Wer nach vorne schaut, bleibt länger jung - Henning Scherf - E-Book

Wer nach vorne schaut, bleibt länger jung E-Book

Henning Scherf

0,0

Beschreibung

Henning Scherf ist überzeugt: Älterwerden - das ist nicht nur eine demografische Frage. Mut und Optimismus gehören dazu. Jeder kann selbst etwas tun für sein Glück, davon ist er überzeugt. Hier erzählt er sein Leben, sagt, was ihn zuversichtlich stimmt und was ihn zornig macht. Ein Buch mitten aus dem Leben, über das Leben. Deutlich und authentisch. Eine spannende Bilanz.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 248

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Henning Scherf

Wer nach vorne schaut, bleibt länger jung

Life lessons

Herausgeben von Rudolf Walter

Impressum

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2012

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

ISBN (E-Book): 978-3-451-33927-1

ISBN (Buch): 978-3-451-33257-9

Inhaltsübersicht

I

Was heißt hier jung? Was heißt hier alt?

II

Kein gerader Weg

Ich wollte verändern

Angebote zum Ausschlagen

Leben mit Behinderten – ein neuer Blick auf die Welt

Wer solche Vorbilder hat, kann nicht gleichgültig werden

III

Gegen Gleichschaltung und Totalitarismus

Warum habt ihr nicht gekämpft?

Aufbau, Aufbau, Aufbau

Aufarbeiten eines Albtraums

Mein Klassenkamerad Siegfried Israel Propper

Nachkriegspragmatiker

Und heute …?

IV

Und das Persönliche: Die Liebe und der Alltag

Lieben und Lassen – unsere Kinder und wir

Partnerschaft – ein schwieriger Lernprozess

Geschwister – Rivalität und Unterstützung

Vorbilder geben Hoffnung – Mandela, King, Heinemann und andere

V

Nachgeholte Säkularisierung

Warum ich kein Marxist wurde

Wozu es eine Kirche braucht

Meine lateinamerikanischen Brüder

VI

Meine Erfahrung in der Politik: Die Auflösung von Vorurteilen ist möglich

Hoffnung – der Grund der Zivilgesellschaft

Wie Kompromisse gehen

Abrücken vom Rechthabenwollen – Die Vernunft des Ganzen

Dämme bauen

Jeder kann etwas tun

VII

Anpacken und sich einsetzen

Wie ich unter Quäker kam

Bunte Erfahrungen: freiwillige Dienste

Zum Leben gehört, dass man eine Aufgabe hat

Etwas tun – gegen die Resignation

Vertrauen gewinnen

VIII

Bei sich und beim anderen – Balance

Glück – ein lebenslanger Lernprozess

Du hast Verantwortung für dein eigenes Leben

Leben heißt Chance

Schwache stärken

IX

Christentum mit leichtem Gepäck

Nur wer sucht, entwickelt sich weiter

Beteiligt werden: Spirituelle Kräfte für die Seele

X

Träume und Albträume

Voodoolehrer, Stottern und Schultrauma

Allein machen sie dich ein

XI

Fehler sind zum Lernen da

Verratene Überzeugungen?

Niederlagen gehören dazu. Man kann nicht immer recht haben

Unvorbereitet – meine beste Zeit

Kritiker und Gegner

Klare Kante, klare Grenzen – Konfrontationen und Kämpfe

Manche Gegner muss man meiden

Hintenherum – vom Umgang mit Intrigen

XII

Bürgerlich – kein Schreckbegriff

Heimat finden

Gefährliche Entwicklungen

Politik, Macht und ihre Grenzen

Aschermittwoch in Essen

Die Elmers-Sippe

Bei den Hausbesetzern

Das Ende des Atomzeitalters oder Wir müssen unser Leben ändern

Wie motiviert man junge Menschen, sich politisch zu engagieren?

XIII

Alter – Wir brauchen neue Altersbilder

Alter ist kein Honigschlecken

Zukunft – bunt wie das Leben

Leben ist jetzt

Mittendrin – und etwas tun

Mein großer Zorn – die Pflegeindustrie

Es geht auch anders

XIV

Todesangst

Wie ich sterben möchte

Keine Revolte

XV

Wenn der weiße Flieder wieder blüht …

Wenn Kinder tanzen

Herz und Kopf – die musikalische Lösung

Aktivierung: Musik als Hilfe zum Leben

Aufleben im Chor

Musik für die Insel

Ein Glückselixier – auch für andere

XVI

„Kai shui“ heißt: „Bitte heißes Wasser!“

Zivilgesellschaft – eine globale Hoffnung

Nur miteinander überleben wir

Empörung oder Mitmachen?

Mit beiden Beinen geht man besser

XVII

Gelingendes Leben – mehr als Erfolg

I

Was heißt hier jung? Was heißt hier alt?

