schaulustigen, die dem Rettungsteam des Krankenwagens dabei zusahen, wie sie Davis abtransportierten, fiel Brad ein Mädchen auf, das auf dieselbe Schule ging wie er. Sie war eine Klasse unter ihm und hieß Lana McKee. Ihren Namen wusste Brad nur deswegen, weil sie den Vorlesewettbewerb auf County-Ebene gewonnen hatte und ihr Name in der Zeitung erwähnt worden war.

Dass Lana aus Willington kam, war Brad klar gewesen. Sie hatte ja denselben Bus benutzt. Aber er hatte nicht geahnt, dass sie aus diesem Teil des Ortes kam.

Lana hatte langes, dunkles Haar, das seidig glänzte. Es fiel ihr offen bis über die Schultern. Brad grüßte sie flüchtig.

Er hatte eigentlich keine Lust, sich mit ihr zu unterhalten. Zumindest nicht hier und jetzt. Eigentlich wäre es ihm liebsten gewesen, wenn niemand an seiner Schule erfahren hätte, dass er nun in einem baufälligen Gebäude wohnte, das sich sehr bald in eine Schutthaufen zu verwandeln drohte. Aber das war wohl nicht zu vermeiden.

Sie trat auf ihn zu.

Ziemlich bestimmt wirke sie dabei.

„Hi!“, sagte sie. „Du bist Brad, nicht wahr?“

„Ja.“

Brad fragte sich woher sie das wusste. Hatte sie extra nachgefragt oder einfach nur aufmerksam den Gesprächen gelauscht, die Brad mit seinen Freunden führte?

Egal, dachte er. Im Moment war ihm ohnehin alles ziemlich gleichgültig. Zu frisch war noch der Eindruck des Erlebten. Er wusste einfach nicht, wie er dieses Erlebnis einordnen sollte. Ein gewöhnlicher Stromschlag ist das nicht gewesen!, dachte er. Das kann mir niemand erzählen...

„Ich habe nicht gewusst, dass du jetzt hier wohnst“, sagte sie. Sie kam noch etwas näher. „Ihr müsst aufpassen, Brad...“

„Wieso das denn?“

„Dass euch nicht auch ein Unglück geschieht – dir und deiner Mom.“

Brad wollte sie fragen, was ihre Worte zu bedeuten hätten, aber der Notarzt unterbrach jetzt die Unterhaltung. Er hieß Dr. Reilly und fragte: „Du bist Brad Walker?“

„Ja, der bin ich.“

„Deine Mom macht sich Sorgen, du könntest auch etwas von dem Stromschlag abbekommen haben, der Mister Davis so schwer getroffen hat.“

„Ich wurde nur zu Boden geworfen“, antwortete Brad wahrheitsgemäß. „Sonst ist nichts geschehen.“

„Solltest du in nächster Zeit irgendwelche Beschwerden haben, dann muss sich ein Arzt darum kümmern.“

„Ja.“

„Wahrscheinlich hast du großes Glück gehabt.“

„Das weiß ich jetzt auch.“

„Offenbar gibt es einen Schutzengel, der auf dich aufpasst.“

„An so etwas glaube ich nicht“, sagte Brad sehr ernst und setzte in Gedanken hinzu: Nicht mehr. Dads Tod auf der Küstenstraße hatte vieles verändert, aber das Wesentlichste davon war vielleicht, dass Brad seine Glauben daran verloren hatte, dass das Gute immer siegte. Das stimmte einfach nicht. Ich brauche keinen Schutzengel. Aber Dad hätte ihn nötig gehabt. Und wenn es so etwas gäbe, wäre er noch am Leben.

Dr. Reilly runzelte die Stirn.

Er war sensibel genug, um zu spüren, dass er bei Brad irgendeinen wunden Punkt berührt hatte. Also verzichtete er auf eine Erwiderung. Als sich der Arzt zum Gehen wandte, war Lana McKee längst verschwunden. Brad ließ den Blick schweifen, fand sie aber nirgends.

Stattdessen fiel sein Blick auf den bleichen Mann, der die Gräber pflegte.

Er stand hinter der hüfthohen Mauer, die den Friedhof abgrenzte und sah zu, was sich vor dem Haus der Walkers abspielte.

3. Kapitel: Die Nacht der Ewigen Lichter

Am Sonntagabend war der Umzug endlich bewältigt. Die Möbel standen an Ort und Stelle und ungefähr die Hälfte der Kartons war bereits ausgeräumt.

Allerdings funktionierte der Strom noch immer nicht. Mom hatte jedoch keinen zusätzlichen Urlaubstag bekommen und sie würde es an Brad hängen bleiben, die Sache zu managen. Ihm wurde jedoch mulmig bei dem Gedanken. Der Elektriker hatte nicht nur einen Schlag bekommen. Das Phänomen, das er gesehen hatte, war keineswegs mit elektrischen Erscheinungen zu erklären. So weit hatte er in der Schule in Physik aufgepasst.

Was war das für eine Kraft, die mich niedergeworfen hat?, ging es ihm durch den Kopf. Er überlegte, ob er nicht doch Mom einmal darauf ansprechen sollte. Mehr als ihn für verrückt zu erklären, konnte ihm dabei nicht passieren. Und das tat sie schon oft genug. Wegen der Musik, die er hörte, wenn er morgens bei kaltem Wetter mit T-Shirt zur Schule fuhr oder an einem warmen Tag dafür mit einer warmen Jacke, die aber einfach cool aussah...

