Western Sammelband 2004 - Zwei Romane, so hart wie der Westen selbst: Die großen Western Romane von Pete Hackett - Pete Hackett - E-Book

Western Sammelband 2004 - Zwei Romane, so hart wie der Westen selbst: Die großen Western Romane von Pete Hackett E-Book

Pete Hackett

0,0

Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Western: Pete Hackett: Sie traten das Gesetz mit Füßen Pete Hackett: Carry - geliebt, gejagt und geächtet Lance McLintock parierte sein Pferd und trieb es in den Schutz einer Gruppe von Büschen. Vor ihm lag die Thompson-Ranch im Sonnenglast. Soeben schwang sich Amos Thompson auf den Bock eines leichten Ranchwagens mit flachen Bordwänden. Unter der Tür des flachen Haupthauses stand Carry, die 18-jährige Tochter des Ranchers. Amos ließ die Peitsche knallen. Die beiden Pferde legten sich ins Geschirr. Mit quietschenden Naben rollte das Fuhrwerk an. Staub wolkte unter den Rädern. Holpernd fuhr der Wagen zum Tor des Ranchhofes. Carry winkte ihrem Vater nach. Old Amos aber war in Gedanken versunken und dachte nur an das, was vor ihm lag.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 293

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Pete Hackett

UUID: d4804fd6-d8e3-11e9-9729-1166c27e52f1
Dieses eBook wurde mit StreetLib Write (http://write.streetlib.com) erstellt.

Inhaltsverzeichnis

Western Sammelband 2004 - Zwei Romane, so hart wie der Westen selbst: Die großen Western Romane von Pete Hackett

Copyright

​Sie traten das Gesetz mit Füßen

Carry - geliebt, gejagt und geächtet

Western Sammelband 2004 - Zwei Romane, so hart wie der Westen selbst: Die großen Western Romane von Pete Hackett

Dieser Band enthält folgende Western:

Pete Hackett: Sie traten das Gesetz mit Füßen

Pete Hackett: Carry - geliebt, gejagt und geächtet

Lance McLintock parierte sein Pferd und trieb es in den Schutz einer Gruppe von Büschen. Vor ihm lag die Thompson-Ranch im Sonnenglast. Soeben schwang sich Amos Thompson auf den Bock eines leichten Ranchwagens mit flachen Bordwänden. Unter der Tür des flachen Haupthauses stand Carry, die 18-jährige Tochter des Ranchers.

Amos ließ die Peitsche knallen. Die beiden Pferde legten sich ins Geschirr. Mit quietschenden Naben rollte das Fuhrwerk an. Staub wolkte unter den Rädern. Holpernd fuhr der Wagen zum Tor des Ranchhofes. Carry winkte ihrem Vater nach. Old Amos aber war in Gedanken versunken und dachte nur an das, was vor ihm lag.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER Klaus Dill

© dieser Ausgabe 2019 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Folge auf Twitter:

https://twitter.com/BekkerAlfred

Zum Blog des Verlags geht es hier:

https://cassiopeia.press

Alles rund um Belletristik!

Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe!

Erfahre mehr über Bücher aus unserem Verlag:

Bücher von Alfred Bekker

Bücher von A.F.Morland

Bücher von Manfred Weinland

Bücher von Hendrik M. Bekker

Bücher von Konrad Carisi

Bücher von Wolf G. Rahn

Bücher von Horst Brieber

Bücher von W.A.Hary

Bücher von G.S.Friebel

Bücher von Theodor Horschelt

Bücher von Pete Hackett

​Sie traten das Gesetz mit Füßen

Western von Pete Hackett

Über den Autor

Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war - eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.

Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung."

Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.

Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author

© 2012 der Digitalausgabe 2012 by AlfredBekker/CassiopeiaPress

www.AlfredBekker.de

Als Charlie Bent den Jungen fand, irrte er hilflos am Rand eines riesigen Kakteenfeldes umher. Apachen hatten den Treck überfallen, mit dem seine Eltern nach Oregon wollten. Von den Planwagen waren nur noch rauchende Trümmer übrig. Die Menschen, die voller Hoffnungen auf den Trail nach Westen gegangen waren, waren von den Indsmen grausam abgeschlachtet worden. Wie durch ein Wunder war der Knabe dem blutigen Gemetzel entgangen. Charlie nahm ihn mit in seine Hütte auf der Weide der Hackmesser-Ranch, nannte ihn Saguaro-Kid und zog ihn auf wie ein richtiger Vater. Er lehrte ihm all die Dinge, die ein Mann brauchte, um in einem wilden, hemmungslosen Land bestehen zu können.

Die Jahre vergingen. Achtzehn Jahre zogen ins Land. Kid war ungefähr zwanzig. Er nannte Charlie Dad.

Charlie war über siebzig Jahre alt. Er war müde und verbraucht. Er konnte nicht mehr den ganzen Tag im Sattel sitzen, um Pumas und Coyoten und Wölfe zu jagen, die die Weiden der Hackmesser-Ranch unsicher machten. Er saß viel lieber in seinem Schaukelstuhl, rauchte seine Pfeife und überließ es Kid, Jagd auf das Raubzeug zu machen.

Auch an diesem Tag war Kid am Morgen fortgeritten. Er erzielte eine gute Abschussquote und kam zu der Hütte in den Ladron Mountains zurück, als die Sonne bereits untergegangen war und der Himmel über dem westlichen Horizont in blutigem Rot erglühte.

Wie jeden Abend, wenn Kid zurückkehrte, saß Charlie in seinem Schaukelstuhl vor der Hütte. Doch heute war etwas anders. Charlies Kinn war auf die Brust gesunken. Er hob den Kopf nicht, als der Hufschlag die Hütte erreichte. Er winkte dem Ankömmling nicht zu. Still und zusammengesunken saß er in seinem Schaukelstuhl, ruhig und friedlich, als schliefe er.

