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Dieser Band enthält folgende Romane: (499) Im Visier der Killerin (Alfred Bekker) Tauchfahrt ohne Wiederkehr (W.A.Hary) Einsatz unter dem Eis (Alfred Bekker) Menetekel des letzten Tages (Alfred Bekker / Pete Hackett) Trevellian - Schaum vor dem Mund (Alfred Bekker / Pete Hackett) Ein ehemaliger CIA-Agent stirbt, und seine Frau behauptet, es war Mord. Bei der Obduktion stellt sich eine Infektion mit Tollwut heraus. Wer wählt eine so ungewöhnliche Mordmethode und hat die Möglichkeit, an das Virus heranzukommen? Die beiden FBI Agenten Trevellian und Tucker tauchen in die Geheimnisse der Spionage und des Mordens auf Befehl ein.
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Wenn die Spannung steigt: 5 Thriller in einem Band
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Im Visier der Killerin
Tauchfahrt ohne Wiederkehr
Einsatz unter dem Eis
Menetekel des letzten Tages: Thriller
Trevellian - Schaum vor dem Mund
Dieser Band enthält folgende Romane:
Im Visier der Killerin (Alfred Bekker)
Tauchfahrt ohne Wiederkehr (W.A.Hary)
Einsatz unter dem Eis (Alfred Bekker)
Menetekel des letzten Tages (Alfred Bekker / Pete Hackett)
Trevellian - Schaum vor dem Mund (Alfred Bekker / Pete Hackett)
Ein ehemaliger CIA-Agent stirbt, und seine Frau behauptet, es war Mord. Bei der Obduktion stellt sich eine Infektion mit Tollwut heraus. Wer wählt eine so ungewöhnliche Mordmethode und hat die Möglichkeit, an das Virus heranzukommen? Die beiden FBI Agenten Trevellian und Tucker tauchen in die Geheimnisse der Spionage und des Mordens auf Befehl ein.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author / COVER A. PANADERO
© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
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Thriller von Alfred Bekker
Der Umfang dieses Ebook entspricht 140 Taschenbuchseiten.
Sie ist schön wie die Sünde – und so tödlich wie eine Revlovlerkugel im Kopf. Reihenweise schaltet sie die härtesten Gangster aus und zieht eine blutige Spur hinter sich her. Wer hat diese Killerin geschickt? Die Ermittler heften sich an die Fersen des Todesengels – und kommen einer skrupellosen Verschwörung auf die Spur.
Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.
Titelbild: Firuz Askin
Ein CassiopeiaPress E-Book
© by Author
© 2015 der Digitalausgabe by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
www.AlfredBekker.de
postmaster @ alfredbekker . de
"Stopp, Lady! Nicht so eilig!"
Der Größere der beiden Bodyguards hielt eine Uzi im Anschlag. Die Hand seines Partners glitt instinktiv zur .45er Automatik, deren Griff aus einem Quick-Draw-Holster herausragte.
Die junge Frau, die den beiden Gorillas gegenüberstand, stemmte provozierend einen Arm in die Hüfte.
"Sagt bloß, ich mache euch Angst, Jungs", hauchte sie spöttisch. Ihr schwarzes Haar war hochgesteckt. Ein wertvoller Nerz umschmeichelte ihre Figur.
"Wir sind nur vorsichtig", zischte der Kerl mit der Automatik zwischen den Zähnen hindurch.
Die dunkelhaarige Schönheit hob selbstbewusst den Kopf.
"Mister Barese erwartet mich. Aber ihr könnt mich gerne durchsuchen, Jungs!" Sie öffnete den Nerz. Darunter war sie vollkommen nackt. "Ich glaube kaum, dass euer Boss gegen meine Bewaffnung etwas einzuwenden hat!" Ein verführerisches Lächeln spielte um ihre vollen Lippen. Aber in ihren Augen glitzerte es kalt. Immerhin wird der große Boss einen schönen Anblick haben, bevor er stirbt, ging es ihr zynisch durch den Kopf.
Die beiden Gorillas starrten ein paar Sekunden lang auf die vollen Brüste. Die sexy Figur der Dunkelhaarigen ließ die Kerle schlucken. Der Uzi-Mann gewann als erster die Fassung zurück und deutete auf die ziemlich große Handtasche. Lächelnd reichte sie ihm das Stück aus Krokodilleder. Der Gorilla warf einen Blick hinein, holte den kurzen Schirm heraus, der sich darin befand.
Der zweite Bodyguard nahm inzwischen über sein Headset Kontakt mit seinem Boss auf.
"Es stimmt, Mister Barese erwartet die Dame."
Der Uzi-Mann steckte den Schirm zurück in die Handtasche und gab sie der Dunkelhaarigen zurück.
"Alles klar, Lady."
"Mit Ihnen auch? Sie sehen so blass aus."
Sie raffte den Mantel wieder zusammen. Die Tür wurde geöffnet. Sie ging hindurch. Ein schlaksiger Kerl im dunklen Rollkragenpullover brachte sie in das Wohnzimmer, das allein größer war als zwei New Yorker Durchschnittswohnungen zusammen. Aber für den großen Billy Barese war das Beste gerade gut genug. Und dazu gehörte auch eine Luxus-Suite im New Palace Hotel, direkt am Broadway, wenn er in New York weilte.
Die Dunkelhaarige registrierte beiläufig, dass der Mann im Rollkragenpullover eine Beretta in seinem Schulterholster trug. Wahrscheinlich werde ich ihn auch töten müssen, überlegte sie. Billy Barese hatte in einem der überbreiten Ledersessel im Wohnzimmer platzgenommen. Er wog fast zweihundert Kilo. Ein wahrer Koloss von einem Mann. Er warf ihr einen abschätzigen Blick zu. Eine tiefe Furche bildete sich auf Bareses Stirn.
"Ich hatte Mickey gesagt, dass ich ein blondes Girl haben wollte!"
"Sind alle im Einsatz, Mister Barese", erwiderte die Dunkelhaarige. "Aber ich denke, Sie werden trotzdem nicht enttäuscht sein!"
Sie legte die Handtasche in einen Sessel und ließ mit einer beiläufig wirkenden Bewegung den Mantel von ihren Schultern gleiten. Sie musste jetzt in die Offensive gehen, um die Lage im Griff zu behalten. Barese stierte das Girl an. Er war sichtlich beeindruckt.
"Na, habe ich zuviel versprochen?"
"Nein, hast du nicht."
"Ich heiße Monique. Aber du kannst mich auch anders nennen, wenn dir das besser gefällt!"
Schweißperlen standen auf Bareses Stirn. Er wandte sich an den Schlaksigen. "Lass uns allein, Tony!"
"In Ordnung, Boss!"
Tony verließ den Raum.
Barese wischte sich über das Gesicht. "Komm her zu mir!", forderte er Monique auf.
"Nicht ganz so schnell, Mister Barese!"
"Ich will's aber schnell!"
Monique nahm ihre Handtasche, holte den Klappschirm hervor.
"Hey, was soll das denn?", fragte Barese.
"Mickey sagte mir, dass du eine Vorliebe für ganz bestimmte Spiele hättest!"
"Ja, schon, aber..."
Ihre Bewegungen waren blitzschnell. Die Bespannung des Schirms wurde gelöst und wanderte in die Tasche. Mit ein paar Handgriffen verwandelte sich das, was von dem "Schirm" übriggeblieben war, in eine Ein-Hand-Armbrust.
Billy Barese wollte um Hilfe schreien.
Aber er kam nicht mehr dazu.
Monique drückte ab.
Ein klackendes Geräusch ertönte. Mit mörderischer Wucht fuhr Barese der von der Armbrust verschossene Stahlbolzen direkt in den offenstehenden Mund. Blut spritzte auf.
Barese sackte in sich zusammen.
Monique hob den Nerz auf und zog ihn wieder an. Aus einer der Taschen holte sie einen zweiten stahlummantelten Bolzen heraus, den sie in die Armbrust einlegte.
Sie raffte ihre Handtasche an sich und verließ das Wohnzimmer.
Der schlaksige Tony saß im Vorraum und las Zeitung.
Er blickte verwundert auf, kam aber nicht mehr dazu, auch nur daran zu denken, seine Beretta hervorzureißen.
Monique richtete die Armbrust auf ihn und drückte ab.
Es machte "klack" und der Bolzen fuhr dem Schlaksigen mitten in die Brust. Er durchschlug den Körper, drang anschließend noch durch die Sesselpolsterung und fetzte in den Teppichboden hinein.
Als sie wenig später auf den Flur hinaustrat, hatte sie die Armbrust längst wieder zusammengeklappt und in der Handtasche verborgen.
"Das ging aber schnell!", meinte einer der beiden Bodyguards süffisant. Es war der Uzi-Mann.
Monique drehte sich mit einem anzüglichen Lächeln zu ihm um.
"Ihr solltet euren Boss inzwischen besser kennen, Jungs!"
"Wieso?"
"Na, er steht doch auf schnelle Nummern."
Ihre Stimme klirrte wie Eis.
Augenblicke später hatte die Dunkelhaarige den Lift erreicht.
Als wir den Tatort im New Palace Hotel am Broadway erreichten, war dort die Hölle los. Die zuständige Homicide Squad war ebenso mit mehreren Beamten dort vertreten, wie die Kollegen von der Scientific Research Division, dem zentralen New Yorker Erkennungsdienst.
Mein Kollege Milo Tucker und ich hatten uns auf dem allmorgendlichen Weg zum Bundesgebäude an der Federal Plaza befunden, als der Anruf von Mister McKee uns erreichte. Der Chef hatte uns hier her beordert und in groben Zügen über das informiert, was hier los war.
Billy Barese, der im wahrsten Sinn des Wortes schwergewichtige Pate von Chicago, war ermordet worden.
Und wenn jemand wie Barese eines unnatürlichen Todes starb, bedeutete das in der Regel jede Menge Ärger.
Lieutenant Roger Kingsley von der Homicide Squad des zuständigen Police Precinct begrüßte uns und führte uns in die 500-Dollar-Suite, in der Barese umgebracht worden war.
Im Vorraum war ein Sessel mit einem faustgroßen Loch in der Rückenlehne zu sehen. Die Umgebung war blutverschmiert.
Fetzen einer Zeitung lagen herum.
"Dort hat es einen der Leibwächter erwischt", erläuterte Kingsley. "Der Coroner war schon hier, um die Leichen ins Labor zu bringen."
"Wie viele Leichen?", hakte ich nach.
