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Dieses Buch enthält folgende Western: Pete Hackett: John Carsons Gesetz Pete Hackett: Der Sohn des Gehenkten Wyoming-Territorium, in einer wolkenverhangenen Augustnacht des Jahres 1855. Aus einem Fenster der Duncan-Ranch fiel gelbes Licht. Es war kurz nach Mitternacht. Die drei Männer, die am Tisch saßen, verströmten Unruhe und Rastlosigkeit. Das Licht der Petroleumlampe in der Tischmitte geisterte über ihre angespannten Gesichter, warf ihre Schatten auf Fußboden und Holzwände. Juliet Duncan stand am Herd und ahnte, dass sich über ihren Köpfen das Unheil zusammenbraute wie ein vernichtendes Gewitter. Etwas Genaues aber wusste sie nicht. Nur, dass ihr Mann und seine beiden Freunde Jesse Lawson und John Corda vor einer halben Stunde abgehetzt, bleich und voll hektischer Nervosität ankamen, und dass sie seitdem stumm und düster vor sich hin brütend am Tisch saßen.
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Seitenzahl: 280
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Western Sammelband 2003 - Zwei starke Western: Die großen Western von Pete Hackett
John Carsons Gesetz
Der Sohn des Gehenkten
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author / COVER KLAUS DILL
© dieser Ausgabe 2019 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Dieses Buch enthält folgende Western:
Pete Hackett: John Carsons Gesetz
Pete Hackett: Der Sohn des Gehenkten
Wyoming-Territorium, in einer wolkenverhangenen Augustnacht des Jahres 1855. Aus einem Fenster der Duncan-Ranch fiel gelbes Licht. Es war kurz nach Mitternacht. Die drei Männer, die am Tisch saßen, verströmten Unruhe und Rastlosigkeit. Das Licht der Petroleumlampe in der Tischmitte geisterte über ihre angespannten Gesichter, warf ihre Schatten auf Fußboden und Holzwände.
Juliet Duncan stand am Herd und ahnte, dass sich über ihren Köpfen das Unheil zusammenbraute wie ein vernichtendes Gewitter. Etwas Genaues aber wusste sie nicht. Nur, dass ihr Mann und seine beiden Freunde Jesse Lawson und John Corda vor einer halben Stunde abgehetzt, bleich und voll hektischer Nervosität ankamen, und dass sie seitdem stumm und düster vor sich hin brütend am Tisch saßen.
von Pete Hackett
(alte Rechtschreibung)
Besorgt beobachtete Elliott McCormick die Entwicklung der Dinge. Soeben hatte sein Freund und Partner Horatio Smith den Fremden als Falschspieler bezeichnet. Die Atmosphäre im Saloon war plötzlich mit unheilvoller Explosivität geladen. Die beiden Männer, die zusammen mit Horatio und dem Fremden am Spieltisch saßen, rafften ihr Geld zusammen, ließen ein paar Münzen für ihre Zeche liegen und verzogen sich schnell. Sie verschwanden im Gewühl der Kerle, die in Dreierreihe am Tresen standen.
Elliott saß mit ein paar Freunden und Bekannten zwei Tische weiter. Mit schneidender Stimme, die die eingetretene, bleierne und gefährliche Stille sprengte wie das Klirren von Stahl, stieß Horatio noch einmal hervor: „Sie sind ein verdammter Falschspieler, Mister. Ich habe es genau gesehen. Sie gaben sich Ihre Karten von unten. Jetzt ist mir auch klar, weshalb Sie so erpicht darauf waren, die Bank zu halten.“
Horatio war groß, breitschultrig und blondhaarig. Er ruckte in die Höhe. Mit beiden Armen stützte er sich auf den Tisch, weit beugte er sich vor. In seinen blauen Augen flammte der heiße Zorn.
Die Linke des Fremden lag auf dem Tisch. Daneben befand sich das Päckchen Karten. Die Rechte des Mannes hing neben dem Colt.
Horatio dehnte: „Leugnen ist zwecklos. Sie sind ein mieser Betrüger. Normalerweise gibt es darauf nur eine Antwort. Aber wir wollen doch friedlich bleiben, nicht wahr? Also verschwinden Sie und lassen Sie sich hier nie wieder sehen.“
Der Fremde lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Sein linker Mundwinkel zuckte verächtlich in die Höhe. „Sie können nicht verlieren, mein Freund“, klirrte sein Organ. „Und weil das so ist, stellen Sie die Behauptung auf, ich hätte betrogen. Beweisen Sie’s. Vorwärts.“
Er brach ab, musterte Horatio höhnisch, und als dieser nur auf seiner Unterlippe herumkaute, zischte er mit boshaftem Unterton: „Aaah, Sie können den Beweis nicht antreten. Nun, ich hoffe, Sie sind bewaffnet. Sie haben mich des Falschspiels bezichtigt und ich lasse das nicht auf mir sitzen. Gehen wir hinaus und klären wir es.“
Im Schankraum war es derart still, daß sogar das Summen der Fliegen an den beiden großen Frontfenstern zu vernehmen war. Die Luft schien mit Elektrizität aufgeladen zu sein. Die knisternde, erwartungsvolle Spannung berührte jeden der Anwesenden wie etwas Greifbares, etwas Stoffliches.
„Ich bin nicht bewaffnet“, knurrte Horatio, „und ich schieße mich auch nicht mit Ihnen, Stranger. Es reicht mir, wenn Sie Leine ziehen – ohne das Geld hier natürlich.“
Horatio zog den Mund schief und wies mit einer knappen Geste auf die Scheine und Münzen, die sich vor dem Fremden und in der Tischmitte stapelten.
Der Fremde stemmte sich am Tisch in die Höhe. Tief an seinem rechten Oberschenkel hing das offene Holster mit dem Colt. Sein Blick bohrte sich in den Horatios. „Und wenn ich nicht verschwinde?“ fragte er drohend. Mit den eiskalten Augen eines Reptils fixierte er Horatio.
