Western Sammelband 6004 - 6 harte Wildwestromane August 2019 - Alfred Bekker - E-Book

Western Sammelband 6004 - 6 harte Wildwestromane August 2019 E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieses Buch enthält folgende Western: John F. Beck: Totentanz in Tombstone Larry Lash: Wenn die Hölle lacht Joachim Honnef: Die blutige Fährte der Todesengel Alfred Bekker: Die Todesreiter vom Rio Pecos Pete Hackett: Sterbelied für Desperados Pete Hackett: Unschuldig und geächtet Als der Rancho seiner Familie überfallen, sein Vater erschossen und seine Schwester geraubt wird, macht sich Felipe Montoya auf den Weg. Er will seine Schwester befreien und seinen Vater rächen. Doch in Tombstone sind Wyatt Earp und seine Brüder, doch an die will sich der junge Mann nicht wenden, er fürchtet, dass seine Schwester dann nicht mehr lebt. Felipe lernt auf die harte Tour, dass im Grenzland harte Sitten herrschen.

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Seitenzahl: 788

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Alfred Bekker, John F. Beck, Pete Hackett, Larry Lash, Joachim Honnef

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Inhaltsverzeichnis

Western Sammelband 6004 - 6 harte Wildwestromane August 2019

Copyright

Totentanz in Tombstone

Wenn die Hölle lacht ...

Die blutige Fährte der Todesengel

Die Todesreiter vom Rio Pecos

​Sterbelied für Desperados

Unschuldig und geächtet

Western Sammelband 6004 - 6 harte Wildwestromane August 2019

Alfred Bekker, John F. Beck, Pete Hackett, Larry Lash, Joachim Honnef

Dieses Buch enthält folgende Western:

John F. Beck: Totentanz in Tombstone

Larry Lash: Wenn die Hölle lacht

Joachim Honnef: Die blutige Fährte der Todesengel

Alfred Bekker: Die Todesreiter vom Rio Pecos

Pete Hackett: Sterbelied für Desperados

Pete Hackett: Unschuldig und geächtet

Als der Rancho seiner Familie überfallen, sein Vater erschossen und seine Schwester geraubt wird, macht sich Felipe Montoya auf den Weg. Er will seine Schwester befreien und seinen Vater rächen. Doch in Tombstone sind Wyatt Earp und seine Brüder, doch an die will sich der junge Mann nicht wenden, er fürchtet, dass seine Schwester dann nicht mehr lebt. Felipe lernt auf die harte Tour, dass im Grenzland harte Sitten herrschen.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author /COVER FIRUZ ASKIN

© dieser Ausgabe 2019 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Folge auf Twitter

https//twitter.com/BekkerAlfred

Zum Blog des Verlags geht es hier

https//cassiopeia.press

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Totentanz in Tombstone

Western von John F. Beck

Der Umfang dieses Buchs entspricht 123 Taschenbuchseiten.

Als der Rancho seiner Familie überfallen, sein Vater erschossen und seine Schwester geraubt wird, macht sich Felipe Montoya auf den Weg. Er will seine Schwester befreien und seinen Vater rächen. Doch in Tombstone sind Wyatt Earp und seine Brüder, doch an die will sich der junge Mann nicht wenden, er fürchtet, dass seine Schwester dann nicht mehr lebt. Felipe lernt auf die harte Tour, dass im Grenzland harte Sitten herrschen.

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Ein CassiopeiaPress Buch CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

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© dieser Ausgabe 2019 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Die Hauptpersonen des Romans:

Frank McLowry – tüftelt den teuflischen Plan aus.

Conchita Montoya – gibt die Dame ab im tödlichen Schach um Reichtum.

Johnny Ringo – verachtet Entführer und handelt.

Wyatt Earp – ist es gewohnt, auf der Abschussliste zu stehen.

Jill – verlässt sich auf ihr Näschen und tut gut daran.

Felipe Montoya – legt sich mit den berüchtigten Arizona-Banditen an – und überlebt.

1

Felipe Montoya nützt den historischen Gunfight, die Schwester zu befreien

Die maskierten Reiter trieben die Rinder durch das ausgetrocknete Flussbett. Hinter ihnen loderten Flammen in den Nachthimmel. Der Rancho Montoya brannte wie eine Fackel.

Ein hagerer Reiter zerrte die junge Mexikanerin vor sich in den Sattel. Sie wehrte sich heftig und riss ihm das Halstuch von Mund und Nase.

»Conchita!«, gellte eine ältere Frau, da stieß sie das Pferd eines anderen Rustlers um.

In diesem Augenblick brach der Reiter durch das Gesträuch am Rand des Anwesens.

Er war jung, drahtig und trug die Tracht der Vaqueros. Das breitklingige Messer im Gürtel war seine einzige Waffe.

»Felipe, zurück! Sie töten dich sonst!«, warnte ihn die Schwester.

Fluchend presste der Hagere die Hand auf Conchitas Lippen.

Das knochige Gesicht und die stechenden Augen des Mannes prägten sich Felipe für immer ein.

Die Rustler begannen nun zu schießen.

Der Braune überschlug sich.

Felipe kam noch rechtzeitig aus dem Sattel und rollte sich gewandt ab.

Da feuerte der Hagere.

Das Mündungsfeuer blendete Felipe. Er wurde halb herumgerissen und stürzte.

»Mörder!«, schluchzte Conchita, aber die Kugel hatte Felipe nur gestreift.

»Rhett, Jim, Dave, wo bleibt ihr?«, wehte ein ungeduldiger Ruf vom Arroyo.

Felipe merkte sich die Namen. Hufschlag trommelte davon.

2

Im Morgengrauen schloss der junge Mexikaner das Grab. Die knorrigen Äste einer hundertjährigen Steineiche wölbten sich darüber. Sie war das Wahrzeichen des Rancho Montoya.

Felipes Mutter betete. Ihr rundliches Gesicht war tränenüberströmt. Felipe schmückte das Grab mit einem schlichten Holzkreuz und Wildblumen. Danach benötigte er zwei Stunden, eins von den versprengten Pferden einzufangen, einen kräftigen Schecken, den sein Vater bevorzugt hatte. Blauer Himmel strahlte über Sonora, als Felipe aus den Hügeln zurückkehrte.

Er hatte die Streifwunde am Kopf mit dem Halstuch verbunden. Im Gürtel steckte ein langläufiger 44er Colt, die Waffe des Vaters. Fünf Kammern waren geladen. Nur einen Schuss hatte Pablo Montoya auf die Mörder abgefeuert. Erschöpfung zeichnete Felipes Gesicht, aber in seinen Augen brannte düstere Entschlossenheit.

Die Mauern des Rancho waren rußgeschwärzt. Verkohlte Balken überragten sie. Felipes Mutter kniete noch am Grab. Der junge Reiter blieb im Sattel.

»Ich bring dich nach Fronteras.«

»Ich bleib. Du darfst keine Zeit verlieren. Denk an Conchita.«

»Ich befreie sie.«

»Sei vorsichtig!« Die Mexikanerin stand auf und ergriff seine Hand. Ein Zittern schwang in ihrer Stimme. »Ich will nicht auch dich verlieren. Bring sie zurück, aber versuche nicht, deinen Vater zu rächen. Diese Gringo Bandidos sind schlimmer als Wölfe.«

Felipe blickte auf das Grab.

»Ich werde kämpfen.«

3

Zwölf Meilen nördlich des Rancho Montoya vereinigte sich die Spur der geraubten fünfzig Rinder mit einer größeren Herde. Die Rustler trieben über dreihundert Longhorns zur Arizona-Grenze. Ihr Ziel war das Minengebiet um Tombstone, wo in diesem Jahr 1881 die berüchtigsten Revolverhelden des Westens zusammentrafen.

Hitzegesättigte Wildnis dehnte sich um Felipe Montoya. Er folgte der Fährte wie ein Beute witternder Wolf.

Allmählich ging die mit Fettholzstauden und Kakteen gesprenkelte Hochebene in felsiges Gelände über. Die Silhouetten der Arizona-Berge schwammen im Hitzeglast der Ferne. Nur das Pochen der Hufe und das Knarren des Sattelleders begleiteten den Reiter.

Ein Labyrinth von Felsrücken, ausgetrockneten Flussläufen und mit Gestrüpp bedeckten Kämmen nahm ihn auf. Am Spätnachmittag sah er den von der Rustlerherde aufgewirbelten Staub. Er hielt auf einer Anhöhe zwanzig Meilen nördlich des Rancho Montoya. Die Grenze war nahe, aber nicht so sehr, dass die Viehräuber sie noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichten. Sie wichen nach Nordwesten aus, statt auf dem kürzesten Weg zum Skeleton Canyon zu treiben.

Felipe erinnerte sich, dass eine Bande von Gringo-Viehdieben dort im Frühjahr von mexikanischen Vaqueros überrumpelt worden war. Der Anführer der Rustler war dabei erschossen worden. Danach hatten die Überfälle einige Zeit aufgehört. Die Montoyas hatten nicht damit gerechnet, dass auch ihre kleine Herde den Rustlern eines Tages ins Auge stechen würde.

Die Banditen schafften in dem unwegsamen Gelände noch drei Meilen, bevor es dunkelte. Felipe entdeckte ihr Lagerfeuer in einem von felsigen Hängen umschlossenen Tal. Er ließ den Schecken am Fuß eines niedrigen Kamms zurück. Fahle Dunkelheit umgab ihn. Sterne glitzerten. Zehn Minuten später kauerte der junge Mexikaner auf dem Höhenrücken. Das Feuer brannte schräg unter ihm. Die Herde ruhte. Mesquite- und Kreosotbüsche wuchsen an einem Tümpel. Die Pferde waren angepflockt. Sie trugen noch die hochbordigen Sättel. Offenbar war das eine Routinemaßnahme. Die Rustler schienen sich unbedroht zu fühlen.

Ein Mann bewachte den Taleingang, die anderen saßen am Feuer. Sie rauchten, tranken und unterhielten sich. Mit den breitkrempigen Stetsons, bunten Hemden und ledernen Beinschützern wirkten sie wie Cowboys, doch die tief geschnallten, langläufigen Revolver sprachen für sich. Nur zwei oder drei der Viehräuber waren über dreißig. Die Gesichter waren wettergegerbt.

Felipe entdeckte weder seine Schwester, noch den Hageren mit der Geiernase. Auch das Pferd des Entführers, ein Schwarzbrauner mit weißem Stirnfleck, fehlte. Gelächter erscholl. Dann brachte einer ein Päckchen Spielkarten zum Vorschein.

»Wie wär’s mit ’ner Runde?«

»Legt euch lieber aufs Ohr«, knurrte der stoppelbärtige Anführer. Er besaß unstete Augen. »Wir treiben vor Sonnenaufgang weiter. Verdammt will ich sein, wenn ich die Greaser noch mal unterschätze, nachdem sie Old Man im Skeleton Canyon erwischten.«

»Du siehst Gespenster, Ike.«

»Quatsch! Aber wenn ihr euch benehmt wie im Saloon …« Hufgetrappel wehte vom Taleingang.

