Werden wie die Kinder - Tanner Werner - E-Book

Werden wie die Kinder E-Book

Tanner Werner

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Beschreibung

"Werden wie die Kinder" ist leichter gesagt als getan. Schliesslich haben wir uns lange damit beschäftigt, erwachsen zu werden. Was macht das Wesen eines Kindes eigentlich aus? Weitab von kindischem Getue geht es darum, sich an dem Kind zu orientieren, das Jesus in die Mitte seiner Jünger stellte, als sie sich damit beschäftigten, wer wohl der Grösste sei. Was wollte er den Jüngern vor Augen führen? Im Rahmen der Elternbildung innerhalb der "Familienwerkstatt" in der Stiftung Schleife entstanden Unterlagen, die den Eltern die Entwicklung des Kindes erklären. Sie sollen als "Geführte" mit Glauben, Hoffnung und Liebe das noch weiche Kinderherz führen lernen. Ein Traum, in dem ich angewiesen wurde, anstelle von Lehrvorträgen den Eltern das Wesen eines Kindes durch Geschichten nahezubringen, gab Anlass zu den "Geschichten für Erwachsene". Die Geschichten sollen die Eltern ermutigen, ihren Erziehungsauftrag mit Freude zu erfüllen. Lassen wir uns in der Erziehung auf das kindliche Wesen ein, werden wir von ihm beschenkt. Mögen die Geschichten in den Eltern den Wunsch wecken, wieder selber "wie die Kinder zu werden".

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Werner Tanner

Werden wie die Kinder

Geschichten für Erwachsene

© 2021 Werner TannerWerden wie die Kinder – Geschichten für Erwachsene

1. Auflage Mai 2021© Schleife Verlag, Pflanzschulstrasse 17CH-8400 Winterthur, SchweizTel. +41 (0)52 2322424, Fax +41 (0)52 2336082E-Mail: [email protected]

ISBN 978-3-905991-61-1Bestellnummer 120.180

E-Book ISBN 978-3-905991-62-8Bestellnummer 120.180 E

Die Bibelstellen sind, wenn nicht anders angegeben, der Lutherbibel, revidierter Text 1984,durchgesehene Ausgabe © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart entnommen.

Die Bibelstellen aus der Neuen Genfer Übersetzung – Neues Testament und Psalmen © 2011 Genfer Bibelgesellschaft sind mit NGÜ gekennzeichnet.

Die Bibelstellen aus der Zürcher Bibel (Ausgabe 1982) © Verlag der Zürcher Bibel sind mit ZB gekennzeichnet.

Die Bibelstellen aus der Elberfelder Bibel, Revidierte Fassung von 1993 © 1994 R. Brockhaus Verlag, Wuppertal sind mit ELB gekennzeichnet.

Lektorat: Judith PetriKorrektorat: Lukas BärGestaltung: Samuel SchuhmacherAquarell «Apfelbaum»: Werner TannerLayout, Satz und eBook-Erstellung: Nils GroßbachDruck: Gustav Winter GmbH, DE-Herrnhut

Alle Rechte vorbehalten, auch für auszugsweise Wiedergabe und Fotokopie

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Im Anfang

Heimweh

Der Weg nach Hause

Hunger und Durst nach Leben

Freiheit unter den Wolken

Ein Kind!

Ist Gott mit uns?

«Ihr werdet das Kind finden»

Esel und Ochse im Stall

Das Bild

Teamwork

Pläne und Ziele

Wie ein Baum

«Den Weg kennt ihr ja!»

Von Händen getragen und gehalten

Wenn der Fuss zu sprechen beginnt

«Wer ist der?»

«Wem gehörst du?»

Der Sauerteig

Im Fluss der Generationen

Die Brotkruste

Der Schlüssel, um zur Ruhe zu kommen

Gezogen

Die Kinderstimme

Male mir einen gerechten Menschen

Mondlandung

Rückkehr zur Erde

Blind geboren und keine Spur von Schuldigen!

