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Redewendungen aus dem Mittelalter: Das Original mit über 300.000 verkauften Exemplaren! Von Pechnasen und Maulaffen Manch einer kommt bei Redewendungen einfach auf keinen grünen Zweig. Wann ist Sankt-Nimmerleins-Tag? Was ist ein Prügelknabe? Und wen nannte man einen Quacksalber? Zum Glück beherrscht Gerhard Wagner die mittelalterlichen Redewendungen aus dem Effeff und lässt uns in diesem Buch an seinem Wissen teilhaben. Im Schlaraffenland der Redensarten Wer in den 200 kompakten Erläuterungstexten schmökert, wird Erstaunliches und gar Kurioses finden. Wussten Sie zum Beispiel, dass, wenn sich »das Blatt wendet«, eigentlich die Blätter an den Bäumen gemeint sind? Und dass auch der Ausdruck »jemandem einen Vorwurf machen« aus dem Mittelalter stammt? Holzauge, sei wachsam! Aber lassen Sie sich keinen Bären aufbinden: Nicht alle Redensarten, die mittelalterlich klingen, stammen auch tatsächlich aus der Zeit. Viele sind gar nicht so alt, wie etwa die Rede vom »Zwischen den Zeilen lesen«, die erst im 19. Jahrhundert aufkam. Dieses Buch hat Hand und Fuß Die Redewendungen sind in sieben thematische Kapitel unterteilt, darunter Ritterliches, Kirchliches, Gewerbliches und vieles mehr. Und wer gezielt etwas nachschlagen möchte, dem macht es das Register am Ende des Buches besonderes leicht. Nicht die Flinte ins Korn werfen! Sollten Sie also einmal mit Ihrem Latein am Ende sein, fühlen Sie sich nicht im Stich gelassen, sondern schlagen Sie dieses Buch auf. Hier machen Sie einen guten Schnitt und erweitern ganz nebenbei Ihren Wortschatz. Klappentext Viele werfen die Flinte ins Korn, weil sie bei Redewendungen mit ihrem Latein am Ende sind. Es geht ja auch auf keine Kuhhaut, wie viele Menschen alte Redensarten nicht mehr verstehen und von Tuten und Blasen keine Ahnung haben, weil ihnen diese Ausdrücke spanisch vorkommen. Aber anstatt dazustehen wie die Ölgötzen, sollten sie lieber diese Scharte auswetzen. Denn wenn sie alles auf die lange Bank schieben, können sie nur Maulaffen feilhalten. In diesem Buch wird keinem ein X für ein U vorgemacht. Die Herkunft von 200 Redewendungen wird geklärt, ob tatsächlich oder nur scheinbar aus dem Mittelalter.
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Seitenzahl: 162
Impressum
Gerhard Wagner
Schwein gehabt!