»Charlie kommt!«, meldete der Posten.

Gleich darauf erreichte ein staubbedeckter Reiter den Lichtkreis. Es war ein Mexikaner oder Halbindianer. Ein Goldring funkelte an seinem linken Ohr. Statt Stiefeln trug er Mokassins. Dem Pferd war anzusehen, dass es hart geritten worden war.

»Wo ist Dave?«, empfing ihn der Stoppelbärtige. Dave war einer der drei, die Felipes Vater erschossen hatten. Der Mestize sprang ab. »Er kümmert sich um den Burschen, der uns folgt.« Die Männer griffen zu den Sechsschüssern. Der Ankömmling grinste. »Keine Aufregung, Amigos. Es ist nur einer – ein Greaser.«

»Bist du sicher?«

»Klar. Wir beobachteten ihn fast zwei Stunden, ohne jedoch auf Schussweite ranzukommen. Als es dunkelte, verloren wir ihn. Dave behauptete, dass es der Junge ist, den Rhett auf dem Rancho niederschoss.«

Felipe schwitzte. Er hatte nicht mit Kundschaftern der Bande gerechnet. Der Fehler konnte ihn das Leben kosten. Jetzt erst begriff er, wie gefährlich die Gegner waren. Der Stoppelbärtige schimpfte: »Ich hatte Rhett gewarnt, das Girl mitzuschleppen. So was bringt nur Verdruss.«

Der Blick des Halbindianers streifte die Talhänge.

»Der Junge ist ein Greenhorn. Er hat keine Chance.«

»Löscht trotzdem das Feuer! Verteilt euch und sucht ihn!«

Die Banditen liefen auseinander. Einer scharrte Sand auf die Glut. Die Pferde stampften und prusteten. Geduckt richtete Felipe sich auf. Sein erster Impuls war, zu seinem Schecken zu rennen. Aber er durfte sich nicht einen neuen Fehler leisten. Vorsichtig schlich er den Hang hinab zu den Kiefern, unter denen sein Vierbeiner stand.

Als Felipe die Umrisse des Pferdes sah, duckte er sich erst mal hinter einen Felsblock.

Das Tier bewegte sich unruhig, vielleicht von dem Lärm jenseits des Höhenrückens erschreckt. Jede Faser in Felipe fieberte danach, sich in den Sattel zu schwingen. Lautlos verließ er die Deckung und drückte sich hinter einen Kiefernstamm. Steine rollten am gegenüberliegenden Hang. Hufschlag stob aus dem Tal.

Dann bemerkte er die Gestalt, die schräg rechts hinter einem Baum kauerte, eigentlich ein klumpiger Schatten, lediglich Stetson und Gewehr waren erkennbar.

Der Bursche lauerte auf ihn.

Felipe schlug einen Bogen, damit er hinter ihn gelangte. Er bewegte sich katzenhaft. Der Schecke prustete.

Felipe war vier Schritte hinter dem Kauernden, als er feststellte, dass er auf einen Trick hereingefallen war. Stetson und Gewehr waren echt. Der vermeintliche Gegner entpuppte sich als Felsbrocken, der mit einer Jacke getarnt war. Ein metallisches Knacken ertönte hinter Felipe.

»Das war’s, Junge. lass die Kanone fallen!«

Sekundenlang hatte der junge Mexikaner das Gefühl, in einen Abgrund zu stürzen. »Wird’s bald!«, zischte der Mann hinter ihm.

Felipes Colt landete im Sand. Der Bandit lachte spöttisch.

»Ich werd dich meinen Amigos vorstellen. Nimm das Pferd mit und bleib vor mir.«

Felipe musste an dem Baum vorbei. Das Gewehr der Attrappe ruhte auf einer Astgabel. Felipe packte es und warf sich zu Boden. Daves Kugel verfehlte ihn. Fluchend schoss er abermals.

Felipe drehte sich weg. Der dritte Schuss gehörte ihm. Er lag auf dem Rücken. Der Feuerstoß aus der Winchester leuchtete den Banditen an. Mit einem Aufschrei prallte Dave an einen Felsen. Seine Beine gaben nach. Felipe hastete zu ihm. Zum ersten Mal hatte er auf einen Gegner geschossen, aber im Moment dachte er nur an Conchita.

»Wo ist meine Schwester?«

»Rhett … mit ihr ausgeritten …«, verstand Felipe.

»Wohin?«, drängte er.

»Tombstone …« Der Kopf des Sterbenden sank nach vorn.

Rasch suchte Felipe seinen Colt. Gleich darauf saß er im Sattel. Zwischen den Bäumen tauchten schemenhafte Reitergestalten auf.

»Da ist er!« Schüsse blitzten.

Felipe warf den Schecken herum und floh.

4

Von Sonnenaufgang an ritten sie auf seiner Spur, drei Männer mit breitrandigen Hüten, bunten Cowboyhemden und Gewehren über den Sätteln. Mehr Einzelheiten erkannte Felipe auf die Entfernung nicht.

Eine Staubfahne hing in der heißen Luft hinter ihnen. Sie schonten die Pferde und begnügten sich damit, Felipe nach Nordwesten zu treiben, weg vom Trail der geraubten Herde und ihrem Ziel.

Flimmernde Weite dehnte sich zum Horizont. Felskämme ragten in der Ferne empor. Die riesigen Saguarokakteen wirkten wie verzauberte Wächter. Die Sonne stieg. Der Sand in der Senke glühte wie frische Ofenasche. Felipe vermutete, dass er die Grenze bereits überquert hatte und sich in den Ausläufern der Gilawüste befand.

Außer dem 44er besaß er nun auch Daves Winchester. Er hatte sie am Sattel festgebunden. Gegen Mittag färbte der Himmel sich dunkel. Kein Lufthauch war zu spüren.

Nach einiger Zeit spürte Felipe ein Prickeln auf der Haut. Die Luft war so trocken, dass jeder Schweißtropfen sofort verdunstete. Felipe kannte die Zeichen und schaute sich nach einem Unterschlupf um. Die Verfolger drehten ab.

Eine Stunde später orgelte der Sandsturm übers Grenzland. Die Welt schien in Schwärze und sturmgepeitschten Sandmassen unterzugehen.

Felipe verkroch sich zwischen den Felsen an einer Arroyoböschung. Sie boten auch dem Pferd Schutz. Drei Stunden wütete der Sturm. Dann senkte sich gespenstische Stille auf die Wildnis. Alle Fährten waren ausgelöscht, weit und breit keine Bewegung.

Die Banditen ahnten nicht, dass Felipe ihr Ziel kannte. Er war kein Problem mehr für sie. Felipe dagegen hatte gleich mehrere: Die Sattelflasche war leer, und ohne Wasser würden der Schecke und er den nächsten Tag nicht überstehen. Außerdem kannte Felipe die Gegend nicht. Er wusste nur, dass Tombstone irgendwo im Osten oder Nordosten lag.

Sein einziger Wegweiser war die Sonne. Dazu kam, dass Conchitas Entführer einen Vorsprung besaßen, den er nicht aufholen konnte. Doch er gab nicht auf.

Noch vor Einbruch der Dunkelheit fand er eine Wasserstelle, besser, der Schecke witterte sie. Felipe wäre sonst sechzig Yard entfernt daran vorbeigeritten. Felsen umschlossen sie. Gras und Fettholzstauden wuchsen dazwischen.

Felipe hobbelte das Pferd an, damit es sich nicht zu weit entfernte, wenn er schlief. Dann wickelte er sich in die Decke. Er war so erschöpft, dass ihm gleich die Augen zufielen. Als er aufwachte, war es heller Tag.

Zwei große, hartgesichtige Reiter hielten auf der anderen Seite des Tümpels. Ihre Kleidung war staubbedeckt. Ein Grinsen kerbte die Mundwinkel.

Die tief gehalfterten Sechsschüsser fielen Felipe auf. Der jüngere saß auf Felipes Pferd. Etwas Wildes war in seinem Blick. Der Gefährte war breitschultrig. Die schwarz-gelockten Haare hingen über den Hemdkragen.

»Hast ’nen gesunden Schlaf, Amigo.«

Felipe schleuderte die Decke zur Seite. Er hatte die beiden nicht im Camp der Viehräuber gesehen.

»Wer seid ihr!«

»Mein Name ist William Brocius Graham. Man nennt mich auch Bill Brocius oder Curly-Bill. Bei meinem Feund ist das weniger kompliziert. Er heißt Johnny Ringo.«

Es waren die Namen berüchtigter Revolvermänner. Einige bezeichneten sie auch als Outlaws, aber nur hinter ihrem Rücken. Der Schwarzhaarige lachte.

»Amigo, du hast hoffentlich nichts dagegen, dass Johnny dein Pferd ausleiht.«

»Der Teufel ist dein Amigo!«

»Stimmt.« Curly-Bill drehte den Kopf zur Seite und spuckte aus. »Deshalb rat ich dir, vorsichtig zu sein.« Sein Blick war kalt, dann grinste er wieder. »Bandoleros verfolgen uns. Sie erschossen Johnnys Pferd. In fünf Minuten werden sie hier auftauchen. Darum haben wir’s eilig. Du brauchst keine Angst zu haben. Immerhin sind’s Landsleute von dir.«

Felipe stand auf. Die beiden fühlten sich haushoch überlegen. Ihr Grinsen machte ihn wütend.

»Ihr wisst genau, dass ein Mann zu Fuß hier draußen verloren ist.«

»Vielleicht kannst du deine Compadres überreden, dir ’nen Gaul zu überlassen, wenn sie hier antanzen«, meinte Ringo achselzuckend. Er war nur wenig älter als Felipe. Ein raues Leben hatte ihn bereits geprägt. Der Kolben seines Sechsschüssers war abgewetzt. »Das ist für den Schecken, Amgio.«

Er warf zwei Double Eagles über den Tümpel. Die Münzen fielen vor Felipes Stiefel. Seine Augen funkelten.

»Ich pfeif drauf!«

»Das kannst du halten, wie du willst.« Lachend wendeten sie. Sie wirkten so sorglos, dass Felipe es riskierte und zum 44er griff. Er hatte die Waffe noch nicht ganz heraus, als er in die Mündungen von zwei Colts blickte.

Das Stampfen der Hufe setzte aus. Dann lachte Curly-Bill, aber in seinen Augen glitzerte der Tod.

»Du hast Mut, Amigo, doch der allein genügt nicht.«

Der Colthammer knackte unter seinem Daumen. Ringos Waffe verschwand im Holster.

»Er ist noch verdammt jung, Bill. Wie ich damals, als ich aus Missouri kam. Gib ihm die Chance, seine Lektion zu lernen.«

»Ich riskiere keine Kugel in den Rücken.«

Prüfend bohrte Ringos Blick sich in Felipes Augen.

»Er ist keiner, der ’nen Gegner von hinten erschießt.«

Felipe umklammerte nach wie vor den Colt. Doch Ringo wandte sich ab und ritt davon. Bill zögerte noch. Dann wirbelte er lachend den Sechsschüsser um den Zeigefinger und folgte ihm.