«Du hast ihn gesehen, und der mit dir redet, der ist’s»

Das Lamm

Kinderlieder

«Seht ihr den Mond dort stehen?»

Ich bin du

Ich bin nicht du

Vom Glück, im «Wir» zu erwachen

Zuhause

Nachwort: Aus Jakobs Familiengeschichte

Vorwort

Ich träumte von einem «Triangel-Spieler». Diesem Traum ging ich nach und begann, die nachfolgenden «Geschichten für Erwachsene» zu schreiben.

Der Triangel-Spieler

Ich spiele in einem grossen Orchester den Triangel und suche in der grossen Partitur, die auf meinem Notenständer liegt, nach meinen Einsätzen. Ich selber habe diese Partitur mit viel Engagement geschrieben und freue mich nun auf die Aufführung. Obwohl ich in der gefühlt stundenlangen Aufführung nur drei Mal den hellen Klang des Triangels zum Klingen bringen soll, suche ich in dem dicken Notenheft verzweifelt nach meinen Einsätzen. Der helle Klang des Triangels ist unüberhörbar, darum darf ich meinen Einsatz keinesfalls verpassen, beziehungsweise was noch schlimmer wäre, zur falschen Zeit meinen Ton einbringen. Was dann aber zu meinem Leidwesen tatsächlich geschieht! Enttäuscht über mein Unvermögen, mich rechtzeitig einzubringen und meinen Beitrag zu leisten, mache ich mich auf den Heimweg. Als ich zu Hause angekommen bin und in den Wohnraum trete, beginnt ein starker Wind zu wehen. Er ist so stark, dass er mir die Partitur unter dem Arm hervorreisst und durch die Luft wirbelt. Meine Partitur zerfällt in Hunderte von einzelnen Notenblättern, die in der Luft herumtanzen. Nachdem sich der Wind gelegt hat und die Blätter den ganzen Boden des Wohnraums bedecken, knie ich mich auf den Boden, um sie wieder aufzuheben. Mit dem Gedanken, dass ich diese Arbeit kaum mehr zustande bringe, greife ich zu den Blättern und stelle erstaunt fest, auf jedem Blatt findet sich ein einfaches Kinderlied. Der himmlische Wind hat die Partitur in lauter einzelne Kinderlieder verwandelt.

Kinder erziehen im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe – so kann man den Titel zu den Unterlagen beschreiben, die im Rahmen der Elternbildung innerhalb der Familienwerkstatt in der Stiftung Schleife entstanden sind. Sie sind die Grundlage, die Partitur, die in diesem Traum in «Kinderlieder» und in den vorliegenden Texten in «Geschichten für Erwachsene» umgeformt wurden.

Die Geschichten sollen die Eltern ermutigen, ihren Erziehungsauftrag mit Freude zu erfüllen. Lassen wir uns in der Erziehung auf das kindliche Wesen ein, werden wir von ihm beschenkt. Mögen die Geschichten in den Eltern den Wunsch wecken, wieder selber «wie die Kinder zu werden». Das kindliche Vertrauen in einen grossen Gott öffnet Eltern und Kindern die Augen für eine gemeinsame Zukunft.

Werner Tanner

Im Anfang

Thema: Im Reich des himmlischen Vaters, der ein unerschöpflicher Kreator ist, wird jeder Anfang gefeiert. Mit ihm, dem Schöpfer von Himmel und Erde, lernen wir, ein schöpferisches Leben zu führen. Ein Leben, das unaufhaltsam Neues schafft und von Neuem beginnt. Ein Leben, das mit den Anfängen und den Anfängern vertraut ist und sie liebt. Kinder sind Anfänger.

