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Manche gehen von Pontius zu Pilatus, werden so alt wie Methusalem oder gehen sogar über den Jordan, aber wer suchet, der findet und kann dann seine Hände in Unschuld waschen. 200 Redewendungen, alle aus dem Alten und Neuen Testament, werden in diesem reichhaltig illustrierten Band inklusive Originalzitat und Bibelstelle bis auf das Tüpfelchen auf dem i geklärt.
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Seitenzahl: 167
Für meine Eltern
Gerhard Wagner
Wer’s glaubt wird selig!
28. Auflage, 2019
Regionalia Verlag
ein Imprint der Kraterleuchten GmbH,
Gartenstraße 3, 54550 Daun
Alle Rechte vorbehalten
Einbandgestaltung: A. Aspropoulos, agilmedien Niederkassel
Layout & Satz: A. Aspropoulos
ISBN E-Book 978-3-95540-520-5
ISBN Print 978-3-939722-36-6
www.regionalia-verlag.de
Vorwort
I. Altes Testament – Die Bücher Mose
II. Altes Testament – Geschichtsbücher/Lehrbücher/Propheten
III. Neues Testament – Die Evangelien
IV. Neues Testament – Apostelgeschichte/Briefe/Offenbarung
Alphabetisches Stichwortverzeichnis
Literaturverzeichnis
Bildnachweis
Ebenfalls im Programm des Regionalia Verlages
(Bildnachweis: archiv-agil/Dover)
Redewendungen sind seltsam. Sie sind wie kleine Inseln im breiten Fluss der Sprache, die aus anderen Zeiten oder Kulturen in die moderne Sprache hineinragen.Vor allem aus dem späten Mittelalter und der frühen Neuzeit haben sich viele Redewendungen wie Auf großem Fuße lebenoder Sich wiegerädert fühlenbis heute erhalten. Bei der Recherche zu meinem Buch „Schwein gehabt – Redewendungen des Mittelalters“ stieß ich aber auch immer wieder auf Redensarten, die ihren Ursprung in der Bibel haben. Selbst oberflächlich Bibelkundige werden Ausdrücke wie Vom Saulus zum Paulus werdenoder Wie Sodom und Gomorrha dem Kontext des Neuen oder Alten Testaments zuordnen können. Es stellte sich aber auch heraus, dass Ausdrücke, die sich völlig neutral anhören wie Im stillen KämmerleinoderEtwas übertreiben, auf Stellen in der Bibel zurückgehen.
Meist haben sich die Zitate, aus denen sich Redewendungen gebildet haben, verselbständigt, und außer, wenn es überdeutlich ist wie im Fall Bei Adam und Eva anfangen, haben die Benutzer gar keine Ahnung mehr, dass die Bibel der Ursprung war. Diese Redensarten gehören dann so fest zu unserer Sprache, dass wir viele gar nicht mehr als solche erkennen. Auch sind viele Bezüge, auf die diese Redensarten zurückgehen, heute in Vergessenheit geraten. Wer wüsste schon noch, dass ein Damaskus-Erlebnisnichts mit der heutigen Hauptstadt von Syrien, dafür um so mehr mit dem Apostel Paulus zu tun hat? Wer hat jemals etwas unter den Scheffel gestellt, wer könnte noch mit einem Scherfleinbezahlen, und wer hätte eine Verwendung für ein Feigenblatt?
Im Unterschied zu Redewendungen aus dem Mittelalter gehen solche aus der Bibel meist nicht auf historische Tätigkeiten oder Gegenstände zurück, sondern Luther hat damals Formulierungen aus der Alltagssprache aufgegriffen und für seinen Bibeltext verwendet. Insofern sind solche Redewendungen wie Etwas in sich hineinfressenoder Jemandem sein Herz ausschüttenauch heute noch verständlich. Anders ist es mit Redensarten, die spezielle Bezüge in der Kultur des Judentums haben. Wenn man von einem Zeitgenossen behauptet, er rede wie ein Pharisäeroder er sei ein Koloss auf tönernen Füßen, dann ist dies schon erklärungsbedürftig.