5

Der Sandsturm zwang Rhett Emmery, Phin Clanton und Jim Crane aus den Sätteln. Ein ohrenbetäubendes Brüllen umgab sie.

Zusammengekrümmt saß Conchita Montoya auf ihrem Tier. Riemen umspannten ihre Handgelenke. Der Poncho, den die Banditen ihr gegeben hatten, flatterte.

Emmery wollte sie herabheben, doch sie stieß ihn mit dem Fuß zurück. Fluchend prallte er gegen Crane. Die Pferde standen zwischen Clanton und der Mexikanerin, die die Zügel packte und den Braunen drehte. Er riss die Winchester aus dem Scabbard.

»Ich brauch sie lebend, Phin!«, schrie Emmery.

»Zum Teufel mit ihr!« Clantons Waffe flog hoch. Da wurde Conchita bereits von den brodelnden Schwaden verschluckt. Phin Clanton feuerte trotzdem. Dann stampfte er mit verbissener Miene um sein Pferd herum und hielt Emmery fest, der sich wieder in den Sattel ziehen wollte.

»Bist du wahnsinnig? Wir müssen zu den Restone Cliffs, sonst erledigt uns der Sturm.«

»Ich wette, sie schafft keine Meile weit«, keuchte Crane. Sie zogen die Pferde mit.

Inzwischen floh Conchita durch die sturmdurchtoste Finsternis, nur von dem Gedanken erfüllt, einen möglichst großen Abstand zwischen sich und den Entführern herzustellen. Der Sturm traf sie von der Seite. Sandkörper zerstachen ihr Gesicht, drangen unter den Poncho, rieben und kratzten. Die Fesseln scheuerten. Mit jedem Atemzug drang Staub in die Lungen. Tonnen von Sand schienen aus der Schwärze zu stürzen. Der Braune schwankte und stolperte.

Etwas Großes, Schwarzes raste plötzlich heran, ein Knäuel verdorrter Sträucher. Das Pferd bäumte sich auf. Sein Wiehern versank im Sturm.

Conchita verlor Zügel und Steigbügel. Eine Sandwehe fing sie auf. Als sie sich aufrappelte, war der Braune verschwunden. Der Sturm zerrte wie mit Krallen an ihr. Die Fesseln behinderten sie. Trotzdem gelang es ihr, einen Streifen vom Unterrock zu reißen und vor das Gesicht zu binden.

Sie brauchte Deckung, besaß aber keinerlei Orientierung. Sie hätte es auch nicht bemerkt, wenn sie im Kreis lief. An manchen Stellen watete sie bis zu den Knien im Sand. Anderswo war der Boden blankgefegt. Die Schwärze schien sich noch zu verdichten. Das unablässige Brüllen betäubte sie. Immer häufiger stolperte sie.

Dann fiel sie. Einige Sekunden hatte sie den Wunsch, liegenzubleiben. Der Sturm warf Sand auf sie. Benommen kämpfte sie sich hoch.

Sie krümmte sich, würgte, hustete und glaubte, ersticken zu müssen. Dann ließ die Wucht des Sturms auf einmal nach.

Das Brausen klang hohler. Ein zerklüfteter Felswall ragte vor Conchita empor. Erschöpft kroch sie in eine Nische.

Der Sturm tobte weiter. Sand rieselte in den Spalten und Kaminen, aber Conchita war jetzt verhältnismäßig sicher. Nur hatte sie keine Ahnung, wo sie sich befand. So plötzlich wie der Sturm begonnen hatte, hörte er auf. Bleiernes Schweigen senkte sich auf die Wildnis.

Conchita wollte nur liegenbleiben und sich ausruhen. Da fielen ihr Emmery und seine Kumpane ein. Vielleicht suchten sie bereits nach ihr. Sie kroch ins Freie. Dünen reihten sich vor ihr. Dahinter standen turmhohe Saguaros an einem Hang. Sie brauchte eine halbe Stunde, bis sie auf dem Kamm stand.

Weit draußen im San Pedro Valley entdeckte sie die Gebäude einer Ranch.

Hoffnung glomm in ihr auf. Sie prägte sich die Richtung ein, ehe sie die Höhe verließ. Die Nacht kam mit Kojotengeheul und Sterngefunkel. Die Beine trugen Conchita kaum mehr. Sie war durstig. Manchmal lauschte sie, aber kein Hufschlag war zu hören. Immer mühsamer setzte sie Fuß vor Fuß. Nirgends weideten Rinder. Hatte sie die Ranch verfehlt? Waren die Gebäude mit dem Windbrunnengerüst nur eine Sinnestäuschung gewesen?

Eine Hügellücke öffnete sich vor ihr. Lampenschein füllte die Fenster des hundert Yard entfernten Ranchhauses. Im Corral standen Pferde. Es roch nach Schwefel. Heiße Quellen sprudelten am Hang.

Conchita wollte rufen, brachte jedoch keinen Ton heraus. Schwankend näherte sie sich dem Gehöft.

Ein Hund begann zu bellen. Dann drehte sich plötzlich alles um sie. Kräftige Arme fingen sie auf. Eine Laterne strahlte das markante Gesicht an. Der Mann war groß und dunkelhaarig.

»Ich bin Frank McLowry, Muchacha. Das ist mein Bruder Tom.«

Der Mann mit der Laterne ging voran. Der Dunkelhaarige trug Conchita. Die Tür stand offen.

Conchitas Augen weiteten sich. Drinnen saßen Emmery, Clanton und Crane am Tisch.

6

Die Bandoleros suchten sofort nach Spuren. Es waren acht Mann, alle in schmutziges Leinenzeug gekleidet, aber die Waffen waren blitzblank. Einige trugen gekreuzte Patronengurte über den Oberkörpern. Spitzkronige Sombreros thronten auf den Köpfen. An den Sätteln hingen Gewehre und Macheten.

Felipe hatte seine Fußabdrücke verwischt. Er kauerte wie ein von Jägern umzingeltes Tier unter einer schrägen Felsplatte. Seine Rechte krampfte sich um den 44er Colt. Curly-Bill und Johnny Ringo waren höchstens fünf Minuten fort. Im Nachhinein wünschte Felipe ihnen die Pest an den Hals. Seine »Landsleute« sahen nämlich nicht danach aus, als würden sie lange fackeln, wenn sie ihn entdeckten.

»Ein Reiter hat hier auf sie gewartet.«

»Dann holen wir uns eben drei Skalps.« Der bullige Anführer lenkte sein Pferd um die Wasserstelle. Der schwarze Bart und die schwarzen Zotteln, die unter dem Sombrero hervorhingen, ließen von seinem Gesicht nur Nase und Augenpartie erkennen. »Sie müssen das Silber haben, das in der Kutsche war, die wir überfielen.«

»In den Satteltaschen des erschossenen Gauls waren nur Patronen und Proviant.«

»Dann haben sie’s unterwegs versteckt. Wir werden’s schon aus ihnen herauskitzeln. Vamos, Muchachos!«

Rücksichtslos trieben die Mexikaner ihre durstigen Pferde vom Tümpel weg. Katzenhaft glitt Felipe aus seinem Versteck. Die Reiter drehten ihm die Rücken zu. Der Anführer war bereits zehn Schritte voraus. Der letzte Mann der Horde befand sich dicht vor ihm.

Mit einem Panthersatz landete Felipe hinter ihm auf dem Pferd. Sein Hieb mit dem Coltlauf schleuderte den Bandolero herab. Der Braune scheute. Sein Wiehern riss die anderen herum. Die Überraschung lähmte sie einen Moment. Dann hoben sie fluchend die Revolver.

Felipe hielt bereits die Zügel, brachte die Füße in die von einem Lederschutz umhüllten Bügel und zog den Wallach nach rechts. Gleichzeitig feuerte er einen Schuss über die Köpfe der Reiter.

Der Braune machte einen erschreckten Satz. Die Kugel des Anführers verfehlte den jungen Mexikaner. Die hämmernden Hufe warfen Sand und Steine auf die Gegner. Als die nächsten Schüsse krachten, verschwand Felipe hinter einem Felsen. Gleich darauf lag die Ebene vor ihm. Kugeln pfiffen ihm nach.

Er galoppierte nach Osten. Curly-Bills und Johnny Ringos Fährte verlief vor ihm. Schießend und schreiend tauchten die Bandoleros hinter ihm auf.

Der Braune war kräftig und zäh, aber kein Renner. Nach einer Meile riss der Pulk der Verfolger auf. Der Schwarzbart und zwei seiner Kumpane holten auf. Der Rest der Bande hielt ungefähr gleichen Abstand.

Sie schossen jetzt nicht mehr. Mitleidlos benutzten sie die Sporen. Einige schlugen mit den Zügelenden und Sombreros auf die Tiere ein. Das Dröhnen der Hufe ließ die Erde zittern. Ein leichter Wind drückte den von den Reitern aufgewirbelten Staub seitwärts von der Spur. Saguarokakteen und Dornbüsche huschten vorbei. Hügel säumten die Ebene.

Die Kuppen im Nordosten lagen näher als jene, zwischen den Bills und Ringos Spur verschwand. Felipe änderte die Richtung. Vielleicht entschieden der Schwarzbart und seine Kumpane sich für das wichtigere »Wild«. Aber ein Blick über die Schulter zeigte Felipe, dass die wutentbrannte Meute hinter ihm blieb. Der Abstand der Vorhut hatte sich weiter verringert.

Die Colts krachten wieder. Felipe verzichtete darauf, zurückzuschießen. Vom galoppierenden Pferd besaß er höchstens die Chance eines Zufallstreffers. Trotzdem kamen ihm einige Kugeln gefährlich nahe. Der Braune lief gleichmäßig, aber Schweißflecken dunkelten jetzt sein Fell. An den Nüstern klebte Schaum. Die Bandoleros schienen entschlossen, ihre Gäule bis zum Zusammenbrechen anzuspornen.

Felipe schätzte die Entfernung zu den Hängen – dreihundert Yard.

Er wusste nicht, was lauter dröhnte: sein Herzschlag oder die Hufe. Eine Kugel streifte den rechten Steigbügel.

Zweihundert Yard.

»Du schaffst es, Amigo, du schaffst es!«, feuerte er den Braunen an. Er stellte sich in die Bügel und beugte sich weit vor, um sein Gewicht besser zu verlagern.

Hundertfünfzig Yard, hundert …

Er hörte die Verfolger wieder schreien. Die nächste Kugel zupfte an seinem Ärmel. Dann war er am Hang. Das Pferd stolperte. Die Hufe sanken ein.

Felipe sprang ab und zog es mit! Sandfontänen spritzten um ihn. Seite an Seite preschten der Schwarzbart und seine Gefährten heran. Die anderen waren zurückgefallen.

Mit einem Schlag auf die Hinterhand trieb Felipe den Wallach auf der anderen Hügelseite hinab. Die Bandoleros wurden völlig überrascht, als er, statt zu fliehen, sich auf ein Knie stützte und zu schießen begann. Mit der Linken umfasste er dabei das rechte Handgelenk. Der 44er blitzte und krachte.