Von einem „Seniorengipfel der Extraklasse“ sprach die Presse, als der 84-jährige Kabarettist Dieter Hildebrandt und der 85-jährige SPD-Politiker Hans-Jochen Vogel auf einem Podium zusammentrafen, um darüber zu reden, was das eigentlich sei: Altwerden. Der Politiker erzählte, wie er als junger Mann anfing, Pfeife zu rauchen. Nicht dass es ihm geschmeckt hätte. Er wollte als 34-jähriger Münchener OB-Kandidat einfach älter und seriöser wirken. Er hat es bald wieder aufgeben, weil er es nicht mehr nötig hatte – und weil es ihm nicht schmeckte. Jetzt sei er alt, aber immer noch mitten im Leben. „Alt ist der“, so seine Definition, „der jeden Prospekt liest, der ins Haus flattert und allen erzählt, dass früher alles besser war.“ Der Kabarettist konterte mit einer eigenen Erfahrung: „Man merkt es an den Gliedern, wenn man nicht mehr so jungenhaft aufsteht – um sich vor einem Älteren zu verneigen.“ Und im Übrigen: Sei früher nicht wirklich alles besser gewesen? Als Vogel dem professionellen Zeitkritiker schlagfertig konterte: „Alleine das aus Ihrem Mund hat unser Gespräch schon gelohnt“, war das Gelächter im Saal groß beim vor allem jugendlichen Publikum.

Biologische Jugend ist nun wirklich kein Fetisch. Und Lebendigkeit ist nicht an das Geburtsjahr gebunden.

„Alt ist, wer mit 50Prozent seiner Gedanken in der Vergangenheit ist, jung ist, wer mit 50Prozent seiner Gedanken in der Zukunft ist.“ Als ich diesen Satz zum ersten Mal hörte, habe ich erst einmal gestutzt. Aber er hat was. Er stammt von Klaus Dörner, einem Psychiater, der schon vor Jahren die Mauern der psychiatrischen Institutionen geöffnet hat, zwei Jahre älter als ich, dabei noch umtriebiger – und einer, der nicht nur redet, sondern Überzeugungen lebt. Er bestärkt Menschen und ermutigt sie, ihre Bedeutung in der Zuwendung zu anderen zu finden.

Das Altwerden, mein eigenes, aber auch das, was man den demographischen Wandel unserer Gesellschaft nennt, beschäftigt mich seit Langem. Genauso wie ich auf das Leben neugierig bin, möchte ich auch auf das Alter neugierig bleiben – auch auf die Übergänge, auf die Zukunft.

Wer älter wird, sollte nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern mit offenen Augen in die Welt schauen. Er blickt immerhin auf ein Leben zurück, auf sein eigenes Leben und auf das Leben mit anderen. Er kann die Erfahrungen, die er gemacht hat, einbringen. Er kann über Lektionen, die das Leben erteilt hat, nachdenken. Sie betreffen einen in aller Regel nicht allein.

„Worin könnte der Sinn, die Fruchtbarkeit des Alters bestehen?“ hat mich jemand einmal gefragt. Meine spontane Antwort: „Die vielen kostbaren Lebenserkenntnisse und Lebenserträge weiterzugeben.“ Fruchtbarkeit, Saft und Frische – sie liegen gerade darin.

Es fängt schon an mit der Frage: Was ist eigentlich alt? Ich tue mich schwer mit einer Antwort, und ich denke, obwohl über 70, ich bin selber noch gar nicht alt. Ich rede über Alter nicht im Sinne einer Gegenwartsbeschreibung, sondern einer Perspektive. Auch bei uns im Haus, in unserer WG, sagen manche zu mir: „Was redest du denn über das Alter, du weißt ja gar nicht, was das ist! Du bist fit, gut aufgelegt und anerkannt. Du hast doch keine Ahnung, wie das wirklich ist.“

Aber wie ist es wirklich? Es gibt Junge, die von sich sagen, sie hätten Angst vor dem Altwerden. Und sie meinen damit das Leben mit 35 oder 40.Und es gibt 92-Jährige, die mehr Leben ausstrahlen als mancher 29-Jährige.

Wie soll man Alter definieren? Oder den Sinn des Älterwerdens? Ich kenne hochbetagte Menschen, die fröhlich, lebendig und so wach sind, dass ich Schwierigkeiten habe, ihnen das herkömmliche Attribut „alt“ aufzukleben. Sie sind so gegen den Strich gebürstet, nehmen sich ungeahnte Freiheit heraus, ja sie haben die Freiheit jetzt erst richtig entdeckt, leisten sich Meinungen, die sie sich selber früher nie erlaubt hätten und kommen auf eine ganz neue Weise zu sich, dass ich ganz begeistert bin, dass es so etwas gibt.

Wer in dieser Freiheit alt wird, der muss keine Rücksicht auf Konventionen mehr nehmen, und er muss auch keine Angst haben. Soll ich von Menschen, die eine solche Selbstständigkeit haben, sagen: Das sind alte Leute? Oder sind es nicht vielmehr Menschen, die jung geblieben sind?