Darüber waren sich die drei einig: Himmel und Erde sollen geschaffen werden.1 Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist beschlossen, ohne viel Hin und Her sogleich loszulegen. Denn sie waren sich eins: Es wird sehr gut!2

Es muss mit einem ordentlichen Chaos begonnen haben, sodass der Geist den Auftrag erhielt, zunächst einmal über den Wassern zu schweben, vermutlich um Ordnung in die Sache zu bringen. Zudem präsentierte sich das Werk zu Beginn recht finster und öde.3 Doch für die drei war das kein Grund, das angefangene Werk fallen zu lassen. Schritt um Schritt, Tag um Tag wurde das Vorhaben weiter ausgeführt. Es befand sich ja eben erst im Anfang. Und während sie weiter an ihrer Kreation arbeiteten, spielte daneben einfach die Weisheit, unbekümmert ob des turbulenten Anfangs. Den grössten Spass aber hatte sie beim Betrachten der Menschenkinder, welche die drei aus Erdklumpen zu formen begannen.4

Stecke ich als Mutter oder Vater auch mitten in einem Anfang? Vielleicht halte ich zum ersten Mal das gerade geborene Kind in den Armen, kämpfe mich durch die schlaflosen Nächte in den ersten Monaten nach der Geburt … Vielleicht erhält es die ersten Zähne, steht der erste Gang zum Kindergarten bevor, verarbeite ich mit dem Kind die ersten Erfahrungen aus dem Schulanfang … Oder es ist schon Teenager und ich habe herbe Enttäuschungen im Hinblick auf sein Verhalten erlebt und suche nun nach einem Neuanfang in der Beziehung mit ihm; wage es, von vorne zu beginnen; stelle die Skala der vielen Versöhnungsgespräche wieder auf null; suche erneut das Gespräch, als wäre es das erste, und weiss im Voraus, ich werde wieder vergeben und vergessen müssen …

«Aller Anfang ist schwer», sagt der Volksmund. Nein, schwer ist er eigentlich nicht, wenn Gott bereits begonnen hat. Und das sei zur Beruhigung angemerkt. Begonnen hat er schon, vor uns, und zwar in allen Anfängen, die zum Leben führen. Er hat uns zuerst geliebt.5 Er hat uns zuerst erwählt.6 Er hat die Pläne für unser Leben schon entworfen. Alle Tage sind in seinem Buch bereits notiert.7 Nicht nur unsere, auch die unserer Kinder und Kindeskinder. Er ist ein «Anfänger» erster Klasse. Heute noch giesst er jeden Tag neu seine Gnade aus, lässt jeden Morgen neu die Sonne aufgehen, teilt seine nie endende Güte neu aus, bietet uns neu seinen Frieden an …8

Er ist und bleibt ein wunderbarer «Anfänger». Er ist der Anfang9 und – er wird sich auch als Letzter über unserem Staub erheben.10

Darum stehe ich nie allein am Anfang einer erzieherischen Massnahme bei meinem Kind, sondern ich stehe an dem Anfang, den er schon begonnen hat. Ich muss lediglich an seinem begonnenen Werk weitermachen. Gott liebt die «Anfänger», die sein Werk weiterführen – wenn möglich mit ihm zusammen. Insbesondere, wenn es um die Schöpfung des Menschen geht, an der er uns beteiligt. Für den Schöpfer ist es ein gewagtes Unterfangen, seine Kinder in unsere Hände zu geben, damit wir sie weiter formen. Es birgt ein hohes Risiko für einen so kreativen Künstler wie ihn, vor allem deshalb, weil er von seinen Menschenkindern bereits ein inneres Bild hat. Ihm ähnlich soll ihr Porträt einmal werden.11

Ist dieses Unterfangen nicht eine masslose Überforderung für alle Eltern? Das fragen sich diese vielleicht. Doch beruhigt werden sie feststellen: Der himmlische Kreator des Menschen fordert von seinem Bodenpersonal nicht das Grossartige. Es ist seine Sache, in einer Lebensbiografie das unerwartet Grosse zu schaffen. Er legt bei den Eltern Wert auf ihre kleinen Anfänge. Ja, er fordert sie geradezu auf, die kleinen Anfänge nicht zu verachten.12

Darum sollten wir endlich anfangen, mit ihm zusammen die Kinder zu erziehen und sie im Familienalltag unter seinen Augen aufwachsen zu lassen. Was für ein Vorrecht ist jeder Beginn im Teamwork mit dem Schöpfer.