Aber dann entschied Brad, dass er Mom damit im Moment einfach nicht kommen konnte. Sie hatte selbst genug damit zu tun, ihr Leben auf der Linie zu halten. Wenn ihr Sohn jetzt mit irgendwelchen parapsychischen oder übersinnlichen Erscheinungen kommt, gibt ihr das den Rest, glaubte Brad. Und ich bin schuld!

Auf der anderen Seite gefiel ihm allerdings auch nicht der Gedanke, allein im Haus zu sein, wenn der neue Elektriker kam und den Weg in den Keller erleuchtet bekommen musste.

„Und wenn der Elektriker diesmal wieder einen Schlag bekommt?“, fragte Brad.

„Kind, ich weiß, dass dich das schwer mitgenommen hat und schließlich hätte ja wohl auch nicht viel gefehlt und du hättest auch etwas abbekommen!“

Kind! Wenn sie ihn so nannte, dann war das für Brad ein sicheres Anzeichen dafür, wie angegriffen sie innerlich war. Er hasste es, wenn sie Kind sagte. Sie tat es aber trotzdem immer wieder und zwar insbesondere dann, wenn sie keine Lust zu argumentieren hatte.

„Ich fände es nicht so lustig, wenn der Elektriker wieder eine geballte Ladung abbekommt – ich vielleicht diesmal auch, wer weiß? -  und es ist niemand da, der Hilfe holen kann!“

„Diesmal wird der Elektriker erstens sich nicht allein ins Haus wagen, sondern mindestens einen Kollegen mitnehmen und zweitens sehr viel vorsichtiger sein“, versprach Mom. „Ich habe dieselbe Firma engagiert, das heißt die Männer wissen Bescheid, was mit ihrem Kollegen geschehen ist und werden sich dementsprechend verhalten. Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen.“

Brad atmete tief durch.

Mom hatte alle seiner Argumente widerlegt.

Wenn er jetzt nicht mit der Sprache herausrücken wollte, blieb ihm nichts anderes übrig als nachzugeben.

„Okay“, maulte er.

Am Abend kam ein Pizza Service. Mom hatte inzwischen Kerzen besorgt. Brad bekam auch ein paar für sein Zimmer davon. „Aber zünde sie nur an, nur wenn es nötig ist! Ansonsten versprich mir, dass du vorsichtig damit bist!“

„Wenn die Hütte abbrennen würde, hätte ich nichts dagegen.“

„Wenn die Hütte abbrennt, wie du dich auszudrücken beliebst, dann landen wir im Obdachlosenasyl!“, drohte Mom.

„Das ist ja wohl ein bisschen übertrieben oder?“

„Aber nur ein bisschen.“

Brad seufzte. „Ich freue mich schon darauf, wenn ich endlich meinen Computer anschließen und damit spielen kann!“, meinte er.

*

DER GROSSTEIL VON BRADS Sachen befand sich noch in einem halben Dutzend Kisten, die in der Mitte seines Zimmers standen. Die Regale an den Wänden waren noch zu zwei Dritteln leer und irgendwie verspürte er keinen großen Drang dazu, sie zu füllen.

Früher oder später wirst du doch akzeptieren müssen, dass du nun hier zu Hause bist!, überlegte er. Aber warum nicht etwas später? Vielleicht brauche ich einfach noch Zeit.

Kein Strom, das bedeutete kein Computer, keine Spielekonsole, kein Fernsehen, keine Musik.

Mit anderen Worten: Die totale Langeweile.

Glücklicherweise war es Sommer und das bedeutete, die Dämmerung setzte erst spät ein. Da sein Zimmer nach Westen ausgerichtet war, hatte er wenigstens noch etwas Licht. Comics lesen mit der Taschenlampe war auf die Dauer nicht so toll. Also begann er doch noch, an den großen Haufen mit seinen Sachen zu gehen und sie der Reihe nach einzuordnen. Ein Kasten mit Fotos fiel ihm in die Hände. Fotos, die ihn mit Dad zusammen an der nahen Küste des Long Island Sound beim Angeln zeigten. Oder in Baseball-Kluft. Bilder, die Brad als Zehnjährigen zusammen mit Mom und Dad während eines Sommerurlaubs in Florida zeigten. Am Strand, auf einer Alligatorfarm in den Everglades und auf einem Hochgeschwindigkeitsmotorboot vor Key West.

Damals konnten wir uns wenigstens noch einen Urlaub leisten!, ging es Brad bitter durch den Kopf, aber die finanzielle Situation war eigentlich nicht das Schlimmste, auch nicht, dass sie in dieses alte Haus umziehen mussten. Das eigentlich Schlimme war, dass Dad nicht mehr bei ihnen sein konnte.

Brad fühlte einen dicken Kloß im Hals, der mit jedem Bild, das er sich ansah großer zu werden schien.

Zum ersten Mal seit langer Zeit glitzerten Tränen in seinen Augen.

Als er die Fotos durchgesehen hatte, war es schon so dunkel geworden, dass man ohnehin kaum noch etwas darauf sehen konnte. Er packte sie weg.

Mom kam kurz vorbei und sagte ihm Gute Nacht.

„Ich muss morgen früh raus, aber du kannst ja ausschlafen, wenn du willst.“

„Klar. Mom.“

„Nur den Elektriker darfst du nicht verpassen, aber der Mann hat mir gesagt, er kommt nicht vor elf Uhr.“

„In Ordnung.“

Als sie weg war, lag er auf dem Bett und starrte zur Decke. Er war innerlich so aufgewühlt, dass an Schlaf eigentlich nicht zu denken war.

Warum ich?, dachte er. Warum muss mein Dad mit einem Sportwagen über die Küstenstraße rasen und dabei zu Tode kommen? Was haben Mom und ich getan, dass uns das passiert?