Elliott überlegte, ob er eingreifen sollte. Er entschloß sich, abzuwarten. Horatio war ein Mann, der sich selbst gut zu helfen wußte. Und da Horatio unbewaffnet war, würde es sich der Fremde zweimal überlegen, nach dem Sechsschüsser zu greifen.
Daß dies ein Trugschluß war, daß diese Überlegung einen tödlichen Fehler beinhaltete, sollte Elliott innerhalb der nächsten zwei Minuten auf brutale, grausame Art und Weise klargemacht werden.
„Dann werde ich sie wohl verprügeln und eigenhändig auf die Straße werfen müssen!“ tönte Horatio, richtete sich auf und machte Anstalten, den Tisch zu umrunden, um seine Ankündigung in die Tat umzusetzen.
Da griff der Fremde nach dem Colt. Er zog ihn mit verblüffender Schnelligkeit, wie ein ausgestreckter Zeigefinder stieß der Lauf auf Horatio zu, und dann donnerte der Schuß. Horatio hielt abrupt an, seine Augen weiteten sich in maßlosem Staunen, er wankte, und plötzlich fiel er über den Tisch, riß ihn um und krachte auf den Boden.
Der Fremde feuerte eine Kugel in die Decke. „Platz!“ brüllte er. „Macht Platz! Wer versucht, mich aufzuhalten, frißt Blei!“
Die Menschen im Saloon waren wie erstarrt. Sie waren Zeugen eines kaltblütigen Mordes geworden, und es überstieg ihr Begriffsvermögen. Auch Elliott mußte das alles erst verarbeiten. Als er seine Fassungslosigkeit überwand und aufsprang, war der Mörder schon bei der Pendeltür. Und als Elliott mit dem Colt in der Faust den Ausgang erreichte, verschwand der Fremde gerade auf der anderen Straßenseite in einer stockfinsteren Gasse. Elliott jagte einen Schuß hinter ihm her. Drüben lohte es grell auf. Die Kugel schlug neben Elliott in den Tragebalken des Vorbaudaches ein und erschütterte die gesamte Konstruktion.
„Jemand soll den Marshal verständigen!“ schrie jemand.
Ein anderer brüllte nach dem Doc.
Elliott trieb die Sorge um seinen besten Freund in den Saloon zurück. Er kniete bei ihm nieder. Horatios Lider flatterten. Eine Mauer aus Leibern umringte sie. Das schmale Gesicht des Verwundeten war bleich. Der Blutfleck auf seiner Hemdbrust vergrößerte sich schnell. Münzen und Geldscheine lagen um Horatio herum auf dem Boden.
„Er – hat – tatsächlich – falsch – gespielt“, flüsterte Horatio mit erschreckend schwacher und verlöschender Stimme. Ein Gurgeln kämpfte sich in seiner Brust hoch, sein Mund öffnete sich, einige Wortbrocken drangen noch heraus, aber Elliott konnte schon nicht mehr verstehen, was der Freund noch sagen wollte. Und plötzlich kippte Horatios Kopf zur Seite. Seine Augen brachen, die Leere des Todes legte sich in seine Züge.
Schwindelgefühl erfaßte Elliott. Das alles kam ihm unwirklich und alptraumhaft vor. Horatio war tot. Es war Tatsache. Aber es wollte nicht in seinen Kopf. „Amigo“, murmelte er rauh. „Gütiger Gott, Horatio...“
Seine Stimme brach.
*
Das Aufgebot, das dem Mörder folgte, kam unverrichteter Dinge zurück. Elliott begab sich in das Sheriff’s-Office und wollte Einzelheiten wissen. Der Gesetzeshüter zuckte bedauernd mit den Achseln und meinte: „Als er in Santa Fe ankam mietete sich der Bursche unter dem Namen Scott Garrett im Cosmopolitan-Hotel ein. Er gab dem Clerk zu verstehen, daß er nur auf der Durchreise wäre, und daß sein Ziel Arroyo Hondo oben im Taos County sei, weil er dort auf einer Ranch am Arroyo la Petasa einen Job annehmen wolle. Arroyo Hondo ist gut und gerne sechzig Meilen von Santa Fe entfernt. Ich kann von den Männern nicht erwarten, daß sie eine Woche oder länger von zu Hause wegbleiben, um einen Banditen zu fangen. Und ich – nun, McCormick, ich denke, ich werde hier gebraucht. Ich werde den Sheriff von Arroyo Hondo telegraphisch benachrichtigen, und es wird bald einen Steckbrief von dem Mörder Ihres Geschäftspartners geben. Mehr kann ich im Moment nicht tun.“
„Scott Garrett!“ Elliott flüsterte den Namen fast wie eine Beschwörungsformel. Und dann: „Mir entkommst du nicht! Du wirst für Horatios Tod büßen.“
Es klang wie ein Schwur. Und wer Elliott kannte, der wußte, daß es für ihn Gesetz sein würde, den Mörder seines Freundes und Partners zu fangen und zur Rechenschaft zu ziehen...
*
Drei Tage später.
Elliott McCormick blickte auf die Ansammlung von Häusern und Hütten hinunter und wußte, daß er sein Ziel erreicht hatte. Langsam atmete er aus. Vor seinem Blick lag die kleine Ortschaft Arroyo Hondo. Elliott hatte das Pferd gezügelt und verhielt auf der Kuppe des Hügels südlich des Ortes. Es war heiß. Die Menschen in Arroyo Hondo hielten Siesta. Kaum ein Luftzug regte sich.
Elliott schob sich den breitrandigen Hut etwas aus der Stirn. Schweiß perlte auf seiner Stirn. Er setzte sich bequemer im Sattel zurecht. Das Pferd unter ihm stand ruhig und peitschte mit dem Schweif. Elliott nahm alle Eindrücke, die sich ihm boten, auf, verarbeitete sie und setzte mit einem Schenkeldruck das Pferd wieder in Bewegung. Er lenkte es auf den ausgefahrenen Reit- und Fahrweg, der direkt in die Main Street von Arroyo Hondo mündete. Elliott hatte keine Ahnung, daß er direkt in die Hölle ritt.