Das Alter ist im Übrigen keine Ausnahmesituation, es ist normal. Nicht nur, weil Altern mit der Geburt beginnt. Die allermeisten von uns werden alt, und jeder anders. Ich wehre mich gegen die Vorstellung, es gebe nur einen Typus des Altwerdens. Das stimmt einfach nicht. Normalität hat eine große Bandbreite. Da ist Begeisterung möglich und Verzweiflung. Es gibt Enttäuschte und jung Verliebte, Leute, die sich neu entdecken und ihre Kreativität jetzt entfalten. Da gibt es Abhängigkeit und Freiheit, Leute, die aktiv sind und das Heft in der Hand halten, die ihr Leben selbst bestimmen – und solche, bei denen das nicht mehr geht. Wer will da eine Grenze ziehen?

Um auf die Frage zu antworten, was einen das Leben lehren kann, ist es nicht schlecht, eine gewisse Strecke zu überblicken. Was macht das Leben – mein Leben – aus? Was hält ein Leben – mein Leben – zusammen? Was macht eine Biografie überhaupt sinnvoll, gelungen oder gar erfolgreich?

Wer auf sein Leben zurückschaut, wird feststellen: Das Leben selbst liefert die spannendste, unterhaltsamste und lehrreichste Anschauung. Kann man das weitergeben? Zeigen sich Spuren, die auch für andere von Interesse sein könnten, wenn sie ihren eigenen Weg suchen?

Ich jedenfalls entdecke mich über andere. Antworten auf existentielle Fragen gewinnt man nicht für sich allein und nicht aus sich allein. Ich denke an eine alte Frau, die ich kenne. Sie ist inzwischen über 90 und Mitglied einer religiösen Gemeinschaft. Natürlich ist sie auch durch ihren Glauben so stark geworden. Und sie fühlt sich da, wo sie lebt, auch zu Hause. Am richtigen Platz. Sie ist bei sich, aber ausgerichtet auf andere. Sie lebt für ihre Gemeinschaft. Für andere nimmt sie sich Zeit, sie tröstet, auch wenn sie selber eigentlich Trost braucht. Und weil sie andere tröstet, bekommt sie gerade dadurch wieder viel Kraft zurück. Sie hilft dadurch auch sich selbst. Ein wunderbarer Mensch. Wenn man ihr persönlich eine Freude machen will, wird sie wahrscheinlich sagen: Nein, das dürft ihr nicht, so viel Aufwand für mich… Und wird sich trotzdem freuen.

Leben ist wertvoll, wenn es gemeinschaftlich gelebt wird. Erst im Spiegel der anderen erfahre ich, wer ich bin und wozu ich lebe. Ich jedenfalls habe mich selber immer wieder über andere entdeckt. Nicht durch Grübeln bin ich zu mir gekommen, sondern dadurch, dass ich Menschen gefunden habe, die an mir interessiert waren und an denen ich selber auch interessiert war – wenn wir versucht haben, etwas Gemeinsames zu machen.

Die Frage nach meinem Selbstverständnis und meinem Sinn – „warum gibt es mich eigentlich?“ – ist nicht zu beantworten, indem ich mich vergrabe oder als Einsiedler durch die Welt ziehe. Darin, dass ich die Grenzen meines eigenen kleinen Ego überspringe, also im bewussten Leben mit anderen, liegt für mich ein Elixier von Lebendigkeit: nicht nur von Intensität, sondern auch von Sinn für die eigene Existenz. Wenn ich mich so überschreite, dann kann ich mich auch selber annehmen und bin mit mir im Einklang. Das ist nicht so einfach, wie es klingt. Das kann anstrengend sein.

Willy Brandt soll sich auf seinen Grabstein den Spruch gewünscht haben: „Man hat sich bemüht.“ Wer ihn kannte, weiß: Das war gepflegte Bescheidenheitsattitude. Mir würde vielleicht der Satz aus dem Galaterbrief einfallen: „Einer trage des anderen Last“. Das ist der Trauspruch, den unser Pastor damals für meine Frau und mich aussuchte und der uns unser Leben lang begleitet hat. Wenn man die vielfältigen Erfahrungen, die man in seinem Leben macht, durch ein Sieb rüttelt und sieht, was durch die Ritzen fällt und was bleibt – dann ist dies ein Satz, der zusammenfasst, was uns zu tun bleibt in der kurzen Zeit, die uns zur Verfügung steht, in diesem Wimpernschlag der Geschichte, in dem unser Leben sich abspielt. Was bleibt, ist eine große Zahl von Begegnungen und gemeinsamen Erfahrungen, von denen hoffentlich nicht nur ich lebe und zehre, sondern die hoffentlich auch anderen etwas gegeben haben und bedeuten: Dass wir uns getroffen haben in dieser winzigen Spanne Zeit und voneinander gelernt und uns respektiert haben. Dass wir gemeinsam die Erfahrung gemacht haben: Es ist sinnvoll, nach den Menschen zu sehen und ihnen nahe zu sein. Es macht Sinn, immer wieder neue Anläufe zu machen, nicht aufzugeben, sondern nach vorne zu schauen. Es macht Sinn, sich auf Hoffnung einzulassen, und zwar gemeinsam. Sich darüber auszutauschen und sich gegenseitig zu bestärken.