Die Allgegenwart von Redewendungen aus dem biblischen Kontext hat etwas mit der überragenden Bedeutung zu tun, die die Heilige Schrift für die Entwicklung der deutschen Sprache hat. Wichtig für die richtige Einschätzung dieses Einflusses ist, dass das Alte und Neue Testament bis weit ins Mittelalter auf Geheiß der Kirche fast ausschließlich in lateinischer Sprache vorlag. In den Gottesdiensten wurden die Lesungen aus der Bibel auf Lateinisch vorgenommen, der einfache Mann konnte also die Heilige Schrift nicht selbst lesen.
Martin Luther setzte sich zum Ziel, die Bibel neu zu übersetzen, und zwar nicht wort-wörtlich, sondern nach seinem berühmt gewordenen Grundsatz „Dem Volk aufs Maul sehen“. Er strebte vor allem einen für die Gläubigen flüssig zu lesenden Text an, was zweifellos zu dem großen Erfolg seiner Bibelübersetzung beigetragen hat. Selbst spätere katholische Bibelübersetzungen sind auch von seiner Bibelsprache beeinflusst worden, obwohl die römische Kirche ja im Allgemeinen ein eher distanziertes Verhältnis zu dem Reformator hat. Aber auch sie wird Luther nicht das Verdienst absprechen, einer der ganz wichtigen Väter der deutschen Hochsprache zu sein.
Zu Luthers Zeit gab es noch keine überregional gesprochene, verbindliche deutsche Nationalsprache. Man muss sich das so vorstellen, als wenn heute noch überall die Dialekte in ausgeprägter Form im Gebrauch wären – und zwar ausschließlich! Luther erkannte das damit zusammenhängende Problem der allgemeinen Verständlichkeit seiner Übersetzung und wählte das ihm vertraute Ostmitteldeutsch, in dem nord- und süddeutsche Dialekte zur so genannten Meißner Kanzleisprache verschmolzen waren, als Basis für seine Verschriftlichung. Luther war durch die immense überregionale Verbreitung seiner „Biblia: das ist Die gantze Heilige Schrift: Deutsch Auffs New zugericht“ zweifellos einer der wichtigsten Geburtshelfer der neuhochdeutschen Schriftsprache, denn durch seine Bibel entwickelte sich der verwendete Dialekt zum gemeinsamen Hochdeutsch, weil aus ihr immer und überall im deutschen Sprachraum gelesen, zitiert und gebetet wurde.
Luthers Methode, zeitgenössische Ausdrücke und Termini für seine Übersetzung zu verwenden, hat diese wie in einer Zeitkapsel konserviert. Wörter wie „Scheffel“ oder „Scherflein“, die sonst längst vergessen wären, sind als Bestandteile von Redewendungen im deutschen Wortschatz erhalten geblieben. In seinen Texten hat er originale griechische oder hebräische Wendungen durch parallele aus der deutschen Sprache ersetzt, aber auch manchmal die originalen wörtlich übersetzt und dadurch neue deutsche geschaffen. Gleichzeitig hat Luther, indem er Begriffe aus dem Vokabular der Urbibel unübersetzt übernahm, auch neue Fremdwörter wie Mammon, Menetekeloder Belzebub geschaffen. Dass auch Verse aus nicht so bekannten Bibelstellen sich zu Redewendungen entwickeln konnten, zeigt, welche Rolle das Alte und Neue Testament in früheren Zeiten spielte. In sehr vielen Haushalten war die Bibel das einzige Buch, man las jeden Tag darin und führte Zitate daraus ständig im Munde. Kein Wunder, dass sie sich zu selbstverständlichen Bestandteilen der Sprache entwickelten.
Bei diesem Buch handelt es sich nicht um eine wissenschaftliche Abhandlung; es will vielmehr auf unterhaltsame Weise zeigen, dass man viele Redewendungen auf Bibelstellen zurückführen kann, wie diese im Original lauten und wo sie im Alten und Neuen Testament zu finden sind. Wenn nicht ausdrücklich anders bemerkt, habe ich dafür die Textfassung von 1912 benutzt, wo der Text gegenüber der Ausgabe der Luther-Bibel von 1545 über Jahrhunderte nur wenig verändert worden ist. Die zugrunde liegenden Bibelstellen werden im Anschluss an die Zitate durch die allgemein üblichen Abkürzungen in Klammern nachgewiesen.