Regionalia Verlag,
ein Imprint der Kraterleuchten GmbH,
Gartenstr.3, 54550 Daun
Alle Rechte vorbehalten
Einbandgestaltung: Lydia Muhr, agilmedien Niederkassel
ISBN E-Book 978-3-95540-512-0
ISBN Print 978-3-939722-31-1
www.regionalia-verlag.de
Vom selben Autor sind erschienen:
„Wer’s glaubt wird selig! Redewendungen aus der Bibel“ (2011)
„Das wissen die Götter! Redewendungen aus der Antike“ (2012)
„Da kräht kein Hahn nach“ (2023)
Für Bine und Maresi
Vorwort
I. Ritterliches
„Steinreich sein“
„Holzauge, sei wachsam!“
„Das Wasser abgraben“
„In die Bresche springen“
„Luftschlösser bauen”
„Pech gehabt!“
„Sich die Sporen verdienen“
„Hand und Fuß haben“
„Hieb- und stichfest“
„Gerüstet, gewappnet sein“
„In Harnisch bringen“
„Ross und Reiter nennen“
„Das Heft in der Hand haben“
„Vom Leder ziehen“
„Mit offenem Visier kämpfen“
Der militärische Gruß
Das „Victory“-Zeichen
„Etwas aus dem Hut ziehen“
„Etwas im Schilde führen“
„Eine Lanze brechen“
„Nach einer Devise leben“
„Viel Aufhebens um etwas machen“
„In die Schranken weisen“
„Aus der Bahn geworfen werden“
„Den Fehdehandschuh hinwerfen“
„Den Spieß umkehren“
„Im Stich lassen“
„Sich aus dem Staub machen“
„Die Flinte ins Korn werfen“
„Vernagelt sein“
„Lunte riechen“
„Das geht aus wie das Hornberger Schießen“
„Blaues Blut haben“
„Einen Zacken aus der Krone brechen“
„Sich aufs hohe Ross setzen“
„Auf großem Fuße leben“
„Jemandem etwas abknöpfen“
„Den Hut ziehen“
„Als Prügelknabe herhalten“
„Mit jemandem ist nicht gut Kirschen essen“
Das „Bussi-Bussi!“
„Auf den Hund kommen“
„Den Hof machen“
Das „Schäferstündchen“
„Es zu bunt treiben“
„Unter aller Kanone“
„Heulen wie ein Schlosshund“
„Alle Brücken hinter sich abbrechen“
II. Gerichtliches
„Nach Jahr und Tag”
„Stein und Bein schwören“
„Etwas auf die lange Bank schieben“
„Zeter und Mordio schreien“
„In die Schuhe schieben”
„Einen Denkzettel verpassen“
„Etwas auf dem Kerbholz haben“
„Ein Auge zudrücken“
Etwas „besitzen“
„Auf keinen grünen Zweig kommen“
„Mit Haut und Haar“
„In Bausch und Bogen“
„Etwas an die große Glocke hängen“
„Hinter die Ohren schreiben“
Einen „Vorwurf“ machen
„Mundtot machen“
„Die Stange halten“
„In den Wind schlagen“
„Im Halse stecken bleiben“
„Die Hand ins Feuer legen“
„Den Kürzeren ziehen“
Jemanden „überführen“
„Etwas aus dem Effeff beherrschen“
„Die Daumenschrauben anlegen“
„Auf die Folter spannen“
„Sich totlachen“
„Ein Schlitzohr sein“
„Jemanden brandmarken“
„An den Pranger stellen, öffentlich anprangern“
„Nicht ungeschoren davonkommen lassen“
Etwas „aufdecken“
„An den Kragen gehen“
„Für etwas den Kopf hinhalten“
„Über die Klinge springen lassen“
„Eine Galgenfrist einräumen"
„Mit Hängen und Würgen"
„Sich wie gerädert fühlen“
„Sich schinden“
III. Historisches
„Nach Canossa gehen“
„Hinz und Kunz“
„Das kommt einem spanisch vor“
„Gegen Windmühlen kämpfen“
„Mit jemandem deutsch reden“
„Das kann kein Schwein lesen“
„Nach Adam Riese“
„Etwas verballhornen“
„Über die Wupper gehen“
„Über den grünen Klee loben“
„Schildbürger sein“
„Im Schlaraffenland leben“
IV. Kirchliches
„Jemandem die Leviten lesen“
„Jemandem predigen“
„Zu Kreuze kriechen“
„Dastehen wie ein Ölgötze“
„Am Hungertuch nagen“
„Es brennt auf den Nägeln“
„Zwischen den Jahren“