Kingsley nickte. "Es gibt insgesamt zwei Tote. Wir haben die anderen Leibwächter befragt, die draußen im Flur postiert waren. Angeblich hatte Barese zuletzt Besuch von einem dunkelhaarigen Girl."
"Ist ein Phantombild gemacht worden?", hakte ich nach.
"Ja."
"Und diese Bodyguards?"
"Wohnen ebenfalls hier im Hotel. Aber natürlich ein paar Preisklassen unter dieser Luxus-Suite. Die Personalien sind aufgenommen."
Wir folgten Kingsley anschließend in das Wohnzimmer.
Der Lieutenant streckte den Arm aus.
"Dort hat Barese gesessen", meinte Kingsley und deutete auf einen blutdurchtränkten Ledersessel, in dessen Rückenteil sich ebenfalls ein fast faustgroßes Loch befand.
"Mit welchem Kaliber ist Barese erschossen worden?", stieß Milo unwillkürlich hervor. "Das müssen ja Riesendinger gewesen sein."
"Es ist überhaupt keine Schusswaffe gewesen", erklärte Lieutenant Kingsley. "Die Projektile sind auf dem Weg zum ballistischem Labor. Aber dem ersten Anschein nach könnte es sich um Stahlbolzen handeln, wie sie von einer Armbrust verschossen werden."
"Und diese dunkelhaarige Lady könnte so ein Ding bei sich gehabt haben?", fragte ich verwundert.
"Die Leibwächter behaupten, sie hätten die Frau gründlich durchsucht. Aber ganz plausibel ist mir das auch nicht."
"Wir werden uns diese Bodyguards mal vorknöpfen", versprach ich.
Kingsley wandte sich in Richtung der Fensterfront. "Zwei Dinge sind noch interessant."
"Und die wären?"
"Erstens wurde das Zimmer verwanzt."
"Barese ist eine große Nummer im organisierten Verbrechen. Drogen und Geldwäsche sind seine Spezialgebiete, aber er hat sich ansonsten überall getummelt, wo es satte Renditen gab", sagte Milo. "Möglich, dass er von Kollegen abgehört wurde. Entweder das FBI Field Office Chicago oder aber die Kollegen der DEA, die ihm schon lange auf den Fersen sitzen."
"Fragen Sie sicherheitshalber bei den Kollegen nach, aber ich glaube nicht daran."
Ich hob die Augenbrauen. "Warum nicht?"
"Die verwendeten Wanzen sind ziemlich primitiv. Das sah mir nach dem Werk von Amateuren aus - zumindest fernmeldetechnisch gesehen. Übrigens wurde das Telefon auch abgehört. Und dann ist da noch die Geschichte, wie wir benachrichtigt wurden..."
"Ich bin ganz Ohr, Lieutenant."
"Ein gewisser James F. Cramer hat auf der anderen Straßenseite in gleicher Höhe seine Wohnung. Er will den Mord gesehen haben und verständigte uns. Andernfalls wäre der Tod von Mister Barese vielleicht erst am Morgen vom Zimmermädchen entdeckt worden!"
Die nächsten zwei Stunden verbrachten Milo und ich damit, erst die beiden Leibwächter und dann den Augenzeugen von gegenüber zu vernehmen. Die Leibwächter hießen Roy Elario und Mark Silatti. Ihre vermutlich nicht legal angemeldeten Waffen hatten die beiden rechtzeitig verschwinden lassen, bevor die Polizei eintraf. Jedenfalls behaupteten sie nun, ihren Boss durch ihre Kung-Fu-Fähigkeiten verteidigt zu haben und auf Schusswaffen bei ihrem Job nicht angewiesen zu sein.
"Sollte das wider erwarten der Wahrheit entsprechen, dann haben Sie ja jetzt gesehen, dass Kung-Fu offenbar keineswegs ausreicht", versetzte Milo. "Schließlich ist Ihr Boss tot."
"Ich habe dafür keine Erklärung!", sagte Roy Elario. "Wir haben diese Frau durchsucht. Sie trug einen Nerz, öffnete ihn... mein Gott und darunter war sie vollkommen nackt! 'ne Klasse Figur hatte sie, das muss man ihr lassen. Und das sie nicht bewaffnet war, daran konnte es wohl auch keinen Zweifel geben."
"Von den Waffen einer Frau mal abgesehen", grinste Mark Silatti.
"Hatte sie eine Handtasche dabei?", bohrte ich weiter.
"Da war auch nichts drin", berichtete Elario. "Nur der Kram, den Frauen so bei sich haben. Ein zusammenklappbarer Regenschirm war drin, daran erinnere ich mich. Vielleicht hatte sie die Waffe ja in ihrem verdammten Nerz eingenäht. Sonst kann ich mir keinen Reim darauf machen, wie sie die hineinschmuggeln konnte."
"Wie ist Barese an dieses Girl gekommen?", fragte ich.
Die beiden zuckten die Achseln.
Silatti sagte schließlich: "Mister Barese muss sie gerufen haben. Oder Jim Crone, unser Kollege, den es auch erwischt hat."
"Eigentlich stand Mister Barese ja mehr auf Blonde", murmelte Elario. Er zuckte die Achseln. "Keine Ahnung, warum er seine Vorliebe auf einmal geändert hat..."
"Was wollte Mister Barese in New York?", fragte ich.
Silatti zuckte die Achseln. "Was weiß ich? Schätze, er wollte sich etwas amüsieren..."
"Und in Chicago ist das nicht möglich?"
"Hören Sie, G-man, ich habe immer versucht die Gedanken von Mister Barese zu lesen, aber bei dem Versuch ist es auch geblieben!"
Ansonsten war nicht mehr viel aus den beiden herauszuholen.
Ich forderte sie auf, sich in den nächsten Tagen für weitere Vernehmungen zur Verfügung zu halten.
"Die beiden sind Angestellte der Barese-Familie", kommentierte Milo das Gespräch später, als wir auf dem Weg zur Wohnung von James F. Cramer waren. "Die werden sich hüten, auch nur einen Ton zuviel auszuspucken, der mit der Familie nicht abgesprochen ist!"
Cramer war deutlich redseliger.
Von seiner Wohnung aus hatte man einen hervorragenden Blick zu jener Luxus-Suite, in der Barese gestorben war.
"Wenn drüben das Licht an ist und jemand vergisst die Jalousien herunterzuziehen, habe ich freien Blick, Sir, das lässt sich gar nicht verhindern."
James F. Cramer war ein unscheinbarer, schmächtiger Mann in den späten Fünfzigern. Ihm gehörte ein Frisörsalon eine Straße weiter. Seine Augen flackerten nervös.
Ich deutete auf das Fernglas, das in der Nähe des Fensters stand.
"Haben Sie das auch benutzt - letzte Nacht meine ich?"
"Das ist doch nicht verboten, oder? Wenn sich auf der anderen Seite jemand auszieht und die Jalousien nicht herunterlässt, werde strenggenommen doch ich durch diesen Anblick belästigt, oder meinen Sie nicht?"
"Sagen Sie mir einfach, was Sie gesehen haben", forderte ich.
Er atmete tief durch. "Also diese Frau kam rein. Sie trug einen Nerz, ließ ihn von den Schultern gleiten. Darunter war sie nackt... Aber das habe ich alles auch schon Ihren Kollegen von der Homicide Squad gesagt!"
"Wiederholen Sie es einfach noch einmal", drängte ich. Milo verdrehte die Augen. Aber das konnte James F. Cramer zum Glück nicht sehen, weil mein Partner schräg hinter ihm stand.
"Ja, diese Frau hat irgendetwas aus ihrer Handtasche herausgeholt."
"Was war das?", hakte ich nach.
"Sah aus wie ein...Regenschirm! Wissen Sie, ich war..."
"Sie waren etwas abgelenkt."
"Kann man so sagen, ja."
"Wo befand sich Mister Barese?"
"Wer?"
"Der Ermordete."
"Der saß in einem Sessel. Ein unglaublich dicker Mann. Die Frau hat etwas auf ihn gerichtet, wie eine Waffe. Irgendetwas hat sie mit dem Schirm gemacht, sodass er sich veränderte. Im nächsten Moment sah ich, dass der dicke Mann völlig blutüberströmt war. Die Lady hat den Nerz wieder angezogen und ist hinausgegangen."
"Und Sie haben die Polizei angerufen."
"Nein, die Geschichte ging noch weiter."
Ich hob die Augenbrauen, wechselte einen kurzen Blick mit Milo.
"Erzählen Sie!", forderte Milo den Zeugen auf.
Cramer drehte sich herum, ging ein paar Schritte und ließ sich in einen Sessel fallen.
Sein Gesicht war kreideweiß geworden.
"Ich dachte erst, das geht mich nichts an. Sollen sich andere drum kümmern. Ich weiß, das ist nicht gerade das Verhalten, das man von einem gesetzestreuen Staatsbürger erwartet. Aber man bekommt doch immer nur Ärger, wenn man sich irgendwo als Zeuge meldet. Vor drei Jahren war ich Zeuge eines Unfalls, und ob Sie es nun glauben oder nicht..."
"Vielleicht kommen Sie wieder zur Sache!", unterbrach ich ihn.
"Jedenfalls wartete ich ab. Eine Viertelstunde geschah gar nichts da drüben. Dann kam ein Kerl mit einer MPi über der Schulter herein. Er schien mir ziemlich entsetzt, als er Barese fand."
"Können Sie mir den Mann beschreiben?"
"Kurzes, dunkles Haar, kräftige Figur, dunkler Oberlippenbart."
"Passt auf Elario", stellte Milo fest.
Cramer fuhr fort: "Der Kerl holte einen zweiten Typen herein. Einer telefonierte per Handy. Ich ahnte, jetzt müsste doch in ein paar Minuten die Polizei da sein."
Ich hob den Kopf. "Und?"
"Fehlanzeige. Die beiden versuchten den dicken Mann anzuheben, aber das klappte nicht. Dann haben sie sich unterhalten. Sah wie ein Streit aus. Schließlich haben sie noch mal telefoniert." Cramer seufzte hörbar. "Da war mir klar, dass da irgendetwas nicht stimmen konnte und deshalb habe ich die City Police verständigt. Die war in wenigen Minuten da."
Ich nickte.
Für mich passte das ins Bild. Die beiden Bodyguards hatten uns nicht die volle Wahrheit gesagt und offenbar erst mit der Familie des Ermordeten Kontakt aufgenommen. Ob sie die Polizei überhaupt je verständigt hätten, war fraglich.
Eher war zu befürchten, dass die Barese-Familie den beiden den Auftrag gab, die Sache in ihrem Sinn zu regeln, so fern sie erahnten, wer der Täter war.