Der Anfang meines Lebens, meine Geburt, war nicht geplant. Sie kam ungelegen, zu einer Unzeit. Die Zukunft der Familie schien finster und öde. Der Vater arbeitslos, seine Invalidität fortschreitend. Eine Besserung der Gesundheit schien nach jedem ärztlichen Eingriff aussichtsloser als zuvor. Die Versicherungen schoben sich gegenseitig den Ball zu und die Invalidenversicherung war erst im Aufbau. Also war von öffentlicher Seite keine Unterstützung zu erwarten. Neben den beiden Mädchen, die bereits zehn und zwölf Jahre alt waren, noch einen kleinen Schreihals aufzuziehen, einen «Nachzügler», dazu fehlte schlicht die Zeit. Arbeiten, um Geld zu verdienen, war angesagt. Schulhäuser, Treppenhäuser, die Wohnung des Bankdirektors reinigen, von frühmorgens bis spätabends, so sah der Tag für meine Mutter aus. Die beiden Schwestern waren mit der Schule und dem Haushalt bis über die Ohren mit Arbeit eingedeckt. Und doch – der Anfang war in Gottes Plan.

Er hat einen Plan mit jedem Kind. Es soll einmal sein Leben und sein Licht in finsteres und ödes Land hineinbringen.13 Es soll mit ihm immer wieder neu einen Anfang wagen, bis ins hohe Alter.

Heimweh

Thema: Die Sehnsucht des Geschöpfs nach seinem Schöpfer ist in dem Menschen seit jeher angelegt. Der himmlische Vater hat uns zuerst geliebt. Unser Heimweh nach ihm gleicht einem Echo, das sein Rufen beantwortet. Wir sehnen uns nach ihm, unserem Schöpfer.

«Mein Kind, wo bist du?» Dieser Ruf hallt seit Beginn der Schöpfung durch die Gärten, die Häuser, die Strassen, die Marktplätze, durch Berge, Täler und Schluchten, durch Schulen und Spitäler. Der himmlische Vater ruft nach seinen Kindern.14 Er ruft sie beim Namen.15 Er sucht sie einzeln, seine Kinder, die einzigartigen, die unnachahmlichen Originale und Persönlichkeiten, die er aus seinem Herzen heraus geboren hat – den Adam, die Eva, den Walter, die Annegrete, … Dich und deine Kinder, mich und meine Kinder!

Höre ich sein Rufen? Weiss ich von der verzweifelten Suche des himmlischen Vaters nach mir, dem Verlorenen? Verloren, weil er mich nicht mehr an sein Herz drücken kann, mich nicht mehr liebkosen und in seinem Mutterschoss halten kann. Er vermisst die Wärme innigster Gemeinschaft mit mir. Er möchte bei mir wohnen, mit mir im Garten wandeln, jeden Tag, auch heute. Und nichts vermag ihn zu trösten. Die prächtigsten Bäume, die herrlichsten Berge, die edelsten Tiere – alles ist ihm, dem Schöpfer, lieb. Doch die ganze Schöpfung vermag den Menschen, ihm ähnlich, nicht zu ersetzen. Er will keinen Ersatz. Er schaut aus nach seinen Kindern, weil er weiss, dass auch sie auf der Suche sind. Auch sie treibt das Heimweh um, von Kind an bis ins hohe Alter, die Sehnsucht nach dem Zuhause.

Ich sitze mit der kleinen Angela, meinem Grosskind, auf der Holzbank in einer Freizeitanlage mit Wildtieren. Nachdem wir die scheuen Rehe, die stolzen Hirsche, die Bisons, die grunzenden Wildschweine und den Luchs im Wildgehege bestaunt haben, sind wir auf dem Spielplatz angelangt. Gerade noch fasziniert von dem riesigen Körper des Bisons und dem prächtigen Geweih des Hirsches sitzt Angela nun mit gesenktem Kopf neben mir. Offensichtlich gehen ihr Gedanken durch den Kopf, die ihr die ganze Freude zu verderben scheinen.