Kid zügelte den Braunen und beobachtete den Oldtimer. In Kids schmalem, sonnengebräuntem Gesicht arbeitete es. Er zog die Unterlippe zwischen die Zähne und nagte daran. Eine düstere Ahnung kroch in ihm hoch, und der Rhythmus, in dem sein Herz schlug, beschleunigte sich. Kid verspürte unvermittelt ein flaues Gefühl in der Magengrube. Seine Lippen sprangen auseinander:

„Dad, schläfst du? He, Dad, was ist?“

Von Charlie kam keine Reaktion.

Kid drohte das Herz in der Brust zu zerspringen. Seine Ahnung nahm Formen an. Er sprang aus dem Sattel und rannte zu Charlie hin, rüttelte ihn an der Schulter.

Charlies Oberkörper kippte zur Seite. Die Züge des Oldtimers wirkten seltsam gelöst und friedfertig. Kid begriff, dass Charlie gestorben war.

Ja, Charlie war tot. Auf der Erde neben dem Schaukelstuhl lag seine geliebte Pfeife. Er hatte die Augen geschlossen, seine Lippen waren bläulich verfärbt. Der Tod war völlig überraschend gekommen. Ohne jeden Todeskampf war Charlie hinübergewechselt in die andere Welt.

„Dad!“, entrang es sich Kid heiser und flüsternd. Zuerst befiel ihn Fassungslosigkeit, dann kam die Erschütterung, und dann der Schmerz. Mit fahriger Geste wischte er sich über die Augen, als wollte er einen bösen Traum verscheuchen, schließlich aber brachte er den Aufruhr seiner Gefühle unter Kontrolle.

Er hob Charlie aus dem alten Schaukelstuhl und trug ihn in die Hütte, wo er ihn auf die aus dünnen Stämmen gefügte Lagerstatt legte. Kid faltete die Hände des Toten auf dessen Brust zusammen, setzte sich auf die Bettkante und betrachtete unverwandt das starre Gesicht. Nach und nach begann auch sein Innerstes zu akzeptieren, was sein Bewusstsein ihm sagte: Er war allein - mutterseelenallein. Charlie Bent, der einzige Mensch, den er auf der Welt hatte, war tot.

Als die Nacht endete, als das erste Tageslicht in die Hütte schlich, gelang es Kid, seine Lethargie abzustreifen. Nur gewaltsam konnte er sich von all seinen schmerzlichen Gedanken freimachen. Er erhob sich und ging ins Freie.

Der große Junge holte aus einem niedrigen Anbau einen Spaten und begann bei einer Gruppe von Erlen ein Grab auszuheben. Morgendunst hüllte ihn ein. Auf den Gräsern lag der Tau. Es war kühl. Kid arbeitete verbissen und kam bald ins Schwitzen.

Als die Grube tief genug war, kehrte Kid in die Hütte zurück. Er schlug eine Decke um den Leichnam, trug das Bündel zum Grab und legte es hinein. Kid sprach leise ein Gebet, das Charlie ihm gelernt hatte, dann schaufelte er die feuchte Erde auf den leblosen Körper. Bald zeigte nur noch ein flacher Hügel den Platz an, wo Charlie Bent seine letzte Ruhe gefunden hatte. Aus zwei Brettern fertigte Kid ein schlichtes Kreuz, das er am Kopfende des Hügels in die Erde rammte. Mit seinem Messer hatte er den Namen des Toten in das Querbrett geschnitten. Noch eine ganze Zeit starrte Kid auf das Grab. Dann straffte sich seine Gestalt. Er schwang herum ...

Kid blieb noch bis zum Mittag an dem Platz, zu dem ihn Charlie vor vielen Jahren gebracht hatte. Er nahm das zusammengesparte Geld an sich - es waren etwas über dreihundert Dollar -, packte sich Proviant ein und sattelte schließlich wieder sein Pferd.

Er ließ alles so, wie es war.

Ehe er zwischen die Hügel ritt, hielt er den Braunen noch einmal an, wendete ihn und schaute zurück.

Schwermut ergriff von ihm Besitz. Dann trieb er das Pferd entschlossen zwischen die Hügel.

*

Wochenlang ritt Saguaro Kid kreuz und quer durchs Land. Er kam nach Santa Fe, diesen Dreh- und Angelpunkt, den Umschlagplatz von Waren und Gütern, die für die Versorgung des Landes im weiten Umkreis unabdingbar waren. Santa Fe war eine große, wilde Stadt, angefüllt mit pulsierendem Leben. Hier hatte der Gouverneur von New Mexiko seinen Sitz, hier war man auf der Jagd nach dem Dollar, hier wurden von einigen Mächtigen und Starken die Fäden in der Hand gehalten. Santa Fe war sündhaft und Kid spürte instinktiv den Atem des Bösen und Lasterhaften, der die Stadt durchströmte.

Kid hatte das Gefühl, zwischen den vielen Häusern mit den falschen Fassaden erdrückt zu werden. Und so ritt er weiter. Er wandte sich nach Osten und gelangte zum Pecos River, der hier noch ein schmaler, wilder Fluss war.

Es war später Nachmittag als Kid in die kleine Ortschaft Tererro ritt. Es war noch gar keine richtige Stadt. Die alte Poststraße, der Kid gefolgt war, verbreiterte sich zwischen den Häusern zu beiden Seiten lediglich zur Main Street. Es gab keine zweite oder dritte Häuserreihe, zwischen die Seitenstraßen oder Gassen führten. Es gab nur die Gebäude zu beiden Seiten der Main Street, die sich aneinander reihten wie die Zähne in einem lückenhaften Gebiss.

Unter den Vorbaudächern oder übergebauten Obergeschossen sah Kid einige Menschen auf den Plankengehsteigen. Irgendwo bellte ein Hund. Kid vernahm die keifende Stimme einer Frau. Ein Kind weinte. Über die Fahrbahn trieb der Wind Staubwirbel. Auf den Fensterscheiben brach sich das Licht der Sonne, die auf dem gewellten Horizont im Westen zu stehen schien. Die Schatten krochen in die Länge. Kid wurde von den wenigen Passanten neugierig angestarrt.