Die Konsequenz war ein Gangsterkrieg.
"Wir danken Ihnen sehr für Ihre Bereitschaft zur Mitarbeit", sagte ich an Cramer gerichtet, bevor wir gingen.
Am frühen Nachmittag fand im Büro von Mister McKee eine Besprechung statt. Außer Milo und mir nahmen daran noch die Agenten Orry Medina, Clive Caravaggio und Fred LaRocca sowie einige Mitarbeiter des Innendienstes teil.
Kollegen hatten inzwischen die Beschattung der beiden Leibwächter übernommen, denn wir nahmen an, dass uns ihr weiteres Verhalten vielleicht Aufschluss über die Hintergründe dieses Mordes bringen konnte.
Und für den Fall, dass sie mit dem nächsten Flieger zurück nach Chicago flogen, warteten dort schon die Kollegen des zuständigen Field Office auf sie.
"Wir haben ein Dossier über Barese", erklärte Mister McKee.
Der SAC hielt in der einen Hand eine Mappe mit Computerausdrucken empor, während die andere in seiner Hosentasche ruhte. "Der Großteil davon wurde von den FBI-Kollegen in Chicago zusammengestellt. Nach deren Erkenntnissen strebte Barese danach, seine Geschäfte erheblich auszudehnen. In den Bereichen Geldwäsche und Drogen ist der Barese-Clan unermesslich reich geworden. Aber es gibt ein Problem." Mister McKee wandte sich an Nat Norton, unseren Experten für Betriebswirtschaft, dessen Spezialität es war, verborgenen Geldströmen nachzuspüren, deren Aufdeckung organisiertes Verbrechen oft erst sichtbar machte. "Vielleicht erklären Sie das, Nat! Schließlich bringen Sie den nötigen ökonomischen Sachverstand mit!"
Nat Norton nickte.
"Bareses Problem war es, dass er zu viel Schwarzgeld angesammelt hatte. Seine Geldwäsche-Kapazitäten reichten einfach nicht mehr aus, um aus den Drogengewinnen weiße Dollars zu machen. Die Lösung für so ein Problem heißt: investieren. Vor ein paar Jahren hat Barese das auch schon einmal hier im Big Apple versucht. Über einen Strohmann kaufte er ein paar Wettbüros in Queens. Aber die Konkurrenz hatte etwas dagegen, demolierte seine Läden und das war's."
Mister McKee ergriff wieder das Wort. "Unseren Informanten zu Folge soll in nächster Zeit ein geheimes Treffen der Bosse stattfinden. Irgendeine Art Marktbereinigung oder wie immer die feinen Herren das auch ausdrücken mögen, steckt dahinter."
"Sie wollen damit sagen, dass es kaum ein Zufall sein kann, dass Mister Barese sich ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt in New York aufhält", schloss ich.
Mister McKee nickte.
"Und genauso wenig glaube ich daran, dass kein Zusammenhang mit Bareses Ermordung besteht."
"Vielleicht wollte jemand verhindern, dass er an diesem Treffen teilnimmt", vermutete Max Carter, ein Innendienstler aus der Fahndungsabteilung. "Aber bislang ist das alles nur Hypothese. Genauso gut ist es möglich, dass die ganze Sache nichts mit den Verhältnissen hier in New York zu tun hat, sondern mit irgendeinem Machtkampf, der hinter den Kulissen gerade in Chicago läuft."
"Wir werden in diesem Fall auf das engste mit unseren Kollegen in Chicago zusammenarbeiten", kündigte Mister McKee an.
Max Carter referierte kurz, was über die beiden Leibwächter bekannt war. Elario und Silatti waren beide mehrfach wegen Körperverletzung und Drogendelikten vorbestraft. Sie gehörten offenbar seit Jahren zum Dunstkreis der Barese-Familie. Aber juristisch war derzeit nichts gegen sie vorzubringen. Ob sie wirklich vorgehabt hatten, eine Straftat zu vertuschen, war ihnen im Zweifelsfall nicht nachzuweisen.
Die Sim-Card von Bareses Handy war verschwunden.
Das war den Kollegen der SRD erst im Labor aufgefallen.
"Ich wette, dass da auch die beiden Bodyguards die Finger im Spiel hatten!", meinte Milo. "Und es gibt nun wirklich nichts, was man einfacher verschwinden lassen könnte, als so eine daumennagelgroße Sim-Card!"
Orry Medina hob die Augenbrauen und nippte an seinem Kaffeebecher. "Wäre sicher interessant gewesen, zu wissen, mit wem Barese in der letzten Zeit alles telefoniert hat..."
Von der Leitung des "New Palace Hotels" hatten wir inzwischen die Telefonlisten der Anschlüsse in Bareses Suite sowie von den Zimmern der Leibwächter.
Max Carter stellte uns seine Auswertung vor.
"Die Leibwächter haben Nummern in Chicago angerufen, nachdem Barese tot war. Eine Nummer gehört zu Tony Barese, dem ältesten Sohn und Kronprinzen des großen Boss."
Mister McKee nippte an seinem Kaffeebecher. "In der Art habe ich mir das gedacht!", kommentierte der SAC des FBI Field Office New York die Ausführungen von Agent Carter.
Aber Max war noch nicht fertig. "Glücklicherweise hat Barese auch ein paar Mal von seiner Suite aus telefoniert. Wir können natürlich davon ausgehen, dass es nichts wirklich Wichtiges war. Schließlich muss ein Syndikatsboss wie er stets damit rechnen, dass er von Gesetzeshütern belauscht wird."
"Und?", erkundigte sich Mister McKee. "War etwas Interessantes dabei?"
"Ein Anruf bei Mickey Slater."
"Wer ist das?"
"Ein Zuhälter aus Brooklyn. Er kontrolliert aber auch einige Bars und Hotels an der Bowery und am oberen Broadway. Etablissements, bei denen es sich in Wahrheit wohl um mehr oder minder gut getarnte Bordelle handelt."
Mister McKee leerte den Kaffeebecher in einem Zug. "Wahrscheinlich hat dieser Mickey Slater ihm die Dunkelhaarige geschickt", schloss er. Unser Chef wandte sich an Milo und mich, blickte vorher kurz auf die Uhr. "Ich möchte, dass Sie beide sich diesen Kerl mal vornehmen, Jesse. Wahrscheinlich erwischen Sie ihn um diese Zeit gerade beim Frühstück."
Ich nickte. "In Ordnung Sir."
Mister McKee wandte sich an Clive und Orry. "Klappern Sie unsere Informanten in Little Italy ab, Clive. Wenn da wirklich in nächster Zeit ein großes Treffen der Bosse stattfindet, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass niemand davon gehört hat!"
Chicago, 765 Braxton Lane, etwa zur selben Zeit...
MPi-Feuer knatterte. Gesichter zerplatzten. Blutrot spritzte es empor.
Tony Bareses Gesicht war eine Maske der Wut.
Er feuerte, bis das Magazin der Waffe leergeschossen war.
Dann machte es klick. Tony Barese rang nach Atem, keuchte. Sein Gesicht hatte kaum noch etwas Menschliches an sich. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Er lud die MPi durch. Eine Waffe der Firma Heckler & Koch. Es dauerte einige Sekunden, bis er einigermaßen zur Ruhe kam.
Schließlich riss er das leere Magazin heraus, warf es achtlos ins Gras.
"Sie sollen bezahlen, diese Wichser!", schrie er. "Ich mach sie alle fertig. Ihr sollt sehen, was es heißt, einen Barese umzubringen!"
Er streckte die Hand aus.
Eine fordernde, gebieterische Geste.
Einer der Bodyguards, die um ihn herumstanden, reichte ihm eilfertig ein neues Magazin. Mit ruckartigen, unharmonisch wirkenden Bewegungen steckte er es in die MPi.
"Und jetzt will ich neue Köpfe, die ich abballern kann!", forderte er.
Seine Leute sahen sich an. Ein halbes Dutzend eisenharte Gorillas, die ansonsten so schnell nichts schrecken konnte.
Aber ein derartiger Ausbruch an Aggressivität und Hass ließ selbst diese Männer blass werden. Sie kannten Tony Barese, den launenhaften Kronprinzen des großen Billy. Und sie wussten, wie unberechenbar er werden konnte.
Dummerweise konnte man bei ihm auch nicht vorhersagen, gegen wen sich seine Wut als nächstes wenden würde. In der Regel waren das die Feinde der Familie. Aber wenn die mal nicht greifbar waren, richtete sich Tonys Zorn auch schon mal gegen die eigenen Leute.
"Neue Köpfe!", rief Tony Barese jetzt mit gebleckten Zähnen, die an ein Raubtier erinnerten. "Na los, holt sie her, ihr Ärsche! Ich will was vor dem Rohr haben!"
Er wirbelte herum, ließ die MPi losknattern.
Seine Gorillas duckten sich.
Die MPi-Salve zischte dicht über ihren Köpfen her.
Tony Barese lachte zynisch.
"Ihr sollt euch ein bisschen mehr beeilen, ihr Drecksäcke. Schließlich bezahle ich euch gut genug!"
Die Männer beeilten sich. Sie hängten neue Melonen an die Äste eines der ausladenden Bäume im Garten der Barese-Villa. Dann klebten sie die Bilder an. Fotokopierte Schwarz-weiß-Fotos von Gesichtern, die auf Lebensgröße gezoomt worden waren.
"Tony, lass die Ballerei sein. Wir kriegen noch Ärger!"
Es war eine weibliche Stimme, die das sagte.
In Tonys Gesicht zuckte nervös ein Muskel knapp unterhalb des linken Auges.
Er drehte sich um.
"Halt dich da raus, Schwesterherz."
"Tony..."
"Die Waffe ist legal zugelassen. Ich kann damit auf meinem Grund und Boden machen, was ich will. Und wenn sich einer der Nachbarn beklagt, stopfe ich ihm ein Bündel Tausend-Dollar-Scheine ins Maul."
"Tony, wir müssen jetzt einen kühlen Kopf bewahren. So schwer es auch zu verstehen sein mag, dass Dad nicht mehr unter uns ist..."
Ein gequältes Lächeln erschien auf Tony Bareses Gesicht.
Er musterte die junge Frau einige Augenblicke lang.
Tony war Mitte dreißig, seine Schwester zehn Jahre jünger.
"Du hast ein zu gutes Herz, Melanie. Aber ich will, dass diejenigen, die unseren Vater auf dem Gewissen haben, dafür bezahlen. Nicht nur die Schlampe, die ihn ermordet hat, sondern auch diejenigen, die dahinter stecken."
"Tony!"