Der Falbe des Anführers überschlug sich. Der Reiter rechts von ihm stürzte mit ausgebreiteten Armen in den Sand. Erschrocken riss der dritte Mexikaner sein Pferd zur Seite. Sein Revolver war leergeschossen. Er feuerte mit dem Gewehr weiter.

Felipes letzte Kugel verfehlte ihn. Hastig lud er.

Schießend stürmte der Gegner heran. Inzwischen kam der Schwarzbart wieder auf die Füße. Er musste ebenfalls laden. Sein Karabiner war unter dem Falben eingeklemmt. Da krachte es seitlich von Felipe. Der Reiter griff sich an die Brust und kippte vom weiterstürmenden Pferd. Dann traf es den Anführer. Er fiel vornüber und rührte sich nicht mehr.

Felipe traute seinen Augen nicht. Fünf Schritte neben ihm saß Johnny Ringo lässig auf dem Schecken. Sein Colt qualmte. Schmaläugig erwartete er die übrigen Gegner. Sie hielten jedoch, schüttelten drohend die Waffen und schrien Verwünschungen. Dann ritten sie davon. Grinsend ersetzte Ringo die abgeschossenen Patronen.

»Die sehen wir nicht wieder. Du warst nicht schlecht, Amigo. Wenn du mir den Braunen überlässt, bekommst du deinen Schecken zurück. Bill wartet am Pirna Rock. Wir wollen nach Tombstone.«

»Ich auch.«

7

Conchita hielt die Augen geschlossen. Sie lag auf einer Bank. Jemand hatte eine Decke über sie gebreitet. Raue Stimmen klangen durcheinander, Gläser klirrten.

»Wie, zum Teufel, seid ihr bloß auf die Idee gekommen, sie mitzunehmen?« Es war die Stimme des Dunkelhaarigen. Conchita erinnerte sich an seinen Namen: Frank McLowry. Die Ranch gehörte ihm und seinem Bruder Tom.

»Rhetts Idee«, antwortete einer der am Tisch Sitzenden. »Der verrückte Kerl will ein Zusatzgeschäft mit ihr machen und sie an eines der Rotlichthäuser von Tombstone verkaufen.«

Die Männer lachten. Dann schimpfte Emmery: »Von wegen verrückt! Dreihundert Dollars bringt sie allemal. Seht sie euch nur an. Solche Klasseweiber gibt’s nicht viele.«

Die Mexikanerin schauderte. Dann knarrte die Tür. Ein Pferd schnaubte vor dem Haus. Conchita spürte einen kühlen Luftzug. Schritte pochten.

»Ist sie immer noch nicht wach?«

»Kein Wunder. Sie ist acht Meilen gelaufen im Sandsturm.« Jim Crane lachte. »Zäh wie ’ne Wildkatze. Sei bloß vorsichtig mit ihr, Rhett.«

Die Tür war noch offen. Conchita warf die Decke ab, sprang auf und versuchte ins Freie zu gelangen. Sie war nicht mehr gefesselt.

Tom McLowry hängte gerade sein Gewehr an die Wand. Offenbar kam er von einem Kontrollritt. Es war Emmery, der Conchita am Arm erwischte und sie wütend gegen die Bretterwand stieß.

»Verdammtes Miststück!« Er wollte sie schlagen. Frank fing seinen Arm ab.

»lass sie in Ruhe!«

Der Hagere fuhr herum. Seine Rechte umkrallte den Revolver. Es war ein eingefleischter Reflex.

»Misch dich nicht ein!«

In Franks dunkel gebräuntem Gesicht bewegte sich kein Muskel.

»Vergiss nicht, dass ich hier der Boss bin, Amigo. Es wäre ein Fehler, die Muchacha nach Tombstone zu bringen. Wyatt Earp wartet nur auf ’nen Anlass, uns anzumachen. Menschenraub fällt in seine Zuständigkeit als US Deputy Marshal. Nicht mal Johnny Behan könnte uns da noch rauspauken.«

»Zur Hölle mit Earp und seinen Brüdern! Die Besitzer der Bordelle im Chinesenviertel sind verschwiegen, und China-Mary lässt sich nicht lumpen, wenn’s drum geht, der Konkurrenz ein hübsches Girl wegzuschnappen. Ein paar Drinks, und die Muchacha weiß nicht mal mehr, wie sie heißt. Die Schlitzaugen verstehen sich auf so was.«

»Du scheinbar auch.«

Emmery grinste.

»Ich bin eben nicht nur auf Rinder und Revolver spezialisiert.«

Inzwischen hatte Tom McLowry die Tür geschlossen. Phin Clanton goss sich einen Whisky ein.

»Ich war dagegen, dass Rhett die Puppe mitschleppt. Wir kriegen bloß Verdruss.«

»Jetzt können wir sie nicht mehr laufenlassen«, meinte Crane. Phin trank. Er hielt das Glas mit der Linken. Seine Rechte berührte den Colt. »Das nicht.«

Gehetzt sah Conchita von einem zum anderen. Obwohl die Outlaws englisch sprachen, verstand sie jedes Wort. Frank nickte ihr zwar beruhigend zu, aber die Kälte in seinen dunklen Augen verursachte einen Druck in ihrer Kehle.

»Ich kauf sie dir ab, Rhett.«

Emmery war an den Tisch getreten. Er hielt Flasche und Glas. Sein Grinsen machte ihn noch abstoßender.

»Seit wann stehst du auf Greaser-Girls?«

»Zweihundert Bucks, Rhett.«

»Ihr seid ja beide verrückt!«, rief Clanton. »Was ist los mit dir, Frank? Du kannst in Tombstone so viele Girls haben, wie du willst. In allen Hautfarben. Für zehn Dollar die Nacht. Es wäre zu gefährlich, die Muchacha hierzubehalten. Wenn sie flieht …«

»Warum sollte sie? Sie wird’s gut haben bei mir.« Frank sah die Mexikanerin an. Seine Stimme klang ruhig, aber immer noch war Kälte in seinem Blick. »Wie heißt du?«

»Conchita Montoya. lassen Sie mich gehen, Señor. Ich werde niemand verraten, wo ich war.«

»Du gefällst mir, Conchita. Ich werde zweihundert Dollars für dich bezahlen. Das ist viel Geld.«

»Der Preis ist dreihundert«, unterbrach Emmery.

»Zweihundert – dafür nehm ich dich mit ins Geschäft.«

»Welches Geschäft?«

»Ich weiß noch nicht genau. Aber schau dir die Muchacha doch mal genauer an, nicht bloß ihre Figur. Eine solche Ähnlichkeit gibt’s nicht wieder. Denk an Nacozari, Rhett.«

»Hölle, du hast recht!«, stieß Emmery hervor. »Wo hatt’ ich bloß meine Augen!«

Clanton und Crane schüttelten den Kopf.

»Jetzt weiß ich’s!«, rief der jüngere McLowry. »Ich war damals in Nacozari auch dabei. Die Muchacha sieht aus wie die Tochter von dem reichen Haziendero, die Sheldon Floyd zur Frau nahm.

Emmery kratzte sich am Hals. »Ich versteh trotzdem nicht, was du vorhast, Frank.«

»Wart’s ab.«

8

Sie erreichten Tombstone von Süden.

Felipe ritt zwischen Curly-Bill Brocius und Johnny Ringo. Die Sonne brannte, obwohl es Oktober war. Seit Wochen hatte es nicht geregnet. Jeder Huftritt wirbelte Staub auf. Männer und Pferde waren wie mit graugelbem Puder bedeckt. Die Stadt lag auf einem weiten, baumlosen Plateau. Die Gipfel der Dragoon Mountains verschwammen im Hitzedunst. Rauch stieg aus den Schmelzöfen der Silberminen ringsum. Seit der alte Schieffelin vor zwei Jahren die Lucky-Cuss Mine entdeckte, die pro Tonne fünfzehntausend Dollar in Silber einbrachte, hatte Tombstone sich zur berüchtigsten Boomtown des Südwestens entwickelt.

Felipe sah die Stadt zum ersten Mal. Sie erinnerte ihn an ein in der Sonne dösendes, jederzeit zum tödlichen bissbereites Raubtier. Die großen Straßen verliefen von Ost nach West, die schmaleren Verbindungen in Nord-Süd-Richtung. Baufällige Mexikanerhütten drängten sich am Stadtrand.

Felipe und die beiden Revolvermänner überquerten die Safford Street, gelangten in die Fremont Street und ritten am Eingang zum O.K.-Corral vorbei.

Ein schnurrbärtiger, breitschultriger Mann trat aus dem Schatten von Flys Fotogeschäft. Er trug einen dunklen Anzug. Der Stern an seinem Jackenaufschlag blinkte.

»City Marshal of Tombstone« war eingraviert. Die Reiter hielten. Felipe spürte die Spannung zwischen seinen Begleitern und dem Sternträger. Curly-Bills Grinsen wirkte angestrengt.

»Sieht fast so aus, als hättest du auf uns gewartet, Earp. Was gibt’s Neues?«

Virgil Earps Blick streifte den jungen Mexikaner, ehe er Bill ausdruckslos ansah. Dabei schob er die Daumen hinter den patronengespickten Gurt.

»Die Kutsche nach Benson wurde wieder mal überfallen, während ihr weg wart. Seltsam, was?«

»In der Tat, Marshal.«

»Diesmal hatte es auch ’ne Mexikanerbande auf das Silber abgesehen. Die Burschen waren ziemlich wütend, als sie feststellten, dass sie um Minuten zu spät kamen. Der Driver erzählte, dass sie sich sofort auf die Spur der Konkurrenz setzten. Muss ’ne wilde Jagd geworden sein.«

»Dann ist gewiss auch Wyatt irgendwo draußen unterwegs«, meinte Ringo gelassen. »Ich hab mir sagen lassen, dass er neuerdings mit jeder Kutsche Bundespost befördern lässt, damit er ’ne Handhabe zum Eingreifen bekommt. Raffinierter Dreh.«

»Irgendwann erwischen wir die Banditen.«

»Oder umgekehrt.« Curly-Bill lachte, aber Earp ging nicht darauf ein. Seine harten, abschätzenden Augen hefteten sich wieder auf Felipe.

»Ein neues Gesicht in eurer Crew. Wer ist der Junge?«

»Sie können mich fragen, Marshal. Ich spreche Englisch. Mein Name ist Felipe Montoya.«

»Wir haben ihn an der Tinaja del Lobo aufgegabelt«, fügte Ringo hinzu. »Er wollte nach Tombstone. Angeblich sucht er ’nen Job.«

»Du reitest in schlechter Gesellschaft, Felipe.«

»Ansichtssache.«

Ein weiterer Sternträger kam hinzu. Er war mittelgroß, schlank, glattrasiert und besaß ein fliehendes Kinn. Sein grauer Stadtanzug war frisch gebügelt. Trotz der Hitze trug er einen Stehkragen.