*
Die Häuser der Stadt reihten sich zu beiden Seiten der Main Street aneinander. Die meisten besaßen falsche Fassaden, von denen oftmals schon die Farbe abblätterte. Am Ende der Main Street war die Methodistenkirche mit dem spitzen Glockenturm errichtet worden. Linkerhand führte eine Holzbrücke über einen schmalen Fluß, der etwa eine Meile weiter westlich in den Rio Grande mündete. Außerhalb der Town säumte dichtes Gebüsch die Ufer des Creeks. Es gab Geschäfte, ein Hotel, zwei Saloons, und ein Sheriff's Office mit angebautem Jail. Gassen zweigten von der Main Street ab, und am Ende einer dieser Gassen lag der Mietstall. Ein großes Schild mit einer entsprechenden Aufschrift wies Elliott den Weg. Das Tor zum Wagenhof stand offen. Elliott saß ab und führte das Pferd in den Stall. Zu beiden Seiten des festgestampften Mittelganges befanden sich die Boxen für die Pferde. Es war stickig und roch nach Heu, Stroh, Pferdeschweiß und Leder. Die Hälfte der Boxen stand leer.
"Hallo, Stall!" rief Elliott staubheiser, mit angegriffener Stimme, und als sich nichts rührte, noch einmal: „Hallo, ist hier jemand?“ Es kam fast ungeduldig. Elliott schaute sich aufmerksam um. Ein Rotfuchs, wie Scott Garrett ihn ritt, war nicht zu sehen.
Aus dem hinteren Teil des Stalles wehte ein Geräusch an Elliotts Gehör. Aus der Düsternis schälte sich die Gestalt eines mittelgroßen Mannes. Er ging gebeugt, seine Schultern hingen nach unten, als würde er eine schwere Last tragen, seine Schritte schlurften müde über den Boden. Nur langsam kam er näher. Elliott entging nicht, daß das Gesicht des Mannes von Faustschlägen entstellt war. Es wies dunkle Schwellungen auf, Blutergüsse, sowie kleine Platz- und Schürfwunden, die allerdings schon verschorft waren. Obwohl der Bursche sich bewegte wie ein alter, gebrechlicher Greis, war er nicht älter als dreißig Jahre. "Sie möchten sicher Ihr Pferd unterstellen, Stranger?" fragte er nuschelnd. Seine geschwollenen Lippen ließen keine klare Aussprache zu.
Elliott eiste seinen fragenden Blick vom zerschlagenen Gesicht des Mannes los und erwiderte: "Zumindest für ein oder zwei Tage.“ Er machte eine kurze Pause, nagte nachdenklich an seiner Unterlippe, und sagte schließlich: „Erlauben Sie mir eine Frage, Mister?" Und ohne eine Antwort abzuwarten stellte Elliott die angekündigte Frage auch schon: "Wer hat Sie so übel zugerichtet".
Die Hand des Stallburschen tastete fahrig über das malträtierte Gesicht. Er zog seinen Kopf zwischen die Schultern, starrte Elliott düster an, seine Augen flackerten mißtrauisch. Schließlich erwiderte er abgehackt:
"Das war ein Fremder, der gestern in Arroyo Hondo angekommen ist. Seinen Namen kenne ich nicht. Er erkundigte sich nach der Arroyo la Petasa-Ranch John Carsons. Und weil ich ihn fragte, ob er einer von jenen Kerlen sei, die Carson anheuert, damit sie mit Pulverdampf und Blei für ihn die Siedler zu beiden Seiten des Flusses vertreiben, bekam er das wohl in den falschen Hals. Ehe ich mich versah, lag ich am Boden, und er traktierte mich mit den Füßen, bis ich mich nicht mehr rührte.“
„Ritt der Fremde einen Rotfuchs?“ wollte Elliott wissen.
„Ja. Und er schien einen ziemlich langen Trail hinter sich gehabt zu haben. An Pferd und Reiter klebte der Staub vieler Meilen. Das Tier war ziemlich abgetrieben, ich möchte fast sagen zuschanden geritten.“ Der Stallmann nickte grimmig. Dann fügte er hinzu: „Danach, wie ein Mann sein Pferd behandelt, kann ich seinen Charakter einschätzen. Sie, Mister, haben Ihren Hengst nicht überfordert.“
„In der Wildnis hängt das Überleben oftmals von der Kraft und den Reserven des Pferdes ab, das einen trägt“, murmelte Elliott. Er schnallte seine Satteltaschen los, warf sie sich über die linke Schulter und nahm sein Gewehr. Der Stallbursche griff nach dem Kopfgeschirr des Hengstes, um ihn in eine Box zu führen. Elliotts Stimme hielt ihn zurück. Er fragte:
„Wo finde ich die Arroyo la Petasa-Ranch?“
Die Miene des Stallburschen verschloß sich augenblicklich, versteinerte regelrecht, er musterte Elliott feindselig von oben bis unten. Am tiefsitzenden Colt an Elliotts rechter Seite blieb sein Blick etwas länger haften. „Ich habe mich wohl verschätzt, als ich vom Zustand Ihres Pferdes auf Ihren Charakter schloß“, stieß er hervor. „Sie gehören also auch zu der schießwütigen Sorte, mit der sich John Carson seit einiger Zeit umgibt.“
„Sie urteilen recht vorschnell, mein Freund“, murmelte Elliott ohne besondere Gemütsregung. „Und Sie machen aus Ihrem Herzen keine Mördergrube, wie?“
Der Stallmann spuckte auf den Boden, wandte sich wortlos ab und dirigierte Elliotts Pferd in eine Box. Er war davon überzeugt, einen Mann vor sich zu haben, der bereit war, seinen Colt an John Carson zu vermieten.