"Diese Schweinehunde! Sie sind jetzt schon so gut wie tot!"
"Was redest du denn da?"
"Sie werden in ihrem eigenen Blut ersaufen und so mancher dieser Bastarde wird sich wünschen, nie geboren worden zu sein!"
"Jetzt beruhige dich doch, Tony!"
"Beruhigen? Und vielleicht auch noch zulassen, dass ein Barese ungestraft ermordet wird?" Er machte eine wegwerfende Geste. Verachtung spiegelte sich in seinem Gesicht wider.
"Pah!", stieß er hervor.
"Du hast ein paar gute Leute nach New York geschickt, die alles für dich regeln werden."
"Alles nicht, Melanie... Wenigstens die größten Arschlöcher will ich selbst vor dem Rohr haben!"
Melanie Barese zuckte unwillkürlich zusammen, als Tonys MPi erneut losknatterte.
Die Kugeln stanzten Löcher in die Gesichter, ließen eine Melone nach der anderen zerplatzen.
"New York, ich komme!", schrie er und seine Gesichtsfarbe änderte dabei in ein ziemlich dunkles Rot.
Wir suchten Mickey Slater in seinem gediegenen Bungalow in Riverdale, Bronx auf. Seine Geschäfte gingen offenbar so gut, dass er sich so ein Anwesen leisten konnte. Der Bungalow mochte etwa zweihundert Quadratmeter haben. Im Garten befand sich ein Swimming Pool. Hohe Hecken umgaben das Grundstück. Warnschilder wiesen auf einen scharfen Hund hin. Milo betätigte die Sprechanlage an dem brusthohen Eingangstor. Eine Frauenstimme war zu hören.
"Special Agent Milo Tucker, FBI", meldete sich Milo.
"Wir müssen mit Mister Mickey Slater sprechen."
"Mister Slater ist nicht zu Hause", säuselte die Frauenstimme.
"In dem Fall werden wir gewaltsam in dieses Haus eindringen und eine Haussuchung durchführen."
"Dazu haben Sie kein Recht!"
"Es geht um Beweissicherung in einem Mordfall. Und da ist Gefahr im Verzug, weil wir Grund zu der Annahme haben, dass Mister Slater sich den Ermittlungen entziehen wird..."
Im nächsten Moment öffnete sich das Tor mit einem surrendem Geräusch.
Milo drehte sich zu mir herum und grinste.
"Na, also, geht doch!"
In der Einfahrt standen ein Maserati und ein Porsche.
Die Nummernschilder machten deutlich, dass der Mann, den wir verhören wollten, über ein gesundes Selbstbewusstsein verfügte: SLATER 1 stand auf dem Porsche, SLATER 2 war der Maserati.
Eine Blondine öffnete uns. Sie trug nichts weiter als einen hauchdünnen Kimono. Der Ausschnitt ließ den Blick auf ihre vollen Brüste zum Großteil frei. Das Haar wirkte zerzaust.
"Kommen Sie herein", forderte sie.
"Wer sind Sie?", fragte ich.
"Ich heiße Mindy."
"Etwas genauer hätte ich das schon gerne..."
"Mister Slater wird Ihnen alle Fragen beantworten."
Sie ging vor uns her, führte uns in ein weitläufiges Wohnzimmer.
Das Mobiliar war gediegen. Die von Filmstars handsignierten Kinoplakate, die aufwendig gerahmt an den Wänden hingen, bildeten dazu einen gewissen Kontrast.
Mickey Slater trug einen Morgenmantel und löste sich gerade ein paar Aspirin auf.
"Was fällt Ihnen ein, hier so unverschämt aufzutreten?", knurrte er. "In zehn Minuten ist mein Anwalt hier und dann haben Sie beide so viele Dienstaufsichtsbeschwerden am Hals, dass Sie selbst bei der Müllabfuhr noch höher in der Karriereleiter kämen als bei der Polizei!"
"Wir sind vom FBI", erinnerte ich ihn ruhig und hielt ihm meine ID-Card hin.
Er verzog nur das Gesicht.
"Spielt doch keine Rolle! Ist doch alles dieselbe Bande von Arschlöchern!"
"Ich weiß, dass Sie Schwierigkeiten mit dem Vice Department haben", erwiderte ich. "Aber wenn Sie mir ein paar vernünftige Auskünfte geben, soll mich das nicht kümmern. Wir ermitteln schließlich in einem Mordfall."
Slater nippte an seinem aufgelösten Aspirin, machte ein Gesicht, als müsste er sich übergeben.
"Wenn ihr G-men hier irgendeine krumme Tour versucht und mich reinlegt, wird Mindy Stein und Bein schwören, dass Sie beide ungesetzliche Mittel angewendet und mich und sie misshandelt haben!"
Ich wechselte einen kurzen Blick mit Milo.
Dieser Slater war ein schwieriger Brocken.
Seine Devise schien zu sein: Angriff ist die beste Verteidigung.
Ich lächelte dünn. "Wir haben es immer gerne, wenn die Leute, mit denen wir es zu tun haben, sich juristisch auskennen. Dann können die nämlich hinterher nicht so leicht behaupten, dass sie über ihre Rechte nicht informiert gewesen wären!"
"Was wollen Sie?", knurrte Slater.
"Billy Barese ist gestern Nacht ermordet worden."
"Ich kenne keinen Billy Barese..."
"Komisch, am Abend hat er Sie angerufen, damit Sie ihm ein Girl vermitteln."
Slater ruderte mit den Armen, verschüttete dabei beinahe sein Aspirin. "Scheiße, ihr habt diesen blöden Itaker abgehört! Ich hätte es wissen müssen, verdammt..."
Natürlich klärte ich ihn über seinen Irrtum nicht auf.
Slater fuhr sich mit der Hand durch das schüttere Haar.
Plötzlich änderte er seine Taktik.
Er schien einzusehen, dass ihn jetzt nur noch Kooperation weiterbrachte.
"Ihr hängt wirklich nicht mit den Ärschen vom Vice Department zusammen?"
"Jetzt habe ich die Nase voll", meldete sich Milo zu Wort. "Ich schlage vor, wir nehmen den Kerl hier unter dem Verdacht der Verabredung zum Mord fest. Eines seiner Girls hat Barese umgebracht und es wird dem District Attorney ein besonderes Vergnügen sein, ihm das auch anhand von Indizien nachzuweisen."
Slater hob die Hände.
"Hey, nicht so voreilig, G-men. Ich sage euch ja alles, was ihr wollt!"
"Da bin ich ja mal gespannt", murmelte ich kühl.
Slater atmete heftig. "Eines können Sie mir wirklich glauben: Ich bin nicht so blöd, mich mit dem Barese-Clan anzulegen... Wer Barese hat umbringen lassen, der muss doch bescheuert sein! Der ganze Clan wird dem Killer doch jetzt auf den Fersen sein. Ihr G-men seid gegen die ja richtig nette Typen."
"Ach, ich dachte Sie hätten den Namen Barese noch nie gehört!", versetzte ich schneidend.
Slater verdrehte die Augen. "Dieser fette Sack kam in mehr oder weniger unregelmäßigen Abständen nach New York, so etwa alle halbe Jahr."
"Und dann haben Sie ihm ein Girl vermittelt."
Ich musterte ihn scharf. Er wich meinem Blick aus.
"Er mochte Blondinen", knurrte er.
"Wie heißt die Frau, die Sie zu ihm geschickt haben?"
"Rita Morgan. Sie hat ein Zimmer über meinem "Club of the Vampyres". Das ist ein Nachtclub in der 46. Straße, an dem ich beteiligt bin."
"Eigenartigerweise hatte die junge Frau, die Barese aufsuchte, dunkles Haar."
Slater zuckte die Achseln.
"Was weiß ich? Die Girls tragen schon mal Perücken. Was soll ich mich da einmischen? Der Kunde ist König, wenn Sie verstehen, was ich meine."
Milo holte das Phantombild der dunkelhaarigen Mörderin aus der Jackentasche und hielt es Slater unter die Nase. "Ist das Rita?"
Slater schluckte.
Er schüttelte den Kopf.
"Nein." Er ging zum Telefon.
"Wen rufen Sie an?", fragte ich.
"Rita. Die muss mir einiges erklären..."
Er wählte eine Nummer. Nach einigen Augenblicken legte er wieder auf. "Meldet sich nicht..."
Aus den Augenwinkeln heraus nahm ich eine Bewegung wahr.
Ich wirbelte zur Fensterfront herum. Auf der Terrasse erschienen ein paar Männer in dunkler Kleidung. Sie trugen Sturmhauben und Kevlar-Westen. Automatik-Pistolen und MPis bildeten ihre Bewaffnung.
Mehrere der MPis knatterten los.
Die Fensterscheiben gingen zu Bruch.
"Vorsicht! Runter!", schrie ich, aber es war zu spät.
Slater wurde von mindestens einem Dutzend Kugeln erfasst.
Er zuckte unter den Treffern zusammen, rutschte zu Boden und riss das Telefon mit sich.
Ich warf mich zu Boden.
Milo ebenfalls.
Noch während des Hechtsprungs, mit dem ich mich hinter eine dicke Ledergarnitur rettete, griff ich zu der Dienstpistole vom Typ SIG Sauer P 226.
Die Polster der Ledergarnitur wurden durch das MPi-Feuer geradezu zerfetzt.
Ein Schrei gellte. Es war die blonde Mindy. Blutüberströmt sackte sie zu Boden.
Milo hatte sich hinter einen Sessel geworfen.
Er tauchte als erster hinter seiner Deckung hervor, feuerte auf die Killer.
Einer von ihnen wurde getroffen, taumelte zurück. Die Kevlar-Weste rettete ihn. Aber der Treffer mit einem Projektil mittleren bis großen Kalibers hatte trotz Kevlar-Weste für den Betroffenen die Wirkung eines heftigen Fußtritts.
Der Killer taumelte stöhnend zu Boden. Die anderen rannten davon, ballerten dabei wild um sich.
Einer warf einen eiförmigen Gegenstand durch die zerborstene Fensterfront.
Eine Handgranate.
Sie knallte auf der anderen Seite des Raumes gegen die Wand, fiel zu Boden.
"Raus!", rief Milo.
Ich war innerhalb von Sekundenbruchteilen auf den Beinen.
Milo und ich stürmten vorwärts auf die Fensterfront zu.
Nur Sekunden blieben uns. Das ungezielte, wahllose Feuer der maskierten Killer war zum Glück verebbt.
