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Die Suche nach dem Unbekannten, gewissen Etwas in der Liebe und auf Reisen, das zum Abenteuer wird, entwickelt das noch Unerforschte in uns und wer sich wirklich einlässt, kehrt verändert zurück. Ferne Länder unter einem anderen Blickwinkel als den üblichen zu betrachten, gelingt weil die Reisenden ihre Gründe haben. Neben brodelnder Lava in Hawaii, rauschenden Wasserfällen in Island, in Höhlen oder mitten in belebten Städten zu meditieren, erweitert das Bewusstsein. Es wird zu einem Schauen, Fühlen und Wahrnehmen mit allen Sinnen und aus der äusseren, wird ebenfalls eine innere Reise. Das hat Auswirkung auf das Leben und alle Beziehungen, sei es zur Arbeit, der Familie, den Partnern und wird hier eindrücklich beschrieben.
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Seitenzahl: 437
COVER
Die Fotos auf dem Buchcover zeigen einige Stationen der Reisen. Das Ortsverzeichnis befindet sich am Ende des Buches.
Weitere Fotos auch zu den einzelnen Reisen befinden sich auf der Homepage.
www.facettenderliebe.ch
DIE AUTORIN
Die Schweizer Autorin Sofia Velin, geb. 1953, wuchs in einer multinationalen Familie auf. Als junge Frau lebte sie, trotz Widerständen von Familie und Gesellschaft, in wilder Ehe. Sie heirateten später um eine sechsmonatige Weltreise anzutreten.
Sofia Velin arbeitete 11 Jahre lang, bis zur Geburt ihrer Tochter, in Zürich, als Sekretärin und als Sachbearbeiterin, in Dienstleistungsbetrieben und im Kunsthandel.
Eine fundierte, ganzheitlich orientierte Ausbildung zur Therapeutin und zur Yoga-Übungsleiterin eröffneten ihr neue Möglichkeiten und veränderten ihre Sicht auf das Leben. Sie entwickelte ein neues Bewusstsein und lehrte andere Menschen, auf die innere Stimme und den Körper zu hören. Unausweichlich war dann die Scheidung, die ihr erlaubte neue Facetten der Liebe zu entdecken. Was die großen Reisen und sich tief auf andere Kulturen einzulassen bewirkten, erfahren Leser und Leserinnen in diesem Buch.
Ich widme dieses Buch den Menschen, die mein Herz berührt oder erschüttert und dadurch meine Liebesfähigkeit erweitert haben.
In Dankbarkeit
Sofia Velin
Ausgerechnet Hawaii
DIE GRUPPE
HAWAII
HARTER SCHWEIZER BODEN
SEELENFAMILIE von ÜBERSEE
MEIN SCHAMANE
ZUSAMMEN WOHNEN
MUTTER’S ERBE
VERBINDUNG MIT DER AHNENREIHE
USBEKISTAN
DIE WIRKUNG
FÜGUNGEN
SCHICKSALHAFTE VERÄNDERUNGEN
ERNEUERUNG
ELFEN & GNOME
ISLAND
DIE MAGIE VOM TAG IN DER NACHT
DAS MAGNETFELD AUF DEM GLETSCHER
NEUE PARTNERSCHAFT
GENIALITÄT UND HOHER GEIST
HEIMATLOS
AUF GEHT’S IN DEN NORDEN
BIS SPITZBERGEN
EINSCHIFFEN
DAS ABENTEUER BEGINNT
KONTIKI
ISLAND
NOCH WEITER GEN NORDEN
GEMEINSAME ZUKUNFT?
SUBOPTIMAL
HAWAII MIT GRUPPE UND PARTNER
MANNoMANN
SPIRITUELLE REISE ZU ZWEIT
DER GEMEINSAME REISEBERICHT
DIE ETWAS ANDEREN ORGASMEN
PYRAMIDEN-ENERGIE
REISEN MIT DEM EX
AEGYPTEN MIT TITUS
GÖTTLICHE BEZIEHUNG
DAS NEUE LEBEN ZU DRITT
DAS GÖTTLICHE IN UNS
VISUALISIERUNGEN
ÜBER DIE BRÜCKE GEHEN
SONNENFINSTERNIS
ÄGYPTEN
LIBYEN
TRANSFORMATION
AUSWANDERN?
KARMA
INDIEN SPIRIT – 2004
ALLEINE IN INDIEN 2007
VIELES KLÄRT SICH
BITTERE ERKENNTNIS – ODER AUCH NICHT?
Überraschende Wendung
DER DUALSEELENANTEIL
NEUE AUFGABEN
DIE GÖTTIN LEBT
ES PULSIERT IN MIR
AFRIKANISCHE FRUCHTBARKEIT
UNSCHULDIG UND GÖTTLICH ZUGLEICH
ERFAHRUNG VON EINHEIT
DIE MAGIE VON AFRIKA
RUNDREISE AFRIKA
ENTSCHEIDUNG OFFEN
KREISLÄUFE SCHLIESSEN
DIE WELTUMRUNDUNG
CHINA
JAPAN
NEUSEELAND
OSTERINSEL
CHILE
PANAMA
NEUAUSRICHTUNG
EINMAL MEHR – LOSLASSEN
NILFAHRT
DEFINITIV
Verschmelzung mit dem, was fremd scheint
GLOSSAR
D
ANKSAGUNG
O
RTSVERZEICHNIS
WEITERE BÜCHER
Liebe Leserin und lieber Leser,
Wie im ersten Buch werde ich mir erlauben, Dich mit dem DU anzusprechen, denn es wird wieder ganz schön privat werden.
Meine Reisen wurden zu einer Erweiterung meines Bewusstseins von nicht vorhersehbarem Ausmaß. Die Erfahrungen gingen tief bis ins Zellbewusstsein hinein. Sie erschütterten mich, weckten Schlummerndes auf oder löschten Ausgedientes.
In meinem Umfeld beneideten mich Leute, andere hinterfragten vieles. Oft lobten sie meinen Mut. Und ich? Ich fühlte, dass es auch einen inneren Auftrag geben kann, wenn man in fernen Ländern unterwegs ist. Manches Mal war mir ganz klar, warum mich ein Land rief, andere Male war es vorher ein Kampf mit den Umständen, den Gegebenheiten, und immer hat es sich gelohnt, der Intuition zu folgen.
Die Intuition kontaktierte den Verstand und sagte: »Hey du, es wird Zeit für uns, neue Erfahrungen zu machen, und zwar genau dort!»
Er meckerte laut: »Nicht genügend Geld, Geburtstag von XY, Neujahr, du beginnst doch einen neuen Job, der Partner kann nicht mit. « Also sprichwörtlich, ein ungünstiger Zeitpunkt.
Wenn sich etwas richtig und wichtig anfühlte, lernte ich auf den inneren Ruf zu hören. Tatsache ist, dass die innere Stimme genau weiß, was sinnvoll wäre, und manchmal wählt das Leben Hammermethoden, um uns den Weg zu weisen.
Ich fand mich in Ländern wieder, die sich wie Heimat anfühlten, deren Natur plötzlich in mir pulsierte. Ich traf Menschen, die mir der Himmel geschickt hatte, und ich erlebte vieles nicht nur mit den Augen, sondern mit allen Sinnen. Mein Energiefeld verband sich mit Gemäuern, Gewässern, Pflanzen, Tieren und natürlich auch anderen Menschen – oft wurde ich für eine Weile eins mit ihnen und fühlte mich reich beschenkt.
Viel Neues war oder wurde zu meiner Realität, und unsere Freiheit besteht darin, unser Leben und weitere Realitäten zu erschaffen. Ich freue mich, wenn du mich begleitest.
Herzlichst
Sofia Velin
Meine Tochter hatte mir schon als Neunjährige erklärt, sie wolle nach Hawaii reisen. Es war damals für mich unerklärlich, warum sie ausgerechnet auf Hawaii gekommen war, und sie konnte es auch nicht plausibel begründen. Doch der Wunsch blieb. Zu ihrem achtzehnten Geburtstag schenkte ich ihr eine Reise nach Hawaii, die wir gemeinsam mit der spirituellen Gruppe antraten. So konnte ich meine spirituelle Arbeit mit einer schönen Ferienreise für meine große Tochter kombinieren.