Sein Verstand sagte ihm, dass diese Gedanken völlig sinnlos waren und zu nichts führten, außer zu mehr Traurigkeit und Wut über Dinge, die doch nicht zu ändern waren, aber der Verstand hatte im Augenblick bei Brad nicht die Oberhand. Es hatte also gar keinen Sinn so zu argumentieren. Die Fragen, die in ihm bohrten, ließen sich auf diese Weise nicht vertreiben.

Durch das Fenster beobachtete Brad, wie die Sonne vollends versank und die Nacht hereinbrach. Sterne glitzerten an dem wolkenlosen Himmel und der Mond stand als fahles Licht über der Spitze des Kirchturms, die sich als dunkler Schemen abhob.

Brad hatte das Fenster offen gelassen.

Da er ja kein Licht hatte, war auch nicht damit zu rechnen, dass die Mücken über ihn herfallen würden.

Brad döste doch kurz ein. Der Schlag der Kirchturmuhr weckte ihn aus einem Konglomerat wirrer Träume. Träume von denen er nach dem Erwachen nur sagen konnte, dass sein Dad darin eine Rolle gespielt hatte.

Sein T-Shirt war schweißnass.

Brad richtete sich auf und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Es dauerte einige Augenblicke, bis er in die Realität zurückfand.

Er blickte zum Fenster.

Jedenfalls war er jetzt wieder hellwach.

Vielleicht liegt es am Mond!, dachte er.

Grillen zirpten. Ein leichter Wind fuhr jetzt durch die Bäume und ließ die Blätter rascheln. Die Geräusche des Tages verstummten nach und nach. Leise trug der Wind den Klang einer sonoren Stimme zu ihm herüber. Es klang wie ein Singsang. Brad verstand nicht ein einziges Wort. Er rätselte einen Augenblick lang darüber nach, ob es wirklich englische Wörter waren, die an sein Ohr drangen oder es sich vielleicht um Latein oder irgendeine andere ausgestorbene Sprache handelte.

Brad stand auf und ging zum offenen Fenster.

Der Mond tauchte die Kirche und den Friedhof in ein fahles Licht.

Eine dunkle Gestalt war unten auf dem Friedhof zu sehen. Im Schattenriss war erkennbar, dass sie einen schwarzen Zylinder trug. Die Gestalt hatte die Hände gehoben wie ein Schamane. Als sie aus der Schattenzone heraus ins Mondlicht trat, konnte Brad erkennen, dass es sich um den bleichen Mann handelte, der sich tagsüber um die Gräber kümmerte.

Er murmelte Worte vor sich hin, die wie eine Beschwörung klangen. Etwas blinkte kurz auf. Es handelte sich um ein Amulett, das der alte Mann um den Hals trug.

Er umkreiste immer wieder einen Grabstein und vollführte dabei fast so etwas wie einen Tanz. Der bleiche Mann streckte die Arme empor, beugte sich anschließend nieder und murmelte dabei die ganze Zeit über vor sich hin.

Was für einen Spinner hat die Friedhofsverwaltung denn da angestellt?, fragte sich Brad. Ihm fiel auf, dass der Alte auch in der Nacht seine Sonnenbrille trug. Eigentlich dürfte der so gut wir nichts sehen können!, überlegte er. Aber dafür bewegt er sich erstaunlich sicher!

Plötzlich wirkte der Alte wie erstarrt.

Er verharrte fast eine Minute lang völlig regungslos. Dann griff er in seine Jackentasche und legte einen Gegenstand auf das Grab.

Für einen Moment verdeckte sein dürrer Körper, was er tat.

Schließlich trat er ein paar Schritte zurück. Auf dem Grabstein flackerte ein Licht auf.

Der Typ verteilt ewige Lichter auf die Gräber?, ging es Brad durch den Kopf.

Das Licht flackerte leicht. Die Farbe änderte sich von normalem rotgelb in giftgrün.

Wahrscheinlich waren in der Kerze irgendwelche Chemikalien enthalten, die das bewirkten.

Wenig später wandte sich der bleiche Mann dem nächsten Grab zu und stellte auch dort ein Ewiges Licht auf, dessen Farbe sich innerhalb kürzester Zeit von rotgelb in grün veränderte. Wieder wurde eine Art Tanz aufgeführt und Beschwörungsformeln gemurmelt. Oder waren es nur Gebete?

Es ist so öde hier, dass deine Fantasie wahrscheinlich schon aus jedem kühlen Lufthauch eine Geistergeschichte macht!, dachte Brad.

Aber es blieb doch ein gewisses Unbehagen in ihm, das sich sehr deutlich in seiner Magengegend meldete. Was bezweckte der bleiche Mann mit seinen seltsamen Aktivitäten auf dem Friedhof. Ich bin gespannt, ob Reverend Donaldson überhaupt weiß, was der Kerl da in der Nacht treibt!, dachte Brad.

Ein drittes und viertes Grab wurden ebenfalls mit Ewigen Lichtern versehen, deren Farbe sich jeweils nach wenigen Augenblicken änderte.

Dann wandte er sich dem Grab von Brads Vater zu.

Auch dort stellte er ein Ewiges Licht auf.

Der bleiche Mann kletterte nun auf die Friedhofsmauer, breitete die Arme aus und rief: „Tamsaet quanest refatam!“

In seinen Augen flackerten die grünlichen Flammen der Ewigen Lichter etwa einen Meter hoch empor.

Dadurch war es für einen kurzen Moment sehr hell auf dem Friedhof. Brad bemerkte eine zweite Gestalt, die die ganze Szene aufmerksam beobachtete. Sie stand neben einem der dicken, verwachsenen Bäume am Rande des Friedhofs und obwohl ihr Gesicht nur für einen kurzen Moment beleuchtet wurde, erkannte Brad es sofort.