Es war auch nicht Ziel der Untersuchung zu differenzieren, ob es sich bei der jeweiligen Redewendung um eine luthersche Neuschöpfung handelt oder ob Luther sich nur im vorhandenen Sprachschatz seiner Zeit bedient hat. Es wird kein Unterschied gemacht, ob die fragliche Redewendung zu seiner Zeit populär war oder eher selten, ob sie tatsächlich im Bibeloriginal ihren Ursprung hat oder ob sie nicht vielmehr schon bestand und Luther sie nur aufgegriffen hat. Diese Untersuchung nimmt den von Luther mit Hilfe seiner sprach- und bibelkundigen Freunde wie Philipp Melanchthon erstellten Bibeltext als Ausgangspunkt – seine Sprache ist entscheidend, nicht die ursprüngliche Bedeutung des Wortes oder Textes. Deshalb ist auch die Verifizierung der Luther-Texte anhand der griechischen, lateinischen, hebräischen oder gar aramäischen Quellen nicht vorgenommen worden. So sind die Zitate ausdrücklich nicht als „Gottes Wort“ untersucht worden, sondern als „Luthers Worte“, denn er hat diese Formulierungen, Ausdrücke oder Vokabeln entweder geprägt oder dem Volksmund entnommen. Des gleichen wird auch nicht die historische Korrektheit der in der Bibel, vor allem der im Alten Testament geschilderten Ereignisse hinterfragt. Kurzum: Es geht hier nicht um die Bibel selbst, sondern um Luthers Sprache und Sprachbilder und ihre Auswirkungen auf unsere Sprache bis heute.
Das Buch will die Augen dafür öffnen, dass die Sprache viele ihrer Elemente aus der Bibel genommen hat; damit ist diese eine der ganz wichtigen Quellen, auch wenn sie heute bei weitem nicht mehr die überrragende Rolle spielt wie vor 500 Jahren. Wenn dabei ab und an etwas Augenzwinkern im Spiel ist, sollte man nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen.
Bevor also die babylonische Sprachverwirrung überhand nimmt und niemand mehr weiß, woher der Paternoster seinen Namen hat, will dieses Buch die Spreu vom Weizen trennen, bis allen ein Licht aufgeht. Denn auch wenn wirim Dunkeln tappen, sind wir ja nicht mit Blindheit geschlagen! Noch ist nicht Matthäi am Letzten, und bevor wir in die Wüste geschickt werden oder gar über den Jordan gehen, werden wir die Zeichen der Zeiterkennen und Himmel und Erde in Bewegung setzen. Dann hat die liebe Seele Ruh.
Ein Buch mit sieben Siegeln? Wer's glaubt, wird selig ...
Gerhard Wagner
(Bildnachweis: archiv-agil/Dover)
„Das ist ja vorsintflutlich!“
Von Sündenböcken und goldenen Kälbern
(Bildnachweis: archiv-agil/Dover)
In einigen unserer Redewendungen, die auf das Alte oder Neue Testament zurückgehen, kommen Wörter vor, die eindeutig nicht der deutschen Sprache entstammen. Zum Beispiel ist das Tohuwabohu, vielleicht weil es sich wie das Gemeinte anhört, in der deutschen Sprache heimisch geworden als Bezeichnung für ein großes Durcheinander. „Tohu wa bohu“ heißt auf Deutsch „wüst und leer“, und die allerersten Worte der Genesis beschreiben so den Zustand der Welt vor Beginn der Schöpfung: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer“. Den der hebräischen Urfassung entnommenen Begriff „Tohuwabohu“ haben zuerst Gelehrte, die die Bibel im Original gelesen hatten, verwendet, dann ist er in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen. Es ist ein Vorurteil, dass in der Sprache der ordnungsliebenden Deutschen ein Wort für das Unaufgeräumte fehlt und sie deshalb gezwungen sind, Fremdwörter wie das hebräische „Tohuwabohu“ oder das griechische „Chaos“ zu verwenden.