„Etwas auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben“
„Den Teufel an die Wand malen“
„Einen Pferdefuß haben“
„Das Zeitliche segnen“
„Dann hat die arme Seele Ruh“
„Von allen guten Geistern verlassen sein“
„Trübsal blasen“
„Matthäi am Letzten“
„Mit seinem Latein am Ende sein“
„Jetzt schlägt’s 13“
„Hals- und Beinbruch“
V. Gewerbliches
Ein „Quacksalber“ sein
„Jemanden schröpfen“
„Über den Löffel barbieren“
„Scherereien bekommen“
„Einen guten Schnitt machen“
„Ein Brett vor dem Kopf haben“
„Das Blatt wendet sich“
„Zwischen den Zeilen“
„Lügen wie gedruckt“
„Fraktur reden“
„Das schlägt dem Fass den Boden aus!“
„Blau machen“
„Durch die Lappen gehen“
„Ins Gehege kommen“
„Ein X für ein U vormachen“
„Vom Hundertsten ins Tausendste kommen“
„Alles in Butter!“
„Jemanden hänseln“
„Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“
„In einer Tretmühle sein“
„Seine Schäfchen ins Trockene bringen“
„Etwas ausmerzen“
„Eine Scharte auswetzen“
„Jedes Wort auf die Goldwaage legen“
„Umgekehrt wird ein Schuh draus“
„Über einen Leisten schlagen“
„Auf den Leim gehen“
„Die Katze im Sack kaufen“
„Herein, wenn’s kein Schneider ist”
„Schmutzige Wäsche waschen“
„Spinne am Morgen bringt Kummer und Sorgen, Spinne am Abend erquickend und labend“
„Etwas anzetteln“
Das „Schwarze Brett“
Der „Zapfenstreich“
„Auf dem Holzweg sein“
„Splitternackt sein“
„Ein Stümper sein“
„Einen Haken haben“
VI. Öffentliches
„Mit gleicher Münze heimzahlen“
„Etwas springen lassen“
„Auf Heller und Pfennig“
„Geld bei etwas herausschlagen“
„Etwas auf die hohe Kante legen”
„Fersengeld geben“
„Türmen“
„Nicht lange fackeln“
„Torschlusspanik haben“
„Von Tuten und Blasen keine Ahnung haben“
„Die Kurve kratzen“
„Aus dem Stegreif”
„Ein Spießbürger sein“
„Katzbalgen“
„Zur Sau machen“
„Eine Eselsbrücke bauen“
„Das geht auf keine Kuhhaut“
„Schwein gehabt!“
„Einen Bären aufbinden“
„Den Bock zum Gärtner machen“
VII. Häusliches
„Dahin gehen, wo der Pfeffer wächst“
„Süßholz raspeln“
„Den Brotkorb höher hängen“
„Da brat mir einer einen Storch!“
„Einen Zahn zulegen“
„Ins Fettnäpfchen treten“
„Das Wasser nicht reichen können“
„Aufschneiden“
„Die Tafel aufheben“
„Den Löffel abgeben“
„Maulaffen feilhalten“
„Etwas ausbaden“
„Einen Korb geben“
„Etwas durch die Blume sagen“
„Um die Hand anhalten“
„Unter die Haube kommen“
„Unter einer Decke stecken“
„Vögeln“
„Mit Kind und Kegel“
„Schief gewickelt sein“
„Den Nagel auf den Kopf treffen“
„Einen Stein im Brett haben“
„Immer die alte Leier“
„Ins Bockshorn jagen“
„Kein Blatt vor den Mund nehmen“
„Den Garaus machen“
Stichwortverzeichnis
Literaturverzeichnis
Redewendungen sind wie Brücken in die Vergangenheit. Leider gehen diese Brücken immer mehr verloren, weil viele Bezüge, auf die Redensarten zurückgehen, heute in Vergessenheit geraten sind. Wer hat jemals eine Tretmühle in Aktion gesehen, wer könnte noch mit einem Heller bezahlen, und wer hätte eine Verwendung für ein Kerbholz?
Bei den Älteren sind solche Begriffe noch in aller Munde, aber jüngeren Jahrgängen muss man neuerdings erklären, was man meint, wenn man von einem Zeitgenossen behauptet, er habe das Heft in der Hand oder er sei auf den Hund gekommen. Sie wissen nicht mehr, was man auf die hohe Kante legt oder wann die Tafel aufgehoben wird.