Lana McKee! Was machst du denn hier?

Schon im nächsten Augenblick waren die Flammen der Ewigen Lichter auf ihre Normalgröße zurückgegangen. Der bleiche Mann verließ den Friedhof und ging den steinigen Weg entlang, der zur Straße führte.

Schon bald war er nicht mehr zu sehen.

Die Lichter flackerten noch im plötzlich aufkommenden Wind. Eins nach dem anderen verlosch.

Fieberhaft suchte Brads Blick noch nach Lana McKee. Aber er konnte sie nirgends zwischen den Sträuchern finden. Ich habe mir das doch nicht nur eingebildet!, ging es ihm durch den Kopf.

Aber so sehr er sich anstrengte – von Lana war dort unten in den finstereren Schatten zwischen den knorrigen, verwachsenen Bäumen nichts zu sehen.

*

BRAD ERWACHTE FRÜH an diesem Tag. Er fühlte sich wie gerädert. Seltsame Alpträume hatten ihn heimgesucht. Er konnte sich an kein einziges Detail mehr erinnern, sondern wusste nur noch, dass er sehr große Angst gehabt hatte.

Die Erinnerung an den bleichen Mann und die seltsamen Aktivitäten auf dem Friedhof vermischten sich damit und so war sich Brad nicht mehr so ganz sicher, was davon sich tatsächlich ereignet hatte und was vielleicht Teil eines Traums gewesen war.

Auf jeden Fall werde ich Lana ansprechen, was sie in der Nacht auf dem Friedhof gemacht hat, nahm er sich vor. Vielleicht wusste sie ja auch mehr über den seltsamen Mann.

Brad warf einen Blick aus dem Fenster. Wolken waren aufgezogen und hatten sich zu dunkelgrauen Gebirgen aufgetürmt. Es fehlte noch, dass jetzt auch noch das Wetter schlecht wurde!

*

WENIG SPÄTER SASS BRAD mit seiner Mom beim Frühstück. Sie wirkte ziemlich gehetzt und war wohl etwas spät dran.

Brad überlegte erst, ob er sie auf das Geschehen der letzten Nacht ansprechen sollte.

Schließlich entschloss er sich dazu. Er konnte einfach nicht anders. Er fühlte sich wie eine Bombe kurz vor dem Platzen und deswegen musste jetzt einfach alles aus ihm heraus.

„Mom, in der letzten Nacht...“

„Ich habe auch schlecht geschlafen, Brad. Aber das wird alles noch. Glaub mir, wir müssen nur Geduld haben.“

„Ja, aber das meine ich nicht!“

Sie blickte auf und musterte ihn etwas irritiert.

„Heute kommt ja der Elektriker.“ Sie ging kurz noch einmal mit Brad die Punkte durch, die dabei aus ihrer Sicht wichtig waren und ermahnte ihn, so lange im Haus zu bleiben, bis der Elektriker da gewesen war und seinen Job erledigt hatte.

Brad seufzte.

„Manchmal sind Mütter aber auch schwierig“, sagte er.

„Wieso?“

„Weil ich dir eigentlich etwas ganz anderes erzählen wollte.“

„Tut mir leid, im Moment habe ich einfach so viel um die Ohren. Was ist denn los?“

Brad atmete tief durch. „Auf dem Friedhof arbeitet doch so ein bleicher Kerl, der Tag und Nacht eine Sonnenbrille trägt.“

„Ehrlich gesagt, ist er mir noch nicht aufgefallen, Brad.“

„Er lungerte auch gestern in der Nähe herum, als der Elektriker abgeholt wurde.“

Sie zuckte mit den Schultern. „Es tut mir leid, aber ich habe darauf nicht so geachtet. Was ist denn mit dem Kerl?“

„Er tanzt in der Nacht auf dem Friedhof herum und stellt Lichter auf die Gräber.“

„Ewige Lichter?“

„So ähnlich.“

„Was ist dagegen zu sagen? Vielleicht betet er für Verstorbene, die ihm nahe standen.“

„Stand Dad ihm auch nahe?“

Mom blieb buchstäblich der Bissen im Hals stecken. Sie stutzte. „Wie kommst du darauf?“

„Weil er auch auf sein Grab ein Licht gestellt hat. Außerdem waren das keine normalen Ewigen Lichter, sondern welche mit grüner Flamme.“

„Das sah vielleicht von deinem Fenster so aus, Brad...“ Sie legte die Stirn in Falten und schüttelte energisch den Kopf. „Das wird schon seine Ordnung haben. Das Glas, in dem sich die Kerze befand wird grün gewesen sein.“

„Ich werde nachher mal zum Friedhof gehen und den Kerl fragen. Er hängt da ja meistens irgendwo herum“

„Brad – er hängt da nicht herum, er arbeitet dort!“

„Na ja, was auch immer er dort nun wirklich tut.“

Mom seufzte. „Tu mir einen Gefallen.“

„Und der wäre?“

„Misch dich nicht in Sachen ein, die dich – uns! – nichts angehen, ja?“ 

„Geht es uns etwa nichts an, was mit Dads Grab geschieht?“

„Soweit ich das begriffen habe, war es nichts Ungesetzliches, was dieser Mann getan hat.“ Sie beugte sich etwas vor und sprach jetzt in einem Tonfall, der Brad klarmachte, dass sie es erstens sehr ernst meinte und dass sie zweitens keine Lust hatte, noch länger mit ihm über das Thema zu diskutieren. „Dieses Haus gehört der Kirchengemeinde und ich habe großes Glück gehabt, hier so schnell eine Möglichkeit für uns zu finden, erstens sehr viel preiswerter zu wohnen und dabei trotzdem nicht die Hälfte des Hausrates verkaufen zu müssen!“

„Das heißt im Klartext was, Mom?“

„Dass ich nicht gleich unangenehm auffallen möchte. Also lass den alten Mann in Ruhe und lass ihn machen, was er will. Wenn es nicht rechtens ist, bin ich überzeugt davon, dass Reverend Donaldson schon einschreiten wird!“

Brad atmete tief durch.