Fast gleichzeitig sprangen wir durch die zerborstenen Fenster, kamen hart auf dem Waschbeton auf, aus dem der Terrassenboden bestand. Unter meiner Schulter knackten Scherben. Ich schützte die Augen mit dem Arm.
Hinter uns, in Mickey Slaters Bungalow, brach die Hölle los.
Eine gewaltige Explosion fetzte alles auseinander.
Flammen schlugen aus den geborstenen Fenstern heraus.
Ich war nach wenigen Augenblicken wieder auf den Beinen, kümmerte mich um Milo.
"Alles klar?"
"Halb so wild."
Nur einer der Killer war noch zu sehen.
Es war der Kerl, dem Milo eine Kugel in seine Kevlar-Weste gebrannt hatte. Er stolperte dahin.
"Stehen bleiben! FBI!", schrie ich.
Er drehte sich halb herum, riss den Lauf seiner MPi in meine Richtung. Aber einhändig konnte er nicht besonders gut schießen. Dazu war der Rückschlag der Heckler & Koch-MPi auch viel zu stark. So etwas war allenfalls mit einer kleinkalibrigen Uzi machbar.
Ich feuerte, traf ihn am Bein.
Er humpelte weiter, verschwand hinter der Hausecke.
Eine Maschinenpistole knatterte. Schreie gellten.
Als wir den Kerl erreichen, lag er tot in seinem Blut, das Gesicht in den feuchten Rasen gesenkt.
Seine eigenen Leute hatten ihn abknallt, um zu verhindern, dass er sie verraten konnte.
Einer der Maskierten kletterte gerade über das brusthohe Eingangstor, schickte noch eine MPi-Salve in unsere Richtung.
Wir duckten uns, feuerten zurück.
Der Maskierte rannte davon, stieg in einen wartenden Van ein. Türen klappten. Der Van brauste mit durchdrehenden Reifen davon.
Wir spurteten hinterher, überkletterten wenige Augenblicke später ebenfalls das Tor der Einfahrt.
Aber als wir die Straße erreichten, war der Van bereits hinter der nächsten Ecke verschwunden.
Wir liefen zum Sportwagen. Ich legte einen Schnellstart hin. Milo verständigte inzwischen den Fire Service und unsere Kollegen. Schließlich brauchten wir bei der bevorstehenden Verfolgungsjagd dringend Verstärkung.
Außerdem musste der Tatort abgesichert werden.
Ich raste bis zur nächsten Ecke.
Der Van war in eine Einbahnstraße eingebogen.
Ein halsbrecherisches Manöver. Aber mitunter eine äußerst wirksame Methode, um Verfolger abzuschütteln. Rechts und links wichen die Wagen zur Seite. Es kam zu kleineren Auffahrunfällen. Autos verkeilten sich ineinander oder rammten die Phalanx der am Rand parkenden Fahrzeuge.
Wir hüteten uns davor, dem Van gegen die Fahrtrichtung zu folgen. Er hinterließ ein derartiges Chaos, dass uns selbst das Rotlicht, das ich jetzt auf das Dach des Sportwagens setzte, nicht weitergeholfen hätte.
"Bieg' in die nächste Querstraße ein, Jesse! Wir schneiden ihm den Weg ab!"
Ich folgte Milos Rat.
Der Motor unseres Sportwagens heulte auf, als wir mit blinkendem Rotlicht, eingeschalteter Sirene und einer mörderischen Geschwindigkeit die nächste Querstraße entlang rasten.
Immerhin folgten wir der vorgeschriebenen Fahrtrichtung.
Wenn wir Glück hatten, war der Van durch den Umstand, dass er in der falschen Fahrtrichtung fuhr, nicht so schnell vorangekommen wie wir.
Ich bog nach rechts. Die Reifen quietschten.
Der Motor unseres Wagens heulte auf. Ich beschleunigte und trat dabei das Gaspedal voll durch.
Nur Augenblicke später erreichten wir die Kreuzung.
Ich bremste.
Unser Sportwagen stand mitten auf der Kreuzung.
Von rechts jagte der flüchtende Van auf uns zu.
"Bingo, du bist tatsächlich schneller gewesen, Jesse!", meinte Milo. Er ließ die Scheibe runter, zielte mit seiner SIG Sauer P226.
Er schoss.
Viermal kurz hintereinander. Erst erwischte er den Reifen vorne links, dann den rechten.
Der Van brach hinten aus der Bahn, geriet ins schleudern und rammte in die Phalanx der parkenden Fahrzeuge hinein.
Blech knickte ein.
"Das war genial!", lobte ich.
Denn durch Milos geistesgegenwärtigen Gebrauch der SIG saßen vier der insgesamt fünf Männer, die sich im Van befanden, fest. Weder die Beifahrertür, noch die hintere Schiebetür ließen sich öffnen. So hatte sich der Van in die Wagen am Straßenrand hineingekeilt.
Ich sprang aus dem Wagen, zog meine SIG und ging hinter der Motorhaube des Sportwagens in Deckung. Milo wollte ebenfalls heraus, musste sich aber ducken.
Der Kerl hinter dem Steuer des Van sprang mit einer MPi im Anschlag ins Freie.
Der Maskierte ballerte wild drauflos.
An das Schicksal seiner Komplizen schien er keinen einzigen Gedanken zu verschwenden.
Milo zog den Kopf ein.
Die MPi-Salve zertrümmerte die Scheiben des Sportwagens.
Ich erwiderte mit meiner SIG das Feuer.
Aber gegen die geballte Schusskraft der großkalibrigen MPi, die mein Gegner verwendete, hatte ich keine Chance.
Die Kugeln flogen mir rechts und links um die Ohren. Ich duckte mich, tauchte hin und wieder hervor, um meine Pistole abzudrücken.
Milo krabbelte inzwischen auf der Fahrerseite des Sportwagens ins Freie.
"Nichts abgekriegt?", fragte ich.
"Das war haarscharf."
Milo nahm hinter dem Kotflügel Deckung.
Der Geschosshagel verebbte etwas.
Der Kerl riss das Magazin aus der MPi, schleuderte es von sich und steckte ein neues hinein, das er aus einer Munitionstasche am Gürtel zog.
Ich feuerte, erwischte ihn am Oberkörper.
Seine Kevlar-Weste schützte ihn, die Wucht des Geschosses ließ ihn dennoch taumeln.
Einer seiner Komplizen hatte es inzwischen geschafft, ebenfalls aus der Fahrertür des Vans herauszuklettern.
Er feuerte mit einer Automatik in unsere Richtung.
Milo erwischte ihn mit einem Schuss am Bein, bevor der Killer hinter den anderen Fahrzeugen in Deckung gehen konnte.
Der MPi-Mann hatte bereits die andere Straßenseite erreicht.
Ein gelber Ford Kombi stoppte mit quietschenden Reifen.
Der Werbeaufdruck verriet, dass es sich um das Fahrzeug irgendeines Kurierdienstes handelte. Der Fahrer war aus einer Seitenstraße eingebogen und hatte die Situation wohl zu spät erfasst.
Jetzt saß er in der Falle.
Der MPi-Mann stand direkt davor und ballerte in unsere Richtung.
Wir konnten das Feuer nicht erwidern, es sei denn wir hätten es in Kauf genommen, Unbeteiligte zu gefährden.
Die Jagd auf Verbrecher rechtfertigt zwar vieles, aber längst nicht alles. Es war undenkbar, dass wir in unserer Vorgehensweise dieselbe Skrupellosigkeit an den Tag legten, wie diejenigen, die auf der anderen Seite jener Grenze standen, die das Gesetz zog.
Der maskierte Killer riss eine Handgranate hervor.
Im ersten Moment glaubte ich, dass er sie in unsere Richtung werfen wollte.
Aber das war nicht der Fall.
Er warf sie in Richtung seiner eingeklemmten Komplizen.
Die Granate senkte sich auf den Boden, rollte unter den Van.
Ohnmächtig mussten wir mit ansehen, was geschah.
Der Van flog buchstäblich auseinander. Flammen züngelten hoch empor. Ein beißender Geruch verbreitete sich und einen Sekundenbruchteil später erfüllten die Geräusche einer zweiten Detonation die Luft. Offenbar war der Tank des Van zur Explosion gebracht worden. Weder die Insassen, noch der Kerl, dem von Milo ein Beinschuss verpasst worden war, hatten auch nur den Hauch einer Überlebenschance. Sie wurden eiskalt geopfert. Eine Tat, die einzig und allein den Zweck verfolgte, zu verhindern, dass einer der Maskierten in unsere Hände geriet und sich vielleicht dazu überreden ließ, den Mund aufzumachen.
Ein Hubschrauber des FBI schwebte inzwischen über uns.
Polizeisirenen ertönten von allen Seiten.
Ich hoffte nur, dass das Netz schnell genug zugezogen wurde, um diesen brutalen Killer nicht entkommen zu lassen.
Der MPi-Mann riss die Beifahrertür des gelben Ford Kombi auf, setzte sich hinein. Die Waffe war auf den völlig konsternierten Fahrer gerichtet, einen etwa 50jährigen Mann mit hoher Stirnglatze und Knebelbart.
Mein Handy schrillte. Der Einsatzleiter der City Police Kollegen war dran. Ein gewisser Captain Ray McCoy. Ich informierte ihn in knappen Worten über die Situation. "Der Kerl hat eine Geisel genommen", merkte ich noch an.
Der Maskierte hielt die MPi aus dem Fenster des Ford Kombi heraus, ballerte in die Luft. Er wollte offenbar den Helikopter treffen.
Der Heli drehte ab, verschwand wieder hinter der nächsten Häuserzeile.
Der Maskierte ließ seine Geisel den gelben Ford Kombi etwa fünfzig Meter zurücksetzen und anschließend rückwärts in eine Nebenstraße einbiegen.
Der Motor heulte auf.
Milo und ich stiegen in den Sportwagen.
Ich wischte die Scherben notdürftig weg, bevor ich mich ans Steuer setzte. Ich legte einen Blitzstart hin. Die einzige Scheibe, die noch intakt war, war die Heckscheibe.
Aber immerhin hatten die Reifen nichts abbekommen.
Ich trat das Gas voll durch. Mit quietschenden Reifen brauste der Sportwagen los. An der Ecke bog ich mit halsbrecherischer Geschwindigkeit ein und folgte dem Ford.
Am Ende der Straße standen mehrere Fahrzeuge der City Police und bildeten eine Barriere.
Die unformierten Cops waren dahinter in Deckung gegangen, hielten dabei ihre Waffen im Anschlag.
Der gelbe Kombi stoppte. Der Maskierte saß in der Falle.
Er hatte nur noch einen Trumpf: Seine Geisel.