Denn Deutsch ist eine lebendige Sprache, und Einflüsse aus anderen Sprachen, dem Internet und der populären Massenkultur verändern sie; besonders die Medien tragen zu dieser Entwicklung bei. So sind in den letzten Jahrzehnten selbstverständlich auch neue Redensarten wie Auf Konfrontationskurs gehen oder Die gleiche Wellenlänge haben entstanden. Aber viele historische Redewendungen und Ausdrücke fallen dem Wandel der Sprache zum Opfer und nicht mehr benutzte Redensarten sterben aus. Dabei gehören Redewendungen und Redensarten so fest zu unserer Sprache, dass wir viele gar nicht mehr als solche erkennen. Ob es nun Wörter wie Hänseln, Aufdecken oder Überführen sind oder Denkzettel, Prügelknabe oder Garaus, sie sind assimiliert und den meisten Zeitgenossen so vertraut wie Kind und Kegel. Warum aber steigt man ins Bett und schlägt ein Buch auf?
Auch die älteren Semester wissen nur, was gemeint ist; aber wissen sie auch, woher diese Formulierungen ursprünglich kommen und unter welchen Umständen sie einmal entstanden sind?
Dieses Buch will eine Eselsbrücke bauen und Ross und Reiter nennen.
Die Herkunft vieler mittelalterlich klingender Redensarten erweist sich bei näherem Hinsehen als nicht wirklich alt. Eine ganze Reihe sind erst im 19. Jahrhundert entstanden, einige scheinbar alte sind auch noch deutlich jünger. Tatsächlich stammen aber sehr viele Redensarten aus der Zeit der Ritter und Minnesänger. Einige Fremdenführer in Burgen schmücken ihre Führungen deshalb mit Redewendungen aus, von denen sie glauben, dass sie ihren Ursprung im Mittelalter haben. In Burgen lässt sich nämlich gut erklären, dass erstaunlich viele Redensarten wie Etwas im Schilde führen oder Auf großem Fuße leben aus der Zeit der Zugbrücken und Kettenhemden stammen oder doch zumindest jahrhundertealte Wurzeln haben.
Dieses Buch fasst 200 Redewendungen zusammen, die meist auf das Mittelalter oder die frühe Neuzeit zurückgehen oder auf historische Tatsachen, Personen oder Ereignisse dieser Zeit Bezug nehmen und auch heute noch populär sind.
Alte Redensarten mit Wurzeln in anderen Sprachen wie Latein, Französisch oder Jiddisch, die früher in Deutschland parallel zum Deutschen existierten, konnten nicht berücksichtigt werden, auch nicht die vielen Wendungen, die auf Bibelstellen zurückgehen wie Perlen vor die Säue oder Die Hände in Unschuld waschen. Desgleichen ist auf Redensarten verzichtet worden, die sich mit etwas Nachdenken selbst erklären wie Jemanden matt setzen oder Über den Berg sein. Dafür wurde die Gelegenheit genutzt, einige Wendungen als nicht historisch und ihre üblichen Erklärungen als falsch zu entlarven – die bekannteste dürfte Einen Zahn zulegen sein.
Vielleicht kann dieses Buch etwas dazu beitragen, dass einige bedrohte (Redens-)Arten vor dem Aussterben bewahrt werden.
Denn auch wenn sie den älteren das Wasser nicht reichen können, haben die jungen Leute ja kein Brett vor dem Kopf oder sind auf dem Holzweg, und bevor wir den Teufel an die Wand malen und sie Scherereien bekommen, werden wir sie nicht in Bausch und Bogen verdammen, sondern ein Auge zudrücken und nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen, und wenn sie erst mal alles aus dem Effeff beherrschen, darf man sie über den grünen Klee loben, auch wenn sie sich wie gerädert fühlen. Pech gehabt? Umgekehrt wird ein Schuh draus: Dann ist alles in Butter!