Wir trafen uns in der Regel einmal monatlich, von Freitagbis Sonntagabend. Nachdem es in meinem ersten Jahr noch ein Konzept gab, zu welchem schriftliche Skripts verteilt wurden, gestalteten sich die Themen bei den späteren Treffen immer freier und aus dem Moment heraus. Meditationen waren ein wichtiger Bestandteil davon. Es gab Wochenenden, da meditierten wir bis zu sechs Mal. Wenn es mehrere pro Tag waren, wurde die wichtigste auf CD an uns weitergegeben, sodass wir sie zu Hause noch einmal erleben durften. Manche schlaflose Nacht nutzte ich, um einzutauchen in die Welten, die sich mir neu eröffneten, manche sehr fern und doch so vertraut.
In den großen Meditationen, die in der Regel bis zu einer Stunde dauerten, zeigten sich innere Bilder, und es flossen uns Informationen zu. Wir verbanden uns mit multidimensionalen Wirkungsweisen, wenn wir mit der göttlichen Geometrie arbeiteten. Es waren bekannte Strukturen wie die Merkaba, die Lemiskate (liegende Acht), Tetraeder und pulsierende Sphären. Es gibt all diese Formen in unserem physischen Körper, in der Knochen-, Muskel- oder Zellstruktur und ebenso außerhalb von uns.
Oft gingen wir bereits in den Meditationen auf Reisen in die innere Heimat und in Länder, die äußere Heimat bedeuteten. Unsere Möglichkeiten waren grenzenlos. Wir waren auf unserem Planeten oder reisten zu anderen Planeten, um deren Qualitäten zu erforschen und so auch in andere Realitäten. Im Grunde das, was die Raumfahrt heute macht, jedoch mit viel weniger Aufwand. Wenn wir etwas sahen, wurde es oft wissenschaftlich später genauso entdeckt. Das war das Faszinierende an der Arbeit. Wir holten Wissen, das im Äther schwingt, oder nährten den Äther mit unseren Erfahrungen, Energien und Gedanken.
Jede und jeder in der Gruppe hatte so seine Spezialitäten, und beim Austausch nach den Meditationen bereicherten wir uns gegenseitig mit den gemachten Erfahrungen. So kamen neue und alte Erkenntnisse aufs Tapet. Die erkenntnisreiche Arbeit zeigte auch Beziehungsmuster auf. Wir lernten zu erkennen, welche uns dienten und welche nicht. Althergebrachte begannen wir aufzulösen, damit die Neuen greifen konnten, und das floss langsam in den Alltag ein.
Als ich in die Gruppe von Elfriede eintrat, eröffnete sich mir durch den Ausdruck »Göttliche Sexualität» nochmals eine weitere Perspektive, die es zu erforschen galt.
Es gab mehrere Gruppen unter der Leitung von Elfriede. Die eine Gruppe nannte sich 12x12+1. Sie bestand aus Leuten, die jedes Mal dabei waren, also einem festen Kern, welchem ich angehörte. Es gab Leute aus diesem Kern, die nahezu alle angebotenen Reisen, das waren mehrere pro Jahr, mitmachten. Da mich diese Form von Reisen faszinierte, ging ich ebenfalls, nach dieser ersten Reise, oft mit. Es schlossen sich andere Gruppenteilnehmer oder Gleichgesinnte an, manche mit ihren Kindern, die das Ganze lebendig machten. Kinder und Jugendliche reagieren noch intensiver auf die unausgesprochenen Energien. Sie waren für uns eine Art zusätzlicher Sensor, was unbewusst und gerade unterschwellig ablief.
Hawaii ist meine erste Reise mit einem spirituellen Kontext gewesen.
Wenn man bedenkt, dass die Hawaiianischen Inseln in 100 Millionen Jahren nur durch die Ausschüttung von Magma eines einzigen Vulkans entstanden sind … Es ist überwältigend zu erkennen, wie ausdauernd die Erde aus ihrem Innern heraus Leben erschafft. Pele, die Göttin dieses Vulkans, wird als Schöpferin verehrt. Auf Bildern wird sie mit wunderschönen, langen schwarzen Haaren, die Lavaströmen gleich geformt sind, abgebildet. Meine Vorfreude war groß.
Big Island
Wir begannen unsere Reise in Hawaii am 21. Dezember 2002 auf Big Island. Obwohl Big Island die größte Insel der Inselgruppen ist, landeten wir auf einem verhältnismäßig kleinen Provinzflughafen. Warme, feuchte Luft und Palmen begrüßten uns bei der Ankunft am Flughafen. Wir mieteten mehrere Autos, und los ging eine Fahrt durch eine bizarre Landschaft, entlang eines herrlich strahlenden, von der Sonne beleuchteten Meeres. Es ist eine karge, mondähnliche Landschaft, eine Insel mit einem noch ständig tätigen Vulkan.
Ein unbedeutender kleiner Ort mit nur einem winzigen Laden und einem einzigen Restaurant war unser Ziel. Unsere Villa hingegen mutete riesig an; man könnte es ein Anwesen nennen. Wir hatten 12 Zimmer, 5 Bäder, eine riesige Küche und eine große Aufenthaltshalle, in welcher uns ein 4 Meter hoher Christbaum begrüßte. Das Haus war umgeben von einem sehr schönen Garten und vielen alten Bäumen. Diese Großzügigkeit erinnerte mich an Häuser aus früheren Zeiten, als man noch in Großfamilien lebte. Meine Tochter sagte mir später, sie habe auf so einer Veranda schon einmal gesessen. Das erstaunte mich, weil sie noch nie etwas in diese Richtung erwähnt hatte. Von der Physiognomie her könnte sie ohne Zweifel hawaiianische Wurzeln haben.
Schon am nächsten Tag gingen wir auf Erkundungsfahrt zum Volcanic Nationalpark des Mauna Loa. Ein wahrlich tolles Erlebnis. Der 1916 gegründete Park umfasst 1’335 Quadratkilometer Land und erstreckt sich vom Gipfel des Mauna Loa bis zum Meer. Insgesamt sind es 241 Kilometer Wanderwege. 17 Kilometer sind befahrbare Straße, die um den Krater und bis zum Meer hinunterführt.
Unsere Gruppe besuchte zuerst das Visitor Center mit generellen Informationen. Das gab uns einen Überblick über den gesamten Park. Danach ging es zu mehr schlechtem als rechtem Kaffee in das gegenüberliegende Restaurant, von wo man bereits einen ersten, herrlichen Blick in einen kleinen Krater genießen konnte, wo es aus den Ritzen qualmte. Wenig später fuhren wir auf relativ breiten Straßen hinter anderen Besuchern her. Wir hielten an den bezeichneten Aussichtspunkten an. Da waren welche, die eine besonders starke Wirkung auf mich ausübten und wo ich mich sehr gut mit dem Fluss und der Wirkung von Magma verbinden konnte. Urkräfte aus dem Schoss der Erde sprechen von Feuer und Kraft. Hier roch es nach Schwefel, und es war nicht nur von der Sonne heiß, sondern auch das schwarze Magma strahlte Hitze aus. Thema dieser Reise war, die Transformation der Sexualität und eine neue Form von Beziehung zum Geldfluss zu bekommen. Wir saßen auf kleinen Falthockern oder meditierten stehend, manche schützten sich mit einem kleinen Schirm vor der Sonne, die erbarmungslos brannte. Die schwarze Farbe des Magmas strahlte die Wärme wie in einem Backofen zurück. Es war, als ob sich ein Feuer- oder Erddrache unter uns mischte, denn plötzlich stieß eine der Frauen Töne aus, die von solchen Wesen zu kommen schienen. Wir kontaktierten die Erdwesen, die sich bei einigen von uns meldeten. Es waren Energien aus dem Inneren der Erde, die sehr bildhaft auftauchten und uns alle berührten. Wir vertieften uns dann in die Energie des Geldes. Jeder bekam ein Gefühl oder Bild dafür, was der Gedanke daran für Gefühle oder Bilder auslöste. Gleichzeitig stimmten wir uns auf die Strukturen der göttlichen Geometrie ein und arbeiteten so an einem Bewusstsein für Geldenergie. Ich sah mich während der Meditation umgeben von Dunkelheit und fließender Lava, und plötzlich floss golden ein Geldstrom vor meinen Augen herunter, der immer breiter wurde. Geld ist Energie, das wussten wir. Ich spürte diese Fülle körperlich und atmete dieses goldene Licht bewusst ein.