»Ich bin Sheriff Behan. lass dich vom Marshal nicht einschüchtern, mein Junge. Er und seine Brüder bilden sich ein, dass Bill und Johnny mit den Überfällen auf die Benson-Kutsche zu tun haben, finden aber keine Beweise. Nun sind sie stocksauer. Wenn du Verdruss bekommst, halte dich an mich. Vielleicht kann ich dir auch ’nen Job verschaffen.«

»Nicht bei den Clantons«, grinste Curly-Bill. »Die mögen keine Mexikaner, seit sie im Frühjahr ihren Alten begruben.«

»Weshalb habt ihr ihn mitgebracht?«

»Sagte ich schon: Wir hatten den selben Weg«, antwortete Ringo. Dann mit einem herausfordernden Blick auf Earp: »Außerdem lieh er mir sein Pferd, als eine Horde wild gewordener – Landsleute von ihm Curly und mir ans Leder wollten.«

»Also doch.« Der Stadtmarshal von Tombstone schob die Jacke hinter den Revolvergriff.

Ringos Grinsen glich einem Zähnefletschen.

»Keine Ahnung, was du meinst, Earp.«

»Macht keinen Blödsinn«, krächzte Behan nervös. »Bill, Johnny, ich lade euch zu ’nem Drink ein. Du kannst mitkommen, Junge. Ich sag Dan Bescheid, damit er eure Pferde …« Er blickte an den Reitern vorbei. »Verdammt!«

Hufschlag pochte. Curly und Ringo lenkten die Pferde an den Straßenrand. Fahrbahn und Gehsteige waren plötzlich leer. Ein großer, schwarz gekleideter Reiter auf einem großen, rotbraunen Pferd kam die Fremont Street herab. Auch ohne den buschigen, die Mundwinkel verdeckenden Schnurrbart wäre die Ähnlichkeit mit Virgil Earp unverkennbar gewesen. Der Schatten des flachkronigen, schwarzen Huts verdeckte die Augen. Die Sonne blitzte auf dem Abzeichen am Prinz-Albert-Rock.

Felipe hatte das Gefühl, dass ein kalter Hauch durch die Stadt strich. Alle Geräusche aus den Gebäuden und Seitengassen wirkten auf einmal merkwürdig gedämpft.

Dann sah Felipe den Gefangenen. Er stolperte in dem Staub, den der Rotbraune aufwirbelte. Seine Hände waren gefesselt. Eine lassoschlinge lag um den Hals. Das Ende des Seils war am Sattel des Schwarzgekleideten verknotet. Felipe erkannte Conchitas Entführer, den Hageren mit der Geiernase.

»Verdammt!«, wiederholte Curly-Bill. Warnend hob Behan die Hand. Sie warteten, bis Wyatt Earp neben seinem Bruder hielt.

Rhett Emmery keuchte. Schweißrinnsale durchzogen die Staubkruste auf seinem Gesicht. Er vermochte sich kaum mehr auf den Beinen zu halten.

»Hallo, Wyatt!«, dehnte Ringo. »Es ist nicht fair, ’nen Mann, der sonst keine zwanzig Schritte zu Fuß zurücklegt, wie ein Stierkalb ans lasso zu nehmen.«

»Es ist noch weniger fair, den Fahrer eines Wells-Fargo-Transports aus dem Hinterhalt vom Bock zu schießen.« Die kalte, entschlossene Stimme passte zum Äußeren des Frontier-Marshals.

Emmery schnappte: »Redet nicht! Legt den verdammten Bastard endlich um! Er hat kein Recht, mich zu verhaften.«

Dann sah Emmery Felipe. Er zuckte zuerst zusammen, dann loderte eine wilde Drohung in seinen Augen. Felipes Hände krampften sich um die Zügel. Er begriff, dass er Conchita nicht wiedersehen würde, wenn er jetzt den Mund auftat. Nur Emmery wusste, wo sie war. Die anderen merkten nichts. Sheriff Behan wandte sich an den US Deputy Marshal.

»Was werfen Sie ihm vor, Earp?«

»Bob Paul, der Begleitmann der Wells-Fargo-Stage identifizierte Emmery zweifelsfrei als den Kerl, der bei dem Hold up vor zwei Wochen den Fahrer erschoss. Die Kutsche beförderte nicht nur die Lohngelder für die Southern Cross und die Floyd Mine, auch Bundeseigentum, nämlich mein Marshals-Gehalt. Sonst noch was?«

»All right, Marshal, dann reichen Sie die Anklage ein. Ich übernehme den Gefangenen. Tut mir leid, Rhett.«

Wyatt beugte sich im Sattel vor. Seine Stimme klirrte.

»Es wird Ihnen noch mehr leid tun, Sheriff, sollte der Gefangene wie schon mal aus Ihrem Gefängnis entkommen. Um Ihnen die Blamage zu ersparen, bringen mein Bruder Morg und ich ihn mit der nächsten Kutsche nach Tucson. Dort wird er sich vor dem Richter verantworten. Er hat dann immer noch als Kronzeuge gegen seine Komplicen die Chance, seine Haut zu retten.«

Behan erbleichte.

»Hölle und Verdammnis, unternehmt endlich was!«, schrie Emmery. Curly und Ringo wechselten einen Blick. Vorsichtig bewegte der Sheriff sich rückwärts. Die Earp-Brüder schoben die Hände an die Waffen.

»Junge, du solltest entweder verschwinden oder deine Seite wählen«, mahnte Wyatt.

Da lachte Curly-Bill wieder.

»Wir sind keine Banditen, Wyatt, die du provozieren kannst. Rhetts Unschuld wird sich bestimmt rausstellen. – Komm, Johnny. Da drüben stehen noch zwei von Wyatts Verein, Bruder Morg und Doc Holliday. Was glaubst du, wie die sich freuen, wenn wir zu den Colts greifen.« Er blinzelte Emmery zu. »Kopf hoch, Rhett. Denk dran: Der Weg nach Tucson ist verteufelt lang.«

9

Felipe brachte den Schecken in den Mietstall. Das Gebäude lag an der Allen Street, dahinter der schlauchförmige Corral mit dem Eingang von der Fremont Street. Felipe bezahlte mit einem der Double Eagles, die Ringo ihm ließ.

»Behalt’ das Geld für den Braunen, den du mir verschafft hast«, hatte der Revolvermann abgewunken, als Felipe es ihm zurückgeben wollte. Er bekam eine Handvoll Kleingeld heraus. Die Sonne tauchte Tombstone in gleißende Helligkeit, als er den Stall verließ.

Entlang der Allen Street reihten sich die protzigen Etablissements, die mit in die Geschichte dieser wilden und lange Zeit gesetzlosen Stadt eingehen sollten: das Vogelkäfig-Theater, der Crystal Palace, der Alhambra und Orient Saloon, Campbell and Hatch’s Spielhalle, Hafford’s Saloon und das Cancan-House.

Wagen rollten vorbei. Reiter bogen um die Ecke der Sixth Street. Frauen mit Einkaufskörben und Männer in derber Minerkleidung bevölkerten die Gehsteige. Vor dem Cosmopolitan Hotel stand eine hochrädrige Reisekutsche. Das Zaumzeug der vier Rappen war mit Silberbeschlägen verziert. Ein Mexikaner in silberbestickter Charrotracht wartete auf dem Bock.

Virgil Earp lehnte an der Stallwand und zündete sich eine Zigarre an.

»Wenn Curly und Ringo dich als Spion zurückließen, solltest du lieber verschwinden, bevor du kalte Füße kriegst. Diese Fehde, mein Junge, ist ’ne Nummer zu groß für dich.«

Felipes Gedanken waren eben noch bei Rhett Emmery. Trotzig erwiderte er den Blick des stämmigen Mannes.

»Ich hab nichts damit zu tun.«

»Ein Grund mehr, dich aus dem Staub zu machen. Für Burschen, die mit ’nem Eisen in Tombstone herumlaufen, gibt’s keinen Platz zwischen den Fronten. Ich hab nichts gegen Mexikaner, aber nicht alle hier denken so. Muss ich noch deutlicher werden?«

»Sie waren deutlich genug, Marshal.«

»Worauf wartest du dann?«

Earp schien überrascht, dass Felipe furchtlos seinem Blick standhielt.

»Sie haben kein Recht, ihn aus Tombstone zu jagen, Marshal«, mischte sich eine helle Stimme ein. »Er gehört nicht zu der Sorte, die Revolverlohn sucht.«

Das Mädchen stand an der Ecke, blond, grünäugig, mit grell geschminkten Lippen und einem roten, tief ausgeschnittenen Kleid, das sie als eins der zahlreichen Flittergirls der Boomtown auswies. Die Perlenkette war bestimmt so unecht wie die künstlichen Locken, die das hübsche Gesicht mit dem ein bisschen zu großen Mund einrahmten. Der Marshal grinste kantig.

»Du musst es ja wissen, Jill.«

»Allerdings.« Mit funkelnden Augen kam sie näher. Sie trug eine Hutschachtel und einen Sonnenschirm. »Ich hab in meinem Leben genügend Revolverschwinger kennengelernt.«

»Du bist ein nettes Mädchen, Jill, aber du steckst deine reizende Nase zu häufig in Angelegenheiten, die dich nichts angehen, das ist schlecht in einer Stadt wie Tombstone.« Earp stieß sich von der Bretterwand ab. »Übrigens gilt ab morgen früh ein absolutes Waffenverbot für die Stadt«, wandte er sich an Felipe. Ruhig entfernte er sich.

»Na also.« Das Saloongirl gab Felipe die Hand. »Meinen Namen hast du gehört. Wie heißt du?«

»Felipe.« Er war verlegen. »Du hättest dich nicht einmischen sollen. Nun ist der Marshal sauer auf dich.«

»Ach was! Im Großen und Ganzen sind die Earps schon in Ordnung, nur ein bisschen großspurig. Ich sah dich mit Curly und Ringo in die Stadt kommen. Habt ihr euch wirklich nur zufällig getroffen?«

Felipes Gesichtsausdruck verriet Misstrauen. Jill lachte.

»Ich will dich nicht aushorchen. Ich fänd’s nur schade, wenn du dich mit den falschen Leuten einlassen würdest. Du gefällst mir. Ich wette, du bist kein Jahr älter als ich. Wenn du möchtest, darfst du mir ’nen Drink spendieren. Ich arbeite im Silverking an Toughnut Street. Was ist, du hörst mir ja gar nicht zu.«

Eine junge Mexikanerin in hochgeschlossenem dunkelblauem Kleid verließ das Cosmopolitan Hotel. Das rabenschwarze, hochgesteckte Haar glänzte in der Sonne. Ein runder, zum Kleid passender Hut thronte darauf. Ein durchsichtiger Schleier war an ihm befestigt, der die obere Gesichtshälfte verdeckte.

Der farbige Hoteldiener öffnete die Kutschentür für die junge Frau. Zwei Reiter mit tief gehalfterten Colts hielten neben dem Fahrzeug. Gewehre hingen an den silberbeschlagenen Sätteln.

»Conchita«, flüsterte Felipe ungläubig. Dann begann er zu laufen.