Da haben wir ja noch mal
Schwein gehabt!
Gerhard Wagner
„Hieb- und stichfest“
Von Pechnasen und großen Füßen
Nicht nur im Mittelalter, sondern weit bis ins 19. Jahrhundert war es ganz normal, dass die Häuser der einfachen Leute aus Holz gebaut waren, Fachwerkhäuser eben, wobei „Fach“ ein alter Ausdruck für Wand ist, enthalten auch in Unter Dach und Fach. Nur Reiche konnten sich Steine aus Steinbrüchen leisten, die behauen werden mussten und deshalb teuer waren. Reich war im Mittelalter der Adel, dem das Land gehörte. Er bevorzugte es, in Steinhäusern zu residieren, denn nur Häuser mit steinernen Wänden waren so stabil, dass sie auch einem Überfall von Feinden, zornigen Leibeigenen oder missgünstigen Nachbarn oder Verwandten standhalten konnten. Aus diesen festen Häusern, oft in Turmform erbaut, entwickelten sich die Burgen. Als auch die Bürger im späten Mittelalter zu Wohlstand kamen, konnten sie sich ebenfalls prächtige Steinhäuser leisten. Sie waren steinreich. Burgen und Schlösser als Statussymbol blieben jedoch dem Adel vorbehalten.
Für die Herkunft dieses Ausdrucks gibt es mehrere Theorien. Die erste Herleitung bezieht sich auf das holzverarbeitende Handwerk. Beim Hobeln muss man aufpassen: Ansätze von Ästen, auch Augen genannt, sind härter als das umgebende Holz, die Klinge des Hobels könnte an ihnen Schaden nehmen. Aus dem Warnruf „Ein Holzauge! Sei wachsam!” kann sich mit der Zeit die heutige Redewendung entwickelt haben. Unter Sprachwissenschaftlern ist diese Theorie anerkannter, Phantasie anregender ist aber die zweite. In der Fortifikation von Burgen spielten Schießscharten eine große Rolle, ermöglichten sie es dem Verteidiger doch, aus kleinen Öffnungen heraus beim Feind großen Schaden anzurichten. Tatsächlich nennt man eine spezielle Form von Scharten „Holzaugen“. In der Maueröffnung steckten hölzerne Kugeln, die in der Mitte ein Loch hatten. Durch dieses konnte beobachtet, aber auch eine Feuerwaffe gesteckt und wie in einem Kugelgelenk bewegt werden.
Höhenburgen waren meist durch ihre steile Lage vor feindlichen Attacken geschützt. Bei den Burgen in der Ebene mussten sich die Baumeister etwas anderes einfallen lassen, um Angreifer auf Abstand zu halten. Man umgab die Burg mit einer Sperre, die gerade gepanzerte Krieger nur sehr mühsam überwinden konnten: mit einem Wassergraben. Er verwandelte die Burg in eine Insel. Ihre Mauern zu attackieren, war fast unmöglich, denn im Wasser konnte kein Belagerungsturm errichtet werden. Die Lösung war, das Wasser zu entfernen. Wenn die Umgebung es zuließ, konnte man einen Kanal graben, das Wasser floss ab und die Burg stand auf dem Trockenen. Möglicherweise deutet die Redewendung auch auf die – für die Burgbewohner höchst gefährliche – Unsitte hin, der Burg, wenn sie keinen eigenen Brunnen innerhalb der Mauern besaß, das Trinkwasser abzuleiten. Eine dritte, mehr zivile Erklärung der Redensart lautet, dass ein Müller ruiniert war, wenn der Graben, der Wasser auf sein Mühlrad brachte, angestochen wurde – von der Konkurrenz womöglich – und auslief.