Später fuhren wir vorbei an Lavafeldern, die in der Sonne flimmerten und fluoreszierend schimmerten. Wir saßen noch im Auto und ich verspürte bereits eine seltsame Energie um mich herum. Als ich dann direkt beim Lavafeld stand, erblickte ich zum ersten Mal riesengroße, feinstoffliche Echsen, die darüber wanderten. Von den langen Hälsen zu schließen waren es wohl Abkömmlinge der Dinosaurier. Sie schimmerten durchsichtig in der flirrenden Luft und zogen leichtfüßig, bedächtig vorbei, ohne mich zu beachten. Die Szene war sehr friedlich und es war, als würde ich in Urzeiten zurückschauen. Ich blieb ganz still und wartete, bis sich das Ganze auflöste. Ein Staunen breitete sich in mir aus und ich freute mich über diese erweiterte Sicht, ohne sie mit dem Verstand abzuwürgen. Ich habe eine Freundin, die solche Wahrnehmungen sofort gedanklich zerstört oder infrage stellt. Ich betrachte mich auch als ziemlich realistischen Menschen, doch ich weiß, es gibt sie, diese unsichtbare Welt, die sich in bestimmten Momenten zeigt. Es ist keine Traumwelt, es ist eine zusätzliche Realität.
Der Besuch bei Tag bot immer wieder die Sicht auf dampfende Böden, und je näher wir dem ständig fließenden Strom von Lava kamen, desto intensiver wurde in mir das Gefühl der Verbindung zum Feuer. Wir sahen auch, wie die glühende Lava den Hang hinunterglitt. Dort, wo sie sich mit dem Meer verband, ließ sie riesige Dampfwolken entstehen, die natürliche und doch giftige Dämpfe enthielten. Im Meer fügte sich Schicht um Schicht aufeinander, um zusätzliches Land zu bilden. Die Lava übte bereits während des Tages eine eigenartige Faszination auf mich aus. Nicht nur der Übergang ins Meer, wo diese große Dampfwolke sich ständig neu formierte und zwischendurch Funken aufleuchteten; ich fühlte mich magisch vom Lavastrom, der ca. einen Kilometer entfernt von uns floss, angezogen.
Wir hatten die Autos geparkt und begaben uns an diverse Aussichtspunkte. Ein Teil der Gruppe lief entlang der Absperrung zum Meer hinunter, um so nahe wie möglich zu sehen, wo die brodelnde Lava ins Meer rann. Ich stand plötzlich alleine auf der Anhöhe, und einem Impuls folgend stieg ich über die Absperrung, die nur aus einem schmalen Plastikband bestand und je nachdem, wie weit die Lava sich schon gebildet hat, laufend versetzt wird. Große Teile der Straße waren bereits verschluckt. Ich wanderte nun mutterseelenallein auf der bereits hart gewordenen Lava weiter. Manchmal brach die oberste Schicht unter meinen Füßen ein. Manchmal war sie schon vom Wind zerklüftet, dann wieder war sie glatt und stark, trug mich. Die Spalten wurden größer, je weiter ich ging. Eine nie gekannte Einsamkeit umgab mich, plötzliche, greifbare Stille. Kein Mensch war mehr zu sehen noch zu hören. Der Wind wehte in starken Böen, und es roch immer stärker nach Schwefel. Ich wusste, wenn ich mitten in eine starke Schwefelwolke geriet, würde ich Probleme mit der Atmung bekommen. Als frühere Asthmatikerin habe ich sehr empfindliche Lungen und Bronchien. Sehr kurz streifte mich der Gedanke daran. Es folgte plötzlich auch Angst, fast Panik, die ich wieder überwand …
Elfriede hatte uns beigebracht, dass gewisse kleinere und größere Panikattacken, die wie aus dem Nichts entstehen, Erleuchtungszustände sind. Daran dachte ich in diesem Moment nicht.
Ich ging etwas langsamer, blieb stehen, fühlte in die pulsierende Erde, schloss die Augen. Ich fühlte mich verbunden mit der Umgebung, und ging achtsam einige Schritte weiter. War ich vorher noch fast von Lavabrocken zu Lavabrocken gehüpft, ließ ich das jetzt sein; nur wenn ich einen Spalt überqueren musste, war es besser, nicht direkt auf den Rand zu treten, sondern mit einer gewissen Distanz dazu. Zu gern wäre ich ewig so weitergegangen, getragen vom Gefühl, dass unter mir ein Vulkan brodelte. Ich liebe die Kraft dieses ausdauernden Vulkans und die Schönheit der Lavalandschaft. Ich fühlte die Energien der Lava durch meine Adern fließen. Die schwarze Farbe, die in der Sonne silbern, golden, dann perlmuttern schimmerte, war traumhaft schön. Ich ging weiter wie in Trance. Wieder brach an manchen Stellen die Schicht unter meinen Sohlen ein, doch nie so, dass mein Fuß richtig eingeklemmt wurde, nur fast. Es zog mich immer noch weiter, weiter weg von der Absperrung, weiter weg von den anderen. Gedanken kamen plötzlich hoch: Was ist, wenn ich den Fuß verstauche in dem wilden Gelände oder in eine tiefe Spalte trete? Ich entschied: Gedanken loslassen, weitergehen. Der Schwefelnebel begann mich einzuhüllen, nur ein leichter Dunst, sodass ich den Boden noch sah. Zum Glück blies der Wind immer noch. Ich hörte in meinem Innern Nena nach mir rufen. Ich hielt inne und verstand, dass es Zeit war zurückzugehen. Ich war in eine Art Zeitlosigkeit geraten und hatte keine Ahnung, wie lange ich unterwegs gewesen war. Daher eilte ich nun, so schnell es die spitzen, zerklüfteten und zerbrechlichen Lavabrocken erlaubten, zurück. Als ich meine Gruppenfreundin Gerda und neben ihr Nena sah, verspürte ich eine große Erleichterung. Die Spannung in mir ließ nach und ebenso in meiner Tochter. Ja, es war wie ein Sog, dem ich jetzt wieder entronnen war. Gerda, die mir, ohne dass ich sie wahrgenommen hatte, dauernd nachgeschaut hatte, mich sogar fotografierte und in Gedanken begleitete, auch als sie mich nicht mehr sah, verstand, wie ich neue Räume eröffnete, indem ich sie durchschritt. Als Nena mich vermisste, wurde sie von Gerda mit den Worten beruhigt, man könne mich mit dem Herzen herrufen, und so warteten beide gemeinsam auf mich.
Es gab in der Gruppe diese Aussage, die wir immer wieder aktiv nutzten. Wenn wir jemanden vermissten, uns verloren hatten, riefen wir einander mit dem Herzen. Es ist ein Sich-Öffnen für Hilfe, ein Zustand des Vertrauens, der als Energie ankommen kann, und es funktioniert in den allermeisten Fällen. Es waren, wie ich nun bemerkte, höchstens 20 Minuten gewesen, die ich auf dem verbotenen Gelände verbracht hatte. Nena beschimpfte mich, um so ihrer Angst Luft zu machen. Sie ist und bleibt vorsichtig und kritisch und versteht mich nicht. Ihre Angst um mich ist auch Liebe. Es gibt auch viele gesicherte Gebiete im Gelände, die man betreten darf, nur sind diese nicht direkt neben dem Hauptstrom, sondern in sicherer Entfernung davon.
Wir warteten auf die hereinbrechende um zu meditieren. Bald sahen wir das faszinierende Schauspiel der glühenden Lava, die den Hang hinunterkroch. Manchmal zuckten Flammen hoch, dann wieder verlöschte oder verschwand der glühende Strom, um weiter unten wieder sichtbar zu werden. Müde und voller Eindrücke kehrten wir heim.