Wenn das gelungen ist, ist es wunderbar.

Wenn es nicht gelingt, dann ist das noch lange kein Grund, es nicht immer neu zu versuchen. Ein zur Hälfte gefülltes Glas ist – je nach Perspektive – halb voll oder halb leer. Für mich persönlich gibt es nur halb volle Gläser.

Diese Sichtweise hat mir auf meinem Weg immer noch geholfen, auch wenn es schwierig war.

Und schwierige Situationen bleiben nicht aus, Fehler macht jeder, und wer glaubt, irrtumsfrei leben zu können, der ist weltfremd. Kein Leben verläuft ganz glatt. Auch das Scheitern ist eine Chance, etwas zu lernen. Entscheidend ist, welche Konsequenzen man aus Irrtümern und Niederlagen zieht.

Auch ich habe das Scheitern erlebt. Auch ich bin angefeindet worden. Und auch ich habe erst ganz allmählich gelernt, damit umzugehen. Schrittweise. Ich habe gelernt, wie wichtig es ist, dass man das Vertrauen von Menschen gewinnt oder dass vertrauensvolle Beziehungen existieren. Das ist hilfreich, besonders für Leute wie mich, die immer öffentlich gelebt haben. Es geht jedem von uns so, dass wir gemocht werden wollen. Nähe suchen wir alle. Es gelingt bloß nicht allen, weil wir uns zu oft hinter Schutzmauern verschanzen.

Ich kenne Leute, die haben in ihrem ganzen Berufsleben nicht viel Geld zusammengebracht. Die haben privat viel Schweres mitgemacht, nahe Angehörige verloren, viel Leid erlebt. Und dennoch strahlen sie. Sie haben ihr Leben angenommen, trotz alledem. Und man steht davor, schaut in ein solches lebendiges Gesicht und denkt nur: Was ist da Wunderbares passiert? Da war so viel Last. Und dann begegnet man einem solchen hochbetagten Menschen, hoch in den Neunzigern, der schwere Krankheiten überstanden, persönliche Schicksalsschläge überwunden, extreme Verfolgung unter Diktaturen erlitten hat, und der heute nicht klagt, sondern sagt: „Ich danke Gott, dass ich leben durfte. Und ich danke für jeden Tag, den ich noch erleben kann.“

Ich bin neugierig auf solche Menschen und suche ihre Nähe. Und ich lese in ihren Gesichtern. So wie man in manchen Gesichtern leere Lebenslangeweile erkennt und Bitterkeit, so kann man manchen eben auch das gelebte, gelungene Leben ansehen.

Und vor allem bin ich auch neugierig auf die Geschichten solcher Menschen.

Vielleicht lese ich deswegen gerne Biografien.

Wenn mein eigenes Leben ein Buch wäre – es wäre freilich alles andere als ein geradliniger Entwicklungsroman.

II

Kein gerader Weg

Ich habe keineswegs alles schon immer im Kopf gehabt. Mir wurde nicht in die Wiege gelegt: Du wirst das, und dann wurde ich es. Nein, es ist anders gelaufen.

Es ist auch nicht so, dass mir die Sympathien der Menschen immer zugeflogen wären. Und keiner soll denken, ich sei von Null an senkrecht durchgestartet. Schon meine Schulkarriere war merkwürdig: Überspringer in der Grundschule, Sitzenbleiber und Schulwechsler. Meine Pubertät war ganz schrecklich. Ich stotterte. Es war ein Fiasko, die finsterste Zeit meines Lebens. Ich musste mich richtiggehend durchbeißen.

Begeisterungsfähig war ich allerdings immer: Mit drei Jahren wollte ich Pferd werden, weil Pferde so wunderbare Tiere sind. Meine Mutter hat sich halb tot gelacht, als ich ihr das sagte. Und als kleiner Junge lernte ich Afrikaner kennen. Weil mich die mich immer so fröhlich anstrahlten, fand ich die toll und bekam plötzlich Lust, als Missionar nach Afrika zu gehen. Ich hatte das Gefühl: Das sind die besseren Menschen. Vom Missionarstraum bin ich dann wieder weggekommen, aber bis in die Schülerzeit hinein hat mich diese Vision beschäftigt.