Er hielt bei der Schmiede an, weil er dort einen Wassertrog ausmachte. Als Kid absaß, kam der Schmied aus seiner Werkstatt. Er wollte gerade Feierabend machen. Hände und Gesicht des grobschlächtigen Mannes waren rußverschmiert. Schweiß perlte auf seiner Stirn und rann über seine Wangen. Kids Pferd tauchte die Nase in den Trog und trank gierig. Der Blacksmith überkreuzte die muskulösen Arme vor der Brust.

Kid wandte sich ihm zu, ein freundliches Lächeln spielte um seinen Mund, und er sagte: „Sie haben doch sicher nichts dagegen, Mister, wenn ich mein Pferd hier tränke. Der Tag war heiß und ...“

Der Schmied unterbrach ihn: „Wasser ist in Tererro keine Mangelware, Amigo. Das arme Tier soll sich ruhig volltrinken. Auch du siehst nicht gerade frisch und munter aus, Junge. An dir und deinem Gaul klebt der Staub vieler Meilen.“

Kid warf sich einige Hände voll Wasser ins Gesicht, dann erklärte er. „Ja, das Pferd und ich haben tatsächlich viele Meilen hinter uns gebracht. Ich bin wochenlang ziellos durch’s Land getrailt. Jetzt aber habe ich die Nase voll. Ich brauche wieder einen festen Platz und suche einen Job. In Santa Fe hätte ich jederzeit einen kriegen können. Aber die Stadt behagte mir ganz und gar nicht. Ich kam mir dort vor wie in einen Käfig gesperrt. Darum verließ ich Santa Fe sehr schnell wieder.“

„Ein weiser Entschluss, mein Junge.“ Der Schmied maß Kid von oben bis unten, schätzte ihn ein, und es war, als versuchte er, den Charakter Kids zu erforschen und zu analysieren. Er murmelte: „In Santa Fe kann ein Bursche wie du leicht unter die Räder kommen. - Du suchst einen Job? Was kannst du denn?“

Kid verzog den Mund. „Bis vor einigen Wochen habe ich unten in den Ladron Mountains die Weiden der Hackmesser-Ranch vom Raubzeug saubergehalten. Zusammen mit“ - Kid zögerte etwas, dann sprach er weiter - „meinem Dad. Aber Dad starb. Ich beerdigte ihn und verließ den Platz, an dem wir lebten.“

„Du kannst also schießen“, stellte der Schmied fest. Sein Gesicht verschloss sich etwas, sein Mund verkniff sich. Schließlich aber fragte er: „Kannst du außerdem noch etwas? Hattest du schon mal mit Rindern zu tun?“

„Nein. Außer reiten und schießen habe ich nichts gelernt.“

„Es ist nicht viel, was du kannst, Junge“, meinte der Schmied. Noch einmal wanderte sein durchdringender Blick an Kids Gestalt hinauf und hinunter, und der große, vierschrötige Mann fühlte, dass er einen vollkommen unverdorbenen Burschen vor sich hatte. Er sagte: „Heute ist Samstag. Wahrscheinlich kommt Thomas Baker mit seinen Leuten in die Stadt. Frag ihn nach Arbeit. Vielleicht findet Thomas Verwendung für dich.“

Kid schaute fragend.

„Baker gehört die Bar-B weiter nördlich des Flusses“, erklärte der Schmied. „Es ist keine große Ranch. Thomas beschäftigt nur drei Reiter. Er selbst ist ein hartarbeitender, ehrlicher Mann.“

„Wo treffe ich die Bar-B-Leute?“, erkundigte Kid sich interessiert.

Der Schmied lachte fast belustigt auf. „Im Saloon natürlich - wo sonst?“

„Ich danke Ihnen“, sagte Kid einfach. „Sagen Sie mir Ihren Namen, Mister?“

„Warum nicht? Ich heiße Jeremy Sanborn. Und - außer dass ich Pferde beschlage und andere Schmiedearbeiten erledige -, vertrete ich in dieser kleinen, schönen Town das Gesetz. Wie heißt du überhaupt?“

„Saguaro Kid.“

Die Brauen Sanborns zuckten überrascht in die Höhe. Seine Stirn runzelte sich. „Ist das dein wirklicher Name?“, dehnte er.

„Dad - ich meine Old Charlie, nannte mich so. Er fand mich, als ich ungefähr zwei Jahre alt war, in der Nähe von Socorro am Rand eines Kakteenfeldes. Saguaro-Kakteen ... Apachen überfielen den Treck, dem sich meine Eltern angeschlossen hatten.“

Kid verstummte vielsagend.

„Das ist schlimm, Saguaro Kid“, presste Sanborn hervor. Und nach einiger Zeit des Schweigens fügte er hinzu: „Thomas beschäftigt drei wilde Burschen, die immer und überall zu einem höllischen Spaß bereit sind. Ihnen solltest du aus dem Weg gehen. Wende dich also an niemand anderen als an Thomas selbst oder seinen Sohn Fred.“

„Das werde ich. Vielen Dank für den Tipp.“

Kid griff nach den Zügeln seines Pferdes, um es in den Mietstall zu führen. Jeremy Sanborn schaute hinter ihm her. Sekundenlang fragte er sich, ob es gut war, diesen großen Jungen an die Bar-B verwiesen zu haben. Wie leicht konnte er zum Spielball der rauen Scherze Howard Thompsons, Tom McLowrys und Lee Holymans werden, jener drei raubeinigen Kerle, die auf Thomas Bakers Lohnliste standen.

*

Die Sonne versank und in ihrem Widerschein schien der westliche Himmel in Flammen zu stehen. Kid wusste den Braunen im Mietstall gut versorgt. Er ging in den Saloon und bestellte sich ein Essen. Dazu trank er ein Bier. Draußen nahm die Dunkelheit zu. Der Salooner zündete einige Laternen an. Außer Kid befanden sich noch ein halbes Dutzend Männer im Schankraum. Es waren Bürger der Stadt. Sie saßen an verschiedenen Tischen und unterhielten sich über alle möglichen belanglosen Dinge.

Als es finster war, als der Salooner den leeren Teller längst weggetragen hatte und Kid noch immer vor seinem Bier saß, wie ein Mann, der auf etwas wartete, trieb pochender Hufschlag heran. Kid hob den Kopf und lauschte. Das dumpfe Pochen näherte sich und wurde deutlicher. Vor dem Inn brach es ab. Raue Stimmen erklangen, dann dröhnten harte Schritte über den Vorbau, und im nächsten Moment drängten drei Männer in der typischen Tracht der Weidereiter in den Schankraum.