An einem der folgenden Tage besuchten wir den Park nochmals und gingen in eine der tiefen, nicht beleuchteten, schlauchartigen Höhlen des Vulkans. Ein 400 Meter langer, dunkler Arm, stockdunkel war es, und meine Taschenlampe ging nicht an. Der elfjährige Sohn von Conny sagte, er werde mich beschützen und nahm mich bei der Hand. Langsam wanderten wir ins Innere der Höhle. Ganz hinten setzten wir uns, machten alle Taschenlampen aus, und es wurde still, sehr still. Wir nahmen Verbindung zum Magma auf. Nun fühlte sich mein kleiner Begleiter unsicher und suchte Halt, den ich ihm gerne gab. Beruhigend drückte ich seine Hand. Als er wieder ruhiger war und losließ, umgab uns alle totale Dunkelheit und Stille. Wir meditierten ungefähr eine halbe Stunde, oder war es länger? Die Zeit ging wieder über in Zeitlosigkeit. Plötzlich spürte ich ein tiefes Lachen in mir hochsteigen, und es schüttelte meinen ganzen Körper, als ob die Kraft des Vulkans durch mich hindurchfließen wollte. Diesem kraftvollen Lachen ließ ich nun seinen Lauf. Elfriede stimmte ein und einige andere auch. Plötzlich waren wir mitten in einer Lachmeditation, und dann sagte Elfriede zu mir: »Dein Höheres Selbst ist ganz nah, genieße es.« Wie sich das anfühlte? Ein Vibrieren im ganzen Körper, ein orgastisches Gefühl – unbeschreiblich stark und schön, als ob eine Energie mit den Wänden interagieren würde und Geborgenheit vermittelte, die sich im Inneren des Vulkans aufbaute und mich durchdrang. »To feel one with earth.« Sich mit der Erde eins fühlen. Das war’s.
Bald danach begaben wir uns wieder ins Freie. Außerhalb waren wir umgeben von üppiger, urwaldähnlicher Landschaft, riesigen Farnen, die uns überragten, und kleineren, die aus Bäumen wuchsen. Kleine und große Bäume, tote Baumstrünke und solche, die ein Eigenleben zu haben schienen, wild durcheinander gewachsen und voller Naturwesen. Unsere Drachenfrau explodierte schreiend, wie in einem riesigen Wutanfall: Feuer pur! Wir kannten es ja schon von ihr. Hochgradig sensibilisiert und verbunden mit anderen Dimensionen und doch verbunden mit der Natur, der Erde und uns selbst fühlten wir uns.
Die spirituelle Arbeit verlangt ein ständiges Aufnehmen, Aufbauen, Einatmen, Visualisieren der harmonischen Strukturen, und gleichzeitig gilt es, wieder alles loszulassen. Manchmal kostete das viel Energie und war sehr anstrengend, besonders wenn es sich als Gruppenenergie aufgebaut hatte.
Am folgenden Tag fuhren wir zum Mauna Loa, einem Teil des Schildvulkans der sich außerhalb des Nationalparkgebiets befindet. Das Weltraumobservatorium, das dort auf 2'500 m ü. M. steht, war unser Ziel. Nach einer sehr holprigen Fahrt über eine schmale Straße aus reiner Lava waren wir ganz alleine. Weit und breit nichts als Lava, Himmel und Straße. Kein Auto, kein Mensch kam uns mehr entgegen. Wir stiegen aus und gingen zu Fuß Richtung Observatorium weiter, das aussieht wie ein Ufo. Weiß und strahlend in einer dunklen Landschaft. Wir setzten uns gemeinsam hin. um zu meditieren, gemeinsam und doch jeder für sich. Ich setzte mich ein wenig abseits der Gruppe auf einen Lavavorsprung und verspürte einen starken Impuls, dem Vulkan etwas zu schenken. Zu Hause hatte ich meinen Ehering eingepackt, weil ich dachte, es würde sich bestimmt ein passender Moment ergeben, endlich alles, was mich noch an Titus, den Vater von Nena band, loszulassen. Loszulassen, um mich neu zu öffnen. Dafür war ich jetzt bereit. Ich holte meinen goldenen Ehering aus der Tasche und hielt ihn eine Weile auf der Handfläche.
Ich flüsterte: »Ich löse damit die letzte eheliche Bindung auf. Ich lasse los, lasse alles los, ja, ich lasse in Liebe los.«
Ich erlöste in mir, was mich noch an meinen Mann gebunden hatte, indem ich den Ring weit, weit weg in einen Lavaspalt warf und ihn so der Erde übergab. Eine Welle der Traurigkeit erfasste mich, die ich nun ausatmete. Nein, keine Tränen, kein Bedauern, nur Traurigkeit darüber, dass diese wichtige Beziehung so leer geworden war. Unsere Tochter war nun volljährig, und dies bedeutete eine zusätzliche Abnabelung. Die Energien waren so stark, dass ich mich sehr erschöpft fühlte. Ich erkundigte mich, ob jemand bereit war, mit mir zurückzufahren, da es mich nach Hause zog, in eine lieblichere Umgebung. Glücklicherweise waren wir mit mehreren Autos angereist, und die anwesende Jungmannschaft und zwei der Frauen fuhren mit uns zurück. Der Rest der Gruppe überlegte sich, auf dem Mauna Loa draußen zu übernachten. Doch auch sie kamen gegen Abend zurück.
Auf Big Island gibt es einen schwarzen Strand, an dem wir am letzten Tag weilten. Er ist nicht sehr groß, der Sand ist feinkörnig und wirklich tiefschwarz. Wenige Menschen tummelten sich da. Das Wasser war klar und warm, ohne Wellengang und lud zum Baden ein. Wir entdeckten zwei Riesenschildkröten, deren Panzer fast einen Meter Durchmesser hatte. Sie lagen total erschöpft im warmen Sand und schienen auf den ersten Blick tot zu sein. Als wir uns vorsichtig näherten, bemerkten wir das Flattern der Augenlider und am Hals das Pochen der Schlagader. Ein faszinierender Anblick, wilde Tiere so entspannt zu sehen. Wir wussten, dass es verboten war, sie zu berühren oder zu stören. Also begnügten wir uns damit, ein paar Schnappschüsse zu machen und plantschten im Wasser, bis es Zeit war zurückzufahren.
Vier Tage später flogen wir weiter nach Kauai.
Kauai ist lemurischen Ursprungs. Sie ist die grünste der hawaiianischen Inseln und wirklich traumhaft schön. Ich verliebte mich sofort in diese Landschaft, nahm sie mit jeder Pore auf. Endlich wohnten wir mit Blick aufs Meer. Ich blühte richtiggehend auf. Satte grüne, sehr steile Berghänge, die wie gemalt wirkten, so knallig leuchteten sie; pyramidenförmig, mächtig, aber weicher und niedriger als unsere in der Schweiz, reichen sie mit den vielen Wasserfällen bis ins weite Meer.
Wir gönnten uns am Sonntag einen Brunch im 5-Sterne-Hotel Princeville, welches sich auf einer vorgelagerten Klippe befindet. Die Auffahrt zum Eingang ist großzügig und elegant, ideal für eine Filmszene; das Innere des Hotels überzeugt ebenso mit Luxus, wohin das Auge reicht. Ein echter Palast. Die Eingangshalle mit einem riesigen Marmorbecken, über dessen Rand Wasser plätschert. Dann die überdimensionierten Blumenarrangements, riesige Spiegel, schönste Treppenbalustraden, große Fensterfronten mit Blick auf Palmen und auf das tiefer liegende Meer hinunter.
Einige Stufen führen in das Restaurant mit dem reichhaltigen Buffet. Wirklich bestückt mit allem, was das Herz begehrt: Champagner, Meeresfrüchte, herrliche Fleischgerichte, ein Dessertwagen, alles vom Feinsten und alles à discrétion! Nach dem Essen betraten wir einen der Nebensäle. Dort waren riesige Leuchter aus echtem Rosenquarz und Kristall zu bewundern. Wir spürten eine starke Energiekraftlinie auf, die durch diesen Raum ging. Natürlich war diese Energie ein Genuss für unser eigenes Feld, weil sie uns einen Moment lang auf eine höhere Ebene einstimmte.
Ein beglückender Tag endete mit einer schönen Meditation, die uns mit den Delfinenergien verband.