Die neueste Technik erlaubt es nicht nur, über das Internet den Inhalt des Kühlschranks abzufragen, sondern auch, per Zuruf die Beleuchtung ein- oder auszuschalten, sowohl im Haus wie auch im Auto. Nur sehr Selbstbewusste werden dafür den klassischen Imperativ „Es werde Licht!“ verwenden, mit dem laut 1 Mos 1,3 Gott seinen sechstägigen Schöpfungsakt eingeleitet hat. Hier ist nicht der Ort, darüber zu sinnieren, was eigentlich vor dem entscheidenden Eingriff des Schöpfers los war. Der aktuellen Theorie vom Urknall kommt dieses „Es werde Licht“ zwar durchaus nahe; es bleibt aber das Problem, dass unsere Welt wahrscheinlich nur eine Zwischenstation in einem sich in Äonen-Abständen ausdehnenden und zusammenziehenden Universum ist. Hierzu schweigt der Verfasser der Genesis; zu seiner Entschuldigung sei daran erinnert, dass er ein paar Jahrtausende vor den Erkenntnissen der modernen Astrophysik tätig war.
Die meisten überlieferten Quellen sind sicher vorher mündlich weitergegeben worden, bevor sie von archaischen Historikern schriftlich festgehalten wurden. Das gilt für das klassische Altertum – Beispiel Herodot – genauso wie für die alttestamentarischen Erzählungen. Nach biblischem Verständnis sind die frühesten historischen Fakten, die mit Menschen zu tun haben, die Ereignisse im Paradies. Hier lebten laut 1 Mos 2,25 die ersten Menschen, beide nicht geboren, sondern von Gott persönlich geschaffen – der Beginn der Geschichte. Wenn also jemand in einem Referat „bei Adam und Eva“ anfängt, erzählt er, völlig überflüssigerweise, weil allgemein bekannt, Grundkenntnisse über den Gegenstand des Vortrags. Die Redewendung Wie die ersten Menschen, die meist die Bewohner unaufgeräumter Wohnungen betrifft, bezieht sich übrigens nicht auf unsere Stammeltern, sondern meint den frühen Homo sapiens, der nicht im Paradies, sondern in unaufgeräumten Höhlen hauste.
Das Paradies – das Lehnwort aus dem Persischen bedeutet eigentlich nur „Park“ oder „Garten mit Bäumen“ (1 Mos 2,9) – wird gemeinhin analog zum Garten Eden verwendet (1 Mose 2,9) und ist in der Vorstellung der Menschen ein idealer Ort, nicht so verdorben wie das Schlaraffenland, wo bekanntlich die Sünden der Völlerei und Faulheit wesentliche Punkte seiner Anziehungskraft ausmachen, sondern in jeder Hinsicht perfekt. Hier lebt jeder nach seinen Bedürfnissen, störende menschliche Eigenschaften wie Geiz, Neid, Lüge etc. sind unbekannt. Hier herrscht Frieden zwischen Mensch und Tier, gegenseitiger Respekt. Jeder ist wunschlos glücklich. Diese paradiesischen Zustände sind bekanntlich durch den Sündenfall aus der realen Welt verschwunden; auch dem Kommunismus ist es leider nicht gelungen, uns das Paradies auf Erdenwiederzugeben.
Nach jüdischer Tradition galt das Paradies als Aufenthaltsort für die Verstorbenen, die sich die ewige Seligkeit verdient hatten, zwischen ihrem Tod und der allgemeinen Auferstehung. Es war also nicht so wie bei uns heute, wo das Paradies gemeinhin der Aufenthaltsort für alle Ewigkeit ist – jedenfalls für die Guten. Viele schlichtere Menschen können sich nicht vorstellen, was über die Wonnen des Paradieses noch hinausgehen könnte, weshalb die gängige Vorstellung vom Himmel den „paradiesischen Zuständen“ meist sehr nahe kommt. Auch wenn man auf Erden kaum die Chance hat, irgendwo ein hundertprozentiges Paradies zu finden – selbst auf scheinbar „paradiesischen“ Inseln gibt es bekanntlich Stechmücken – ein Hoffnungsschimmer für das Leben nach dem Tod besteht: Im Neuen Testament verspricht Jesus am Kreuz dem reumütigen der beiden Mitgekreuzigten, dass er nach dem Tode ins Paradies eingehen werde (Lk 23,43).