Der Appetit war ihm irgendwie vergangen. Lustlos rührte er in den aufgeweichten Cornflakes herum und schob dann den Teller zur Seite.

4. Kapitel: Der Unheimliche

Mom fuhr zur Arbeit und Brad verbrachte die nächsten Stunden allein im Haus. Sie hatte ihn ermahnt, den Tisch abzuräumen, weil sie spät dran wäre. Aber Brad hatte keine Lust dazu und ließ alles stehen.

Er ging durch den dunklen Flur, dessen einzige Lichtquelle im Moment die Helligkeit des Tages war, die durch die geöffneten Türen zu den Nachbarräumen drang.

Plötzlich klappten sämtliche Türen auf einmal zu, so als  wäre irgendwo ein Fenster offen gelassen worden, das nun für Durchzug sorgte.

Im nächsten Moment war es stockdunkel.

Brad sah einen dünnen Strich aus Licht an der Unterkante der Haustür. Das Licht schien gleißender und heller zu werden, ehe es verlosch. Brad tastete sich bis zur Wand vor und an ihr entlang zur nächsten Zimmertür. Er öffnete sie und es wurde wieder etwas heller. Zugluft konnte Brad nicht feststellen. Es waren im Wohnzimmer auch keine Fenster geöffnet.

Nacheinander öffnete er auch die anderen Türen wieder.  Ein wimmerndes Geräusch ließ ihn aufhorchen. Er lief zur Haustür und trat einen Schritt ins Freie.

Ein durchdringender Schrei ertönte nun. Etwas Dunkles sprang auf und huschte davon. Brad sah noch das schwarze, seidige Fell einer Katze im hohen Gras des Vorgartens verschwinden.

Das Tier hatte sich offenbar vor die Tür gelegt. Deswegen war kein Licht mehr durch den Schlitz gefallen.

Brad blickte auf.

Der Wind fuhr ihm durch das Haar. Die Wolken zogen schnell dahin. Die Lichtverhältnisse änderten sich sehr schnell. Aber konnte dadurch das Aufleuchten erklärt werden? Du siehst schon Gespenster!, dachte Brad. Auf jeden Fall ist eine schwarze Katze alles andere als ein gutes Omen, was den Elektriker betrifft!

*

BRAD GING HINAUF IN sein Zimmer. Er suchte sich sein Fernglas heraus. Dad hatte es ihm während des Florida-Urlaubs geschenkt.

Er stellte sich ans geöffnete Fenster und beobachtete, was auf dem Friedhof so vor sich ging. 

Der bleiche Mann, den er in der Nacht gesehen hatte, war gerade damit beschäftigt, ein Grab auszuheben. Zuerst konnte Brad gar nicht glauben, denselben Mann vor sich zu haben, denn seine Bewegungen waren keineswegs die eines gebrechlichen Greises. Kraftvoll schaufelte er die Erde aus dem Loch.

Brad benutzte das Fernglas.

Der Totengräber trug wieder seine Sonnenbrille, obwohl das Wetter nun wirklich nicht dazu passte. Es musste mit seinen Augen zusammenhängen, die wohl besonders lichtempfindlich waren.

Er trug auch wieder den Zylinder auf dem Kopf. Die Jacke hatte er ausgezogen, sodass man noch besser sehen konnte, wie dünn und an ein Skelett erinnernd seine Arme waren.

„Brad!“

Er drehte sich um und zuckte zusammen als er diesen Ruf hörte. Einen Moment lang war er sich nicht sicher, ob diese Stimme aus seinem eigenen Kopf gekommen war oder er sie tatsächlich gehört hatte.

„Brad!“

Das zweite Mal war sie deutlich leiser.

Brad hatte das Gefühl, diese Stimme zu kennen und doch war es ihm unmöglich zu sagen, wo und wann er sie zum ersten Mal gehört hatte.

Er hörte sie noch ein letztes Mal.

Doch diesmal sprach sie kein einziges Wort, sondern ließ nur ein Stöhnen hören, das leise verklang.

Dann war es vorbei.

Brad wandte sich wieder dem Fenster zu und bemerkte, dass sich der Staub auf der Fensterbank zu einem Gesicht geformt hatte. Ein Windstoß wehte es auseinander.

So etwas gibt es nicht!, dachte Brad.

Er musste unwillkürlich schlucken. Eine Gänsehaut hatte seinen gesamten Körper überzogen.

*

DER ELEKTRIKER KAM pünktlich um Elf. Gleich drei Kollegen brachte er mit. Und diesmal brauchte Brad ihm auch nicht den Keller zu erleuchten. Die Handwerker waren darauf eingerichtet, in einem lichtlosen Gewölbe arbeiten zu müssen und hatten Lampen dabei.

Brad beobachtete, dass die schwarze Katze wieder im Vorgarten umher strich.

Ihr lautes Miauen erinnerte fatal an das Schreien eines Kindes.

Einem der Elektriker lief sie um die Füße, als dieser einen Werkzeugkasten ins Haus bringen wollte. Der Mann trat nach ihr, nachdem er beinahe stolperte. „Verfluchtes Biest!“, knurrte er.