Elliott grinste kantig. Er kratzte sich am stoppelbärtigen Kinn. Eingetrockneter Staub rieselte aus den Bartstoppeln auf den Boden. „Jetzt kann ich verstehen, weshalb Ihnen eine jähzorniger Hundesohn wie Scott Garrett eine Tracht Prügel verabreichte. Danken Sie Gott, daß er nicht ein Stück Blei in Sie hineinknallte.“
„Den Gaul unterzustellen kostet einen Dollar pro Tag!“ stieß der Stallmann unfreundlich und abweisend hervor. „Zahlbar im Voraus.“
Elliott holte einen Dollar aus der Tasche, warf ihm den Stallmann zu. Dieser sagte: „Scott Garrett - ist das der Bursche, der mich mit Hilfe einiger niederträchtiger Tricks gestern brutal zusammenschlug?“
„Yeah.“
„Scott Garrett.“ Der Stallmann murmelte den Namen voll Haß. Sein Blick verlor sich durch das Stalltor auf einem ungewissen Punkt im Hof. Plötzlich blinzelte er. Er schob das Kinn vor. „Reiten Sie acht Meilen nach Westen, Mister. Benutzen sie den Weg, der nach der Brücke beginnt. Dann stoßen sie genau auf die Arroyo la Petasa-Ranch. Sie liegt an dem Creek, nach dem Carson sie benannt hat.“
Der Stallbursche öffnete den Bauchgurt. Dann hob er den schweren Sattel vom Pferderücken. Er verzog das Gesicht, denn es gab nach den Fußtritten, die ihm Scott Garrett verpaßt hatte, fast keine Stelle an seinem Körper, die nicht schmerzte.
Elliotts Interesse war erwacht. Er legte die Satteltaschen auf einer Futterkiste ab, setzte sich daneben, lehnte das Gewehr zur Seite und holte sein Rauchzeug aus der Tasche. Und während er sich eine Zigarette rollte, fragte er: „Sie sind kein Freund Carsons, wie?“
Der Stallmann hatte den Sattel abgelegt. Jetzt kam er zurück, um dem Pferd das Zaumzeug abzunehmen. Elliott zündete sich die Zigarette an. Mit verschlossenem Ausdruck musterte ihn der andere. Dann knurrte er feindselig: „Wollen Sie mich dazu verleiten, Dinge zu sagen, die dazu angetan sein können, mir mein eigenes Grab zu schaufeln?“
„Keine Sorge, mein Freund“, murmelte Elliott. „Ich steige gewiß nicht in den Sattel dieses John Carson. Garrett hat unten in Santa Fe meinen Freund und Partner am Spieltisch erschossen. Er zog und feuerte ohne jede Warnung, und dann verschwand er wie der Blitz. Um ihn zur Rechenschaft zu ziehen bin ich hier. Also sprechen Sie. Was läuft hier ab?“
Elliott inhalierte den Rauch seiner Zigarette und fixierte den Stallmann fordernd und abwartend. Der musterte ihn argwöhnisch und abschätzend, schien ihn zu erforschen und sich zu bemühen, seine geheimsten Gedanken zu ergründen. Schließlich zuckte er mit den Achseln. Wortlos nahm der dem Pferd das Kopfgeschirr ab, dann begann er, das Tier mit einem Strohbüschel abzureiben.
Elliott knurrte: „Nicht nur, daß Sie kein Freund Carsons sind, Amigo - Sie fürchten ihn auch. Sie fürchten ihn wie der Teufel das Weihwasser, richtig? Und weil das so ist, sind Sie mißtrauisch. Sie trauen nicht mal Ihrem eigenen Schatten, schätze ich. Aber ich beginne mir selbst einen Reim zu machen. Gerade Ihr Schweigen sagt mir mehr als alle Worte. Gewalt und Terror, nicht wahr? Carson hat dieser Stadt seinen Stempel aufgedrückt, hält sie mit Hilfe seiner rauhbeinigen Mannschaft im Würgegriff und ist akribisch darauf bedacht, niemand aus seinem Schatten herauswachsen zu lassen.“
Der Stallmann schwieg verbissen.
Elliott erhob sich, warf die Zigarette auf den Boden und trat die Glut sorgfältig aus. Der andere hatte Angst, mißtraute ihm, und seine Fragen waren in den Wind gesprochen. Er gab es auf. Als die Satteltaschen wieder über seiner Schulter hingen und er das Gewehr in der Hand hielt, sagte er:
„Es ist Carsons Gesetz, nach dem ihr hier lebt. Was sagt der Sheriff dazu? Hat auch er sich Carsons Gesetz untergeordnet, vertritt er es vielleicht sogar?“
Bitter lachte der Stallmann auf. „Er mußte sich nicht unterordnen, Mister. Er war von Anfang an ein Sheriff von Carsons Gnaden. Sein Name ist Morton Abbott. Sie werden ihn schon kennenlernen.“
Der Stallmann lief mit einem leeren Eimer zu der Futterkiste und beachtete Elliott nicht mehr. Der Deckel knarrte, als er ihn hochhob. Die Kiste war voll Hafer.
Auf Elliotts Stirn stand eine steile Falte, als er den Stall verließ. Er lenkte seine Schritte hinüber zum Hotel. Er hatte beschlossen, sich erst ein Zimmer zu mieten, und sich dann im Barber Shop ein heißes Bad und eine Rasur zu gönnen. Er dachte über das nach, was er erfahren hatte. Und er kam zu dem Schluß, daß es nicht einfach werden würde, Scott Garrett zu schnappen, wenn er sich tatsächlich einer rauhen und unduldsamen Mannschaft angeschlossen hatte.
*
Tiefziehende Wolken verdeckten den Mond. Schauerlich trieb der Ruf eines Käuzchens durch die Nacht. Pochender Hufschlag rollte durch die Finsternis, wehte über den Fluß, und vermischte sich mit dem Rauschen des Windes in den Baumkronen und Büschen.