Jill rief ihm etwas nach, aber er hatte sie bereits vergessen. Ein Miner fluchte, als er ihn im Vorbeihasten anrempelte. Ein Frachtwagen näherte sich. Knapp vor dem Maultiergespann überquerte Felipe die Straße. Die Mexikanerin hatte inzwischen in der Kutsche Platz genommen. Der Fahrer griff zur Peitsche.

»Conchita!«, schrie Felipe.

Die beiden Reiter drehten die Pferde. Drei Männer, von denen zwei ebenfalls tiefhängende Sechsschüsser trugen, kamen aus dem Hotel. Der dritte war ein bärtiger, stattlicher Minenbesitzer. An seinem braunen Kordanzug funkelten Silberknöpfe. Dazu hatte er ein weißes Hemd mit Schleife an.

Felipe sah nur die Kutsche. Er stürzte an den Reitern vorbei und riss den Schlag auf.

Erschrocken blickte die Mexikanerin ihn an. Ihre Ähnlichkeit mit Conchita war verblüffend. Sie mochte drei Jahre älter sein. Das Gesicht war schmaler, die Lippen weniger voll. Felipe starrte sie an. Ehe er sich entschuldigen konnte, wurde er herumgerissen. Ein Faustschlag warf ihn in den Staub.

»Fahr zu, Ramon!«, befahl der Bärtige.

Der Kutscher schwang die Peitsche. Die Hufe malmten, die Räder drehten sich. Felipe rappelte sich auf. Breitbeinig stand der Bärtige vor ihm. Einer seiner Begleiter hatte den Fuß auf Felipes am Boden liegenden Colt gestellt. Es waren klotzige Kerle mit verkniffenen Gesichtern. Der eine besaß ein gebrochenes Nasenbein. Eine Messernarbe zierte die rechte Wange des anderen. Die Reiter blieben bei der Kutsche. Sie rollte bereits am Crystal Palace vorbei.

»Was, zum Teufel, wolltest du von meiner Frau?«

»Ich hielt sie für meine Schwester.«

»Das kannst du deiner Großmutter erzählen.« Drohend hob der Bärtige die Fäuste. Es waren schwielige Arbeiterfäuste, jedoch mit protzigen Ringen geschmückt. »Raus mit der Sprache!«

»Ich hab die Wahrheit gesagt.«

Einen Augenblick schien es, als wollte der Minenbesitzer sich auf ihn stürzen, dann ließ er die Fäuste sinken. Zuschauer versammelten sich.

»Verdammt will ich sein, wenn ich mir die Hände an dir schmutzig mache! Bringt ihn zum Reden!«

»Wird gemacht, Mister Floyd.« Grinsend trat der Narbige auf Felipe zu. Da sprang der junge Mexikaner ihn an.

Sheldon Floyds Leibwächter hatten erwartet, dass Felipe zu fliehen versuchte. Sein Anprall stieß den Narbigen um. Felipe fiel auf ihn, hieb ihm die Faust ans Kinn und warf sich zur Seite. Der Fußtritt des zweiten Kerls verfehlte ihn.

Der Narbige wollte aufspringen, sein Kumpan den Revolver ziehen. Sie erstarrten, als sie den 44er in Felipes Hand sahen. Die Waffe zielte auf Floyd.

»Verschwinden Sie mit den beiden!«

Keiner bewegte sich. Floyds Rechte umspannte ebenfalls den Revolver. Die Waffe steckte in dem halb von der Anzugjacke verdeckten Holster. Felipe richtete sich auf.

»Ich zähl bis drei.« Da traf ihn der Lauf eines Sechsschüssers hinter dem rechten Ohr. Ein Feuerwerk explodierte vor seinen Augen.

10

Zwanzig Meilen südlich von Tombstone wartete eine Schar maskierter Reiter auf die Kutsche, in der Sheldon Floyds junge Frau saß. Der Schatten rotbrauner Sandsteinklippen lag auf ihnen. Trotzdem war es stickig heiß. Fliegen summten um die schwitzenden Pferde.

Der San Pedro River floss nahe vorbei, ein yardbreites Rinnsal im flachen, weißen Kiesbett. Kein Luftzug bewegte die Blätter der Mesquitebüsche. Eine halbe Meile entfernt verlief die Grenze zu Mexiko auf einem kahlen Höhenrücken. Steinpyramiden markierten sie. Der Trail nach Fronteras und Nacozari wand sich durch einen Einschnitt in dem Kamm.

Hufgetrappel und Rädergerassel kündigten das Gefährt an. Die Reiter verteilten sich. Sie waren wie Cowboys gekleidet, aber die tief gehalfterten Colts hätten jeden Weidereiter beim Rinderbränden und Zäuneflicken behindert.

»Ihr wisst, was ihr zu tun habt!«, drang die Stimme des Anführers dumpf unter der vor das Gesicht gebundenen Bandana hervor.

Gleich darauf rollte die Kutsche aus einer Biegung. Die Rappen trabten. Der Fahrer pfiff. Die Begleitreiter waren auf keine Gefahr gefasst. Ihre Gewehre steckten in den Scabbards. Eine Salve fegte die Sättel leer.

Schreiend stürzte der Mexikaner vom Kutschbock. Die Rappen gingen durch. Die Zügel schleiften zwischen den hämmernden Hufen, das Fahrzeug schlingerte ins Flussbett. Der Fetzen eines Hilfeschreis wehte durch das Dröhnen. Von Pulverrauch umwogt, stoben die Maskierten aus dem Schatten.

»Haltet sie!« Der Anführer stieß seinem Rehbraunen die Sporen gegen die Flanken. Funken sprühten unter den Hufen. In dichtem Pulk preschten die Banditen der Kutsche nach. Sie fegte durchs knietiefe Wasser.

Die junge Frau klammerte sich an Sitzkante und Seitenlehne. Der runde Hut mit dem Schleier lag am Boden. In der rechten Tür klaffte ein Kugelloch.

Ein Reiter überholte die Kutsche und schwang sich auf den Rücken des rechten Führungspferdes. Rechts leuchtete das Kiesbett, links wischte die mit halb verdorrten Grasbüscheln bewachsene Lehmböschung vorbei. Dann wurden die Rappen langsamer. Die Meute holte auf.

»Wir haben sie!« Die Kerle johlten und schossen in die Luft. Die Kutsche hielt. Einer riss die Tür auf. Die junge Mexikanerin sprang auf der anderen Seite hinaus. Schon war sie am Hang. Das knöchellange Kleid behinderte sie. Aber die Böschung war so steil, dass ihr kein Reiter folgen konnte.

Keuchend kletterte sie. Dabei hielt sie sich an den festverwurzelten Büschen fest. Schwarze Strähnen züngelten um das erhitzte Gesicht.

Ines Floyd war überzeugt, dass die Banditen sie lebend wollten. Ihr Ehemann und ihr Vater gehörten zu den reichsten Männern im Südwesten.

Das Geschrei und die Schüsse verstummten. Der Anführer zog die Winchester aus dem Scabbard. Das Knacken des Metallbügels veranlasste die Frau, den Kopf zu drehen.

Das Gewehr zielte auf sie. Die Augen zwischen Stetsonkrempe und Tuchrand glänzten wie Basaltsplitter. Ines wollte schreien, brachte jedoch keinen Ton heraus.

Dann peitschte der Schuss.

11

Ein feuchtes Tuch kühlte die Beule hinter Felipes Ohr. Sein Kopf schmerzte. Er lag auf dem Bauch. Die Stäbe eines eisernen Bettgestells ragten vor ihm auf. Die Wand war mit einer geblümten Tapete bespannt. Im Zimmer roch es nach billigem Parfüm. Felipe hörte ein Rascheln und drehte sich auf den Rücken. Jill stand vor dem Spiegel.

»Ausgeschlafen, Amigo?«

Felipe brauchte eine Weile, bis er sich an alles erinnerte.

»Wo ist mein Colt?«

Jills grüne Augen verdunkelten sich.

»Du redest wie ein Revolverschwinger.« Sie deutete auf das Kästchen neben dem Bett. Felipes 44er lag darauf. »Du brauchst ihn nicht. Du bist hier sicher. Mein Zimmer liegt überm Silverking Saloon, in dem ich arbeite. Du kannst dich bei Virgil Earp für die Kopfschmerzen bedanken, aber auch dafür, dass Floyds Schießer dich nicht in die Mangel nahmen. Er brachte dich her.«

»Eine Stadt voller Verrückter.«

»Dann bist du ja richtig. Was ist bloß in dich gefahren, als du plötzlich auf die Kutsche losgingst, in der Floyds Frau saß? Kennst du sie?«

Felipe stellte die Füße auf den Boden, blieb aber sitzen. Sekundenlang drehte sich alles.

»Ich hielt sie für meine Schwester«, wiederholte er.

»Verrückt! Sie ist die Tochter eines reichen Haziendero aus der Gegend um Nacozari. Floyd ist fast dreißig Jahre älter und höllisch eifersüchtig. Die zweitgrößte Mine im Tombstone-Bezirk gehört ihm. Seine Revolverschwinger hast du ja kennengelernt. Ines Floyds Vater ist erkrankt. Deshalb reist sie nach Mexiko. Floyds Leute haben erst vorige Woche eine neue Erzader gefunden. Wahrscheinlich hätte er sie sonst nicht allein fahren lassen.«

»Zum Teufel mit ihm!«

Jill brachte ihm einen Drink.

»Das wird dir helfen.« Sie lachte, als er zögerte. »Hast du Angst, dass ich dich vergifte?«

Sie setzte sich neben ihn. Felipe drehte das Glas.

»Warum tust du das alles für mich?«

»Hab ich dir nicht schon gesagt, dass du mir gefällst?«

Felipe trank. Es war hochprozentiger Whisky. Er musste die Zähne zusammenbeißen, aber danach ließen die Kopfschmerzen tatsächlich nach.

»Noch einen?«, fragte Jill. Er spürte die Wärme ihres Körpers durch das dünne Kleid. Eine Ader pochte an ihrem schlanken, weißen Hals. Felipe schüttelte den Kopf.

»Ich soll dir übrigens ausrichten, dass der Marshal dich nach dem Zwischenfall mit Floyd morgen nicht mehr in der Stadt sehen will. Er locht dich sonst ein. Ich kenne Virgil. Er meint’s ernst.«

»Was wird hier eigentlich gespielt?«

»Ich wollte, es wär’ nur ein Spiel.« Jills Lachen klang bitter. Sie stand auf und ging zum Fenster. »Wenn meine Nase mich nicht täuscht, wird der Boothill von Tombstone bald wieder um einige Gräber bereichert, auf deren Steinen bekannte Namen stehen werden.« Sie drehte sich, den Finger an der Nasenspitze, aber mit einem traurigen Lächeln, zu ihm um.