Ich bremste mit dem Sportwagen ebenfalls.
Milo hatte die SIG in der Faust.
Eine Frontscheibe, die ihn am Schuss hätte hindern können, gab es ja nicht mehr.
Der Maskierte stieg aus. Die MPi hielt er mit einer Hand auf den Ford-Fahrer gerichtet. Mit der anderen Faust reckte er eine Handgranate deutlich sichtbar empor. Die Bedeutung dieser Geste war eindeutig. Wenn irgendetwas geschah, das ihm gegen den Strich ging, würde er seine Geisel umbringen.
Der Helikopter knatterte im Tiefflug über das geschehen.
Zumindest so tief, wie es die Dächer der drei- bis achtstöckigen Häuser in der Umgebung zuließen. Offenbar hatte der Pilot einen guten Überblick gehabt. Anders wäre diese koordinierte Aktion kaum möglich gewesen. Immerhin war der maskierte Killer jetzt abgefangen worden.
Eine Megafonstimme ertönte und forderte den Killer zum aufgeben auf.
Aber der dachte gar nicht daran aufzugeben.
Er umrundete die Motorhaube des Kombis.
Vermutlich wollte er die Geisel aus dem Wagen holen, um seine Flucht zu Fuß fortzusetzen. Der Maskierte hoffte wohl, bis zur nächsten Subway Station durchzukommen.
Der Mann am Steuer des gelben Kombis beging eine Kurzschlusshandlung.
Er trat auf das Gaspedal.
Der Wagen nahm den Maskierten auf die Hörner. Der Killer wurde voll erfasst, schrie.
Das Blech der Motorhaube knickte unter dem Gewicht des Killers ein. Die MPi verlor er, die Handgranate war ihm ebenfalls entglitten. Sie musste sich jetzt unter dem Wagen befinden. Das Gesicht des maskierten Killers war gegen die Frontscheibe geknallt. Er blutete stark aus seiner Maske heraus.
Weder für den Maskierten noch für seine Geisel gab es jetzt noch Rettung.
Sekundenbruchteile später erschütterte eine Detonation die ganze Straße.
Ich kniff die Augen zusammen, schützte das Gesicht mit meinen Armen vor der enormen Hitze, die auch im Sportwagen noch überdeutlich zu spüren war.
"So ein verdammter Mist!", hörte ich Milo neben mir fluchen.
Die junge Frau, die sich Monique nannte, hatte ihr Äußeres komplett geändert, um den Phantomzeichnungen, die in Kürze über die Medien verbreitet würden, so wenig wie möglich ähnlich zu sehen.
Ihr Haar war jetzt hellblond. Sie trug es sehr viel kürzer. Es reichte ihr kaum bis zum Kinn. Den Nerzmantel hatte sie mit T-Shirt, Jeans und Turnschuhen vertauscht.
In einer Sporttasche mit der Aufschrift "FFFF -FIT FOR FUN FUTURE" waren ihre Waffen untergebracht.
Zwei Armbrüste, ein kleineres Einhand-Modell, mit dem sie Billy Barese umgebracht hatte, sowie ein größeres Modell, dessen Reichweite mehrere hundert Meter betrug. Selbst auf diese Distanz hinweg hatte die Armbrust eine so durchschlagende Wirkung, dass mittelstarke Panzerplatten durchdrungen wurden. Zumindest wenn man Bolzen verwendete, die mit Titan oder Wolfram ummantelt waren.
Monique verwendete ein ganzes Arsenal verschiedener Bolzen. Teilweise waren sie von Spezialisten nach ihren Anweisungen konstruiert worden. Auch Explosivgeschosse waren darunter.
Für jeden Job das richtige Projektil.
Eine Beretta befand sich ebenfalls in ihrer Tasche. Aber die benutzte Monique nur zur Selbstverteidigung. Für ihre "Jobs" bevorzugte sie seit Jahren die Armbrust, eine Waffe, die außerdem den Vorteil hatte, dass sie als Sportgerät galt. Bis zum Inkrafttreten der verschärften Anti-Terrorbestimmungen seit dem Anschlag auf das World Trade Center hatte Monique ihr Arsenal problemlos als Fluggepäck aufgeben können, ohne dass irgendjemand Verdacht geschöpft hätte. Seit dem 11. September 2001 war das etwas komplizierter. Aber mit wenigen Hangriffen ließen ihre Armbrüste sich so zerlegen, dass sie wie etwas ganz anderes aussahen.
Zum Beispiel wie ein Regenschirm.
Monique blätterte in dem Pass, den sie jetzt benutzte.
Sandra MacMillan lautete der Name.
Das Passbild passte exakt zu ihrem gegenwärtigen Outfit.
Sandra steckte den Pass in die Innentasche des leichten Blousons, der auf dem Bett lag. Dann blickte sie zur Uhr.
Sie wartete auf den Mann, der ihr das Honorar für ihren letzten Job bringen sollte. Es sollte im doppelten Sinn ihr letzter Killer-Job gewesen sein.
Davon hatte sie immer geträumt: Eine ganz große Nummer wie Billy Barese ausknipsen, dafür ein Vermögen einstreichen und sich auf den Bahamas zur Ruhe setzen.
Aber der Kerl mit dem Geld ließ sich Zeit.
"Monique" alias "Sandra McMillan" trat ans Fenster heran.
Sie blickte auf die 27. Straße in Queens. Das Zimmer im "Jamaica Bay Hotel", das sie seit einigen Tagen bewohnte, lag im dritten Stock. Warum das Hotel so hieß, hatte nicht einmal der Portier sagen können, denn die Jamaica Bay war einige Blocks entfernt. Aber man stellte hier keine Fragen und außerdem war es nicht weit bis zum JFK-Airport. Das wog den fehlenden Blick auf die Jamaica Bay voll und ganz auf.
Ein Wagen hielt auf der dem Hotel gegenüberliegenden Straßenseite.
Es handelte sich um einen orangefarbenen Porsche.
Der Wagen meines Geldboten!, durchzuckte es die junge Frau, die sich jetzt Sandra McMillan nannte. Sie war schon einmal mit ihm zusammengetroffen, als die Anzahlung übergeben worden war. Immerhin fünfundzwanzig Prozent der Gesamtsumme.
Damit war der Deal perfekt gewesen.
Ein Mann stieg auf der Beifahrerseite aus dem Porsche.
Er war kahlköpfig und trug einen Knebelbart. Sandra McMillan schätzte ihn auf Anfang vierzig.
Das war der Kerl mit dem sie bislang zu tun gehabt hatte.
In der Rechten hielt er einen Diplomatenkoffer.
Am Steuer des Porsche saß noch ein zweiter Typ. Sandra konnte ihn nicht erkennen. Der Kahlkopf machte ein Zeichen in Richtung des Porschefahrers, überquerte die Straße.
Na endlich!, ging es Sandra durch den Kopf.
Sie ging an die Tasche, nahm die Beretta heraus, schraubte einen Schalldämpfer auf und legte die Waffe unter die Windjacke auf dem Bett.
Sicher ist sicher, dachte sie.
Sie traute niemandem. Und ihren Auftraggebern schon gar nicht. Das war eines der Geheimnisse ihres Erfolgs als Profi-Killerin. Und so etwas wie eine Art Überlebensversicherung.
Ein paar Minuten später klopfte es an der Tür.
Sandra McMillan setzte sich auf das Bett.
"Kommen Sie herein, es ist offen", sagte sie.
Der Kahlkopf mit dem Koffer trat ein.
Ein öliges Grinsen spielte um seine Lippen.
"Na, wie geht's uns denn, Schätzchen? Wie ich sehe, hattest du einen Termin beim Frisör..."
"Stellen Sie den Koffer mit dem Geld auf den Fußboden."
Sandras Stimme klirrte wie Eis.
"Nicht so eilig, Baby. Der Boss ist etwas beunruhigt, nachdem er in den Nachrichten ein wunderschönes Phantombild von dir gesehen hat..."
"Dein Boss soll mich mal! Mit dem Phantombild habe jetzt nicht mehr die geringste Ähnlichkeit."
"Ja, wie es scheint warst du auf diese Situation vorbereitet."
"Für wen hältst du mich? Für einen Anfänger? Barese war 'ne große Nummer. Ist doch logisch, dass da einiges an Staub aufgewirbelt wird."
"Ja, ja..."
"Und jetzt mach schon! Ich will mein Geld!"
"Warum so zickig, Kleine?"
Der Kahlkopf streckte den Koffer in ihre Richtung.
"Nimm mir den Zaster ab - und zähle nach!"
Zwei Meter stand er von ihr entfernt. Sandra hätte aufstehen und ihm einen Schritt entgegen gehen müssen, um den Koffer an sich nehmen zu können.
Und genau das wollte sie nicht.
"Wenn sich dein Boss verzählt hat, bringe ich ihn um", versprach Sandra.
Das Gesicht des Kahlkopfs verzog sich.
Sandra bemerkte schon Sekundenbruchteile, bevor der Angriff erfolgte, dass etwas mit dem Kahlkopf nicht stimmte.
Da war dieser angespannte Zug, der sie aufmerken ließ...
Jetzt wurde sein Gesicht zur Grimasse.
Er warf ihr den Koffer zu, griff unter sein Jackett und riss eine Pistole mit aufgesetztem Schalldämpfer hervor.
Sandra duckte sich zur Seite, wehrte den Koffer mit der linken ab und griff zu ihrer eigenen Waffe unter dem Blouson.
Der erste Schuss des Kahlkopfs verfehlte sie um Millimeter.
Zu einem zweiten kam er nicht mehr.
Sandra McMillan hatte ihre Beretta hervorgerissen. Die Windjacke hing noch über der Mündung. Es machte plop. Der Schuss brannte sich erst durch den Stoff der Jacke und Sekundenbruchteile später in die Stirn des Kahlkopfs hinein. Ein roter Punkt war genau zwischen seinen Augen zu sehen. Er schwankte, fiel schließlich schwer zu Boden.
Sandra erhob sich.
Sie trat über die Leiche hinweg und schloss die Tür zum Flur, die der Kahlkopf offengelassen hatte.
Anschließend kümmerte sie sich um den Geldkoffer. Sie öffnete ihn. Er war leer.
"Dieser Bastard!", zischte sie. "Das hat sich dein Boss so gedacht, Glatzkopf!"
Offenbar sollten zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden: Das Honorar sparen und die einzige Zeugin aus dem Weg räumen, die etwas über die Hintergründe von Billy Bareses Tod hätte aussagen können, wenn sie den Cops in die Hände fiel.
Sandra McMillan atmete tief durch.