Am darauffolgenden Tag ging es auf eine Wanderung in den unwegsamen Waymea Canyon. Ein Erlebnis voller eindrücklicher Bilder: Naturwege, Pflanzen in Hülle und Fülle und dann wieder Felsen, Weitsicht, Farbenspiele in Sand und Gestein. Es lassen sich viele pyramidenförmige Bergflanken ausmachen. Auch hier war die Luft erfüllt von mystischen Gebilden; ich sah immer wieder Tempel und Pyramiden in den Steinwänden. Wie wir erfuhren, befindet sich hier der große, feinstoffliche Aksha-Kristall. Der Name tut wenig zur Sache. Er hat die Bedeutung, die wir ihm geben, und für mich bietet er eine Verbindung zu anderen Welten, weil er diese Energien zu uns transportiert. Mit jedem Schritt tauchten wir tiefer in die Vielschichtigkeit dieses Canyons ein. Die Steine leuchteten in allen Farben: rostrot, hellbraun, gelb, orange. Der Naturpfad wurde immer wieder von grünen Stauden umsäumt oder unterbrochen. Nach etwa eineinhalb Stunden Marsch standen wir an einem kleinen Abgrund. Es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder man rannte so schnell wie möglich oder rutschte wie auf Schnee, am besten auf dem Allerwertesten, hinunter. Bremsen ging gar nicht mehr, bis man unten angekommen war. Nach dieser eher aufregenden Rutschpartie auf Sand folgte ein sehr schmaler Pfad um einige Felsen herum. Wir quetschten uns zuletzt noch durch einen engen Felsenspalt hindurch und waren am Ziel, bei einem großen Teich, der von einem Wasserfall genährt wurde. Wir setzten uns am Ufer hin und badeten die Füße darin. Einige wagten sich bald ganz ins Wasser. Hinter dem Wasserfall war es möglich, auf einen Felsen hochzuklettern, was die Jungs natürlich sofort in Angriff nahmen, um sich von oben hinunter zu stürzen. Zum Baden lud mich das Wasser nicht wirklich ein. Andere wiederum genossen wonniglich die Erfrischung. Ich fand wilden Ingwer, der am Rande des Wassers wuchs. Erdgnome zeigten sich, die sogar meine sonst eher skeptische Tochter sofort sah. Es sind Wesen, die sich um die Pflanzen oder in deren Nähe bilden. Wir befanden uns einmal mehr in einer wahrhaft mystischen Welt.
Es war der 31. Dezember. Zu Hause feierten sie schon bald Silvester, und wir waren eben erst aufgestanden. Ich erhielt ein erstes SMS zum Neuen Jahr von Alexander, was mich total überraschte, ja überwältigte, hatte ich doch am Vorabend noch an die Buben von Alexander gedacht, mit denen ich voriges Jahr Weihnachten gefeiert hatte. Seltsam, was hier für Energien fließen konnten, die zu Hause blockiert schienen. Es folgten weitere SMS von Freunden und Bekannten. Es machte mich sehr glücklich, dass ich dank Nena ein in den USA funktionstüchtiges Handy hatte. Ursprünglich hatte ich geplant, eine handyfreie Zeit zu verbringen, weil meines in den USA nicht funktionieren würde. Dann hatten wir uns entschieden, meine SIM-Karte in Nenas Handy zu integrieren, das ich mir für die Ferienzeit ausleihen durfte. So hatten wir auch anderen in der Gruppe Kontakte in die Schweiz ermöglicht. Es war noch nicht üblich, dass jeder ein eigenes Handy besaß. Ich wurde also zur Überbringerin von Nachrichten. Dadurch fühlte ich mich ein wenig wie Hermes, der Götterbote, wie der auf dem Bild in meinem Wohnzimmer.
Nach einer sehr schönen Morgenmeditation mit der Gruppe stießen wir mit Champagner an und gedachten der Daheimgebliebenen, die bereits Mitternacht hatten. Bei uns war es erst elf Uhr morgens.
Es war ein idealer Tag, um das Meer zu genießen, den kleinen Strand der Siedlung zu nutzen. Also gingen einige von uns schwimmen. Eine Zeit lang widmete ich mich unserer Drachenfrau, die eine unglaublich starke Verbindung zur Erde und zu Feuer hatte, und gab ihr eine Watsu-Session (Wasser-Shiatsu), wo das Meer ganz ruhig war. Entspannt ließ sie sich bewegen und eintauchen. Eine starke Energie baute sich auf. Besonders, wenn ich sie in der Embryostellung im Wasser drehte, verlor sie die Orientierung und tauchte in vorgeburtliche Stadien ein, was emotional einiges auslöste. Loslassen kann mit ziemlich viel Energie verbunden sein. Nach einer Viertelstunde legte sie sich an den Strand, um sich zu erholen. Ich war nun frei und wollte auch mich befreien von allem, was mich das ganze Jahr belastet hatte. Es war so herrlich, diese Weite des Ozeans vor mir zu haben. Endlosigkeit und Ewigkeit. Gedankenverloren schwamm ich los, träumte vor mich hin und war unverhofft ganz plötzlich in tiefer Liebe mit meiner Zwillingsseele Emanuel über den Kosmos verbunden. Ich fühlte das Wasser, das mich trug, sah das Blau des Wassers, das sich mit dem Blau des Himmels vermählte. Ich wäre gerne stundenlang so weiter geschwommen. Als ich wie aus einem Traum erwachte, bemerkte ich große Wellen um mich herum. Ich kam gar nicht mehr vorwärts, war gefangen zwischen den Wassermassen und fühlte mich ausgeliefert. Der Strand schien sehr weit weg zu sein. Die starke Strömung hatte mich weggetrieben, in Bereiche, wo es schon recht gefährlich war, und ich hatte es nicht bemerkt. Ich kämpfte, schluckte Wasser, keuchte und dachte: »Das könnte mein Ende sein.« Weit weg erkannte ich zwischen zwei Wellen, dass eine einzelne Person am Strand stand, und überlegte, ob ich wohl je wieder dorthin kommen würde. Den Tod durch Ertrinken stellte ich mir nicht besonders angenehm vor. Langsam ließen meine Kräfte nach. Vermutlich wusste niemand, wo ich war, keiner vermisste mich – so dachte ich.
Plötzlich hörte ich innerlich die Stimme von Elfriede: »Du kannst es schaffen.«
Die Wellen, die mich umgaben, über mir zusammenschwappten, waren mindestens einen Meter hoch, was nicht viel war, doch sie schienen mich festzuhalten und gleichzeitig hinauszuziehen. Sie hatten eine unglaubliche Kraft, und ich spürte einen Sog nach unten. Ich hatte vergessen, dass seit Tagen die Touristenboote deswegen nicht mehr auf Delfinbeobachtung gingen. Es hieß jeden Tag, das Meer sei zu unruhig. Ich weiß nicht, was mich geritten hatte, so unvorsichtig zu werden. Vermutlich ließ ich mich durch das stille Wasser beim Strand täuschen – ich war schon ganz erschöpft und mochte nicht mehr schwimmen. Ja, ich hörte auf zu kämpfen und legte mich auf das Wasser, das immer wieder wild an mir zog, über mich schwappte. Es ging hoch und runter – ich fühlte mich total hilflos und entschied, mich dem Höheren Selbst zu übergeben, zu ertrinken, wenn es denn sein sollte. Es war wirklich so, dass ich nun mit allem rechnete, eben auch damit, nicht mehr zurückkehren zu können. Dieses Gefühl, dass ich vielleicht auf dieser Reise sterben könnte, war schon vor der Abreise präsent. Es hatte mich veranlasst, ein Testament zu schreiben. Erfüllte sich diese Vorsehung jetzt? Ich hatte es gegenüber der Gruppe erwähnt, und Elfriede hatte laut aufgelacht. Sie sah mich wohl schon wieder zu Hause. Es war damals eine Ahnung, die nicht an Angst gekoppelt war.
Jetzt ließ ich die Angst, die mich erfasst hatte, los und wartete. Auf dem Rücken liegend, entspannte ich mich vollständig. Wofür sollte ich kämpfen? Ich war zufrieden mit meinem Leben und war bereit für das, was kommen würde. Es dauerte ungefähr 20 Sekunden, und plötzlich streifte meine Hand einen Felsvorsprung. Direkt unter mir befand sich ein Riff. Ich konnte es kaum glauben. Es konnte meine Rettung sein. Tatsächlich, es war ein Felsenriff, das knapp unter der Wasseroberfläche lag, mitten im Wasser, das von Wellen umspült wurde und daher fast unsichtbar war. Es gelang mir, mich daran festhalten und war so dankbar für diese Verbindung zur Erde. Ich zog mich langsam daran hoch und schaute in Richtung Strand. Gleichzeitig musste ich mich gut festhalten, denn mit jeder Welle riskierte ich, umgeworfen zu werden. Die Wellen rissen immer wieder an mir, wollten mich, wie es schien, zurückhaben; sie konnten mich auch unterstützen. Mit deren Rhythmus tastete ich mich langsam weiter, griff nach der nächsten Unebenheit, die sich anbot, mal kroch ich auf allen Vieren, oder ich robbte bäuchlings weiter. So ging es von einer griffigen Kante zur nächsten. Natürlich schürfte ich mir die Haut an den Beinen, Knien, Armen dabei auf. Das kümmerte mich wenig. Als ich den höchsten Punkt erreicht hatte, stand ich leicht geduckt, mich festhaltend, auf und sah hinüber zum Strand. Immer noch stand da jemand, wie eine Säule, jemand, der Verbindung mit mir aufzunehmen schien. Ich entschied, mich danach auszurichten und darauf zuzuschwimmen. Hinter dem Riff wurde das Meer merklich ruhiger, normales Schwimmen war wieder möglich. Tatsächlich schaffte ich es und kroch zuletzt auf allen Vieren aus dem Wasser. Total erschöpft küsste ich den Boden und sah die Freundin Gerda dastehen. Zum zweiten Mal war sie mein Engel, der mich unterstützt hatte. Sie nahm mich in die Arme und erzählte, sie sei intuitiv zum Strand gekommen, als die anderen diesen verließen und hatte mich beobachtet.
