Wie bei euch - Beate Hannen - E-Book

Wie bei euch E-Book

Beate Hannen

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Beschreibung

Kleine Erzählungen für kurze Auszeiten: in diesen Geschichten Vertrautes wiedererkennen, Neues entdecken, beim Lesen sich wohlfühlen.

Das E-Book Wie bei euch wird angeboten von Books on Demand und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Alltagssituationen, Miteinander, Achtsamkeit

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Seitenzahl: 116

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„Wie bei uns! Genau so ist das bei uns!“ rief eine Zuhörerin bei einer Lesung im Herbst 2019 spontan aus, nachdem sie eine Geschichte gehört hatte.

Eine erste Sammlung von Geschichten, entstanden von Dezember 2017 bis Januar 2021, wurde darum unter dem Titel „Wie bei uns“ veröffentlicht. Die Autorin schrieb weiter und legt nun eine zweite Sammlung vor, aufgeschrieben bis Februar 2023: „Wie bei euch.“

Diese Erzählungen sind wieder so gedacht, dass die Leserinnen und Leser sich bzw. ihre Lebenssituationen darin wiedererkennen, sich an Frohes oder auch an Trauriges erinnern, sich verstanden und ermutigt fühlen oder einfach wohl. Es sind teils erfundene, teils erlebte Begebenheiten aus dem ganz normalen Leben, für das viele Menschen Dankbarkeit empfinden.

Beate Hannen, geboren 1963 in Kirchen/Sieg. Abitur am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium Betzdorf-Kirchen. Studium in Siegen, Referendariat in Fulda, Schuldienst am Gymnasium in Bernkastel-Kues. Verheiratet, zwei Kinder. Oberstudienrätin i.R.

Inhaltsverzeichnis

Geschäftsaufgabe

Eine Gute-Nacht-Geschichte

Impftermine

Der Fahrradkauf

Eine seltsame Botschaft

Ein Dach über dem Kopf

Vom Gehen

Eine neue Brille

Redebedarf

Der 90. Geburtstag

Gruppentreffen

Suppe am Weiberdonnerstag

Verkleidet sein

Fastnachtsfreuden

Nur ein Vorschlag

Friedensgebet

Unauffindbar

Morgens um sieben

Waschen, schneiden, föhnen

Bewegung tut gut

Versorgt werden

Apfelkuchen

Sommerliche Aktivitäten

Feierabend

Sommerbilder

Rätsel lösen

Polarpost

Neue Lieder singen

Daheim sein

Nein sagen

Passende Schuhe

Behütet sein

Erntedank feiern

Nicht ohne Computer

Vom Lesen

Teilen wie Sankt Martin

Schneegestöber

So ein Zufall

Mehrere Anläufe

Segen bringen

Nicht fragen

Gedanken eines Hirten an der Krippe zu Betlehem

Fest im Glauben

Salz der Erde

Geschäftsaufgabe

„Unser Geschäft schließt zum Jahresende! Räumungsverkauf! Auf alles 20 Prozent!“ Mit Verwunderung hatte ich im Vorbeispazieren die Plakate im Schaufenster und an der Eingangstür des kleinen Lebensmittelgeschäfts gesehen. Jede Woche kaufte ich hier ein, kam zu Fuß oder mit dem Fahrrad, lobte gern die Möglichkeit, in der Nähe, also hier im Ort einkaufen zu können – für so vieles musste man weiter fahren, brauchte selbstverständlich das Auto. Größere Einkäufe erledigte meistens mein Mann im Discounter im Nachbarort. Aber der Haushalt veränderte sich: Die Tochter war wegen ihres Studiums ausgezogen, der Sohn kaufte oft selbst ein, und so konnte man manchmal auf diese Einkaufsfahrten verzichten.

Nun würde das Geschäft also schließen! Sicher war es schon länger schwierig gewesen, in dem kleinen Ort hier ausreichend Umsatz zu haben. Die Inhaberin und ihr Sohn hatten wahrscheinlich in manchem Monat kämpfen müssen. Irgendwann hatte es geheißen, im Ort werde ein Markt gebaut – das war erst einmal ein Schock! Daneben hätten sie nicht existieren können. Die Pläne waren natürlich im Gemeinderat mit dem Bürgermeister, der gern das Dorf attraktiver machen und die Lebensqualität durch solche Einkaufsmöglichkeiten verbessern wollte, diskutiert und schon konkret dargelegt worden. Zur Zeit hörte man davon zwar nichts mehr, aber sie würden nun trotzdem schließen.