»Ich will’s genauer wissen.«

»Für ’nen Vaquero, den der Zufall nach Tombstone verschlug, bist du zu neugierig.«

Aber dann berichtete Jill. Sie begann damit, dass Crawley P. Drake, der US Marshal für Arizona, Wyatt Earp beauftragte, das Bundesgesetz im Cochise County durchzusetzen. Seit Wyatt sich in Tombstone niederließ, war er vielen ein Dorn im Auge. Sheriff Johnny Behan gehörte zu ihnen. Es hieß, dass er mit den Clantons und McLowrys unter einer Decke steckte. Ihre Ranches galten als Treffpunkt der Gesetzlosen. Viehdiebstähle und Postkutschenüberfälle wurden ihnen angelastet, aber es fehlten Beweise.

»Wenn es doch welche gab, wurden sie von Behan unter den Teppich gekehrt«, meinte Jill achselzuckend.

Wyatts Verbündeter war John P. Clum, Bürgermeister, Vorstand des Sicherheitskomitees und Herausgeber des »Epitaph«. Clum war es auch, der durchsetzte, dass Wyatts Bruder Virgil zum City Marshal ernannt wurde. Morgan, der jüngste Earp, fungierte als Wyatts Gehilfe.

Die Behan-Partei warf ihnen vor, dass sie in die eigene Tasche wirtschafteten. Ihr Sprachrohr »The Nugget« und Clums »Epitaph« lieferten sich heftige Gefechte.

Schließlich war auch noch der berühmt-berüchtigte Spieler und Revolvermann Doc Holliday, mit dem Wyatt seit seiner Zeit in Dodge City befreundet war, nach Tombstone gekommen. Curly-Bill und Johnny Ringo wiederum hatten sich dem Clanton und McLowry-Clan angeschlossen. Damit war das Pulverfass im Cochise County komplett. Ein Funke genügte, es zu zünden.

»Vielleicht noch heute. Die Kutsche, mit der die Earps Rhett Emmery nach Tucson bringen wollen, steht bereits vor Wyatts Office. Wenn Emmery vor dem Richter auspackt, sind seine Komplicen geliefert. Ike Clanton, Frank McLowry und Curly-Bill werden alles dransetzen, damit die Stage Tucson nie erreicht. Das wissen natürlich auch die Earps …«

Mit wenigen Schritten war Felipe neben Jill. Die Toughnut Street lag unter ihnen. Die Dächer glänzten. Die Kutsche stand nur drei Häuser entfernt vor einem schmalen Gebäude, über dessen Eingang ein Schild mit der Aufschrift »US Deputy Marshal« hing. Es war eine gewöhnliche Wells-Fargo-Kutsche, aber ohne Gepäck auf dem Dach. Der bärtige Fahrer hielt Zügel und Peitsche.

Wyatt und Virgil brachten den Gefangenen heraus. Emmery trug Handschellen. Morgan sicherte mit einer doppelläufigen Schrotflinte. Passanten blieben stehen. Ein Wagen bog in die Gasse neben dem Silverking Saloon.

»Bring Conchita zurück«, hörte Felipe die flehende Stimme seiner Mutter.

»Du schwitzt ja!«, rief Jill. »Ich glaub, du brauchst doch noch ’nen Drink.« Sie trat an den Tisch, auf dem Flasche und Glas standen. Felipes Gedanken jagten sich. Die Outlaws würden bei dem Überfall auf die Kutsche keine Rücksicht auf den Kumpan nehmen. Hauptsache, er kam nie in Tucson an. Wenn aber Emmery im Kugelhagel starb, erfuhr Felipe womöglich nie, wo Conchita sich befand.

Wyatt stieß den Entführer nun ins Fahrzeug. Einen Augenblick lang sah Felipe Emmerys Gesicht am Fenster zur Straße, dann lehnte der Gefangene sich zurück. Die Tür blieb offen. Wyatt sprach noch mit Virgil. Inzwischen kletterte Morgan geschmeidig auf den Bock. Er setzte sich, die Schrotflinte zwischen den Knien, neben den Driver.

Felipe warf seinen zweiten Double Eagle auf den Tisch, schnappte sich den Colt und lief zur Tür.

»Bist du närrisch? Wo willst du hin?« Das Glas, das Jill eben füllte, zerbrach am Boden.

»Ich brauch’ dein verdammtes Geld nicht!«, verstand er noch. Da war er schon auf der Treppe.

12

Felipe wartete auf den Augenblick, da der bärtige Driver den Bremshebel löste und Wyatt Earp in die Kutsche steigen wollte.

Er zielte sorgfältig. Vom Dach des Saloonanbaus besaß er ein gutes Schussfeld. Er dachte jetzt nicht daran, dass er sich die gefährlichsten Männer des Westens zu Feinden machte, wenn er abdrückte. Sein Blei traf die Wagentür.

Fluchend fuhr Earp zurück. Der langläufige Sechsschüsser schien ihm wie von selber in die Faust zu springen. Gleichzeitig zog auch Virgil.

Da pflügte Felipes zweite Kugel den Sand zwischen den Hufen. Wiehernd stürmte das Sechsergespann los. In dem Staub, den die Hufe und Räder emporrissen, erkannten die Earps nicht, woher die Schüsse gekommen waren. Virgil erreichte die Officetür, Wyatt duckte sich hinter einem Vordachpfosten. Vergeblich zerrte der Kutscher an den Zügeln. Schon war das Fahrzeug schräg unter Felipe.

Er sprang vom Anbau aufs Kutschendach und warf sich, damit er nicht herabgeschleudert wurde, auf den Bauch. Der 44er lag in seiner Rechten.

Als er zurückschaute, standen Wyatt und Virgil mit erhobenen Revolvern vor dem Marshals Office. Aber sie schossen nicht. Sie hätten sonst auch Morgan und den Driver gefährdet. Wütend schwang der junge und ebenfalls schnurrbärtige Earp die Flinte herum.

Felipe blieb keine Wahl. Sein Hieb mit dem Coltlauf warf den Deputy vom Bock.

Der Driver fluchte erschrocken. Schon saß Felipe neben ihm. Die Stagecoach fegte im Höllentempo die Toughnut Street hinab. Passanten flüchteten. Ein Reiter, der im letzten Moment sein erschrecktes Pferd zur Seite brachte, drohte mit der Faust.

»Gib mir die Zügel!«, befahl Felipe. Der Bärtige wollte den Colt unter der Jacke hervorzerren, verzichtete aber darauf, als er die 44er-Mündung auf den Rippen spürte. Der junge Mexikaner stemmte sich ein. Die Pferde gehorchten jetzt. Felipe verlangsamte die Fahrt. Die Kutsche erreichte die letzten Häuser.

»Du darfst dich verabschieden, Compadre.«

Der Wells-Fargo-Mann schluckte. Felipe lenkte das Fahrzeug an einem Heuhaufen vorbei.

»Spring!«

13

Rhett Emmerys Kopf tauchte im rechten Kutschenfenster auf.

»He!«, schrie er. »Fahr langsamer! Willst du, dass wir uns das Genick brechen, Mann?« Dann erst sah er, wer auf dem Bock saß. Fluchend verschwand er wieder im Fahrzeuginnern.

Die Peitsche knallte. Felipe blickte geradeaus. Die Stagecoach jagte am Fuß einer langgestreckten, buschbestandenen Anhöhe dahin. Felsen ragten dahinter empor.

Plötzlich flog die Tür auf. Emmery schnellte heraus, überkugelte sich und blieb einige Sekunden benommen liegen. Unverletzt kam er hoch. Er hinkte nur ein wenig, als er den Hang hinaufhastete. Die Kette zwischen seinen Handgelenken blinkte.

Rasch wickelte Felipe die Zügel um die Seitenlehne. Ohne das Tempo zu drosseln, turnte er vom Bock aufs Trittbrett. Er hielt sich fest, bis die Kutsche an einer Düne vorbeisauste. Da stieß er sich ab. Der Aufprall presste ihm die Luft aus den Lungen. Gleich darauf sah er Conchitas Entführer zwischen den Sträuchern auf dem Kamm verschwinden. Er folgte ihm. Die Stagecoach fegte weiter. Eine Hügelkerbe nahm sie auf.

Von der Anhöhe blickte Felipe auf eine Art Ruinenfeld: verwitterte Felskegel, geborstene Quader und bizarr verschobene und ineinander verkeilte Felsplatten. Es gab hundert Verstecke. Emmery war nicht zu sehen. Ein Rascheln warnte Felipe. In der Drehung hob er den Colt.

Emmery prallte gegen ihn. Seine gefesselten Hände umklammerten einen faustgroßen Stein. Doch der Hieb streifte Felipe nur.

Dann lag Felipe am Boden, der Entführer halb über ihm. Mit wutverzerrter Miene holte er abermals aus. Felipes Coltlauf traf ihn an der Schulter. Ächzend ließ Emmery den Stein fallen und rollte sich zur Seite.

»Beweg dich nicht!«, zischte der junge Mexikaner.

Hufschlag dröhnte. Die Verfolger kamen. Vorsichtig bog Felipe einen Zweig zur Seite. Seine Kehle wurde trocken, als er Wyatt und Morgan Earp erkannte. Die beiden großen, dunkel gekleideten Sternträger wirkten wie verwachsen mit den Pferden. Unwillkürlich war Felipe erleichtert darüber, dass Morgan den Sturz von der Kutsche überstanden hatte. Aber die Art, wie die Brüder im Sattel saßen und die Pferde antrieben, verrieten jene Entschlossenheit, die die Earps zu gefürchteten Gegnern machte. Vier Männer des Tombstoner Sicherheitskomitees ritten hinter ihnen. An ihren Sätteln hingen Gewehre.

Emmerys Augen flackerten.

»Wenn die uns erwischen, knüpfen sie dich neben mir auf!«

Die Reiter preschten vorbei. Die von der Kutsche aufgewirbelte Staubwolke wies ihnen die Richtung. Das Fahrzeug brauste jetzt am Rand eines Kakteenfeldes entlang. Felipe zog Emmery hoch. Einen Moment schien es, als wollte der Bandit sich erneut auf ihn stürzen. Der Ausdruck in Felipes Augen warnte ihn.

»Weiter!« Sie hasteten zu den Felstrümmern hinab. Emmery hinkte noch immer. Aber Felipe war überzeugt, dass er es jetzt vortäuschte. Bei seinem Angriff hatte Emmery sich mit raubtierhafter Gewandtheit bewegt. Schließlich lehnte der Bandit sich keuchend an einen Felsblock.

»Sie werden bald feststellen, dass die Kutsche leer ist. Dann kommen wir nicht mehr weit.«

»Halt keine Reden, sondern bleib vor mir!« Felipe zeigte mit dem Colt die Richtung. »Da entlang!«

Emmery schluckte die Verwünschung, die ihm auf der Zunge lag. Die Handschellenkette klirrte, als er sich wieder in Bewegung setzte. Die Sonne war schon weit nach Westen gewandert, aber noch immer lastete Hitze auf den Ausläufern der Dragoon Mountains. Die Felsen standen dichter, die Hänge wurden steiler. Das Stampfwerk einer Silbermine dröhnte in einem nahen Tal. Nach zehn Minuten erreichten die Flüchtenden ein Kiefernwäldchen. Felipe drückte Emmery gegen einen Stamm.