Es waren hochgewachsene, ausgesprochen geschmeidige Burschen. Jeder trug ein Halfter mit einem Colt am Gürtel, die Sporen an ihren Stiefeln rasselten und klirrten bei jedem ihrer Schritte. Grinsend gingen sie zum Schanktisch und bauten sich dort auf. Der Salooner wandte sich ihnen zu:

„Hallo, Leute. Brandy?“

„Yeah, Slim, eine Flasche und drei Gläser“, erwiderte einer der Cowboys, ein blondhaariger Bursche mit kantigem Gesicht und blitzenden, blauen Augen.

Sie bekamen die Flasche und der blondhaarige Weidereiter schenkte ein. Sie tranken. Einer, ein hagerer, dunkelgesichtiger Bursche, hüstelte. Die Tränen traten ihm in die Augen. „Das ist ja das reinste Gift!“, keuchte er.

„Du musst es ja nicht trinken, McLowry“, versetzte der Salooner trocken.

Kid stemmte sich fast schwerfällig am Tisch in die Höhe. Sekundenlang zögerte er, als konnte er sich nicht entschließen. Diese drei Kerle erschienen ihm wild und unberechenbar. Er scheute sich plötzlich davor, sie anzusprechen. Schließlich aber fasste er sich ein Herz, umrundete den Tisch und stakste langsam zum Tresen.

Aus den Augenwinkeln nahm der Blondhaarige Kid wahr, der sich am Schanktisch entlang langsam an sie herangeschoben hatte. „Ist unter Ihnen Mister Baker oder sein Sohn Fred?“ fragte Kid.

Der Kopf des Blonden ruckte herum, unfreundlich brach es über seine Lippen: „Nein. Wer bist du denn? Was willst du denn von ihnen?“

Seine beiden Begleiter widmeten ihre Aufmerksamkeit ebenfalls Kid. Stumm musterten sie ihn, es mutete an, als nähmen sie Maß, und schließlich forschten sie in seinem Gesicht.

Kid musste zweimal ansetzen, dann gab er mit belegter Stimme zu verstehen: „Entschuldigen Sie die Störung, Gentleman. Sie arbeiten doch auf der Bar-B Ranch. Ich bin heute in dieser Stadt angekommen und Mr. Sanborn verwies mich an die Bar-B. Ich suche nämlich einen Job und ...“

Der Blonde legte den Kopf etwas schief, seine Augen wurden eng, ein spöttisches Lächeln kräuselte seine schmalen Lippen. „Du siehst aus wie ein kleiner Satteltramp, Amigo. Auf der Bar-B schätzt man deine Sorte nicht. Wo bist du denn ausgerissen, Dreckfink?“

Kids Miene verschloss sich. In seinen Mundwinkel begann es zu zucken. Er spürte heißen Zorn in sich hochkriechen, unterdrückte ihn aber. Denn er sagte sich, dass es sich nur um den rauen Spaß eines hartgesottenen Cowpunchers handeln konnte. Dennoch versprühten seine dunklen Auge Blitze.

„Ich kann reiten und schießen“, begann er noch einmal, und es klang dunkel. „Und ich bin nirgendwo ausgerissen. Mein Dad ist gestorben. Wir lebten in der Einöde und es gab nichts mehr, was mich dort gehalten hätte.“

Der Blonde lachte gehässig auf. Er schenkte Kid noch einen letzten, verächtlichen Blick, dann goss er erneut sein Glas voll und trank es mit einem Zug leer. Er räusperte sich und knurrte:„Verschwinde, Sattelstrolch. Wir können dich nicht brauchen.“

Kid zuckte zusammen, als hätte ihn ein giftiges Insekt gestochen. Er knirschte zwischen den Zähnen: „Weshalb beleidigen Sie mich, Mister? Ich habe mich in aller Form nach einem Job erkundigt, weil mir dies empfohlen wurde, Sie aber reagieren wie eine Klapperschlange.“

Der Blonde und seine Begleiter wechselten schnelle, vielsagende Blicke. Der Salooner starrte Kid an, als wollte er ihm mit den Augen eine Warnung zusenden. Kids Züge waren Spiegelbild des Zorns, der in ihm wütete.

Unvermittelt wirbelte der Blonde herum. Seine Hände schossen vor und erwischten Kid an der Hemdbrust. Mit einem Ruck, der den Stoff krachen ließ, zog er Kid an sich heran. Sein Atem streifte Kids Gesicht. Der Junge war überrumpelt und zu keiner Reaktion fähig. Der Blonde zischte:

„Du gehst mir auf die Nerven, Satteltramp. Und wenn du jetzt nicht sofort dein Maul hältst und verduftest, verprügle ich dich, dass dir Hören und Sehen vergeht. Haben wir uns verstanden, kleine Ratte?“

Kid sah den bösen Ausdruck in den Augen des anderen, sah das verzerrte Gesicht, und durch sein Bewusstsein echote noch die Drohung, die der Blonde ausgestoßen hatte. Plötzlich überspülte wilder, verzehrender Jähzorn Kids Gemüt. Seine Arme zuckten hoch, seine Hände umklammerten die Handgelenke des Blonden wie Schraubstöcke, mit einem Ruck drückte er die Arme des rüden Burschen auseinander und dessen Finger öffneten sich überrascht. Sein Mund klaffte auf, als wollte er etwas sagen, aber da krachte ihm schon Kids geballte Rechte gegen den Kinnwinkel und warf ihn halb über den Schanktisch.

Es war wie ein Rausch über Kid gekommen. Aber der zweistimmige Aufschrei der Begleiter des Blonden ernüchterte ihn schlagartig wieder. Er erschrak vor seiner eigenen Courage und ließ die Fäuste sinken. Rasselnd entwich die Luft seinen Lungen.

Der Blonde lehnte am Schanktisch und betastete total perplex sein Kinn. Ein unheilvolles Grollen stieg aus seiner Kehle. Es erinnerte an das drohende Knurren eines zornigen Schäferhundes.