Ihr werdet mich kennen lernen!, durchzuckte es sie.
Sie trat ans Fenster.
Der Fahrer des gelben Porsche wartete auf seinen Komplizen. Er hatte die Scheibe an der Fahrerseite heruntergelassen und blickte suchend zum Eingang des "Jamaica Bay Hotel".
Wenn der Kahlkopf nicht zurückkehrte, würde der zweite Mann garantiert auf die Suche gehen.
Sandra holte eine der beiden Armbrüste aus ihrer FFFF-Tasche. Es war das größere Modell. Sie aktivierte die Laserzielerfassung, legte ein Explosiv-Projektil ein und spannte die Waffe.
Sie öffnete das Fenster, zielte.
Es machte klack, als sie abdrückte.
Sekundenbruchteile später erschütterte eine gewaltige Detonation den gesamten Straßenzug. Ein ohrenbetäubender Knall war zu hören. Der Porsche explodierte. Flammen leckten hoch empor und mehrere Dutzend Scheiben zerbarsten in der Umgebung.
Um Sandras volle Lippen spielte jetzt ein fast teuflisch zu nennendes Lächeln.
Ein guter Schuss!, dachte sie. Und ab jetzt gehe ich zum Angriff über!
Diese ahnungslosen Narren hatten den Krieg mit ihr gewollt.
Und Sandra McMillan war wild entschlossen, ihn bis zu Ende auszufechten. Niemand würde ihr je ein Honorar schuldig bleiben.
Es sei denn, er hatte nichts dagegen, sich mit einem wolframummantelten Bolzen im Schädel in einem Leichenschauhaus wiederzufinden.
Eilig packte Sandra ihre Sachen zusammen.
Im Hintergrund hörte sie schon die Sirenen der Cops.
Sie musste sehen, dass sie schleunigst von hier fortkam.
Ein wahres Blutbad hatten wir erlebt. Und einen flüchtigen Killer von seltener Skrupellosigkeit.
Weder für ihn noch für seine Geisel gab es irgendeine Überlebenschance. Die Flammen loderten aus dem Wrack des Ford Kombi. Eine Einheit des Fire Service war auf dem Weg, um den Brand zu löschen.
Die Kollegen der Scientific Research Division trafen ein.
Möglicherweise ließen sich aus kleinsten Überbleibseln ja doch noch irgendwelche Rückschlüsse ziehen, die uns weiter brachten.
Ein Team unserer eigenen Erkennungsdienstler nahm sich unter Leitung der Agenten Mell Horster und Sam Folder den Bungalow von Mickey Slater vor. Sobald der Fire Service dort seinen Job gemacht hatte, würden sie das Haus Zentimeter für Zentimeter unter die Lupe nehmen.
"Diese maskierten Bestien waren wirklich nicht zimperlich!", knurrte Milo düster.
Er stand ebenso wie ich noch deutlich unter dem Eindruck dessen, was so eben geschehen war.
Der Kampf gegen das Verbrechen ist zwar unser Job.
Aber das heißt nicht, dass man als G-man zwangsläufig eine abgestumpfte Seele bekommt.
Ganz im Gegenteil.
Ausbrüche blinder Gewalt können einen jedes Mal aufs Neue wütend machen.
In diesem Fall war die Gewalt von eiskalten Profis ausgeführt worden. Profis, die bereit gewesen waren, sich gegenseitig über die Klinge springen zu lassen, nur um die Chance ihrer eigenen Überführung zu minimieren.
"Ich frage mich, ob Mickey Slaters Ermordung mit dem Attentat auf Barese in Zusammenhang steht", meinte Milo.
"Worauf du Gift nehmen kannst", erwiderte ich.
"Vielleicht erfahren wir mehr, sobald wir dieses Girl aufgetrieben haben, das Slater zu Barese geschickt haben will..."
"Rita Morgan..."
Angesichts der Detonation mehrerer Handgranaten war nicht damit zu rechnen, dass unsere Erkennungsdienstler bei dem Versuch, die Identität der maskierten Killer zu ermitteln, schnelle Fortschritte machen würden.
Milo und ich überließen das Feld den Kollegen. Wir fegten notdürftig die Scherben aus dem Sportwagen und fuhren zunächst zurück zur Federal Plaza. Ohne Windschutzscheibe war das kein Vergnügen. Aber die Sonderration Benzoldämpfe, die wir dadurch einatmeten war nun wirklich nicht das Schlimmste, was wir an diesem Tag hatten einstecken müssen. Die Kollegen der Fahrbereitschaft würden sich darum kümmern, dass der Sportwagen wieder auf Vordermann gebracht wurde. Von den derzeit verfügbaren Fahrzeugen nahmen wir einen unauffälligen silbergrauen Chevy und machten uns zum "Club of the Vampyres" in der 46. Straße auf.
Als wir dort ankamen, fielen uns gleich die Einsatzwagen der City Police auf. Die Vorderfront des fünfstöckigen Gebäudes, in dem sich der "Club of the Vampyres" befand, zeigte Dutzende von Einschusslöchern. Die Scheiben waren zerborsten. Ich stellte den Chevy am Straßenrand ab. Wir stiegen aus und gingen die letzten Meter zu Fuß.
Wir zeigten uniformierten Kollegen der City Police unsere ID-Cards und passierten den Eingang des Clubs.
"Sieht aus, als wäre hier Krieg gewesen", kommentierte Milo das, was hier sahen.
Die Tür sah aus, als wäre sie mit einer Sprengladung aus den Angeln gehoben worden.
Im Inneren des Nachtclubs bot sich ein Bild der Verwüstung.
Die Wände waren von Einschüssen übersät, das Mobiliar teilweise zertrümmert. Von der Spiegeldecke hingen nur noch Bruchstücke an Ort und Stelle.
Wir sprachen mit einem jungen Lieutenant namens Greg Jones. In knappen Sätzen informierte er uns über das, was sich hier nach den vorläufigen Ermittlungen unserer Kollegen zugetragen hatte.
"Nach Zeugenaussagen ist eine Horde maskierter und schwer bewaffneter Männer hier eingedrungen und hat wild um sich geschossen. Die hatten es offenbar auf pure Zerstörung abgesehen."
"Gibt es Tote oder Verletzte?", erkundigte ich mich.
"Ja. Zwei Türsteher hat es erwischt. Und außerdem Mister Harlan Slater. Unseren Erkenntnissen nach leitet er diesen Club zusammen mit seinem Bruder Michael..."
"...genannt Mickey", vollendete ich.
Lieutenant Greg Jones sah uns etwas verwundert an.
"Dem haben wir nämlich gerade einen Besuch abgestattet", ergänzte Milo. "Allerdings wird er wohl zur Klärung dieses oder irgendeines anderen Falles nichts mehr beitragen können, denn er wurde ebenfalls erschossen."
"Sieht nach einem ausgewachsenen Gangster-Krieg aus, was?", meinte der Lieutenant.
"Ja", murmelte ich.
Aber wer hätte nach der Ermordung des großen Billy Barese etwas anderes erwarten können?
"Wird sicher kein Vergnügen für euch G-men. Die sind mit richtig großem Kaliber vorgegangen, haben mit einer Sprengladung die Tür geöffnet. Ich war den Marines und weiß, wovon ich rede: Diese Killer sind wie ein Kommandotrupp vorgegangen. Absolut professionell. Ein paar der Girls, die hier auf ihre Kundschaft warteten, haben bestätigt, dass die Maskierten sogar Kevlar-Westen trugen. Im ersten Augenblick hat wohl jeder mit einer Razzia des Vice Departments oder der DEA gerechnet."
"Ein tödlicher Irrtum", sagte ich leise und ließ den Blick schweifen.
"Eine gewisse Rita Morgan soll in einem der oberen Stockwerke ihr Zimmer haben", brachte jetzt Milo vor. "Die suchen wir."
Lieutenant Greg Jones deutete auf einen großen, kräftigen Mann mit breiten Schultern. Er wurde gerade von einem Kollegen der City Police befragt. "Das ist der Barkeeper", erläuterte Lieutenant Jones. "Wenn sich einer hier auskennt, dann er."
"Danke", gab ich zurück.
Wir traten an den Barkeeper und den City Police-Kollegen heran, zeigten unsere ID-Cards und stellten uns vor.
"Wir suchen eine gewisse Rita Morgan", sagte ich.
Der Barkeeper zog die Augenbrauen zusammen.
Er war weiß wie die Wand.
Die Geschehnisse im "Club of the Vampyres" hatten ihn sichtlich mitgenommen.
"Keine Ahnung, wo das Girl steckt. Ich hab sie heute noch nicht gesehen."
"Sie geht nicht ans Telefon."
"Rita ist manchmal ziemlich zickig."
"Sagen Sie uns bitte die Apartmentnummer."
"123 E."
"Rita soll letzte Nacht zu einem gewissen Billy Barese ins New Palace Hotel geschickt worden sein..."
"Hey, wollen Sie mich jetzt reinlegen und wegen Förderung der Prostitution oder so etwas drankriegen. Ich sage Ihnen eins..."
"Sparen Sie sich Ihren Vortrag", unterbrach ich ihn etwas ungeduldig. "Ich bin vom FBI und nicht vom Vice. Und ich will jetzt eine klare Antwort von Ihnen, sonst krieg ich Sie noch wegen ganz anderer Dinge an den Haken, als nur Förderung der Prostitution."
Er schluckte.
Dieser Schuss vor den Bug war offenbar genau das, was er gebraucht hatte, um sein albernes Theater aufzugeben. Die beiden Slater-Brüder hatten ihr Personal offenbar gut darauf gedrillt, den Fallen des Vice Department aus dem Weg zu gehen. Aber ich hatte jetzt einfach keine Lust auf diese Spitzfindigkeiten. Ein Dutzend Leichen waren die Bilanz eines Gangsterkrieges, der noch nicht einmal einen ganzen Tag alt war und mit Bareses Ermordung begonnen hatte.
Wenn es uns nicht gelang, die Hintergründe dieser Tat möglichst schnell aufzuklären, war zu befürchten, dass das Morden in den nächsten Tagen erst so richtig losging.
"Okay, okay, da kam so ein Anruf..."
"Wann?"
"Gegen 22.00 Uhr."
"Von Mister Mickey Slater? Sie können Ihren Boss nicht mehr reinreiten, denn Mickey ist genauso tot wie sein Bruder..."
Der Barkeeper machte große Augen.
"Was...?"
"Also: Mister Slater hat angerufen?"