Ich überlege: Gestern erlebten wir zusammen «das Abenteuer der Manege» im Zirkus Knie und sind danach mit viel Begeisterung wieder nach Hause gefahren. Ist dieser Spielplatz zu öde nach einem solchen Höhepunkt? Ich frage sie, was sie denn so nachdenklich mache, und schlage ihr vor, das nächste Spielgerät zu besteigen. Sie sieht mich mit fragenden Augen an: «Was soll das denn alles, wenn Papi und Mami nicht mit dabei sind und ich alleine bin?» Etwas belämmert sitze ich neben ihr. Ich bin eben nicht ihre Mami und nicht ihr Papi, nur der Grossvater! Niemand vermag den Vater und die Mutter zu ersetzen.

Das Geschöpf sucht den Schöpfer, den Vater, die Mutter. Keine Ideologie vermag die Suche der Kinder nach dem wirklichen Vater, der wirklichen Mutter zu verhindern. Jahrzehntelang suchen die Kinder ihre Eltern, die sie verlassen haben, was auch immer der Grund gewesen sein mag.

Das Kind sucht den Schoss der Mutter und die starken Arme des Vaters, der es durch das Leben trägt. Die Liebe des Vaters zieht uns zu ihm hin, mehr als jedes Vergnügen uns anzuziehen vermag. Darum ziehen die Eltern ihre Kinder in allen Lebenslagen auf ihren Schoss und in ihre starken Arme, die alles Unvermögen umschliessen und Geborgenheit schenken.

Die Kinder auf den Schoss nehmen und mit unseren Armen halten, in Zeiten der Freude, der Trauer und auch nach harten Auseinander­setzungen, das ist die erzieherische Vorbereitung auf das Heimweh nach dem Schöpfer, dem Vater von allem, was Kinder heisst.16

Wie ein unangemeldeter Gast kann sich das Heimweh auch in uns Eltern melden. Es steigt aus der Tiefe des Herzens empor, oft gerade dann, wenn es gilt, eine schwere Aufgabe zu überwinden, oder gar im gellenden Lärm von Glück und Erfolg. Soll ich diesem ungebetenen Gast aufmachen und ihm Raum schenken – der Sehnsucht nach dem Kindsein, dem Geborgensein auf dem Schoss der Mutter, dem Gehaltensein von den starken Armen des Vaters?

Es war an einem sonnigen Morgen. Ich sass im Architekturbüro vor meinem Reissbrett und sann über mein Leben nach. Neben mir lag das Modell einer Grossüberbauung. Die Freude des Bauherrn über das gelungene Projekt war riesig und seine begeisterte Rede klang noch in meinen Ohren. Doch was war es, das mir die Freude an meinem Erfolg raubte? Eine leise Stimme in mir mahnte: «Das ist noch nicht das Leben! Verlass diesen Platz! Noch einmal und vielleicht ein zweites Mal kannst du einen solchen Höhenflug erleben, dann neigt sich dein Leben dem Ende zu!» «Aber wohin soll ich denn gehen? Wo finde ich das Glück im Herzen, nach dem ich suche?» Das waren meine Fragen.

Ich erinnerte mich an einzelne Sonnenstrahlen in meiner Kindheit, die ich nicht fassen konnte. Liegt der Ort meiner Sehnsucht dort? Jedenfalls war dieser Morgen der Anlass meiner Kündigung inmitten des beruflichen Erfolgs und der Beginn der Reise in eine neue Lebensphase – in die Ausbildung als Primarschullehrer, um mein Leben mit Kindern zu teilen. Dort musste die Spur nach einem Leben, das sich lohnte, aufgenommen werden. Es war der Beginn meines «Heimwegs».