Eine metallische Stimme hieb in Kids Bewusstsein: „Du hast einen groben Fehler begangen, Amigo.“ Es war der dunkelgesichtige Bursche, der sprach. Der Salooner hatte ihn McLowry genannt. Er zerlegte die Worte geradezu in Silben. „Du hättest niemals die Hand gegen Howard Thompson erheben dürfen. Was jetzt kommt, hast du dir selbst zuzuschreiben.“

An den Tischen waren die Gespräche jäh abgebrochen. Es war, als hielten die Gäste den Atem an. Sie starrten Kid an, als zweifelten sie an seinem Verstand.

Kids Herz schlug plötzlich bis zum Hals hinauf. Er fühlte unvermittelt den unsichtbaren Strom von Härte und Brutalität, der von den drei Weidereitern ausging. Verzweifelt fragte er sich, weshalb ihn Jeremy Sanborn, der Schmied und Deputy dieser Stadt, ausgerechnet an die Bar-B verwiesen hatte.

Kid brachte keine chronologische Reihenfolge in sein Denken. Sie würden ihn zertrümmern, in Stücke schlagen, ihn vielleicht für immer zerbrechen, wenn er ihnen nicht entrann. Die Angst stieg wie ein Schrei in ihm auf und nahm ihm alle anderen Empfindungen. Sein hilfeheischender Blick sprang in die Runde. Die Gäste musterten ihn starr und zeigten angespannte Erwartung. Er interessierte sie nicht. Er war fremd in der Stadt, und er hatte sich hinreißen lassen, zuzuschlagen. Es war sein Verdruss, und darum verhielt man sich passiv.

Kid krampfte sich der Magen zusammen, als Howard Thompson hassvoll knirschte: „Dafür zerbreche ich dich, Satteltramp. Du wirst auf dem Bauch aus der Stadt kriechen, wenn ich mit dir fertig bin. Vorher aber putzt du mir noch die Stiefel - und zwar mit der Zunge.“

Als das letzte Wort über seine Lippen platzte, sprang er Kid an.

*

Kid spürte den Anprall des schweren Körpers und wurde von der Wucht des Ansturms fast von den Beinen gefegt. Er taumelte zurück, ruderte mit den Armen, und es kostete ihm alle Mühe, das Gleichgewicht zu halten.

Howard Thompson jedoch ließ ihm keine Gelegenheit, sich zu sammeln und auf den Gegner einzustellen. Mit wild schwingenden Fäusten setzte er Kid nach und traf ihn in den Magen, und als Kid in der Mitte einknickte und eine unfreiwillige Verbeugung vollführte, knallte er ihm einen aus der Hüfte gezogenen Haken unter das Kinn, der Kid wieder aufrichtete.

Kid quittierte die beiden Treffer mit einem gurgelnden Aufschrei und hatte das Empfinden, dass rund um ihn herum die Welt explodierte. Sein Kinn wies eine kleine Platzwunde auf, aus der Blut auf seine Brust tropfte. Vor seinen Augen schienen farbige Nebel zu wogen, Benommenheit überschwemmte sein Bewusstsein wie eine graue, alles verschlingende Flut. Sekundenlang war er nicht fähig, sich zu orientieren.

Mit angewinkelten Armen und pendelnden Fäusten stand Howard Thompson vor ihm. Wie aus weiter Ferne hörte Kid einen der anderen Cowboys mitleidlos sagen: „Gib’s ihm richtig, Howard. Aber beeile dich. Denn es wird nicht mehr lange dauern, dann kreuzen der Boss, Fred und Laury auf, und der Boss hat kein Verständnis für diese Art Spaß. Also mach vorwärts, damit wir den großmäuligen Bastard in den Hof zwischen Unrat und Gerümpel werfen, ehe der Boss auftaucht.“

Als die Nebelschleier vor Kids Blick zerrissen, als er seine Benommenheit fast überwunden hatte und sich auf Verteidigung einstellen wollte, kamen wieder Thompsons Fäuste wie die Huftritte eines Maultieres. Die Linke krachte gegen Kids Rippen und nahm ihm die Luft, ein rechter Uppercut schleuderte ihn zurück und er ging zu Boden. Seine Beine knickten weg wie morsche Stelzen, er sank auf die Knie. Ein zerrinnendes Röcheln kämpfte sich in seiner Brust in die Höhe, quälte sich aus seinem Hals und brach über seine Lippen. Er kniete zwischen Tischen und Stühlen, spürte kaum Schmerzen, sein Kopf wackelte hin und her, und in ihm war nur eine grenzenlose, gähnende Leere.

Thompson trat vor ihn hin. Sein rechtes Bein zuckte nach vorn und der harte Lederabsatz seines Reitstiefels knallte vor Kids Brust. Es gab einen dumpfen Ton. Kid krachte auf den Rücken und japste nach Luft wie ein Erstickender. Die Augen quollen ihm aus den Höhlen. Sekundenlang spürte er Todesangst. Aber dann kam der befreiende Atemzug ...

Im Saloon war es still. Nur Kids gequältes Röcheln war zu hören. Alle starrten auf Kid, der sich auf der Schwelle zur Bewusstlosigkeit befand. Hart, unerbittlich und unnachgiebig waren die Blicke der drei Bar-B-Cowboys, eine Mischung aus Ausdruckslosigkeit und unterdrückter Anteilnahme die der Stadtbewohner und des Salooners. Dieser presste jetzt grollend hervor: „Es ist genug, Howard. Der Junge ist fertig. Du hast ihn zusammengeschlagen, weil du immer das Bedürfnis hast, deine Stärke unter Beweis zu stellen. Soviel ich weiß, hat Thomas euch Burschen strengstens verboten, in der Stadt Verdruss vom Zaun zu brechen. Als du vor wenigen Wochen eine Schlägerei inszeniertest, versprach er, dich hochkantig hinauszuschmeißen, wenn du noch einmal Stunk anfängst. Na, ich bin neugierig, ob er heute sein Versprechen wahrmacht.“