Mein Leben war in der Kindheit stark von meinem Vater geprägt. Er hatte sich vorgenommen, einen Pastor aus mir zu machen. Ich erinnere mich an Diskussionen aus der Konfirmationszeit – mit einer ersten Freundin: Wenn ich nicht Pastor werden sollte, weil ich das alles nicht schaffe, dann werde ich Arzt. Aber unter keinen Umständen Jurist: Denn, so meine feste Überzeugung, das sind doch Rechtsverdreher, und sie leben vom Unglück der Menschen!

Der Arzt und Theologe Albert Schweitzer, der Menschen in Afrika half, war damals mein Vorbild. Meinen Abituraufsatz schrieb ich zum Thema: „Wie stellen Sie sich zu der Entscheidung Albert Schweitzers?“ Da ich mich mit ihm intensiv beschäftigt hatte, räsonierte ich über die Kulturphilosophie Schweitzers, der ja auch aus einem kulturpessimistischen Impuls nach Lambarene gegangen war. Ich habe dann in meinem Abituraufsatz ganz engagiert klargemacht: Ich flüchte nicht, ich werde hier bleiben. Es gibt bei uns so viel zu tun. Ich muss nicht nach Afrika gehen, um Probleme zu lösen.

In der Zwischenzeit war ich Schulsprecher geworden und bin in dieser Zeit mit Oberschulräten zusammengekommen, hatte mit der Schulleitung zu tun und musste immer wieder einmal hören: „Das geht nicht, was Sie sich da vorgestellt haben, das Gesetz lässt das nicht zu, die Schulvorschriften sind dagegen etc.“ Ich habe mir die Gesetzestexte geholt – und nichts gefunden, was wirklich dagegen gesprochen hätte. Möglicherweise habe ich es auch einfach nur nicht verstanden. Auf jeden Fall fing ich an zu argwöhnen, dass die Herren nur keine Lust hatten, zu argumentieren und sich auf Gesetze beriefen, die sie vielleicht nicht richtig kannten und die ich selber schon gar nicht kannte. Nun wollte ich mich aber auf keinen Fall ausbremsen lassen. Und so reifte bei mir also die Erkenntnis: Ich muss diese Technik kennenlernen, mit der hier regiert, verwaltet und diszipliniert wird. Die Methode hat mich interessiert. Aber dahinter immer auch die Frage: Kann man nicht doch noch etwas ändern? Mir war klar: Etwas tun, darauf kommt es an. So wurde ich dann schließlich doch noch Jurist, allen frommen früheren Schwüren zum Trotz.

Dann habe ich mit dem Studium angefangen. Und ich überlegte mir gleichzeitig: Was wirst du eigentlich? Und hatte den Eindruck: Bei den Juristen steht die konkrete Berufsentscheidung relativ spät an. Man kann erst einmal sein Studium durchziehen und dann seine Referendarszeit absolvieren. Und bis man Assessor ist, kann man viel ausprobieren – wissenschaftliche Arbeit oder eine Laufbahn in der Justiz, man kann bei Verbänden arbeiten oder in die Industrie gehen oder mit juristischer Qualifikation auch Wohlfahrtseinrichtungen leiten. Diese Möglichkeit, ausprobieren zu können, fand ich reizvoll. Mein Studium habe ich als eine solche Suche angelegt. Die Professoren hatten damals noch Zeit dafür, sie kümmerten sich noch nicht in erster Linie um die Einwerbung von Drittmitteln. Ich erinnere mich noch an ein Gespräch mit dem berühmten Zivilrechtler Professor von Hippel in Freiburg: „Junger Kommilitone, was wollen Sie werden?“ „Ich weiß es noch nicht, Herr Professor, vielleicht das und das oder das.“ Dieser alte und gütige Mann sagte dann: „Wenn Sie Arbeitsrichter werden wollen, müssen Sie zu meinem Kollegen Bulla gehen, ein ganz feiner Mann.“ Und er stellte mir dann seine ganzen Kollegen vor, die alle Berufsberatung machen könnten. Ich war bei dem Rechtsphilosophen Wolf, den großen Strafrechtlern Jeschek und Württemberger. Bei von Cämmerer habe ich versucht, herauszubekommen, was eigentlich ein Richter ist. Bei Konrad Hesse habe ich gelernt, was öffentliches Recht und was Verfassungsrecht ist.

Beim Evangelischen Studienwerk Villigst, bei dem ich Stipendiat war, wurde natürlich auch ständig darüber geredet: Was wollt ihr denn werden? Da das Studienwerk interdisziplinär orientiert war, habe ich auch ständig geschaut, was die anderen machten und ausprobierten. Da gab es Veranstaltungen mit dem Sozialwerk der Evangelischen Kirche, mit Klaus von Bismarck. Da kamen Unternehmer und Gewerkschafter zusammen, und wir Studenten saßen zwischen ihnen. Der Chef von Mannesmann war dabei oder der Chef der Hörder-Hüttenunion. Er war ein Freund des Studienwerks, mit dem ich oft darüber geredet habe, was es bedeutet, ein Unternehmen zu führen. Und dann habe ich auch tolle Gewerkschafter kennengelernt, wie den IG-Metall-Chef Otto Brenner, seit 1961Präsident des Internationalen Metallarbeiterbundes. Und immer ging es mir darum, herauszufinden: Was bewegt die eigentlich? Wie machen die das? Was ist wichtig? Wie gehen die mit ihren Mitarbeitern um?