Brad hatte inzwischen mitbekommen, dass er von den anderen Slim genannt wurde. Er war der Größte von ihnen, war schätzungsweise vierzig Jahre alt und sehr breitschultrig.

Er grinste Brad an. „Ehrlich gesagt wundere ich mich...“

„Worüber?“, fragte Brad.

„Na, dass ihr euch traut in dieses Haus zu ziehen. Nach allem, was man sich so darüber erzählt!“

„Was erzählt man sich denn so?“

„Ihr kommt doch auch aus Willington, oder?“

„Ja.“

„Dann verstehe ich nicht, dass du angeblich nichts davon gehört haben willst!“ Er blieb stehen. „Einer der vorhergehenden Bewohner des Hauses hat sich umgebracht.“

„Wie soll der Junge das denn wissen, das ist doch schon mehr Jahre her, als er alt ist!“, fuhr einer seiner Kollegen dazwischen. „Und jetzt bring den Kasten her, wir warten hier schon eine Ewigkeit, Billy.“

Der Mann, der Billy genannt worden war, zog eine Grimasse in Brads Richtung. „Auf diesem Haus liegt ein Fluch!“ Dabei kicherte er irre und verdrehte die Augen.

Super Witz!, dachte Brad und konnte sich eine Bemerkung kaum verkneifen. Aber er biss sich auf die Lippen und schluckte alles, was er hatte erwidern wollen, wieder herunter. Schließlich waren Mom und er auf die Hilfe dieser Männer angewiesen.

Sie versuchten mehrfach, den Strom wieder in Betrieb zu nehmen, aber jedes Mal flackerten die Lichter im Haus kurz auf, bevor es dann einen Kurzschluss gab, der den Elektrikern neue Rätsel aufgab.

Es dauerte bis zum frühen Nachmittag, bis sie das Problem endlich gefunden zu haben schienen.

„Kann ich denn jetzt meinen Computer gefahrlos anschließen?“, fragte Brad, während die Männer bereits damit beschäftigt waren, ihr Werkzeug in ihren Wagen zu bringen.

„Ich wäre damit erst einmal etwas vorsichtig“, meinte Billy grinsend.

„Was redest du denn da für einen Quatsch, Billy!“, schalt ihn einer seiner Kollegen – ein kleiner drahtiger Typ, der die meiste Ahnung von der Sache zu haben schien.

Er wandte sich an Brad. „Lass dir von dem Spinner hier nichts einreden. Die Anlage in eurem Haus ist wieder in Ordnung. Allerdings sollte da auf die Dauer mal das komplette Leitungssystem erneuert werden.“

„Sagen Sie es Reverend Donaldson“, erwiderte Brad. „An ihn geht übrigens auch Ihre Rechnung.“

„Ich weiß.“

„Wie geht es Ihrem Kollegen?“

„Schon besser. Wir hoffen, dass er bald wieder ganz gesund wird.“

*

BRAD KEHRTE INS HAUS zurück und machte sich in der Küche den Inhalt einer Konservendose warm.

Als er gegessen hatte, ging er zum Friedhof.

Die Wolken waren in der Zwischenzeit noch düsterer geworden. Es grummelte bereits und innerhalb der nächsten Stunde war mit einem Gewitter zu rechnen.

Brad blieb beim Grab seines Vaters stehen.

Auf dem Grabstein war ein dunkler Rußfleck – genau in der Mitte. Dort, wo der Totengräber das Ewige Licht aufgestellt hatte. Brad trat etwas näher. Der Fleck zeigte eine Struktur, die an ein Gesicht erinnerte. Die Erkenntnis traf Brad wie ein Schlag. Die Konturen glichen auf erschreckende Weise jenen, die er in dem Staubfleck auf dem Fensterbrett zu erkennen geglaubt hatte.

Das Miauen einer Katze ließ ihn herumfahren. Das Tier saß auf einem der benachbarten Grabsteine und sprang jetzt hinunter. Lautlos landete es auf den Steinplatten des schmalen Wegs und huschte anschließend davon.

Der Totengräber war gerade damit fertig, sein Grab auszuheben. Mit Spitzhacke und Spaten über der Schulter kam er den Weg entlang. Die Katze kam auf ihn zu und schmiegte sich an seine Beine.

Der bleiche Mann blieb stehen und musterte Brad.

Jetzt ist die Gelegenheit!, dachte dieser. Er trat dem Alten entgegen. 

„Guten Tag. Mein Name ist Brad Walker, und ich habe gestern Nacht beobachtet, wie Sie Lichter auf einige Grabsteine gestellt haben – darunter auch auf das Grab meines Vaters.“

„Glaubst du nicht, dass es deinen Vater freut, wenn wenigstens irgendjemand für ihn betet?“, fragte der Totengräber. Seine Lippen bewegten sich beim Sprechen und seine Stimme hatte einen schneidenden, scharfen Klang. Er nahm Spitzhacke und Spaten von der Schulter. Brad fiel ein Amulett auf, das er um den Hals trug. Es war bronzefarben. Am Rand befanden sich eine Reihe verschlungener Zeichen, die Brad an jene Zeichen erinnerten, die im Mittelalter die Alchimisten verwendet hatten, um die Zusammensetzung ihrer Rezepturen zu verschlüsseln. In der Mitte war ein Gesicht in das Metall eingraviert, dessen Form Brad an die Konturen erinnerte, die er zuvor bereits im Staub der Fensterbank und in dem Rußfleck auf dem Grabstein seines Vaters gesehen hatte.

Nur das die Augen jeweils aus Bernsteinen gebildet wurden, in denen Käfer gefangen waren.