Sie sagte: »Du bist wieder daran, alte Grenzen zu sprengen. Dein persönliches Spiel mit den Grenzen!«
»Ja, es scheint tatsächlich so zu sein«, sagte ich, immer noch ein wenig atemlos und glücklich.
Gerda: »Ich habe die anderen hier beruhigen müssen. Die meisten haben deine verzweifelten Versuche mitbekommen und steigerten sich in Ängste hinein. Jemand ging in die Siedlung, um Hilfe zu holen. Ich weiß ja, dass du eine gute Schwimmerin bist, und ganz klar wusste ich, dass du es schaffen wirst.«
Kaum hatte sie das gesagt, kam der Hawaiianer auf mich zu, der geglaubt hatte, mich retten zu müssen. Er herrschte mich an: »Was fällt Ihnen bloß ein, ohne Flossen rauszuschwimmen, der Sog hier ist unglaublich gefährlich! Besonders die letzten Tage war das Meer ungewöhnlich bewegt«, fauchte er mich weiter an, »das weiß man doch«.
Schuldbewusst nickte ich: »Sorry, ich habe es nur am Rande mitbekommen und vergessen. Plötzlich hat es mich abgetrieben. Flossen habe ich gar keine, aber ich bin ja jetzt wieder da«.
Er schimpfte noch eine Weile und sagte dann: »Das nächste Mal leihen Sie sich an der Rezeption Flossen aus. Zum Glück haben Sie das Riff erreicht. Es kann manchmal sehr schnell gehen. Sie wären nicht die Erste, die hier ertrunken ist.«
Ich erwiderte: »Ja, ich weiß, ich habe großes Glück und einen Schutzengel gehabt.«
Mit Gerda begab ich mich zurück in unsere Wohnung. Das war ein wahrlich fulminantes Jahresende. Meiner Tochter erzählte ich nichts von dem Vorkommnis. In der Gruppe erwähnte ich es während der nächsten Zusammenkunft. Es schien mir bezeichnend zu sein, diese wichtige Erfahrung von Sterben und Neugeburt vor dem Jahresende zu erleben. Das geschieht, wenn man loslassen kann, man im Vertrauen ist und man sich dem, was kommt, überlassen kann, auch wenn es den Tod bedeutet hätte. In diesem Moment kann das Schicksal über alles Weitere bestimmen, und genau dann ist oft unerwartete Rettung am nächsten. Alle waren sich einig, dass es für mich eine Neugeburt darstellte. Elfriede erzählte uns von einem Erlebnis, das eine andere Gruppenteilnehmerin vor Jahren hatte, die wie ich dem Wasser ausgeliefert schien. Wie durch ein Wunder seien zwei Männer aufgetaucht und hätten sie an Land gebracht. Sie habe nie herausgefunden, woher diese kamen und wohin sie danach gingen. Es sei gewesen, als wären sie danach wie vom Erdboden verschluckt gewesen.
Ich muss am Abend richtiggehend gestrahlt haben, denn obwohl ich sonst die Blicke der Männer nicht auf mich zog, wirkte etwas in mir wie ein Magnet. Dieses Leuchten ist auf dem einen Foto von mir gut erkennbar. Wir begaben uns auf die Tanzfläche, bewegten uns zur Musik, und spontan tanzten fremde Männer mit mir, die mit ihren Partnerinnen da waren und sich doch von mir angezogen fühlten.
Ich habe danach zu Hause einige Zeichnungen von meinem Erlebnis gemalt. Es sind intensive Farben, als Ausdruck dessen, was in mir vorgegangen ist, und auf einem Bild sieht man ein Tor. Ja, es war das Tor eines Übergangs. Tod und Neugeburt, loslassen, um neu geboren zu werden.
Am 1. Januar 2003 folgte die Wanderung auf dem Naturpfad nach Napali Beach. Uns begrüßte ein rutschiger, schlammiger Boden, weil es die Tage zuvor heftig geregnet hatte. Es ging auf und ab, und bald waren Schuhe und Füße schlammbedeckt. Nicht alle wollten den ganzen Weg auf sich nehmen und verabschiedeten sich, um frühzeitig zurückzugehen. Teilweise durchquerten wir richtige Bäche, die aus den Hängen sprudelten. Die Landschaft war atemberaubend schön. Entfernt unter uns sahen wir das türkisfarbene Meer, das sich in Schaumkronen kräuselte, und wir konnten auch Delfine ausmachen, die Luftsprünge machten. Wir sahen sogar einen Wal in der Ferne auftauchen. Die Bäume sind uralt mit herrlichen Luftwurzeln und mit einem über die Hänge hinabfließenden Wurzelwerk, das wie dicke Haarsträhnen aussieht. Manche der hohen Bäume wirkten wie Kapellen oder Kirchen und die filigranen, grünen Formationen glitzerten in der Sonne. Heilige Orte ließen sich erahnen.
Es blieb keine Zeit, sich niederzulassen. Ein Teil der Gruppe, diejenigen die das Gelände kannten, kam zügig voran. Bald sah ich sie nicht mehr, merkte aber auch nicht, dass zwei aus der Gruppe langsamer waren als ich. In mir breitete sich ein Szenario von Ärger und Angst aus, weil man mich einfach mir selbst überlassen hatte. Ich kannte den Weg ja nicht. Was sollte ich tun, wenn er sich verzweigte, was, wenn ich plötzlich ausrutschte? Ich vergaß, dass normalerweise bei einer Verzweigung jemand von uns auf die Hinteren wartet. Bald traf eine junge Kanadierin auf mich, und eine Weile gingen wir zusammen. Das tröstete mich. Ganz interessiert hörte sie zu, was ich ihr von den Lightworkers erzählte. Sie fragte und fragte, und lenkte mich so von meinem Stress ab. Da sie bessere Schuhe trug, verließ sie mich jedoch bald wieder, dem Ziel entgegen. Warum hatte mir niemand gesagt, ich solle meine festen Schuhe anziehen? Warum war keiner mehr da? Ich wurde jetzt richtig wütend und hätte am liebsten kehrtgemacht, doch aufgeben ist nicht meine Art. Ich wanderte also ganz alleine weiter und durchlebte starke Emotionen wie Wut, Angst, Ärger, Hilflosigkeit. Trotzdem ging ich weiter und weiter und hoffte, den Weg nicht zu verfehlen. Nach zwei Stunden fühlte ich mich am Rande meiner Kräfte. Es war trotz vieler Bäume, die den Weg säumten sehr heiß, der Boden nach wie vor rutschig, und ich quälte mich vorwärts und musste gleichzeitig die unvergleichlich schöne Landschaft bewundern. Ich erlebte ein pures Paradox von Innen und Außen, von Genuss und Qual. Bald stieß ich wieder zu einer langsamer gehenden Gruppe von Menschen, die mir sagen konnten, dass wir bald ankommen würden. Das letzte Stück führte noch über einen steilen Serpentinenweg, doch nun war der Felsenstrand nah. Ich konnte die Wellen hören.