Nach so vielen Jahren wäre eigentlich eine dicke Schlagzeile fällig: „Institution schließt – Ende einer Ära!“ Aber noch hatte ich nichts dergleichen gelesen, nur die Plakate entdeckt. Beim nächsten Einkauf drückte ich mein Staunen und mein Bedauern aus: „Ihr macht zu?!“ Und ich erkundigte mich, wie es für die Inhaber weiterginge. Der Juniorchef sagte, er habe für sich eine neue Perspektive gefunden, eine Anstellung in einem Hofladen in der Nähe, und seine Mutter - „die Chefin“, wie er sie nannte - könne nun in Rente gehen. Der Mutter war trotz einer gewissen Wehmut die Erleichterung anzumerken. Es war ja schon lange nicht gerade einfach gewesen! Der Sohn schien sich bereits auf die neue Aufgabe zu freuen: etwas mit aufbauen zu können und statt einer Sieben-Tage-Woche bald eine Fünf-Tage-Woche zu haben. Obwohl es sicher auch nicht ganz einfach sein würde, nach vielen Jahren als eigener Chef nun ein Mitarbeiter zu sein, der sich in ein Team einfügen musste, ging er die Veränderung positiv denkend an: „Die Würfel sind gefallen!“ Die Entscheidung war getroffen, und es war gut so.

Ein paar Tage später ging ich ein letztes Mal zum Einkaufen in das kleine Geschäft. Ich fand alles, was ich kaufen wollte; noch waren die Regale nicht leer geräumt. Ich verabschiedete mich mit allen guten Wünschen.

Schon in der folgenden Woche merkte ich, wie sehr der kleine Laden mir fehlte. Die Möglichkeit, im Ort einzukaufen und sich dabei nett zu unterhalten, und auch das Ziel und der Anlass für so manchen kleinen Fußmarsch waren weggefallen. Die Fensterscheiben des nun leergeräumten Ladens waren abgeklebt, ein ganz ungewohnter, etwas bedrückender Anblick. Sicher musste noch entschieden werden, was mit dem Leerstand geschehen sollte. Und die frischgebackene Rentnerin – ob sie sich langweilte? Jeden Tag hatte sie im Laden gestanden! Vielleicht hatte sie ja Lust, sich zu einem Spaziergang oder auf einen Kaffee zu verabreden... Ich würde sie einfach einmal anrufen und fragen.

(Januar 2022)

Eine Gute-Nacht-Geschichte

„Die Fahrt dauert viiiiiiiel zu lang!“ Meine kleine Schwester war noch keine drei Jahre, sie saß im Kindersitz neben mir auf der Rückbank unseres VW Käfer. Ich war zehn. Wir fuhren mit unseren Eltern in den Schwarzwald, wo wir Ferien verbringen wollten, wir reisten also mit dem Auto in einen der wenigen gemeinsamen Urlaube. Nach stundenlanger Fahrt kamen wir an, die Eltern hatten Zimmer gebucht. In einem Hotel oder Gasthof zu wohnen, war spannend, war etwas Besonderes. „Zur Krone“ hieß das Quartier. An Kleinigkeiten erinnere ich mich, z.B. gab es auf dem Frühstückstisch einen Honigspender, ein kleines Glasgefäß, mit dem man Honig gut dosiert auf das Brot gießen konnte. Als Souvenir kauften meine Eltern ein solches Honiggefäß für zuhause, das noch jahrelang in Gebrauch war. Natürlich wanderten wir viel, entdeckten das erfrischende Wassertreten nach Pfarrer Kneipp, weil immer wieder an den Wanderwegen im Wald dazu die Möglichkeit bestand. Der Wald, die Bewegung, das Wasser – wir verbrachten dort sicher gesunde Ferientage! Heute würde man vielleicht von Wellness-Urlaub sprechen, damals kannte man den Begriff wohl noch gar nicht, höchstens von Kurlaub war manchmal die Rede. Zuhause stellte mein Vater zwei Kunststoffkübel, mit Wasser gefüllt, auf den Balkon der Mietwohnung und setzte die Kneippkur fort. Später ergab es sich, dass auf dem Grundstück, auf dem das Eigenheim erbaut wurde, eine Quelle floss – dort wurde ein Tretbecken installiert und über Jahre genutzt.

„Die Fahrt dauert viiiiiiiel zu lang!“ Etwa vier Jahre später saßen wir im Zug, reisten mit unserer Tante per Bahn in die Schweiz. Auch diese Fahrt wird Stunden gedauert haben! Wir wohnten in einer Pension und erlebten Urlaub in den Bergen. Nach dem Frühstück wurde etwas Proviant bereitet, dann machten wir uns auf den Weg, waren wandernd unterwegs, fuhren mit einer Bergbahn. Hoch hinauf führten uns die Ausflüge, immer wieder bestaunten wir die Aussichten in die Täler und zu den Bergen. Eiger, Mönch, Jungfrau – an die Namen erinnere ich mich, von weitem werden wir die Berge gesehen haben, mit einem Gefühl von Ehrfurcht beim Bestaunen der Höhen. Die berühmte Eigernordwand, in Wolken gehüllt! Ein Ausflug führte zu den Beatushöhlen, Tropfsteinhöhlen am Thunersee. Mir war vor diesem Urlaub die männliche Variante meines Vornamens wahrscheinlich noch nie begegnet, und nun begegnete der „Beatus“ uns sogar öfter, zum Beispiel als Name eines Schiffes auf dem See und als Namensgeber einer Grotte. Sankt Beatus!