Dieses Amulett übte eine fast hypnotische Wirkung auf Brad aus.

Der Totengräber hob den Kopf. Seine Lippen bildeten einen geraden Strich.

„Verschwinde von hier!“, murmelte er. „Verschwinde und lass mich meine Arbeit machen!“ Er nahm die dunkle Sonnenbrille ab und rieb sich die karmesinroten Augen. „Dies ist ein Ort, an dem sich niemand länger als unbedingt nötig aufhalten sollte. Der Tod selbst ist hier anwesend. Seine Macht ist überall spürbar. Sieh dir die Bäume an, Junge! Siehst du die verwachsenen Formen, siehst du die Strukturen auf den Ringen,  die aussehen wie Gesichter? Das sind die Schatten der toten Seelen. Dies ist ein böser Ort und wer sich hier zu lange aufhält... Also geh! Bevor dich die Kräfte aus dem Jenseits bannen.“

Der Totengräber kicherte wie irre.

„Ich habe keine Angst vor irgendwelchen Kräften aus dem Jenseits“, sagte Brad selbstbewusst.

„Das solltest du aber, Brad. Das solltest du.“

„Ich möchte einfach nur wissen, weshalb Sie ein grünes Licht auf das Grab meines Vaters gestellt und dabei so seltsame Rituale durchgeführt haben. Ich weiß nicht, mit welchem Trick Sie es hinbekommen haben, dass sich die Flammen der Ewigen Lichter grün verfärbten...“

„Gar nichts hast du gesehen, Brad. Du hast nichts gesehen und nichts verstanden...“

Er hob seine knorrige Hand und wischte mit einer schnellen Bewegung vor Brads Augen durch die Luft.

Im nächsten Moment fühlte Brad, wie eine Kraft sein Bewusstsein berührte. Ein plötzlich auftretender Druck lähmte Brads Geist. Er war kaum noch in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen.

„Halte dich in Zukunft fern von hier, Brad!“ 

Der Totengräber bedachte Brad mit einem durchdringenden Blick. Die roten Augen weiteten sich dabei und traten aus ihren Höhlen hervor. Seine Stimme hallte in Brads Kopf schmerzhaft wider. Schwindel erfasste ihn.

„Dies ist ein Ort des Todes, Brad“, sagte der Totengräber. „Ihr Fleisch mag zerfallen sein, ihre Knochen bleiben blank in der Erde liegen. Aber so wenig von ihren Körpern geblieben sein mag, so präsent sind ihre Seelen an einem Ort wie diesem.“ Wieder hallte die Stimme des Totengräbers unangenehm in Brads Kopf wider. Der Schädel drohte ihm schier zu zerspringen. Eine unheimliche, eisige Kraft umhüllte sein Bewusstsein. Er fröstelte bis ins tiefste Innere seiner Seele.

Brad wusste, dass der lähmende Druck, der seinen Geist belastete, auf irgendeine Weise durch diesen Totengräber verursacht wurde, ohne dass er hätte erklären können, wie genau das geschah.

Völlig erstarrt stand er da und die Kälte war jetzt bis in seine Finger- und Zehenspitzen vorgedrungen.

„Die Seelen der Toten werden dich holen, wenn du dich zu sehr mit ihnen beschäftigst“, fuhr der Totengräber fort. „Sie schlagen jeden in ihren Bann, der sich nicht rechtzeitig aus ihrer Aura zu lösen vermag.“ Ein irres Kichern folgte. „Es mag verweste Körper geben, deren Seelen noch sehr lebendig sind, aber genauso ist das Gegenteil denkbar: tote Seelen in einem lebenden Körper. Und wenn du noch einmal wagen solltest, mir hinterher zu spionieren, werde ich dafür sorgen, dass du genau dazu wirst. Einen kleinen Vorgeschmack davon gebe ich dir jetzt schon.“

Brad wäre am liebsten davongelaufen.

Aber er war wie gelähmt – vollkommen unfähig, sich zu bewegen. Was geschieht hier nur?, durchfuhr es ihn.

Der Totengräber streckte seine knochige Hand aus. Er berührte Brad mit den Fingerspitzen an der Schläfe. Mit der anderen Hand nahm er die dunkle Brille von den Augen. Das Rot der Pupillen begann sich wenig später auch in der Iris auszubreiten und erfüllte nach ein paar Augenblicken das gesamte Auge. Ein eigenartiges Leuchten erfüllte die Augen des Albinos jetzt. Schmerz erfasste Brad. Gleichzeitig befiel ihn ein Schwindelgefühl. Alles begann sich vor seinen Augen zu drehen, während die rote Welle des Schmerzes seinen gesamten Körper durchflutete. 

Im nächsten Moment war alles um ihn herum dunkel.

5. Kapitel: Böses Erwachen

„He, aufwachen!“

Brad spürte, wie man ihn bei der Schulter fasste und ordentlich rüttelte.

„Vielleicht rufen Sie doch besser den Krankenwagen, Reverend“, war eine brüchige Frauenstimme zu hören.

„Ich glaube auch.“

Langsam kam Brad zu sich.

Er hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war. Es war, als würde er aus einem sehr tiefen Schlaf erwachen. Undeutliche vage Erinnerungen geisterten durch sein Bewusstsein. Erinnerungen, bei denen er sich auf Anhieb nicht recht sicher war, ob es sich um reale Erlebnisse oder böse Träume handelte.

„Haben Sie ein Handy, Reverend?“, erkundigte sich die Frauenstimme.