Auch andere Länder kennen „Luftschlösser“. In England heißen sie „castles in the air“, in Holland „luchtkastelen“. Im Mittelhochdeutschen, der Sprache der Ritter, gibt es schon den Begriff „Schloss“, gleichbedeutend mit „Burg“. Womit wir bei der oft gestellten Frage wären, was der Unterschied zwischen Burg und Schloss ist. Eine Burg war ein militärischer Zweckbau, der befestigte Wehrbau eines Adligen. Nach der Einführung der Feuerwaffen spalteten sich diese Funktionen – einerseits wehrhaft, andererseits wohnlich – auf; ab dann bezeichnete „Schloss“ den luxuriösen Fürstensitz, während „Festung“ den militärisch-wehrhaften Teil übernahm. Im 16. Jahrhundert sprach man bei Phantastereien von einem „Schloss in der Luft“, was hundert Jahre später zu der heutigen Redensart führte. Kein Wunder, dass dafür ein filigranes, verziertes Schloss viel eher geeignet war als eine wuchtige, steinerne Burg!
Viele Burgführer zeigen über dem Burgtor eine „Pechnase“ und weisen darauf hin, dass daher der Ausdruck Pech gehabt stamme. Seit dem 19. Jahrhundert glaubte man, dass die Verteidiger einer Burg heißes Pech auf die Angreifer geschüttet hätten. Diese gruselig-romantische Vorstellung entspricht allerdings nicht den Tatsachen, denn die Burgenforschung hat mittlerweile nachgewiesen, dass zum Flüssigmachen von Pech Temperaturen nötig gewesen wären, die in einem Torhaus nicht hätten erzeugt werden können. Der fälschlicherweise „Pechnase“ genannte Erker war also eine Verteidigungsvorrichtung, aus der man Steine warf oder Pfeile schoss. Redewendungen, in denen der Begriff „Pech“ vorkommt, haben deshalb nichts mit Burgen zu tun. Ein Pechvogel war zum Beispiel ein Singvogel, den man auf einer mit klebrigem Pech bestrichenen Rute fing, um ihn anschließend zu verspeisen – Pech gehabt! Und wenn heute jemand auf etwas erpicht ist, dann ist er darauf fixiert, wie mit Pech daran festgeklebt.
Bevor ein adliger Knabe den Ritterschlag erhalten konnte, der ihn zu einem vollwertigen Mitglied dieser Adelsschicht machte, musste er sieben Jahre als Page dienen, um Erfahrungen im Umgang bei Hofe zu sammeln – er musste lernen, höflich zu sein. Sieben weitere Jahre diente er als Knappe bei einem Ritter, bei dem er das Waffenhandwerk erlernte. Er führte schon Waffen, trug auch schon Sporen und durfte an Kampfspielen teilnehmen. Mit 21 Jahren empfing er die Schwertleite, die im 14. Jahrhundert durch den Ritterschlag abgelöst wurde, wenn er sich durch Mut und Treue ausgezeichnet hatte. Dabei wurden ihm goldene Sporen angelegt. Dass er diese Würde verdient hatte, musste er in der nächsten Schlacht in der ersten Kampflinie beweisen. Auch heute noch sagt man von jemandem, dem sein Chef Anerkennung ausgesprochen hat, dass er den Ritterschlag bekommen habe. Echte Ritterschläge gibt es heute noch in England, wenn Stars wie Paul McCartney oder Sean Connery zum „Sir“ ernannt werden.
Diese Redensart geht auf eine altdeutsche Rechtsformel zurück, in der allerdings nur die rechte Hand und der linke Fuß gemeint waren. Warum? Ein Ritter, also ein wehrhafter Mann, war nach damaligem Verständnis nur kriegstüchtig, wenn er noch die rechte Hand und den linken Fuß besaß. Mit der rechten Hand führte er das Schwert, und der Fuß, mit dem er in den Steigbügel trat, um sein Pferd zu besteigen, war der linke. Es war eine äußerst schwere, aber oft verhängte Strafe, wenn ein Missetäter dazu verurteilt wurde, eines der beiden oder gar beides abgeschlagen zu bekommen, denn es wurden ihm auf diese Weise nicht nur Hand und Fuß, sondern auch seine Mannhaftigkeit genommen. Linkshänder taten übrigens gut daran, diese „Andersartigkeit“ zu verschweigen, denn Minderheiten waren gerade im Mittelalter suspekt und konnten leicht auf dem Scheiterhaufen landen.