So bin ich sehr lange auf der Suche gewesen. Denn ich hatte niemanden, der gesagt hätte: Das machst du! Klar war nur: Ich wollte möglichst viel Praxis, ich wollte etwas zu tun haben, etwas verändern. Was ich nicht wollte: Ständig in einer Ecke sitzen und anderen Vorwürfe machen.

Ich wollte verändern

Als ich meine Doktorarbeit schrieb, war mir schnell klar: Ich bin kein Wissenschaftler. Mein Glück werde ich nicht darin sehen, mich in der Sekundärliteratur zitiert wiederzufinden. Es ging mir ganz praktisch um die soziale Wirklichkeit, um das wirkliche Leben vor unserer Haustür. Gab es tatsächlich keine Möglichkeiten, geschlagene Frauen zu schützen? Wie waren Frauenhäuser zu finanzieren? Waren Hilfen für Obdachlose institutionalisierbar? Ich wollte als Jurist in meiner Dissertation Wege zeigen, wie man mit den verunglückten Paragraphen 72 und 73 des Bundessozialhilfegesetzes Innovationen finanzieren und fördern kann. Die Frauenhausfinanzierung habe ich durch diese Doktorarbeit mitentwickelt über den Vorschlag teilkostendeckender Pflegesätze. Sonst wären die nie in Schwung gekommen. Analoges habe ich mir dann für Alkoholkranke und für Obdachlose ausgedacht: Wie kann man diese Menschen davor bewahren, dass sie eingesperrt werden, ja manchmal sogar freiwillig darum bitten, eingesperrt zu werden? Wenn es kalt wurde, gingen diese so genannten „Tippelbrüder“ wie im 19.Jahrhundert zur Polizei und fragten: „Was muss ich anstellen, Tür eintreten, Scheibe einschlagen, um bei euch über den Winter zu kommen?“ Das kam bis zu 70, 80Mal vor. Im Sommer zogen die herum, den Winter verbrachten sie dann in irgendwelchen Polizeigefängnissen. Mein Entwurf sollte helfen, Häuser für die Bedürfnisse dieser Menschen zu bauen. Dass das schließlich wirklich gelang, das war mir wichtiger als wissenschaftliche Reputation.

Die formalen Regeln des Rechts muss man beherrschen, das ist die Basis, das Werkzeug. Man muss sie lernen, wie man Vokabeln für eine Fremdsprache paukt. Viel spannender war für mich jedoch, was dahinter an Leben steckte: wie die gesellschaftliche Lage war, welche Konflikte existierten und wie sie ausgetragen wurden bzw. wie sie gelöst werden konnten. Soziologie interessierte mich brennend. Das Soziologiestudium habe ich aber nicht zu Ende gebracht, weil ich mein Jura-Examen brauchte, um meine Familie durch einen Beruf ernähren zu können. Nach meinem ersten Examen war ich dann als Referendar in der Studienleitung des Evangelischen Studienwerks. Der Job des Studienleiters, Familie haben, Politik machen, Referendar sein – und dann weit weg von der Uni noch Soziologie vertiefen, das alles zusammen ging nicht.

Ich habe es schon erwähnt: Es war der erklärte Wille meines frommen Vaters, dass ich Pastor werden sollte. Immerhin war ich doch am Reformationstag geboren. Und diesen Wunsch habe ich gerade nicht erfüllt. Das habe ich im Aufstand gegen meinen Vater verweigert. Der war tief enttäuscht darüber. Noch als ich mit meinem Studium fertig war, hielt er an seinem Traum für mich fest. Das letzte Mal, dass wir miteinander geredet haben, vor dem Urlaub, – während dieses Urlaubs ist er dann gestorben–, hat er mich in den Arm genommen und gesagt: „Henning, die größte Freude meines Lebens machst du mir, wenn du alles sausen lässt und anfängst, Theologie zu studieren.“ Da habe ich ihm gesagt: „Lieber Vater, ich habe Familie, ich habe drei Kinder, ich muss die ernähren und denke im Traum nicht mehr daran, ein neues Studium anzufangen. Ich bin dabei, mich beruflich zu organisieren.“ Er hat mich angeschaut und nur gesagt: „Wenn ich noch einmal meinen Wunsch sagen darf: Es wäre die größte Freude für mich.“

Dass ich das nicht gemacht habe, bereue ich nicht. Im Gegenteil: Ich denke oft: Glück gehabt. Ich bin zwar heute noch in Gemeinden unterwegs und bei kirchlichen Anlässen dabei. Aber lieber ohne kirchlichen Auftrag und ohne ein theologisches Amt.