Thompson wandte sich dem Salooner zu. Sein Organ röhrte wütend: „Die kleine Ratte hat es herausgefordert. Er hat nur von mir gekriegt, was er verdient hat. Das wirst du Baker auch sagen, Slim. Andernfalls ...“ Ein drohender Unterton lag plötzlich in seiner Stimme. Zwingend fixierte er sekundenlang den Salooner, dann drehte er etwas den Kopf und stieß hervor: „Werft den Tramp in den Hof und macht ihm klar, dass ich ihm das Fell über die Ohren ziehe, sollte er es noch einmal wagen, mir ins Blickfeld zu geraten.“

Kid spürte nur eine grenzenlose Schwäche. In seinen Ohren rauschte es, in seinen Schläfen hämmerte das Blut. Sein Atem ging rasselnd. Dumpfer Druck lag auf seinem Gehirn. Übelkeit rumorte in seinen Eingeweiden. Sein Denkvermögen war gelähmt. Jeglichen Gedankens, jeglichen Willens beraubt ließ er sich von Tom McLowry und Lee Holyman widerstandslos in die Höhe zerren. Ihre Hände hielten ihn fest wie Stahlklammern. Auf tauben Beinen wankte er zwischen ihnen zum Hinterausgang. Kühle Nachtluft streifte Kids malträtiertes Gesicht. Dunkelheit empfing sie. Kid erhielt einen brutalen Stoß, stürzte zwei Stufen hinunter und krachte der Länge nach in den Hof. Dort blieb er liegen. Sein Stöhnen verwehte in der Dunkelheit.

„Du hast sicher vernommen, was Thompson versprach, für den Fall, dass du ihm noch einmal in den Weg läufst“, vernahm Kid wie aus weiter Ferne die Stimme eines der Kerle. Das Schlagen der Hintertür folgte. Kid war es nicht mehr länger möglich, gegen die anbrandende Ohnmacht anzukämpfen. Sein Bewusstsein schaltete ab.

Ein Mann, der in den Saloon gehen wollte, hatte durch das Frontfenster beobachtet, was sich im Schankraum abspielte. Er machte kehrte und informierte Jeremy Sanborn, dass Howard Thompson wieder einmal dabei war, einen Burschen zurechtzustutzen. Jeremy Sanborn seufzte ergeben, machte ein Gesicht, als hätte er in einen Kaktus gebissen, dann steckte er sich seinen Stern ans Hemd, holte seine Shotgun und begab sich in den Saloon. Er betrat ihn in dem Moment, als Tom McLowry und Lee Holyman durch die Hintertür hereinkamen.

Sanborn baute sich an der Wand neben der Schwingtür auf. Die Parkergun hielt er mit beiden Händen. Wie die behaarten Pranken eines Bären umspannten sie Kolbenhals und Schaft. Sanborn schürzte die Lippen und fauchte: „Du hast es dem Jungen gegeben, Thompson, wie? Dabei wollte er nichts anderes, als sich nach einem Job auf der Bar-B zu erkundigen. Was bist du doch für ein niederträchtiger, verkommener Hundesohn, Thompson! Und euch beide, McLowry und Holyman, stelle ich mit ihm auf eine Stufe. Es bereitete euch sicher eine wilde Freude, zuzusehen, wie euer sauberer Freund diesen harmlosen Burschen zertrümmerte - diesen Halbwüchsigen, der ohne jede Chance gegen ihn war. - Ich frage mich, weshalb Thomas euch drei nicht längst zum Teufel gejagt hat.“

Der furchtlose, vierschrötige Mann mit dem Sechszack an der Brust verstimmte bitter. Während er sprach, hatte er in den Tonfall seiner Stimme all die Verachtung gelegt, der er mächtig war. Abscheu prägte seine Miene. Da war aber auch der lodernde Zorn, der ihn beherrschte.

„Der junge Narr hat angefangen!“, maulte Thompson. „Er hat mich geschlagen. Hier“, Thompson deutete mit dem Finger auf die leichte Schwellung an seinem Kinn, die von Kids Schlag herrührte, „sieh selbst, Sanborn. Ehe ich mich versah, knallte er mir seine Faust gegen das Kinn. - Du kannst alle hier fragen.“

Slim, der Salooner mischte sich ein. „Er hat dir ein Ding verpasst, nachdem du ihn lange genug beleidigt hattest, und zwar ohne jeden Grund, Thompson. Er ist ganz einfach ausgerastet. Jeder Mann mit einem Funken Ehrgefühl im Leib hätte an seiner Stelle auf die selbe Art reagiert. Für dich war dieser Junge ein gefundenes Fressen - wie ein krankes Kaninchen für einen hungrigen Wolf. - Das ist die Wahrheit, Jeremy. Sie haben ihn in den Hof geworfen wie ein Stück verendetes Vieh. Aber jeden Moment wird Thomas Baker mit seinem Sohn und seiner Tochter in Tererro eintreffen. Ihm werde ich von Thompsons Heldentat berichten. Vielleicht zieht Thomas endlich die notwendigen Konsequenzen.“

Gehässig, aus unterlaufenen Augen, hatte Thompson ihn angestarrt, indes er sprach. Die Unerschrockenheit des Salooners, der sich bisher immer aus allem herausgehalten hatte, machte ihn betroffen. Als der Salooner aber geendet hatte, kam bei Thompson der Zorn in rasenden, giftigen Wogen. Er zischte: „Du aufgeblasener Whiskypanscher willst mich fertigmachen. Die Hölle verschlinge dich. Du konntest mich noch nie ausstehen ...“

Schroff fuhr Slim ihm in die Rede. Er rief klirrend: „Weil du ein großmäuliger Hundesohn bist, der noch nicht an den Richtigen geraten ist, einen, der dir endlich einmal deine Grenzen aufzeigt. Ein Maulheld bist du, Thompson. Vielleicht ist das viel zu gelinde ausgedrückt. Vielleicht bist du nicht ganz richtig im Kopf - wer kann das schon sagen?“

„Du elender Hund!“, brüllte Thompson wie von Sinnen und machte Anstalten, sich auf den Salooner zu stürzen.