Nicht nur heute, sondern auch und besonders in früheren Zeiten war Aberglaube weit verbreitet. Dazu zählten magische Sprüche und Rituale, die einen Mann für den Kampf unverwundbar machen sollten. Man nannte diesen Brauch „Festmachen“. Die Zwillingsformel Hieb- und stichfest gehörte zu diesem Zauber. Sie sollte den Besprochenen gegen jede Art der typischen mittelalterlichen Kampfverletzungen gefeit machen. Auch heute noch segnen Priester in den Krieg ziehende Soldaten, um sie unter den Schutz Gottes zu stellen. Es ist immer wieder merkwürdig, dass über Jahrhunderte, ja Jahrtausende an die Wirkung derlei transzendentaler Praktiken geglaubt wurde, obwohl die unübersehbare Zahl der Getöteten und Verwundeten in den Kriegen der Geschichte eindeutig ihre Nutzlosigkeit beweist.
Was wäre ein Ritter ohne Rüstung? Der Ritter legte sich diese Schutzkleidung, die bis zu dreißig Kilogramm wiegen konnte, mit Hilfe seines Knappen an und war dann für den Kampf gerüstet. Der Ritterpanzer diente zur Verteidigung. Wie auch heute noch entwickelte sich die Defensive immer als Antwort auf die Offensive, das heißt, neue stärkere Angriffswaffen erforderten wirksamere Verteidigungsmaßnahmen: Langbogenpfeile durchdrangen den Lederwams des frühen Mittelalters; das gegen Pfeile noch schützende Kettenhemd war gegen Armbrustbolzen machtlos, der dann vom Harnischmacher erfundene Plattenharnisch schützte nicht gegen Kanonenkugeln und so weiter und so weiter ... Gewappnet war man bewaffnet, denn das Wort „Wappen” war im Mittelalter eine Nebenform von „Waffe” und wurde erst ab dem 16. Jahrhundert im heutigen Sinn gebraucht. Ob gerüstet oder gewappnet - nach dem Einsatz kam es zur Abrüstung, denn die Herren liefen zuhause in der Burg ja nicht in Eisen herum. Wenn sich heute jemand eine neue Fotoausrüstung oder ein Wappen zulegt, hat das zum Glück nichts mehr mit Kriegführen zu tun.
Ein Harnisch ist der Brustteil der Rüstung und zusammen mit dem Helm der wichtigste Teil der Schutzkleidung des Ritters. Den Harnisch legte er bei den täglichen Kampfübungen, aber vor allem im Kriegsfall und für das Turnier an. Dann war er bereit zum Kampf. Auch ein Turnier war eine ernste Sache - Graf Diether VI. von Katzenelnbogen, einer der prominentesten Adligen des Reiches, starb 1315 auf dem Turnier des Baseler Hoftages. Die Redensart ist seit 1626 belegt. Gemeint ist, dass der, den man so zornig gemacht hat, dass er den Harnisch angelegt hat, der also in Harnisch geraten ist, bereit und willens ist zu kämpfen. Im übertragenen Sinn bedeutet die Redensart heute so viel wie „überaus engagiert“ oder auch „in Rage“, also bereit, ohne Angst vor Widerstand seine Meinung zu vertreten, nicht so sehr mit Taten, aber wohl mit Worten. Deshalb nennt man auch eine Rede oder einen Brief, in denen jemand seinen Zorn zum Ausdruck bringt, geharnischt.
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