Angebote zum Ausschlagen

Es gibt Angebote, die kann man nicht ausschlagen. Und solche, bei denen man Nein sagen muss, um sich nicht zu verbiegen. Der berühmte Bankier Hermann Josef Abs hat mir in meiner ersten Berufszeit als Jurist einmal eine Stelle in der Deutschen Bank angeboten – ein faszinierender Job für einen frisch gebackenen Anwalt. Ich war in einem großen Bremer Anwaltsbüro, Schackow und Partner. Der einzige „Linke“ unter lauter konservativen Kollegen. Unser Senior war Vorstandsvorsitzender der Deutschen Schifffahrtsbank, deren Aufsichtsratsvorsitz wiederum hatte Herrmann Josef Abs inne. Mindestens einmal im Jahr kam er nach Bremen, um seine Bank zu begutachten. Schackow war ein Liberaler, der an mir einen Narren gefressen hatte, und er stellte mich Abs vor, der an Querköpfen interessiert war. Abs verachtete Opportunisten. Von einem Großteil seiner Mitarbeiter hielt er nichts. Schackow hatte ihm wohl gesagt: „Ich habe da so einen Querkopf.“

Wir haben ganz offen miteinander geredet. Er hat sich angehört, was ich zu sagen hatte. Und dann sagte er: „Kommen Sie doch zu mir!“ Meine Antwortet: „Ich habe den Bericht der Alliierten Kommission über die Deutsche Bank gelesen.“ Darin kam er als einer der Hauptakteure in der Nazizeit vor, die mit KZs Geld verdient hat. Seine Reaktion: „Oh, das ist aber nicht nett, dass Sie mir das jetzt vorhalten.“ Ich erwiderte: „Sie müssen wissen, mit wem Sie es hier zu tun haben.“ Seine Antwort: „Das möchte ich aber gerne korrigieren.“ Ich habe daraufhin nicht gesagt: „Geben Sie mir Bedenkzeit“, sondern: „Ich bin bei Ihnen auf der falschen Seite, nämlich auf der Seite derer, die ihr Geld vermehren wollen. Ich will aber lieber auf der Seite derer sein, die Opfer und Verlierer sind und immer weniger haben.“ Abs reagierte verblüfft. Das war ihm offensichtlich noch nie passiert, dass einer ein solches Angebot ablehnte.

Damals war ich 26.Heute denke ich: Große Worte! Aber in dem Alter kann man so etwas sagen.

Ich habe mein Nein nie bereut. Sogar heute noch bin ich froh, dass ich damals abgesagt habe. Vermutlich habe ich da noch mehr Glück gehabt als damit, dass ich kein Pastor geworden bin. Ich kann mir auch im Nachhinein nicht vorstellen, dass ich so etwas wie ein Ackermann geworden wäre. Was wäre das für ein Leben gewesen? Sich in den großen Geldaristokratien bewegen, sich durchsetzen, allen zeigen, wer der größte Wolf ist, dem Rudel immer vorneweg? Wenn man langsam wird, fressen einen die anderen. Also immer der Größte, der Stärkste, Bedrohlichste sein wollen?

Die Politik, in die ich mich später eingemischt habe, hat mich mit fast allen in unserer Gesellschaft existierenden Lebenslagen vertraut gemacht. Ich habe ein Leben mitten in der Gesellschaft führen können und war nicht isoliert in gestressten Unternehmerzirkeln. Ich bin dann auch aus dieser renommierten Anwaltskanzlei ausgeschieden, eine der ersten Adressen in Bremen, die weltweit die großen Schifffahrtskontrakte machen, mit besten internationalen Verbindungen und höchster Kompetenz in Wirtschaftsrecht. Aber mir war klar: Ich bin kein Unternehmensanwalt, mir ist wichtig, nah bei Leuten zu sein, die sich nicht über ihr Geld und ihren Erfolg definieren. Bei denen fühle ich mich auch wohler, anerkannt und respektiert – zu Hause eben.

Und das ist heute immer noch so.

Leben mit Behinderten – ein neuer Blick auf die Welt

Wenn ich heute am Samstagmorgen für unsere Wohngemeinschaft die Brötchen bei unserem Bäcker um die Ecke kaufe, dann stehen die Nachbarn schon da, alle in langer Schlange. Dann treffe ich meinen Freund Hermann. Hermann ist so alt wie ich und stark behindert. Er lebt in einer Wohngemeinschaft geistig Behinderter. Auch er kauft für seine ganze Gruppe ein, und wir beide unterhalten uns dann vor versammelter Mannschaft. Wir beide sind richtig vertraut miteinander. Die ganze Schlange hört uns zu, weil Hermann etwas lauter spricht und die Phonstärke nicht recht kontrollieren kann. Er hat keine Scheu vor den 20Zuhörern, und ich auch nicht.