Das flache Farmhaus lag im Dunkeln. Die Blendläden lagen vor den Fenstern. Im Corral schliefen die beiden Ochsen. Sie zogen bei der Bestellung der Äcker den Pflug, bei der Ernte den flachen Farmwagen. Sie waren überhaupt unentbehrlich für die tägliche Arbeit auf der Farm. Die Farm gehörte einem Mann Namens Hank Cleveland. Er war verheiratet, sein Bruder half ihm bei der Bewirtschaftung.
Die Menschen auf der Farm schliefen und waren ahnungslos. Vor drei Jahren hatte die Regierung das Land südlich von Tres Piedras bis hinunter zur Mündung des Arroyo la Petasa in den Rio Grande zur Besiedlung freigegeben. Hank Cleveland hatte eine der Heimstätten erworben. Er wollte hier den Grundstein für eine gute, sorgenfreie Zukunft legen.
Im Ufergebüsch zügelten die Reiter die Pferde. Der Hufschlag versank. Nur das Klirren der Gebißketten, das Knarren des Sattelleders und manchmal ein dumpfes Stampfen waren zu vernehmen. Es waren fünf Männer. Sie starrten auf den kastenähnlichen Umriß des Hauses, der sich schwarz aus der Dunkelheit abhob. Eine Stimme rasselte: „Wir nehmen keine Rücksicht. Ihr kennt die Order. Wenn wir von hier verschwinden, darf kein Stein mehr auf dem anderen sein. Also, vorwärts, verteilt euch.“
Sie zogen ihre Waffen, luden durch und ritten auseinander. Der Hufhund hörte sie. Er kroch aus seiner Hütte und schlug an. Die Kette, an der er angehängt war, klirrte. Sein Kläffen erfüllte die Nacht, steigerte sich, und schließlich gebärdete sich der Hund wie verrückt.
Durch einige Ritzen in der Haustür fielen plötzlich dünne Lichtstreifen. Knarrend öffnete sich die Tür. Ein Mann in einem langen Leinennachthemd mit einer Laterne in der Hand trat ins Freie. Das Licht huschte vor ihm her in den staubigen, von Wagenrädern zerfurchten Farmhof.
„Ruhig, Hasso!“ rief der Mann wütend. Es war Mitternacht. Ein Tag voll harter Farmarbeit lag hinter ihm. Mit den Hühnern mußte er am kommenden Tag wieder aufstehen. „Ruhig, verdammt!“
Aber der Hund zerrte an der Kette, bellte und gebärdete sich wie irrsinnig.
„Was hat er nur? Schleicht etwa jemand ums Haus? Indianer vielleicht?“
Es war Cora Cleveland, die besorgt diese Fragen stellten. Sie erschien in der Tür, in einem wallenden Nachthemd aus dem selben Stoff wie das Nachthemd ihres Mannes, nur ein heller Schemen, denn die Dunkelheit hüllte sie ein und ihr Mann befand sich mit der Laterne mitten im Ranchhof.
„Ach was“, winkte der Mann ab. „Hier gibt es keine Indsmen mehr. Still, Hasso, oder...“
Schüsse peitschten. Der Hund jaulte auf, überschlug sich und lag still. Der Mann wurde herumgewirbelt und umgeworfen. Die Laterne rollte über den Hof und erlosch. Hufschlag kam auf. Feurige Lohen stießen aus den Mündungen und zerschnitten die Dunkelheit. Es klirrte, krachte und knirschte. Ein Fensterladen wurde aufgestoßen. Ein Gewehr spuckte Feuer und Blei den Nachreitern entgegen. Ein wahrer Bleiregen prasselte durch das Fenster. Ein erstickter Aufschrei erklang, ein dumpfer Fall...
Die Detonationen prallten auseinander und zerflatterten in der Weite der Prärie. Pulverdampfwolken wurden vom Nachtwind zerpflückt. Das Hufgetrappel brach ab. Die Reiter rotteten sich im Farmhof zusammen. Von keinem der Clevelands ging noch Gefahr aus.
„Okay, gut Männer. Zündet das Gerümpel an. Wenn morgen die Nachricht von dem Überfall den Fluß hinauf und hinunter geht, wird es sich so mancher der Schollenbrecher überlegen, ob er tatsächlich an seinem Anspruch nach diesem verdammten Heimstättengesetz festhalten will. Uns wird keiner etwas am Zeug flicken können.“
Zwei der Mörder sprangen von den Pferden. Sie liefen in das Haus und in den Heuschober. Streichhölzer flammten auf. Der Mann im Wohnhaus schraubte den Tank einer Kerosinlampe auf und goß den Inhalt auf den Fußboden. Er warf das Streichholz in die Lache. Dann lief er wieder hinaus. Explosionsartig fauchend entzündete sich der Brennstoff. Im Schuppen flackerte eine Flamme aus einem Ballen Stroh...
Die beiden Brandstifter warfen sich in die Sättel. Der Anführer des unbarmherzigen Mörder-Rudels rief: „Verschwinden wir, Männer. Wir haben uns die Prämie redlich verdient, denke ich.“
Sie traktierten ihre Pferde mit den Sporen. Trommelnder Hufschlag schlug wieder durch die Nacht. Das Wasser des Creeks spritzte und gischtete, als sie ihn wenig später durchquerten. Dann verschwanden die Banditen wie ein Spuk zwischen den Felsen im Osten. Der Hufschlag verklang. Sie hinterließen ein Werk sinnloser Zerstörung. Die brutalen Morde schrien zum Himmel...
*
Am Morgen, als die Gräser noch feucht waren vom Tau und über dem kleinen Creek weiße Nebelbänke hingen, ritt Elliott über die Brücke und folgte dann dem Weg nach Westen. Noch war die Luft kühl und frisch. In den Schluchten der umliegenden Berge nistete noch die Dunkelheit. Die Sonne stand wie ein Fanal über dem östlichen Horizont. Langsam wanderte sie höher und das Land erwärmte sich.