Doch Jeremy Sanborns eisiges Organ stoppte ihn. Thompson erstarrte wie zu Stein, als der Deputy warnend schnaubte: „Wenn ich abziehe, ist es mit deiner Herrlichkeit vorbei, mein Freund. Also spiele hier nur nicht den wilden Mann. Sonst rauche ich dich in der Pfeife.“

Fast genussvoll spannte Sanborn die Hähne der Parkergun. Sein riesiger Zeigefinger schob sich in den Abzugsbügel.

Da sickerte dumpfer Hufschlag heran, in ihn mischte sich das Rattern von Rädern.

Ein Grinsen voll boshafter Genugtuung kerbte sich in Jeremy Sanborns Mundwinkel.

Die Geräusche brachen vor dem Saloon ab. Eine befehlsgewohnte Stimme erklang: „Fred, du geleitest Laury zu Tante Peggy. Ich werde im Saloon sein. Du weißt Bescheid. Bestell meiner Schwester schöne Grüße von mir, Laury. Und sag ihr, dass ich sie irgendwann in der nächsten Zeit besuchen komme.“

„Sicher, Dad“, antwortete eine helle, klare Frauenstimme.

Zügel klatschten, der leichte Einspänner fuhr wieder an. Hufschlag wurde laut. Die Geräusche entfernten sich langsam.

Und dann kam Thomas Baker in den Inn.

*

Der Rancher war groß und wuchtig. Er spürte sofort mit untrüglichem Instinkt, dass etwas nicht stimmte. Abrupt verhielt er im Schritt. Seine wettergegerbte Stirn legte sich in düstere Falten.

Linkerhand lehnte Jeremy Sanborn mit der Shotgun im Anschlag fast lässig an der Wand. Mit verkniffenen Gesichtern hockten die wenigen Stadtbewohner an ihren Tischen, bemüht, so ausdruckslos wie möglich dreinzublicken. Slim Banks, der Salooner, stand hinter dem Tresen und hatte eine erwartungsvolle, herausfordernde Haltung eingenommen. Howard Thompson, Tom McLowry und Lee Holyman standen vor dem Schanktisch, geduckt, irgendwie sprungbereit.

Jetzt ließ Thomas Baker sein tiefes, ruhiges Organ erklingen: „Sieht aus, als gäbe es ein Problem. Lasst mich daran teilhaben. Haben meine Jungs Ärger gemacht, Jeremy?“

„Das kann man wohl sagen“, grollte der Deputy grimmig.

Fragend fixierte Thomas Baker seine Reiter. Sie hielten seinem Blick trotzig stand. Plötzlich brach es aus Lee Holyman heiser heraus: „Da war so ein Bursche, Boß, ein heruntergekommener Satteltramp. Er benahm sich anmaßend und frech und versetzte Howard sogar einen Schlag ins Gesicht. Welcher Mann lässt sich so etwas schon gefallen. Nun, Howard verpasste ihm eine gehörige Tracht Prügel und wir warfen ihn auf den Hof.“

Thomas Bakers Miene verdüsterte sich. Sein Kopf ruckte herum, als Jeremy Sanborn sarkastisch auflachte. Schließlich rief der Deputy rau: „Frag doch mal Slim, wie es tatsächlich ablief, Thomas. Er wird dir sagen, wie es kam, dass der hundsgemeine Mr. Howard Thompson einen Halbwüchsigen, der ihn nach nichts weiter als nach einem Job auf der Bar-B fragte, brutal zusammenschlug. Frag ihn, Thomas, erkundige dich auch bei diesen Männern hier, die alles mitverfolgt haben.“ Wieder lachte Sanborn freudlos auf. Dann schloss er: „Thompson ist ein Dreckskerl, Thomas, und du solltest endlich die Konsequenzen ziehen. Versprochen hast du’s.“

„Slim, wie trug es sich zu?“, peitschte Bakers Stimme, und in ihr schwang Ungeduld.

„Es war so, wie Jeremy es eben andeutete“, versetzte der Salooner ohne zu zögern. „Der Junge fragte nach Arbeit auf der Bar-B, Thompson aber nannte ihn Sattelstrolch, Dreckfink, kleine Ratte und wurde sogar handgreiflich. Der Junge wehrte sich, und so schlug ihn Thompson ohne mit der Wimper zu zucken zusammen.“

Howard Thompson knirschte mit den Zähnen und ballte in ohnmächtiger Wut die Hände zu Fäusten. In seinen Augen brannte der mörderische Hass, in seinem verzerrten Gesicht zuckten die Nerven.

„Stimmt das, Thompson?“ Die Frage des Ranchers kam wie unheilvolles Donnergrollen.

Thompson kniff die Lippen zusammen. Plötzlich aber reckte er seine ausladenden Schultern und erwiderte: „Na schön, Boss, ich habe vielleicht ein wenig überzogen reagiert und ...“

„Es entspricht also den Tatsachen!“, donnerte der Bass des Ranchers. „Und ihr beide habt zugeschaut und ihn vielleicht noch angefeuert, wie?“ Baker ging zwei Schritte weiter, blieb breitbeinig stehen, und fuhr mit brechendem Tonfall fort: „Ich habe dich gewarnt, Thompson. Oft genug habe ich dich ermahnt, keinen Ärger mehr zu machen. Aber scheinbar hast du meine Warnungen und Ermahnungen in den Wind geschlagen. Jetzt habe ich genug. Du bist gefeuert. Und auch euch beide will ich nie wieder auf der Bar-B sehen. Ihr seid nämlich keinen Deut besser als er.“ Über die Schulter sagte er zu Sanborn: „Es ist unumstößlich, Jeremy: Die drei sind entlassen. An dir liegt es nun, sie aus der Stadt zu weisen und ihnen wegen ihres renitenten Verhaltens künftig Stadtverbot zu erteilen. Du bist der Sheriff, Jeremy, also walte deines Amtes.“

„O verdammt, Boss, du kannst uns doch nicht einfach auf die Straße setzen!“, schnappte Tom McLowry bestürzt. „Wegen einer harmlosen Rauferei ...“

„Lass!“, knirschte Howard Thompson. „Es kotzt mich schon seit längerer Zeit an, hinter Kuhschwänzen herzureiten und das Lasso zu schwingen.“ Thompson zog seinen Revolvergurt in die Höhe. „Wir akzeptieren Ihre Kündigung, Baker“, erklärte er dann. „Jeder von uns hat noch den Lohn für fast einen Monat zu kriegen. Wir nehmen dafür die Pferde, mit denen wir in die Stadt geritten sind. - Du brauchst uns nicht aus der Stadt zu werfen, Sanborn. Wir gehen freiwillig. Aber eines Tages kehren wir zurück. Und dann rechnen wir ab. Ein Howard Thompson lässt sich nicht ablegen wie ein altes Hemd.“

Mit dem letzten Wort dieser unheilvollen Prophezeiung setzte Thompson sich in Bewegung. Sporenklirrend stapfte er zum Ausgang. Nach kurzem Zögern folgten ihm Tom McLowry und Lee Holyman.