Brad öffnete jetzt die Augen. Er blinzelte. Das Sonnenlicht erschien ihm unverhältnismäßig grell. Vor ihm ragte ein dunkler Schatten auf. Es dauerte mehrere Sekunden, ehe er erkannte, dass es sich um Reverend Donaldson handelte. Dieser holte ein Handy hervor und war bereits im Begriff die Notrufnummer zu wählen. Brad konnte ihn gerade noch davon abhalten.

„Reverend, er ist wach“, sagte die Frauenstimme. Brad wandte ein wenig den Kopf und blickte in das faltige, aber sehr sympathische Gesicht einer älteren Dame. Sie trug ein graues Kleid und eine dazu passende Handtasche.

„Schon gut, Mrs. Beagle“, sagte der Reverend und wandte sich Brad zu. Die alte Dame war jedoch schneller. Mit kleinen aber energischen Schritten trat sie auf Brad zu, bückte sich und fasste ihn am Arm.

„So helfen Sie ihm doch, Reverend. Der junge Mann war ja wohl ohne Bewusstsein, wie mir scheint.“

„Es geht schon“, sagte Brad.

„Wirklich?“, fragte Mrs. Beagle.

Ihm war einfach noch nicht gut. „Dann hängt das mit dem Kreislauf zusammen“, meinte Mrs. Beagle, „damit sollte man nicht spaßen.“

„Seltsam. So jung und schon Schwierigkeiten mit dem Kreislauf“, sagte der Reverend.

Die Gedanken rasten nur so durch Brads Kopf.

Bilder erscheinen vor seinem inneren Auge, vor allem das fratzenhaft verzerrte bleiche Gesicht des geheimnisvollen Totengräbers. Aber er vermochte es nicht diese Erinnerungen zu ordnen. Sie ergaben nur ein verworrenes Knäuel aus Ängsten und dem vagen Gefühl einer ungeheuren Bedrohung.

Ich muss hier weg, dachte er, diesen Ort so schnell wie möglich verlassen.

Brad stand auf, ihm war noch etwas schwindelig. Die Knie drohten ihm einzuknicken.

Und er fragte sich, woher diese eigenartige Schwäche kam, die ihn befallen hatte.

Dann erinnerte er sich wieder an die Berührung durch die Hand des Totengräbers und für eine Sekunde glaubte er erneut den Schmerz zu spüren, der ihn in jenem Moment durchfahren hatte.

Er wandte sich an den Reverend, versuchte verzweifelt seine Gedanken zu ordnen.

„Was ist passiert?“, fragte Reverend Donaldson.

Auf einmal stand Brad alles wieder lebhaft vor Augen. Er wollte Reverend Donaldson davon berichten, aber es kam nicht mehr über seine Lippen als „Sir?“.

„Ja?“

Ein Kloß saß ihm im Hals. Er war unfähig, auch nur einen einzigen Ton hervorzubringen. Ein Gefühl der Kälte durchfuhr ihn und ließ ihn schaudern.

„Sie sehen doch, er ist völlig durcheinander“, sagte Mrs. Beagle.

„Nein, es ist wirklich nichts weiter“, behauptete Brad jetzt. „Ich komme schon zurecht.“

„Ist deine Mutter zu Hause“, fragt der Reverend.

„Nein, im Moment nicht.“

„Dann sag ihr aber, was passiert ist, wenn sie zurückkommt.“

„Sicher.“

„So ein Zusammenbruch ist nichts Normales in deinem Alter. Das sollte man ärztlich abchecken.“

„Schon klar, Reverend.“

Mrs. Beagle ging davon. Langsam und etwas unsicher bewegte sie sich auf das Grab ihres Mannes zu, des berühmten und in ganz Willington bekannten Colonel Beagle, der nach seiner aktiven Zeit in der Army die Geschicke des Ortes als Bürgermeister geprägt hatte.

„Reverend, ich möchte Sie gerne noch etwas fragen“, sagte Brad.

„Nur zu, mein Sohn“, erwiderte der Reverend, „du weißt, dass du dich mit allem an mich wenden kannst.“

„Es geht um den Totengräber.“

Innerhalb eines Augenaufschlags durchrasten Dutzende von Gedanken auf einmal Brads Hirn.

Soll ich ihm wirklich davon erzählen, dass dieser Mann mich am Kopf berührt hat und ich daraufhin das Bewusstsein verloren habe? Es klang irgendwie absurd.

Er wird mich für verrückt halten, überlegte Brad.

„Ich weiß nicht wie ich es ausdrücken soll, Sir, aber ...“

„Er macht auf dich einen etwas wunderlichen Eindruck? Ist es das, worauf du hinaus willst?“, fragte der Reverend.

„Ja, das kann man schon sagen.“

„Er hat ein schweres Schicksal hinter sich, das ihn aus der Bahn geworfen hat. Unsere Kirchengemeinde hat ihm die Chance gegeben, noch mal ein neues Leben zu beginnen. Ich denke, wir sollten uns alle bemühen, ihm  so unvoreingenommen wie möglich gegenüber zu treten.“

„Natürlich, Reverend. Aber ich habe ihn vorher hier auf dem Friedhof getroffen und da hat er mir sehr eigenartige Dinge erzählt. Nachts stellt er ewige Lichter auf die Gräber und führt eigenartige Rituale durch.“

„Du meinst, er spricht mit den Toten“, sagte der Reverend. „Zugegeben, das habe ich auch schon mitbekommen. Aber solange er seine Arbeit macht, sollten wir diese Marotte tolerieren. - Sprichst du nicht auch mit deinem Vater, wenn du hier auf dem Friedhof bist?“

Brad musste schlucken. Wie konnte er dem Reverend nur klarmachen, was geschehen war?

„Doch schon“, sagte Brad, „aber das ist doch etwas anderes.“

„Wieso ist das etwas anderes?“