Elliott ließ sich Zeit. Er beobachtete die Umgebung, sah bald zu beiden Seiten des Weges grasende Rinder, und ahnte, daß er sich auf dem Gebiet der Arroyo la Petasa-Ranch befand.
Zwei Stunden später lag die Ranch vor ihm. Sie lag in einem weitläufigen, grünen Tal. Die Pappeln und Büsche am Ufer des Arroyo la Petasa bildeten eine satte Kulisse. Jenseits des Flusses zog sich eine Felsenkette von Norden nach Süden. Hinter der Felsbastion, die schweigend, majestätisch und unüberwindlich die fruchtbare Ebene zwischen dem Rio Grande und dem Arroyo la Petasa begrenzte, lag Wildnis. Sie erstreckte sich weit und einsam. Gebirge und Mesen, Täler und Canyons, Geröllhänge, Staub und Sand...
Die Sonne stand jetzt hoch am Himmel. Sie schien heiß. Auf den Fensterscheiben der Ranch brach sich das Licht mit goldenen Reflexen. In einem der Corrals waren Cowboys dabei, Broncos einzubrechen. Ein Mann versuchte, sich auf einem bockenden, auskeilenden und steigenden Pferd zu halten. Staub wallte dicht. Drei Cowboys saßen auf dem Gatter, klatschten in die Hände und feuerten den Bronco Buster an.
Elliott sah einige Helps, die ihrer Arbeit in den Ställen und Scheunen nachgingen. Hammerschläge erklangen aus der Schmiede.
Das Pferd unter Elliott tänzelte. Er nahm all die Eindrücke, die sich ihm boten, auf und ließ sie auf sich wirken.
Die Arroyo la Petasa-Ranch war eine große Ranch. Sie verriet den Wohlstand ihres Besitzers. Das Haupthaus war gemauert und stöckig. Das Bunkhouse verriet, daß es eine große Mannschaft beherbergte. Es war langgezogen, wies auf der Längsseite acht Fenster auf, und war ebenfalls gemauert. In der Remise standen verschiedene Fuhrwerke. In drei Corrals grasten Pferde und einige Maultiere.
Elliott war beeindruckt.
Er ritt weiter. Durch ein hohes Galgentor, über das ein großes Schild mit dem Namen der Ranch und dem des Besitzers genagelt war, ging es in den weitläufigen Ranchhof. Der Bronco Buster war inzwischen abgeworfen worden und verließ humpelnd die Fence. Das Pferd vollführte wahre Bocksprünge. Die Männer auf dem Gatter wurden auf Elliott aufmerksam. Auch einige Helps hielten mit der Arbeit inne und starrten dem Reiter entgegen.
Beim Haupthaus zügelte Elliott. Vier Männer verließen die Mannschaftsunterkunft. Drei von ihnen blieben abwartend stehen. Ein hochgewachsener Mann mit einem schmalen, kantigen Gesicht, scharfen, durchdringenden Augen und blonden Haaren schlenderte heran. Er bewegte sich geschmeidig, fast gleitend, mit einer lässigen Geste hob er die rechte Hand, sein rechter Mundwinkel zuckte in die Höhe, als er wortkarg fragte: „Zum Boß? Bist du ein Neuer?“
Der tiefsitzende Colt des Burschen und die Art, wie er den Knauf nach außen gedreht hatte, um einen schnellen, glatten Zug zu gewährleisten, verriet Elliott, daß er es mit einem Mister von der schnellschießenden Sorte zu tun hatte.
Er legte die Hände übereinander auf das Sattelhorn, verlagerte das Gewicht seines Oberkörpers auf die Arme und erwiderte gedehnt: „In Arroyo Hondo erfuhr ich, daß die Arroyo la Petasa-Ranch Männer mit gewissen Fähigkeiten sucht. Da ich einen Job suche, dachte ich, ich seh mich mal um hier draußen.“
Der Mann im Hof hatte die Daumen in den Revolvergurt gehakt, unterzog Elliott einer eingehenden Prüfung - einer Prüfung auf Herz und Nieren sozusagen -, erforschte sein Gesicht, schien darin zu lesen, und schließlich nickte er. „Warte hier draußen, Mister. Ich melde dich beim Boß an. Sag mir deinen Namen.“
„Elliott McCormick.“
Es gab keinen Grund für Elliott, seinen richtigen Namen zu verschweigen. Brenzlig wurde es lediglich dann, wenn sich Garrett aus irgend einem Grund an ihn erinnerte. Doch diese Möglichkeit schloß Elliott aus. Im Saloon in El Paso waren an jenem Abend, als Horatio starb, gewiß hundert Männer. Weshalb sollte sich Garrett ausgerechnet sein Gesicht eingeprägt haben?
Noch einmal streifte ihn der prüfende Blick des Hochgewachsenen mit dem tiefgeschnallten Colt, dann stieg der Mann die vier Stufen zur Veranda hinauf und gleich darauf verschwand er im Haus.
Elliott kletterte vom Pferd. Er schlang die Leine lose um den Haltebalken vor dem Ranchhaus. Die Cowboys, die dem Bronco Buster zugesehen hatten, waren ein Stück entfernt stehengeblieben und tuschelten miteinander. Die Helps gingen wieder ihrer Arbeit nach. Aus der Schmiede erklang wieder das klirrende Hämmern.
Der große Blonde und ein Mann um die Vierzig kamen aus dem Haupthaus. Elliott sah John Carson und wußte, daß er einen unduldsamen, despotischen, unerbittlichen und unnachgiebigen Rinderbaron vor sich hatte.
Carson war etwas kleiner als der blondhaarige Revolvermann, aber breitschultriger und muskulöser. Doch wirkte er nicht minder geschmeidig und raubtierhaft. Er war schwarzhaarig, über seiner Nasenwurzel wuchsen die dicken, geraden Brauen zusammen, was seinem Gesicht einen finsteren, unnahbaren Ausdruck verlieh, seine Augen waren dunkel wie die Augen eines Kreolen, seine Lippen schmal, sein Kinn war eckig, was Energie, Härte und Durchsetzungsvermögen verriet.