»Wo ist Conchita?«

»Junge, du scheinst dir nicht klar darüber, was es bedeutet, die Earp-Brüder auf der Spur zu haben.«

»Mein Name ist Felipe Montoya. Wo ist meine Schwester?«

»Abgehauen.«

»Du lügst.«

»Sie floh im Sandsturm. Weiß der Teufel, vielleicht ist sie längst wieder auf eurem Rancho.« Aber das Flackern war wieder in seinen Raubvogelaugen. Felipe spannte den Colthahn. »All right, ich bring dich zu ihr. Niemand hat ihr was getan. Sie ist in einem sicheren Versteck.«

»Wo?«

»Du würdest den Weg nicht finden. Wir brauchen Gäule.«

Felipe ließ die Waffe sinken.

»Sobald es dunkelt, besorg ich welche.« Er wies dabei mit einer Kopfbewegung in die Richtung, aus der das Dröhnen des Stampfwerks kam. »Zuerst werde ich unsere Spur verwischen. Rechne dir nichts aus. Ich binde dich fest.«

14

Die Kutsche kam zurück. Einer der Tombstone-Männer lenkte das Gespann. Im Rädergerassel und Hufgeklapper überhörte Felipe beinahe die Reiter. Sie tauchten seitlich von ihm zwischen den Mesquitebüschen auf. Die Metallbeschläge an den Sätteln und am Zaumzeug funkelten im Sonnenuntergang.

Felipe kroch unter einen Busch. Der Zweig, mit dem er die Fußabdrücke verwischt hatte, lag neben ihm. Die Reiter hielten. Die Stagecoach entfernte sich zur Stadt.

»Ich hatte nicht erwartet, dass sie’s mitten in Tombstone riskieren«, verstand Felipe. Es war Wyatts Stimme. »Vor allem nicht, dass sie’s dem Jungen überließen. Wie war sein Name?«

»Felipe Montoya.«

»Wir werden ihn uns merken müssen.« Die Art, wie Earp das sagte, ließ Felipe frösteln. Ein Pferd schnaubte, dann meinte einer der Männer vom Sicherheitskomitee: »Bald wird’s dunkel. Dann finden wir keine Spur mehr.«

»Wahrscheinlich sind sie längst über alle Berge«, vermutete Morgan Earp. »Bestimmt warteten die Clantons oder McLowrys mit Pferden in den Hügeln.«

»Ich weiß nicht«, dehnte Wyatt. »Ich hab das komische Gefühl, dass sie noch in der Nähe sind. Wir sollten uns umsehen, solange es hell ist. Immerhin ist Emmery bisher der einzige Mann der Bande, dem wir einen Mord und die Beteiligung an einem Überfall auf die Wells-Fargo-Kutsche nachweisen können. Bob Paul ist nicht der Mann, der seine Aussage zurücknimmt.«

»Vielleicht kriegen wir sie, wenn sie gegen das Waffenverbot verstoßen, das ab morgen früh in Tombstone gilt.«

»Hoffen wir’s. Ich bin trotzdem dafür, dass wir die Suche nach Emmery und Montoya noch nicht aufgeben.«

Die Hufe stampften wieder. Gebissketten klirrten. Felipe blieb reglos. Es hatte ihm einen Stich versetzt, als Wyatt Earp seinen Namen mit dem des Todfeindes in einem Atemzug nannte.

Zweifel befielen ihn. Aber wie sonst hätte er Emmery dazu bringen sollen, ihm Conchitas Versteck zu verraten? Der Bandit hätte vor den Marshals und dem Richter gewiss die Entführung bestritten.

Der Hufschlag verklang. Felipe wartete noch. Die Earps hatten den Eishauch einer tödlichen Gefahr zurückgelassen. Nur mehr ein Streifen Rot glühte über den Kämmen, als Felipe sich erhob. Alle zwanzig, dreißig Schritte lauschte er. Nur Stille umgab ihn – bis ihm das Hämmern und Rumpeln des Minenstampfwerks die Richtung wies.

Emmery saß noch so an der Kiefer, wie Felipe ihn festgebunden hatte, eine Schlinge um den Hals, die Füße gefesselt.

In der hereinbrechenden Dämmerung erkannte Felipe seinen Gesichtsausdruck nicht. Aber irgend etwas an der Haltung des Banditen warnte ihn. Er zögerte. Da knackte ein Colthammer hinter ihm. Ein Lachen ertönte.

»Nur keine Panik, Amigo. Wir wollten sicher sein, dass die Sternträger dir nicht folgen.«

Curly-Bills breitschultrige Gestalt löste sich aus der Schwärze unter den Bäumen. Spielerisch wirbelte er den Sechsschüsser um den Zeigefinger. Trotz der zunehmenden Dunkelheit erkannte Felipe sein Grinsen. Es hieß, dass Bill mit dem leichten Grinsen mehr Gegner als sonst ein Mann des Clanton-McLowry-Clans erschossen hatte. Dann tauchte Ringo mit vier Pferden auf. Bill lachte wieder.

»Du warst großartig, Amigo. Das hat’s bisher nicht gegeben, dass Wyatt Earp sich ’nen Gefangenen vor der Nase wegschnappen lassen musste.«

Emmery sprang auf. Offenbar besaßen Bill und Johnny einen Handschellenschlüssel. Hasserfüllt starrte Emmery den jungen Mexikaner an.

»Gebt mir ’nen Revolver!«

Ringo deutete auf die Gewehre an den Sätteln.

»Du bekommst ’ne Winchester. Aber vergiss nicht, dass du dem Jungen höchstwahrscheinlich den Skalp verdankst.«

»Zur Hölle mit ihm!«

»Vielleicht bist du vor ihm da«, antwortete Ringo kalt. Er ließ die Zügel los und trat einen Schritt zur Seite. Seine Rechte berührte den Revolvergriff. »Wenn die Earps dich nämlich doch noch erwischen, werden unsere Gesichter bald irgendwelche Steckbriefe zieren. Dann wiederum dürfte es nur ’ne Frage der Zeit sein, bis der Gouverneur Truppen ins Cochise County schickt.«

»Du glaubst doch nicht, dass ich euch verraten würde.«

»Doch.« Ein hartes Grinsen verzog Johnnys Mundwinkel. »Wyatt hat’s ja schon gesagt: Nur als Kronzeuge hättest du eine Chance, dem Galgen zu entkommen.«

Emmery erblasste. Mit flackerndem Blick schätzte er die Entfernung zu den Pferden. Aber der Gedanke an Ringos berüchtigte Schnelligkeit bannte ihn.

»Die Clantons sind meine Freunde. Sie wissen, dass auf mich Verlass ist. Wenn ihr mich umlegt …«

»Ich schieß auf keinen Unbewaffneten, Rhett. Ich möchte nur nicht, dass du dem Jungen ’ne Kugel verpasst. Was will er von dir?«

»Emmery hat meine Schwester entführt!«, stieß Felipe hervor. »Er muss mich zu ihr bringen!«

»Das ist ’n Ding!« Ringo pfiff durch die Zähne. »Du steigst ganz schön ab, Rhett. Well, reiten wir erst mal zur Schwefelquellen-Ranch. Frank mag entscheiden, was geschieht.«

15

Mondlicht glänzte auf den Ranchgebäuden. Die Fenster zum Hof waren gelbe Vierecke. Kojotengeheul schallte aus den Hügeln. Von der Ranch antwortete Hundegebell. Trotzdem hörten die Reiter das leise Klirren, dann ein Prusten.

Sie glitten sofort aus den Sätteln und hielten den Pferden die Nüstern zu. Die schwarzen Silhouetten von Yuccastauden hoben sich ringsum vor dem sternenübersäten Firmament ab. In den Senken nistete pechschwarze Finsternis. Die Luft war kühl.

»Wartet!«, raunte Johnny. Lautlos verschwand er in der Nacht.

Felipes Colt steckte zwar in dem Holster, war aber nicht geladen. Der Scabbard am Sattel des Braunen war leer. Das Pferd trug das Brandzeichen der McLowrys.

»Du bekommst die Knarre, wenn Frank damit einverstanden ist, dass du dich uns anschließt«, hatte Ringo erklärt. »Nachdem du Rhett befreitest, bleibt dir kaum was anderes übrig. Die Earps bringen dich sonst zur Strecke. Frank wird schon dafür sorgen, dass du deine Schwester wiedersiehst. Mit Menschenraub haben wir nichts zu tun.«

Emmery hatte den Kopf zur Seite gedreht und ausgespuckt, jedoch geschwiegen. Der hämische Zug um seine Mundwinkel entging Felipe nicht. Curly verbarg seine Gedanken hinter einem Grinsen. Auch ihm traute Felipe nicht.

Es dauerte eine Weile, bis Ringo zurückkam. Plötzlich stand er wieder vor ihnen.

»Die Earps sind da.«

»Schicken wir sie endlich zum Teufel!«

»Sie sind nicht allein, Rhett. Ein Dutzend Männer vom Sicherheitskomitee begleiten sie. Sie warten schräg gegenüber bei dem Hügel mit der alten Steineiche.«

Emmery fluchte. Curly-Bill lockerte den Colt.

»Bestimmt Wyatts Idee. Ich schlag vor …«

Drüben ging die Ranchhaustür auf. Ein großer, sehniger Mann stand im Lichtkegel. Er hielt ein Gewehr.

»Frank«, flüsterte Ringo. Der Hund bellte. Der Outlaw-Rancher blickte zum Schuppen. »Larry, zum Teufel, was hat Chato heute bloß?«

»Die Kojoten regen ihn wieder mal auf. Ist alles in Ordnung, Frank. Erinnere Pete dran, dass er mich in ’ner Stunde ablöst.«

»Wenn Chato keine Ruhe gibt, lass ihn von der Kette.« Frank McLowry trat ins Haus zurück. Dabei stieß er gegen eine junge, schwarzhaarige Frau, die an ihm vorbei wollte. Er hielt sie fest. Die zuklappende Tür löschte die Lichtbahn.

Felipe hätte seine Schwester auch auf eine noch größere Entfernung erkannt. Seine Handflächen wurden feucht. Er spürte seinen Herzschlag bis in die Kehle.

»Verdammt, wie kommt Sheldon Floyds Frau hierher?«, stieß Bill hervor.

»Das war nicht Floyds Frau, sondern die Schwester von dem Greaser-Boy«, krächzte Emmery.

»Du machst Witze!«

»Fragt ihn.« Emmery blickte Felipe an. Der Gesichtsausdruck des Jungen verriet, dass er die Waffe gezogen hätte, wenn sie geladen gewesen wäre. »Frank hat mir die Muchacha abgekauft. Ich wollte, dass Montoya es erst auf der Ranch erfährt.«

»Versteh ich nicht. Frank hat sich bisher nie viel aus Weibern gemacht, und außerdem gibt’s in Tompstone genug Mexikanerinnen …«

»Keine, die wie Sheldon Floyds Frau aussieht.« Die besondere Bedeutung, die Emmery in die Worte legte, war nicht zu überhören.

Felipe legte die Hand an den Sattelknauf.