Gleich darauf verkündete Hufschlag, dass sie fortritten. Die Drohung, die Thompson ausgestoßen hatte, schien noch im Raum zu hängen.

Slim Banks, der Salooner, wischte sich mit dem Handrücken über die heiße Stirn, dann meinte er: „Wir sollten uns um den Jungen kümmern. Gebe der Allmächtige, dass er an Thompsons Schlägen nicht für alle Zeiten zerbrochen ist.“

Thomas Baker setzte sich in Bewegung. Jeremy Sanborn folgte ihm, und auch Slim schloss sich an. Er nahm eine Laterne mit.

Kid war wieder zu sich gekommen. Er saß am Boden und hielt seinen Kopf mit beiden Händen. Heißer Schmerz zuckte jetzt bis unter seine Hirnschale. Ihm war schwindlig. Als der gelbe Lichtschein über ihn hinwegflutete, ließ er die Hände sinken und drehte schwerfällig den Kopf. Das Licht blendete ihn und er blinzelte.

Kid sah drei Männer aus der Tür drängen. Er erkannte den Deputy und den Salooner. Den dritten Mann hatte er nie zuvor gesehen. Es war keiner von den Gästen, die er im Saloon gesehen hatte. Die Not jedoch, gegen die er anzukämpfen hatte, war viel zu groß, als dass Kid große Gedanken über die Identität des Mannes anstellte. Er knirschte zwischen den Zähnen: „Es war keine gute Idee von Ihnen, Mr. Sanborn, mich an die Bar-B wegen eines Jobs zu verweisen. Oder ahnten Sie, wie es für mich ausgeht, und das alles war nur ein schlechter Scherz?“

Unaussprechliche Bitterkeit lag in seinem Tonfall. Er versuchte, sich hochzukämpfen, aber vor ihm drehte sich plötzlich alles und er blieb sitzen. Sein Kinn sank auf die Brust.

Ehe Sanborn etwas erwidern konnte, schob ihn Baker zur Seite und beugte sich zu Kid hinunter. „Ich bin Baker“, ließ er seine Stimme erklingen, „und es war mein Reiter, der dich zusammengeschlagen hat, Junge. Ich habe Thompson gefeuert, und seine beiden Freunde dazu. Denn sie hätten nicht tatenlos zusehen dürfen.“ Baker atmete tief durch. „Nun, Junge, ich kann es nicht rückgängig machen. Ich kann nur zutiefst bedauern, dass es jemand von der Bar-B war, der dich so übel zurichtete. Und weil das so ist, fühle ich mich dir verantwortlich. Wenn du noch Interesse an einem Job bei mir hast, dann sag es.“

Kid mußte das Gehörte erst einmal verarbeiten. Nur mit Mühe gelang es ihm, einen Gedanken an den anderen zu setzen. Immer wieder schoben sich Dinge in seinen Verstand, die in ihm nagten und fraßen wie ätzende Säure. Sein Stolz war verletzt worden, sein Selbstbewusstsein ziemlich angeschlagen. Dieser Thompson hatte ihn schmählich verprügelt, ihm eine Lektion erteilt, die ihm gewiss noch lange Zeit zu schaffen machte.

Kid biss die Zähne zusammen, dass der Schmelz knirschte. Schließlich entwand es sich ihm: „Ja, Mr. Baker, ich bin an dem Job nach wie vor interessiert. Aber ehe Sie mich einstellen, sollen Sie wissen, dass ich noch nie als Cowboy gearbeitet habe. Ich werde den Job von Grund auf erlernen müssen.“

„Keine Sorge, mein Junge“, erwiderte Thomas Baker und half Kid, aufzustehen. Und als er schwankend stand, hielt er ihn fest. „Ich mache aus dir einen Mann der Weide ...“

*

Thomas Baker hielt sein Versprechen. Kid war lernwillig und schien der geborene Rindermann zu sein. Außer ihm waren drei neue Cowboys hinzugekommen. Ihre Namen waren John Dark, Bill Webster und Joe Taylor.

Drei Jahre waren vergangen. Kid hatte sich zu einem prächtigen Burschen entwickelt. Er gehörte fast schon zur Familie. Thomas Baker war zu ihm wie ein Vater, Fred wie ein Bruder. Die Bar-B war zu seinem Lebensinhalt geworden.

Kid hatte sich in Laury verliebt. Laury hatte es bald herausgefunden. Und eines Tages, als sie ihn alleine bei einem der Korrals Pferde aussondern sah, ging sie zu ihm hin. Kid hielt in der Arbeit inne, wischte sich mit dem Halstuch den Schweiß aus dem Gesicht und meinte grinsend: „Willst du mir etwa helfen, Laury? Glaubst du wirklich, dass das eine Arbeit für eine Lady ist? Ho, du würdest mehr Staub schlucken als ...“

Er verstummte, denn ihm blieb nicht verborgen, dass sie ungewohnt ernst blieb. Sie blickte ihn an, erforschte sein Gesicht, versuchte darin zu lesen, und er hatte unvermittelt das Empfinden, dass sie in der Lage war, seine geheimsten Gedanken und Wünsche zu analysieren. Er spürte Verlegenheit in sich aufsteigen. Sein Grinsen war erstarrt, und dann verlosch es.