Dieser Mann war beachtlich. Er verströmte eine natürliche Autorität, und sicher war er in der Lage, sich mit den Fäusten oder einer Waffe nachhaltig Respekt zu verschaffen.
Er kam bis an das Vorbaugeländer, legte seine nervigen Hände darauf, fixierte Elliott scharf und durchdringend, dann sprangen seine Lippen auseinander: „Sie suchen einen Job, McCormick? Nun, ich kann gute Männer gebrauchen. Was haben Sie zuletzt getrieben?“
Elliott hob die Schultern, schürzte die Lippen, grinste und erwiderte: „Ich ritt über die Hügel, Carson. Mal hierhin, mal dorthin. Und ich habe eine ganze Menge gelernt dabei.“
„So, was denn?“ kam es wie aus der Pistole geschossen.
„Zum Beispiel mich durchzusetzen. Immer wieder versuchten in den wilden Towns verrückte Burschen, ihr Mütchen an mir zu kühlen. Und irgendwie muß man sich diese großmäulige Sorte schließlich vom Leibe halten. Da diese Burschen Worten und gutgemeinten Ratschlägen meist nicht zugänglich sind, muß man ihnen ihre Lektionen eben auf die harte Tour beibringen.“
Lauernd fragte Carson. „Werden Sie gesucht?“
Elliott schüttelte den Kopf. „Nein. Mein Wort drauf.“
„Wie gut sind Sie mit Colt und Gewehr?“
„Soll ich es Ihnen zeigen?“
„Yeah.“ Carson nickte. „Wer kauft schon die Katze im Sack. Ich zahle gut und ich verlange für gutes Geld gute Arbeit. Und Loyalität - absolute Loyalität. Sehen Sie den rechten Pfosten, der das Dach der Remise trägt. Schießen Sie ein Loch hinein, in der Höhe, in der sich das Herz eines normal gewachsenen Mannes befindet.“
Er wies über den Ranchhof. Elliott drehte den Kopf in die angegebene Richtung. Der Pfosten war etwa armstark. Elliott nickte. Und dann zog er. Es war eine glatte, gleitende Bewegung von Hand, Arm und Schulter. Elliott wirbelte halb um seine Achse, spannte dabei den Hahn und ging in die Hocke nieder. Eine ellenlange Mündungsflamme stieß aus der Mündung seines 45ers. Der wummernde Knall trieb auseinander, prallte gegen die Fassaden der Gebäude und wurde von diesen zurückgeschleudert. Bei dem Pfosten flogen in einer Höhe von etwa anderthalb Yards Holzsplitter durch die Luft.
Elliott drückte die Knie durch und stand wieder aufrecht. Er ließ den Sechsschüsser einmal um seinen Zeigefinger rotieren, dann versenkte er ihn im Holster.
Die drei Kerle beim Bunkhouse klatschten Beifall. Der blondhaarige Mister neben Carson auf der Veranda nickte beifällig. Carson gab zu verstehen: „Nicht schlecht. Ich möchte fast sagen beeindruckend. Okay, ich zahle fünfzig im Monat bei freier Kost und Station, und für besondere Einsätze fließen Sonderprämien. James, zeig ihm seine Bunk und laß sein Pferd versorgen."
„Was habe ich zu tun?“ wollte Elliott wissen.
James Sheridan, der blonde Bursche auf der Veranda, grinste und antwortete: „Zunächst mal reiten wir heute abend nach Arroyo Hondo. Heute ist Samstag, und wir reiten jeden Samstag in die Town, um dort ein wenig den Teufel aus dem Sack zu lassen. Du bist doch sicher kein Feind von Wein, Weib und Gesang?“
Elliott lachte. Es war ein gequältes Lachen, was jedoch niemand bemerkte. „Eher ein Freund - James. Ich denke, bei euch gefällt es mir.“
„Denk nur nicht, daß du für’s feiern bezahlt wirst“, grollte Carsons Baß. „Und noch eins, McCormick: Meinen und Sheridans Befehlen ist absoluter Gehorsam zu leisten. Sheridan ist sozusagen meine rechte Hand. Gehorsam ist im Preis inbegriffen. Ungehorsam dulde ich nicht. Klar?“
„Sonnenklar“, bestätigte Elliott.
„Sanders!“ brüllte Sheridan. Im Tor des Pferdestalles erschien ein schmächtiger Bursche. „Kümmere dich um McCormicks Pferd, Sanders!“ schrie Sheridan. Und an Elliott gewandt sagte er: „Komm, ich zeige dir deinen Schlafplatz.“
Er sprang in den Hof. Elliott folgte ihm zum Bunkhouse. Carson kehrte zurück in sein Haus.
*
Es war fast finster, als sie in der Stadt ankamen. Sie waren zu sechst. Auch Scott Garrett war bei ihnen. Mißtrauisch beobachtete er Elliott. Er hatte in Santa Fe einen Mann brutal niedergeknallt und war nur mit Mühe einem Aufgebot entkommen. Einen Tag später schon tauchte ein Fremder auf. Das rief den nagenden Argwohn in dem Banditen wach. Er fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Eine Hand aus der jüngsten Vergangenheit griff mit eisig kalten Fingern nach ihm und ließ ihn nicht los.
Aus den Fenstern fiel Licht und erhellte an manchen Stellen Gehsteige und Fahrbahn. Niemand ließ sich sehen. Am Samstagabend gehört die Stadt den Männern von der Arroyo la Petasa-Ranch. Die Weidereiter würden später nachkommen. John Carsons Leibgarde bildete immer so etwas wie die Vorhut. John Carson selbst blieb meistens auf der Ranch.