"Ja. Ein fetter Itaker, der im New Palace abgestiegen ist, würde auf so eine wie Rita stehen. Sie sollte alles stehen und liegen lassen und sofort dorthin fahren."
"Wurde der Name des Kunden erwähnt."
Der Barkeeper zögerte, ehe er den Namen aussprach.
"Barese", flüsterte er.
"Ist Rita zu dem Kunden hingefahren?"
Er zuckte die Achseln.
"Nehme ich an."
"Was heißt, nehme ich an?"
"Na, weil dass ein Zucker-Job ist, den sich keines der Girls, das bei Verstand ist, entgehen lassen würde. In einer Nacht hätte sie soviel verdient, wie sonst im ganzen Monat!"
Und Mickey Slater, ihr Zuhälter, wahrscheinlich auch, überlegte ich.
"Aber Sie haben nicht gesehen, wie sie weggefahren ist, sich ein Taxi bestellt hat oder ähnliches?", hakte ich nach.
Er schüttelte den Kopf.
"Ich muss mich auf meinen Job an der Bar konzentrieren", meinte er. "Ich habe ihr den Auftrag ausgerichtet und damit gut. Schließlich bin ich kein Kindermädchen für die Girls..."
Ich machte eine ausholende Bewegung mit der Hand. "Mal was anderes, haben Sie eine Ahnung, wer für diese Verwüstungen hier verantwortlich sein könnte."
Er schüttelte energisch den Kopf. Zu energisch wie ich fand.
"Nein", behauptete er.
"Ich will Ihnen mal auf die Sprünge helfen. Im New Palace Hotel stirbt die Unterweltgröße Billy Barese nach dem Besuch einer Prostituierten, die er sich bei Mickey Slater bestellt hatte. Was glauben Sie, wer da wohl eins und eins zusammenzählt?"
"Hören Sie, ich mache nur meinen Job. Mit wem die beiden Slater-Brüder irgendwelche Meinungsverschiedenheiten zu klären hatten, weiß ich nicht. Und genauso wenig habe ich eine Ahnung, was die beiden mit diesem Mister Barese zu tun hatten."
Milo sah mich an und winkte ab.
Aus diesem Zeugen würden wir wohl nicht mehr allzu viel herausbekommen.
Wir machten uns auf den Weg zu Apartment 123 E.
Milo betätigte die Klingel.
Keine Antwort.
Wir versuchten es noch einmal.
"Hier spricht das FBI!", rief ich. "Öffnen Sie die Tür, sonst müssen wir sie gewaltsam öffnen!"
Wieder keine Antwort.
Ich zog die SIG heraus. Milo ebenfalls. Diese Frau war verdächtig, die Mörderin von Billy Barese zu sein - mochte ihr Äußeres auch noch so sehr von dem Phantombild abweichen, das wir von der Täterin hatten.
Es war möglicherweise Gefahr im Verzug.
Das rechtfertigte unser Vorgehen.
Mit einem Tritt öffnete Milo die Tür. Sie flog zur Seite.
Mit der SIG im Beidhand-Anschlag stürmte ich in den Raum.
An einem kleinen Flur lag links die Tür zum Bad. Ich öffnete sie. Es war niemand dort.
Sekunden später erreichte ich das eigentliche Apartment.
Ich senkte sofort die Waffe.
Milo trat neben mich.
Auf dem großen Bett, das einen Großteil des Raums ausfüllte lag eine blonde junge Frau. Von ihrem Gesicht war nicht mehr viel zu sehen.
Eine furchtbare Wunde klaffte dort.
"Das muss ein Riesenkaliber gewesen sein", meinte Milo.
"Oder ein Bolzen, wie man ihn mit einer Armbrust verschießt", gab ich zu Bedenken.
Ich kniete neben dem Bett nieder, warf einen Blick darunter.
"Na?", fragte Milo.
"Wie ich es mir dachte. Der Bolzen ist durch das Bett hindurchgeschlagen und im Estrich steckengeblieben."
"Komm ja nicht auf die Idee, ihn da wegzuholen."
"Meinst du ich will mir eine Standpauke unserer SRD-Kollegen anhören?"
Ich erhob mich und griff zum Handy, um die Kollegen zu rufen.
Als ich das Gerät wieder wegsteckte, warf ich noch einen kurzen Blick auf die Tote. Ein scheußlicher Anblick.
"Scheint so, als wäre Rita Morgan der Superauftrag im New Palace weggeschnappt worden", hörte ich Milo sagen. "Die Lady mit der Armbrust hat Rita Morgan einfach ausgeschaltet."
"Eiskalt."
"Aber das bedeutet, dass sie gewusst haben muss, dass Rita Morgan zu Barese geschickt werden sollte, Jesse."
"Allerdings."
"Bareses Suite wurde abgehört, das wissen wir."
"Ja, und wie es jetzt wohl klar sein dürfte, stecken hinter dieser Abhörmaßnahmen genau dieselben Figuren, die den Dicken aus dem Weg räumen wollten!"
"Und welche Rolle spielen die beiden Slater-Brüder dabei?"
Ich zuckte die Achseln. "Unfreiwillige Handlanger oder so etwas in der Art."
Milo sah sich etwas im Zimmer um.
Möglicherweise fanden wir ja etwas, was uns weiter brachte.
"Für den Barese-Clan sieht es allerdings so aus, als würden die Slater-Brüder etwas mit dem Tod des großen Billy zu tun haben", meinte mein Kollege.
"Für dich gibt's keinen Zweifel mehr daran, dass die Barese-Familie hinter den Anschlägen auf Mickey und Harlan Slater steckt. Ich meine, die Bareses sind sicher nicht die einzigen, die mit den beiden Zuhälter-Brüdern ein Hühnchen zu rupfen hatten."
"Mal ehrlich Jesse: Wer eine derart gut koordinierte Aktion durchführen kann, der muss schon eine ziemlich großer Nummer sein. Außerdem habe ich gehört, dass Tony Barese, der Kronprinz des großen Billy, ein ziemlich jähzorniger Typ sein soll."
Ich seufzte.
"Leider wird das nicht ausreichen, diesen Tony festzunageln."
Chicago, 724 Braxton Lane, Villa der Bareses...
Tony Barese kippte den eiskalten Whiskey in sich hinein und stellte das Glas auf den niedrigen Glastisch.
Er trat ans Fenster, blickte hinaus in den weitläufigen Garten. Mindestens ein Dutzend Bodyguards patrouillierte dort herum. Maschinenpistolen, Kevlar-Westen und mannscharfe Dobermänner gehörten zu ihrer Ausrüstung.
Ich werde vorsichtig sein müssen!, ging es Tony durch den Kopf. Der Krieg hat gerade erst begonnen...
Ein breitschultriger Mann in dunklem Anzug betrat den Raum.
Er trug das schulterlange Haar zu einem Zopf zusammengefasst.
"Mister Barese..."
Tony musterte ihn fragend. "Was gibt es, Gilbert?", fragte der neue Chef der Barese-Familie etwas unwirsch.
"Schlechte Nachrichten aus New York. Die beiden Slaters sind zwar tot, aber eines unserer Eingreif-Teams ist komplett aufgerieben worden."
"Was?", fuhr Barese auf.
Seine Gesichtsfarbe wurde dunkelrot.
"Offenbar sind die Jungs an ein paar hartleibige G-men geraten... Genaueres können unsere Leute im Big Apple noch nicht sagen."
Barese atmete tief durch.
"Hauptsache, die Slaters sind weg vom Fenster! Diese Bastardos!" Und in Gedanken fügte er noch hinzu: Das allerwichtigste ist, dass jetzt jeder mitgekriegt hat, dass man mir nicht auf der Nase herumtanzen kann.
Niemand. Wer sich mit einem Barese anlegt ist schon so gut wie tot...
Gilbert hob die Augenbrauen.
"Weg vom Fenster ist harmlos ausgedrückt, Mister Barese. Dürfte nicht viel übrig geblieben sein, was man von ihnen beerdigen könnte... Ihr Neffe Luke hat übrigens angerufen."
"Du solltest ihn doch abwimmeln, Gilbert!"
"Habe ich auch!"
"Dieser Wichser muss total bescheuert sein!" Tony atmete tief durch. "Hier anzurufen..."
"Er fordert die Einberufung einer großen Versammlung! Und zwar umgehend."
Tony Barese ballte die Fäuste. "Ich habe meinem Vater immer schon gesagt, dass es ein Fehler war, diesen tollen Hund in unserer Organisation zum Capitano zu befördern. Aber der Alte war ja stur wie ein Stier..."
Ein Summton ertönte.
Tony Barese ging zwei Schritte und drückte auf den Knopf des Sprechgeräts, das an der Wand angebracht war.
"Was gibt es?", fragte der neue Boss der Barese-Familie.
"Hier spricht Bud! Boss, hier steht eine Horde von G-men vor dem Gartentor und wollen eine Hausdurchsuchung durchführen", meldete einer der Wachtposten.
"Lass sie rein!", forderte Barese. "Aber wenn sich einer von denen nicht die Füße abputzt, bevor er eintritt, wird er erschossen."
"Wie bitte?"
"Das letzte sollte ein Witz sein, Bud."
Tony unterbrach die Verbindung. Er sah Gilbert an. "Damit mussten wir ja leider rechnen", knurrte er. Schließlich war sein Vater einem Verbrechen zum Opfer gefallen. Die Durchsuchung der Privaträume war in so einem Fall Routine.
Gilberto grinste.
"Die können ruhig kommen und alles auf den Kopf stellen, Boss... Sie werden nichts finden."
"Ruf meine Anwälte, Gilbert!"
Unsere Kollegen Jay Kronburg und Leslie Morell waren nach Chicago geflogen, um an der vom dortigen Field Office durchgeführten Durchsuchung der Barese Villa und der Befragung der anderen Familienmitglieder teilzunehmen.
Geleitet wurde die Aktion von Jason Wood, der im Field Office Chicago den Rang eines stellvertretenden Special Agent in Charge innehatte.
Wood zeigte Tony Barese den Durchsuchungsbefehl.
Der Kronprinz lächelte überlegen. Er blieb vollkommen ruhig.
"Ich habe Sie schon erwartet, Gentlemen", meinte er. "Tun Sie, was Sie nicht lassen können. Die Privatsphäre freier, unbescholtener Bürger ist im Lande von Thomas Jefferson offenbar nichts mehr wert."
"Mir kommen die Tränen", erwiderte Wood und verzog das Gesicht.
"Ich sage nur meine Meinung. Aber so ein kleinkarierter Staatsangestellter wird sicherlich auch noch einen Paragraphen finden, der dieses Menschenrecht außer Kraft setzen kann."