Nach der Durchquerung des letzten Baches, von Stein zu Stein hüpfend, gelangte ich, total erledigt, ans Ziel. Bevor ich mich bei den anderen niederlassen konnte, um meinen Frust loszuwerden, entschied ich, den Badeanzug anzuziehen, und lief die paar Schritte zurück zum Bach. Hier entspannte ich mich in einem der kleinen natürlichen Becken, die von Steinen gebildet worden waren, wo das Wasser gluckste. Das Wasser sprudelte angenehm kühl. Ans Schwimmen im Meer war hier nicht zu denken. Mehrere Warntafeln wiesen auf die Gefährlichkeit der Strömung hin. Ich lag bequem zwischen den Steinen, verband mich mit dem Wasser. Das von hinten herunterströmende Quellwasser nahm alle Schwere von mir.
Nun war ich bereit, mich der Gruppe zu stellen. Nicht, ohne kurz meinen Unmut zu äußern. Da erklärte mir Elfriede, dass dieser Weg oft latente Emotionen hochholt und dass alles perfekt gelaufen sei.
Das Credo unserer Leiterin: »Alles ist immer perfekt, wie es ist.«
In unserer nachfolgenden Meditation verbanden wir uns mit dem Wissen der Wale. Wir stimmten uns ein und wurden selbst zu Walen. Welch majestätische Kraft wurde da fühlbar, und es entwickelte sich eine telepathische Kommunikation über das Walbewusstsein. Ich erlebte den Unterschied zwischen der Delfin- und der Walenergie, und wir erfuhren, dass diese Tiere mit ihren Sonaren am Magnetgitter arbeiten, das bald vollendet sein wird. Diese hochintelligenten Wesen hielten Verbindungen zu anderen Welten und waren uns doch so nah. Je mehr wir ihre Qualitäten aufnahmen, desto häufiger verabschiedeten sie sich. Deshalb sind gestrandete Wale oft ein Zeichen dafür, dass sie die Ebenen gewechselt haben. Eine solche Meldung erreichte uns kurz nach unserem Aufenthalt wieder. In den Zeitungen wurde es dramatisiert, im spirituellen Verständnis einesteils bedauert, aber andernteils auch freudvoll zur Kenntnis genommen. Sie waren heimgegangen.
Wir genossen nun gemütlich den mitgebrachten Lunch und machten uns dann auf den Rückweg. Elfriede, die ursprünglich geplant hatte, bis zum Wasserfall hochzugehen, was nochmals eineinhalb Stunden Wanderung bedeutet hätte, ließ es dann doch sein. Wegen des vielen Regens war der Weg vielerorts einfach zu schlammig.
Der Rückweg verlief problemlos, doch müde war ich trotzdem. Alsbald waren die Beine, Hände und Arme wieder mit Schlamm bedeckt, weil man ausrutschte, sich festhalten musste und manchmal auch hinfiel. Als wir unsere Autos erreichten, lockte uns der schöne Sandstrand, der nur ein paar Schritte entfernt war und in einer ruhigen Bucht lag. Mit vielen anderen tummelten wir uns im Wasser. Als der letzte Schlamm zwischen den Zehen aufgelöst war, die Hände wieder sauber waren, erst dann konnte ich mich zufrieden und erschöpft in den Sand sinken lassen und rührte mich nicht mehr von der Stelle, bis wir nach Hause fuhren.
Schon am nächsten Tag hieß es Koffer packen. Die Gruppe inklusive meiner Tochter flog heim. Ich hatte beschlossen, meine Zeit in Hawaii zu verlängern, und sehr kurzfristig hatte sich unsere Drachenfrau entschieden, mit mir weiter nach Maui zu fliegen.
Maui
Maui hat vier Klimazonen, was für so eine kleine Insel beeindruckend ist. Wir blieben fünf Tage dort. Auf Kauai waren wir den Delfinen sehr nahe gewesen, hier auf Maui war es einfacher, Wale zu Gesicht zu bekommen. Ich wünschte mir, ihnen so nah wie möglich zu sein, und so buchten wir einen Ausflug auf einem der kleineren Boote, auf welchem zwölf Personen Platz fanden. Tatsächlich kamen die Wale ganz nahe an unser Schiff heran. Ich fühlte eine ekstatische Freude in mir – unbeschreiblich orgastisch, begeisternd. Spannend war es obendrein nie zu wissen, was sie als Nächstes tun würden.
Die Orcas wirkten riesig und doch gutmütig, kommunikativ und spielerisch. Sie schienen wirklich mit uns zu kommunizieren, winkten uns mit der Seitenflosse zu, führten Kapriolen vor uns auf, sodass riesige Wellen entstanden und Fontänen aufspritzten. Ihre Schwanzflosse hätte mit unserem Boot Tennis spielen können. Wir hörten, dass sie noch nie Menschen böswillig attackiert hatten oder Boote in die Tiefe gezogen worden waren. Gesetzlich waren wir verpflichtet, einen relativ großen Sicherheitsabstand zu wahren, doch das schien die Wale nicht zu interessieren. Von selbst kamen sie sehr nahe an unser Boot heran.
Wir beendeten den Tag in einem Strandrestaurant und sahen unsere Freunde noch auf- und abtauchen. Meistens waren es nur die Fontänen, die von weitem grüßten, doch an diesem Tag schienen die Tiere richtig übermütig zu sein.
Ein Erlebnis, das ich als einmalig bezeichnen kann. Ich war einer Urenergie, einer Intelligenz des Meeres so nah gewesen, wurde von derselben wahrgenommen und habe wahrgenommen, wie wir interagierten. Es ist schon wunderbar, Wale, wie wir sie oft in Meditationen feinstofflich wahrnahmen, nun leibhaftig zu sehen und zu erleben. Darin liegt eine andere Dynamik, die nur schwer in Worte zu fassen ist. Nicht nur damit erfreute uns Maui. Wir besuchten ein Musical, das seit vielen Jahren aufgeführt wird und die Entstehung der hawaiianischen Inseln erzählt. Die Musik, die Tänze, die ganze Aufführung, alles wirkte so authentisch und doch wie ein Traum. Das Ulalena Musical habe ich bei jedem der späteren Besuche auf Maui mit derselben Begeisterung wiedergesehen. Der Trommler, der eine eigene Instrumenten-Loge mit unzähligen Trommeln und Schlaginstrumenten hat, die er mit Inbrunst spielt, ist ein Phänomen. Seine Rhythmen bringen den ganzen Saal in eine besondere Schwingung.
Hawaii besteht hauptsächlich aus Vulkanen, und der mächtigste und wohl vielschichtigste ist der Haleakala mit einem riesigen, begehbaren Krater. Ich habe mich geweigert, ihn aufzusuchen. Warum, konnte ich nicht erklären. Es waren noch zwei weitere Besuche auf Maui notwendig, bis ich unwiderstehlich seiner Anziehungskraft erlag.
Oahu
Der nächste Flug führte uns nach Oahu/Honolulu, wo wir beabsichtigten, noch zwei Tage zu verbringen, bevor unser Heimflug nach Europa folgte.
Der Diamond Head auf Oahu, das Wahrzeichen von Honolulu, ist ein langgezogener, eiförmiger Krater. Schon bevor wir den Aufstieg begannen, drehte sich unser Gespräch um Sexualität. Es schien hier eine stark erotisierende Energie zu geben, die uns veranlasste zu ergründen, was es mit uns zu tun hatte. Wir saßen auf warmen Steinen und vertrauten einander ein paar Erlebnisse an, die unterschiedlicher nicht hätten sein können, und vieles basierte auf den Erfahrungen, wie wir zur Frau wurden. Im Gegensatz zu mir war die Drachenfrau sehr gezielt und entschieden auf einen Mann zugegangen, um die erste sexuelle Erfahrung zu machen. So wie sie es beschrieb, hatte es sehr wenig mit Romantik zu tun. Ich bemerkte, dass sie viele ihrer männlichen Anteile lebte, im Gegensatz zu mir. Außerdem war sie noch mit demselben Mann zusammen, den sie später geheiratet hatte, und entwickelte eine ganz eigene Dynamik der Sinnlichkeit, die sie viel stärker mit der Erde als mit einem Mann verband. Wir konnten noch voneinander lernen, stellten wir fest. Der Aufstieg auf den Diamond Head erfolgte dann in einer schönen Leichtigkeit, die Hitze war erträglich. Oben angekommen bot sich uns eine atemberaubende Sicht auf die Küste… dort, wo die Freiheit wohl grenzenlos ist… wie es in der Liedzeile von Reinhard Mey so schön heißt.