„Garten in Eden“ ist die biblische Bezeichnung für das Paradies und wird in der Genesis so genannt (1 Mos 2,8). Auch die Muslime kennen diesen Ort – in der deutschen Übersetzung des Korans ist in Sure 19,61 ebenfalls vom „Garten von Eden“ die Rede – als Endstation nach dem Tode. Sie streben es besonders erwartungsvoll an, weil dort die, „die Gott nahe stehen“ – natürlich ist nur von Männern die Rede – „auf golddurchwirkten Ruhebetten liegen“, und „großäugige Houris – das sind besonders liebreizende Jungfrauen – zu ihrer Verfügung haben, in ihrer Schönheit wohlverwahrten Perlen zu vergleichen" (Sure 56,15-23). In der Mohammed-Legende wird sogar erzählt, dass der Prophet den Gläubigen – wie gesagt: Männern – auf die Frage „Werden wir im Paradies geschlechtliche Freuden erleben?" antwortete: „Es wird heftiger und aufregender Verkehr sein. Und hinterher wird sie wieder rein und jungfräulich werden, wie zuvor.“ Ein Garten Eden – für Männer ...
Die Freikörperkultur ist aus Reformbewegungen des frühen 20. Jahrhunderts entstanden. Die Zeitgenossen der wilhelminischen Ära, meist äußerst prüde erzogen, konnten solche Umtriebe nur kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen, kommentierten diese „Lichtbäder“ ohne jedwedes Kleidungsstück aber natürlich hinter vorgehaltener Hand. Meist nannte man das – passend zum Zeitalter des Kolonialismus – „wie die Wilden“. Tolerantere verglichen es mit der Mode von Adam und Eva vor dem Zwischenfall mit der Schlange, was das Nacktsein einigermaßen entschuldigte; immerhin sind die beiden unsere Stammeltern und gelten auch heute noch als nudistische Avantgarde (1 Mos. 2,25). Bemerkenswerterweise stellt man sich Adam und Eva immer nackt vor; auch in der Schöpfungsgeschichte erobert aber später die Mode das Terrain, und die beiden tragen zuerst selbstgeflochtene Schürzen aus Blättern, kurz darauf von Gott besorgte Kleider aus Fellen.
Zuerst wird im Text der Schöpfungsgeschichte gar nichts darüber gesagt, dass Gott neben dem Menschenpaar nicht auch eine Modeboutique geschaffen hat, so dass die beiden zwangsläufig – wahrscheinlich aber auch freiwillig – der Freikörperkultur anhingen. Erst als die Sünde auf den Plan trat, „erkannten sie, dass sie nackt waren“ (1 Mos 3,7). Seitdem wird Nacktheit von den meisten Menschen nicht als etwas Selbstverständliches hingenommen, trotz aller Versuche in den Medien, dieses Tabu zu überwinden. Wenn jemand unbekleidet dasteht, spricht deshalb so mancher Verklemmte vom „Adamskostüm“, wenn er betont locker sein will.Von einem „Evaskostüm“ wird übrigens nicht gesprochen, vielleicht, weil Frauen öfter als Männer auch in der Öffentlichkeit (fast) nackt auftreten, oder weil eine „Eva“ stets eine ganze Reihe von Kostümen im Schrank hat ...
Auch heute werden Frauen gern mit Kosenamen aus dem Tierreich bedacht. „Mäuschen“ und „Häschen“ stehen für positive, „dumme Kuh“ und „alte Ziege“ für negative Varianten. Eine Frau „listige Schlange“ zu nennen, geht wohl auf die bekannte Situation im Paradies unter dem Baum der Erkenntnis zurück, wo das Kriechtier erst Eva verführt, von den Früchten von diesem Baum zu essen, die dann diese an Adam weitergibt (1 Mos 3,1). Ob tatsächlich eine rhetorische List der Schlange oder die Anfälligkeit Evas für unlautere Werbung der Grund für ihre Verfehlung war, müsste noch mal geprüft werden. Dass ausschließlich Frauen als „listige Schlange“ bezeichnet werden, obwohl auch Männer durchaus diese Eigenschaft zeigen können, wird wohl auf die merkwürdigerweise nicht im Maskulinum vorkommende Bezeichnung dieses Tieres zurückgehen.