Am Haltebalken vor dem Saloon standen vier Pferde. Sheridan und ein zweiter Mann ritten hin, während die anderen bei der Einmündung der Gasse zum Mietstall warteten. Sie sahen sich die Brandzeichen der Pferde an und kamen zurück. In Sheridans Tonfall lag alle Verachtung, die er aufbringen konnte, als er hervorstieß: „Squatter. Dreckige Landräuber. Ich denke, wir jagen sie aus der Stadt, wenn wir unsere Pferde in den Mietstall gebracht haben.“
Ein niederträchtiges Grinsen kerbte sich in seine Mundwinkel.
Sie folgten der Gasse. Im Hof des Mietstalles brannte eine Laterne. Sie hing an einem Nagel, der neben dem Tor in ein Brett geschlagen war. Ihr Licht reichte nicht aus, den Hof auszuleuchten. Schon nach zwei Schritten endete der Lichtschein und die Dunkelheit begann. Auch im Stall selbst lichtete eine Lampe die Dunkelheit. In den meisten Boxen und in den Ecken aber nistete die absolute Finsternis.
Joe Davis, der Stallbursche, kam. Er erkannte Scott Garrett und schoß ihm einen vernichtenden, haßerfüllten Blick zu. Dann nahm er Elliott in dem Pulk wahr. Er zog den Kopf zwischen die Schultern, ein Schatten lief über sein Gesicht, er kniff die Lippen zusammen. Plötzlich spuckte er zur Seite aus. Sein von Garretts Faustschlägen und Tritten ramponiertes Gesicht verschloß sich. Der Ausdruck einer namenlosen Verachtung trat in seinen Blick.
Sie waren von den Pferden gestiegen. Sheridan warf Joe Davis die Leinen zu. „Versorg sie gut, Davis.“ Plötzlich stutzte er. „He, bist du unter die Stagecouch geraten?“
Elliott schoß dem Stallmann einen warnenden Blick zu. Davis aber achtete nicht auf ihn. Er starrte Garrett an und murmelte rauh: „Ich war nur ein wenig zu neugierig, Sheridan. Und sicherlich auch ein wenig zu direkt. Es ist gut. Ich werde daraus meine Konsequenzen ziehen.“
Aus dem Gehörten schloß Elliott, daß niemand auf der Arroyo la Petasa-Ranch eine Ahnung davon hatte, daß Scott Garrett den Stallmann zusammengeschlagen hatte. Joe Davis übernahm die Pferde und führte sie in den Stall. Sheridan und drei der Kerle schritten zum Hoftor. Garrett blieb zurück, folgte dem Stallmann und zischte: „Welche Konsequenzen, Pferdeknecht?“
Davis sah ihn nicht an, als er versetzte: „Nun, ich werde künftig etwas vorsichtiger sein, Garrett. Vor allen Dingen werde ich Fremden gegenüber keine unbedachten Äußerungen mehr von mir geben.“
Elliott hatte sich an die Einfassung des Stalltores gelehnt. Er hörte die Worte des Stallburschen und etwas in ihm verkrampfte sich. Er rief drängend: „Komm, Garrett, die anderen sind schon vorne bei der Main Street. Wollen wir ihnen den Spaß mit den Homesteadern alleine gönnen?“
Aber der Bandit hörte nicht auf ihn. Er schien den Worten des Stallmannes hinterherzulauschen, hatte den Kopf etwas schiefgelegt, in seinen von Verworfenheit und Brutalität geprägten Zügen arbeitete es, und plötzlich stieß er giftig hervor: „Ich kann mich nicht erinnern, dir meinen Namen genannt zu haben, Pferdeknecht.“
Seine Worte fielen wie Hammerschläge.
Joe Davis erkannte seinen Fehler. Er schalt sich einen verdammten Narren. Unwillkürlich schaute er an Garrett vorbei auf Elliott. Dieser hatte sich von der Wand abgestoßen und stand nun mitten im Stalltor. Groß und verzerrt viel sein Schatten nach draußen.
„Vorhin, als ihr in den Stall kamt, fiel Ihr Name“, versuchte Davis sich herauszureden. Ihm war Elliotts zwingender, geradezu beschwörender Blick nicht verborgen geblieben. „Ja, jemand nannte den Namen Garrett, und Sie reagierten darauf. Also schloß ich daraus, daß Sie Garrett heißen.“
„Das ist eine gottverdammte Lüge, mein Freund“, stieß der Bandit abgehackt und drohend hervor. „Niemand nannte meinen Namen.“ Plötzlich wirbelte er herum. Seine Rechte legte sich auf den Coltknauf. „Du kamst doch von der Stadt aus auf die Ranch, McCormick. Hat er von dir vielleicht meinen Namen erfahren?“
„Ich war nicht im Mietstall“, log Elliott. Verstand und Gefühl in ihm stritten sich, trugen einen wahrhaftigen Kampf in seinem Gemüt aus. Gefühlsmäßig wollte er Garrett die Wahrheit an den Kopf schleudern und ihn dann zwingen, zum Eisen zu greifen. Der Verstand aber warnte ihn. Es war ihm nicht entgangen, daß Sheridan und die anderen drei Schnellschießer alte Bekannte von Garrett waren. Und diese vier Kerle im Nacken sitzen zu haben - das schien Elliott nun doch eine Nummer zu gefährlich. Gewiß, er wollte Sühne für den Mord an seinem Freund. Aber er wollte keinen Selbstmord begehen. „Komm jetzt, verdammt. Hast du etwas zu verbergen, weil du so sonderbar reagierst. Irgendwoher wird er deinen Namen schon wissen. Ist doch egal. Es ist doch sicherlich ein Name, dessen du dich nicht zu schämen brauchst.“
Garretts Schultern sackten nach unten. Die Anspannung in ihm legte sich. Er stieß scharf die Luft durch die Nase aus und sagte an den Stallmann gewandt: „Morgen komme ich wieder. Und dann rate ich dir, mir zu sagen, woher du meinen Namen erfahren hast. Ich habe dich schon einmal verprügelt. Und es wird mir nichts ausmachen, dir eine zweite Abreibung zu verpassen.“