Oahu lebt wohl am stärksten vom amerikanischen Tourismus und hat ein für meinen Geschmack allzu amerikanisches Flair. Doch es gibt sie auch hier, die Ur-Hawaiianer, die sich teilweise von den Amerikanern haben verdrängen lassen. Auf einem Ausflug per Bus machten wir Bekanntschaft mit einer älteren Frau, die uns zu sich nach Hause einlud. Wir lernten alle Familienmitglieder kennen, und es wurde uns Tee und Gebäck offeriert, doch irgendwie wurden wir nicht warm miteinander. Bald fragte uns die Frau, ob wir mit ihr zum nahegelegenen Strand gehen möchten. Ein leerer, sehr schöner Sandstrand begrüßte uns. Ganz plötzlich brach die Frau wie ohnmächtig zusammen. Uns schwante nichts Gutes, obwohl wir ihr nichts Böses unterstellen wollten. War das echt oder gespielt? Sie schien richtig verwirrt und orientierungslos zu sein und ließ sich brabbelnd auf den Boden sinken. Wir flößten ihr ein wenig Wasser ein und bewegten sie dazu, wieder aufzustehen. Dann begleiteten wir sie zurück und merkten aufgrund von Aussagen eines Nachbarn, dass sie orientierungslose, bis demente Schübe hatte. Wir wunderten uns darüber, dass man sie alleine hatte mit dem Bus reisen lassen. Sehr erleichtert lieferten wir sie zu Hause ab. Wir hörten im Nachhinein Geschichten, dass es auch schon geschehen war, dass man Touristen für Unfälle verantwortlich gemacht hatte, um dann Geld zu erpressen. Es hätte also durchaus sein können, dass die Familie uns für ihren Zusammenbruch verantwortlich gemacht hätte, um uns dann erpressen zu können. Nichts dergleichen war zum Glück geschehen, doch bis wir wieder sicher im Bus saßen, war mir sehr mulmig zumute. Das hätte in einen Krimi ausarten können. Aufatmend beschlossen wir, keine Ausflüge mehr zu machen. Die Drachenfrau war erschöpft und wollte sich ausruhen. Da es sehr kurz vor Sonnenuntergang war, entschied ich, den allerletzten Abend an der Waikiki Beach zu verbringen, die fast vor unserer Haustüre lag. Ich war umgeben von Hunderten von Menschen, die den einmalig schönen Sonnenuntergang mit mir betrachteten.
Der Mann, der neben mir stand, sagte aus heiterem Himmel: »Hätte ich jetzt eine Frau, ich würde sie in die Arme nehmen und küssen … Es ist so romantisch.«
Was war das für ein verrückter Tag! So voller Überraschungen, wie ich sie nicht mag. Ich blieb gelassen und tat, als hätte ich nichts verstanden. Es blieb bei seiner reinen Phantasie. Die Sterne sind wirklich nah auf Hawaii, und es sind derer so viele, dass sie wie Flockengebilde wirken, die schwebend den Himmel erleuchten. Es herrschte eine leichte, sehr friedliche Schwingung. Beglückt von dem Schauspiel kehrte ich in unser Hotel zurück.
Nach dem gemeinsamen Abendessen spazierten wir den Strand entlang, und es folgte eine weitere ungewöhnliche Begegnung mit einem Hawaiianer, den man für einen Landstreicher hätte halten können. Er war damit beschäftigt, seine Kleider bei einer Stranddusche auszuwaschen und hatte einige auch schon aufgehängt. Wir blieben stehen und begrüßten ihn freundlich. Er schien sich über unsere Annäherung zu freuen und begann zu erzählen, dass er früher Reiseleiter gewesen sei, doch irgendwann fand er das zu oberflächlich, und hatte es vorgezogen, einfacher und mehr in der Verbindung mit der Natur zu leben. Er teilte tiefste Gedanken und Weisheiten mit uns über die Bedeutung der hawaiianischen Seele, erzählte uns, dass diese im Grunde verspielt und einfach sei. Handwerkliches und künstlerisches Können läge vielen im Blut, doch immer mehr davon ginge verloren. Er selbst kommuniziere mit dem Meer, den Tieren und lebe nun hauptsächlich draußen. Wenn er unter freiem Himmel schlafe, spüre er die Reinheit der Liebe, die noch nicht verloren sei, und wenn es jemanden interessiere, dann erzähle er denjenigen Menschen davon. Er kam uns vor wie ein großer Weiser, der wahre Lichtarbeit im Stillen leistet.
Die Koffer waren gepackt, und in der Hotelhalle wartend langweilten wir uns. Also beschloss ich, meiner Bekannten am Computer zu zeigen, wie man online chattet. Wir erwischten online einen deutschsprechenden Mann in Europa und erzählten ihm, wo wir uns befanden, was er fast nicht glauben konnte. Wir amüsierten uns, flirteten ein wenig, und da wir noch eine Menge Zeit hatten, vergaßen wir, aufmerksam zu bleiben und verpassten das bestellte Taxi. Der Chauffeur hatte den Namen falsch notiert, und so konnte man uns nicht ausfindig machen. Als wir es bemerkten und verstanden hatten, was geschehen war, ergriff uns kurz die Panik. Würde die Zeit noch reichen? Alsbald ging es dann doch mit einem anderen Taxi zum Flughafen, wo der Rest der Reise ohne Zwischenfälle erfolgte.
Kaum eine Stunde zu Hause, nach dreißig absolut problemlosen Reisestunden, davon siebzehn Flugstunden und rund 15'000 zurückgelegten Kilometern, landete ich doch hart auf der Erde. Oder soll ich sagen, in unserer Realität? Ich wollte ein Mitbringsel aufhängen und stieg auf einen Hocker, der dann kippte und ich mit ihm. Da lag ich nun, und mir war übel vor Schmerzen. Meine Tochter war noch eine Lernfahrerin und gerade daran, eine Probestunde zu absolvieren. Mit Müh und Not gelang es mir, sie anzurufen und nach Hause zu bitten. Sie brachte mich ins nahegelegene Krankenhaus, und mir wurde klar gemacht, dass mein Arm gebrochen war. Zum ersten Mal in meinem Leben, nach Hunderten von Skiabfahrten, brach ich mir etwas – im Wohnzimmer.
Ich konnte mit dem Arm im Gips nicht Auto fahren, was für mich eine sehr ungewohnte und zum Glück zeitlich absehbare Einschränkung war. Zu allem Elend begannen starke Auseinandersetzungen mit meiner Tochter. Sie kritisierte vieles, eigentlich fast alles. Es waren weitere Folgen der Abnabelung. Es zeichnete sich ab, dass sie sobald wie möglich ausziehen würde. Das machte mir Angst, und ihre Wut auf mich schien ihr Flügel zu verleihen. Sie freute sich auf ihr neues Leben, fand auch sehr bald eine eigene Wohnung, die sie sich mit einer Kollegin teilte. Ich unterstützte den Umzug, gab ihr ihre sämtlichen Möbel mit, die ich entbehren konnte, das alte Geschirr, das wir noch als Familie benützt hatten und vieles mehr.
Ich war 48 Jahre lang eingebunden in gemeinsames Wohnen gewesen. Irgendwie graute mir davor, nun so alleine zu wohnen. Nach ihrem Auszug, mit der notwendigen Distanz, kehrte wieder Frieden zwischen uns ein. Das Verhältnis wurde besser denn je. Ich tat mich noch ein wenig schwer so alleine im Haus. Mir fehlten unser gemeinsames, ausgiebiges Sonntagmorgen-Frühstück und anderes mehr. Es war arg still im Haus und plötzlich so ordentlich. Wären da nicht die zwei Wellensittiche gewesen, die munter plauderten und mit mir schwatzten, natürlich am lautesten, wenn ich gerade telefonierte, ich hätte mich sehr einsam gefühlt.
Ich saß viel und oft an meinem iMac. Das brachte auch mein Auftrag für Öffentlichkeitswesen des Polarity-Verbandes mit sich. Ich war auch immer noch in Foren zugange und tauschte mich gerne per Mail aus. Eine Rundmail eines spirituellen Freundes, auf welche ich allen geantwortet hatte, veranlasste einen Amerikaner, John, interessiert nachzufragen. Wir begannen, täglich per E-Mail zu korrespondieren, und das, obwohl er beruflich sehr ausgelastet war. Er quetschte mich nach Strich und Faden über mein spirituelles Wissen aus.
Sein Kommentar dazu war jedoch regelmäßig: »Ich bin halt prosaischer Natur. Ich verstehe das nicht und möchte es so gerne kapieren.»