Der bekannte Liedermacher Wolf Biermann hat in seiner gleichnamigen Ballade den Satz geprägt: „Was verboten ist, das macht uns grade scharf“. Auch die Erzählung von dem Baum der Versuchung im Paradies enthält ein gutes Beispiel dafür, dass dies in biblischen Zeiten schon galt. Der Versucher, der sich biotopisch glaubwürdig in die Gestalt einer Schlange gehüllt hat und den Paradiesbewohnern eine Frucht von dem besagten verbotenen Baum andrehen will, fängt sein Vertretergespräch mit der Bemerkung an, ob es stimme, dass seine Kunden, also Adam und Eva, tatsächlich von keinem Baum des Gartens essen dürften (1 Mos 3,1). Das weist Eva wahrheitsgemäß zurück, aber der Versucher hat ihre Aufmerksamkeit geweckt, dass es da etwas gibt, das sie nicht dürfen, und es ist nicht überraschend, dass gerade diese Frucht Evas – und danach auch Adams – Verlangen weckt. Aller Überfluss an sonstigem exotischem Obst kann es nicht verhindern, dass man nun gerade diesen Apfel – oder was es auch immer war – probieren will. Die Folgen sind nur allzu bekannt.
Eigentlich sind alle Frauen „Evastöchter“, jedenfalls, wenn man, wie viele amerikanische Fundamentalisten, die Bibel wörtlich nimmt. Eigenartigerweise hat aber diese Bezeichnung einen leicht diffamierenden Unterton. Damit werden nämlich Frauen bezeichnet, die keinen lupenreinen Charakter haben. Bezug nimmt diese Bezeichnung natürlich auf die durch 1 Mos 3,6 bekannte Szene im Paradies, durch die unsere Stammmutter für alle Zeiten ihren Ruf ruiniert hat. Auch heute noch wird wegen dieser legendären Handlung Mädchen oder Frauen, die besonders verführerisch – und daher gefährlich – sind, ein diesbezügliches Eva-Gen nachgesagt. Übrigens hatte Eva zuerst gar keinen Namen, sondern der erste Mensch, bekanntlich ein Mann, nannte sie laut 1 Mos 2,23 bzw. Luther „Männin“, weil Gott sie aus einer männlichen Rippe gemacht hatte.
Es ist merkwürdig, wie eigentlich recht bizarre Bezeichnungen im täglichen Sprachgebrauch ganz selbstverständlich benutzt werden. Ein schönes Beispiel ist das Wort Kotflügel, unter dem sich kein Mensch das vorstellt, was es wörtlich heißt. Es hat sich als Begriff eigenen Wertes verselbständigt. So ging es auch dem Adamsapfel, der ja gar nichts mit einem Apfel zu tun hat, sondern unter dem man bekanntlich den bei Männern hervorspringenden Abschnitt des Kehlkopf-Schildknorpels versteht, durch dessen spitzwinkliges Vorwachsen die Stimmlippen in die Länge gezogen werden, wodurch die männliche Stimme tiefer wird. Die dafür verwendete Bezeichnung geht auf den Volksglauben zurück, dass beim Sündenfall Adam der verbotene Apfel vom Baum der Erkenntnis - in Mitteleuropa wurde unter dieser Frucht zumeist das hier am weitesten verbreitete Baumobst verstanden – im Halse stecken geblieben sei, als er davon aß; seither seien Männer mit diesem Mal gezeichnet.
Früher, als noch Tabus galten, war die Szenerie im Paradies für viele Künstler sehr nützlich, konnten doch hier unter dem Deckmäntelchen der Illustration von Bibelstelle solche Tabus gebrochen werden. Die damaligen Künstler konnten zwar Adam und Eva als nackte Menschen darstellen, ihre primären Geschlechtsorgane aber waren meist tabu. Man behalf sich damit, Adam und Eva im Moment vor dem Sündenfall, also nackt, so abzubilden, dass wie zufällig irgendwelche Zweige ihre Blätter oder Früchte vor den kritischen Stellen hängen ließen. Bei Statuen war das natürlich nicht möglich, weshalb man hier so tat, als ob ein Blatt eines nahöstlichen Baumes, also zum Beispiel eines Feigenbaums, herab gefallen und wie zufällig vor den unanständigen Quadratzentimetern hängen geblieben wäre. Die übertragene Bedeutung hat sich gebildet, weil hinter einem Feigenblatt meist eine verborgene Wahrheit steckt ...
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