Solche Alltagserfahrungen tun mir gut. Ich arbeite da kein Helfersyndrom ab und verausgabe mich auch nicht. Ich muss nicht helfen. Ich brauche keine Rolle. Dass wir uns in unserer Unterschiedlichkeit so nehmen wie wir sind, das reicht schon.

Ich habe in meiner Arbeit mit Behinderten so viele positive Beispiele von Teilhabe kennengelernt, dass mir der gängige Spruch „Hauptsache: Gesundheit“ als eine dumme und oberflächliche Gedankenlosigkeit erscheint. Wenn man genau hinschaut, stellt man fest, dass es Menschen mit Behinderungen oder schweren Erkrankungen gibt, die in der Lage sind, ihr Leben zu füllen. Die abgeben können, teilen und sich freuen können. Und es gibt junge gesunde Menschen, die nichts im Kopf haben, sinnlos durch die Welt laufen und nicht wissen, was sie mit ihrem Tag anfangen sollen. Die Hauptsache ist doch, dass ich mit dem, was mir gegeben und geblieben ist, gestalterisch etwas machen kann.

In meiner Kindheit habe ich erfahren: Stärke kann noch so sehr bestimmend sein, sie ist nicht alles und ohne Bedeutung gegenüber dem, was wirklich Wert hat. Herrschaft, Macht, Gewalt – der faschistische Nazi-Staat konnte nie dick genug auftragen mit Medaillen und Auszeichnungen an uniformierten Männerbrüsten. Es fehlte nicht an lauten Fanfaren, an grellen Lichteffekten und pompösen Auftritten in den Massenveranstaltungen. Die gigantische Selbstinszenierung eines Verbrecherstaats: die Massenaufmärsche, das zackige Brutalitätsdekor, dieses ganze „Ober-sticht-Unter“-Gehabe erschien mir schon als Kind dramatisch gefährlich und bedrohlich. Dieses Bild, nach dem sich Millionen damals richteten, war das Gegenbild zu dem, was in meiner Familie, was meinen Eltern und ihren Freunden wichtig war. Gerade die Menschen, die mir etwas bedeuteten in meinem Leben, waren nicht auf der Seite der Macht, der Stärke, der Bedrohung. Und das relativierte auch alles andere.

Weder in unserer Familie noch in der Gemeinde gab es Behinderte. Aber wir sind neben einer Behinderteneinrichtung aufgewachsen, über der die Morddrohung der so genannten Euthanasiegesetzgebung schwebte. Es haben nicht alle überlebt. Im Schatten der Euthanasiebedrohung wurde uns von unserem Pastor schon während der Nazizeit, aber erst recht danach, ganz deutlich vermittelt: Diese Menschen verdienen unsere besondere Liebe. Ich war noch ein kleines Kind damals. Aber das war ein starker Impuls.

Ich habe auch schon früh positive Erfahrungen mit Down-Syndrom-Kindern gemacht, die sehr zärtlichkeitsbedürftig sind, die einen spontan umarmen und ihre Zuneigung zeigen.

Ich fühle mich unter behinderten Menschen wohl. Ich bin gelegentlich, wenn ich im Politdruck stand und raus wollte aus dem stressigen Büroumfeld, einen Nachmittag lang in eine nahegelegene Behinderteneinrichtung gegangen. Wir haben uns umarmt, zusammen Musik gemacht, Unsinn getrieben, geredet, gemeinsam gegessen – und sie haben mich angestrahlt. Für mich die wahre Erholung und eine gute und schöne Erfahrung.

Manche Manager gehen auf Zeit ins Kloster, ziehen sich von allem zurück, sind über ihre Handys nicht mehr erreichbar und verzichten für eine bestimmte Zeit auf alles, was in ihrem Leben sonst für Routine steht. Sicher eine gute Sache. Ich habe immer diese andere Möglichkeit bevorzugt. Und mein Rat für alle, die einen stressigen Job haben, ist daher auch: Geht einen Nachmittag in eine Behinderteneinrichtung und ihr werdet euer Leben anders sehen. Es gibt übrigens bereits Programme für überbelastete Manager, die nur noch Getriebene sind und die ihre Entscheidungen gar nicht mehr überblicken. Meine Empfehlung: Kommt einmal heraus aus eurer krankmachenden Rollenfixierung. Legt einmal für eine bestimmte Zeit alle eure Attitüden ab. Setzt euch einen Nachmittag lang als Bettler an eine Ecke. Geht in eine Jugendinitiative. Oder arbeitet einmal einen Monat lang bei einem Dritte-Welt-Projekt in einem afrikanischen Dorf und versucht euch an der Beseitigung dieses wirklichen Elends. Ihr werdet die Welt neu sehen, und euch selber auch.