Einen Tagesausflug unternahmen wir nach Bern. Eine interessante, quirlige Stadt, ein Kontrastprogramm zum Wandern durch die stille Natur, fand ich. Merkwürdig deplatziert erschien mir der Bärengraben. Wir standen staunend mit anderen Touristen davor - und schlenderten dann weiter durch einige Straßen.

Die Nacht dauert viiiiiiiel zu lang, denke ich, während ich daliege und nicht schlafen kann. Irgendetwas hat mich wohl geweckt, jetzt spüre ich die Schmerzen, die mich seit einigen Tagen in meinem Fuß plagen, und kann nicht mehr einschlafen. Zur Ablenkung hänge ich meinen Erinnerungen an die vergangenen Ferientage nach. Nur mit Mühe kann ich den Impuls unterdrücken, Licht einzuschalten und die Fotoalben zur Hand zu nehmen. Morgen wird genug Zeit sein, um in den Alben zu blättern – wenn ich ausgeschlafen habe! Also: Gute Nacht jetzt!

Impftermine

Normalerweise war es überhaupt kein Problem, wenn eine Impfung anstand. Man rief beim Hausarzt an, bekam einen Termin in wenigen Tagen, ging dann in die Praxis und ließ sich impfen. Aber für die Impfung gegen das Coronavirus waren Impfzentren eingerichtet worden. In der Tageszeitung hatte eine Telefonnummer gestanden - mit dem Hinweis auf möglicherweise überlastete Leitungen - und eine Internetadresse, an die man sich per E-Mail wenden könne. Maria hatte das gemacht, sie selbst gehörte mit bald 84 Jahren ebenso zur Risikogruppe wie ihr Mann Peter mit 93. In einer Antwortmail hieß es, die Anmeldung sei nun registriert, sobald wie möglich werde die Anfrage bearbeitet. Wenn der Termin festgelegt sei, käme die Terminbestätigung – mit weiteren relevanten Informationen.

„Habt ihr schon einen Impftermin?“ fragte der Nachbar, ebenfalls bereits 93 Jahre, am Telefon. Er berichtete, er habe jetzt seit Stunden die Telefonnummer der Hotline gewählt, er wolle doch für seine Frau und für sich Termine machen, doch es sei einfach kein Durchkommen! Maria antwortete, es sei ja wegen der Überlastung von Anrufen abgeraten worden. Sie habe es per E-Mail versucht, jetzt müsse sie eben abwarten. „Ach, per E-Mail, weißt du, ich habe schon lange nichts mehr mit dem Computer gemacht, ich kann das gar nicht mehr...“ Maria ermutigte ihn, doch seine Kinder oder Enkel zu fragen, weil die jungen Leute sich damit auskennen und außerdem in der Nähe wohnten, die kämen ja sicher gern vorbei, um ihn zu unterstützen. Ihre eigenen Kinder und Enkel wohnten alle weiter weg, sie sahen sich nicht oft – es tat öfter ein wenig weh, wenn bei den Nachbarn die Töchter vorbeischauten, während sie mit ihren nur telefonieren konnte. Aber die Entfernungen waren einfach da, das ließ sich nicht ändern. Ihr Sohn wohnte nicht ganz so weit weg, hatte aber auch seinen eigenen Alltag.

Wenige Tage später folgte die Mitteilung der Impftermine. Maria trug die Termine in den Kalender ein und druckte die Mail und den umfangreichen Anhang aus, um alles bei Gelegenheit in Ruhe durchzulesen. Doch offensichtlich klappte die Versorgung mit Impfstoff nicht wie geplant, bereits vergebene Termine wurden abgesagt bzw. um zweieinhalb Wochen verschoben! Nach der ersten Aufregung zeigte sich etwas Gutes: An den neuen Terminen würde ihr Sohn sie begleiten können.

Jeden Tag war in der Zeitung zu lesen, wieviele Impfungen bereits wo durchgeführt worden waren. Auch ihre Schwester, die in einem Altenheim lebte, war bereits geimpft worden, hatte die erste Impfung gut vertragen und sah erleichtert der zweiten entgegen. Überhaupt war deutlich zu spüren, wie viel Hoffnung alle mit der Impfung verbanden, vor allem Hoffnung auf ein normales Leben. Zum Beispiel: sich begegnen dürfen! Besuche bei der Schwester waren zur Zeit nicht erlaubt.

Endlich war der Tag da. Maria stand wie immer früh auf und war schon fertig, als der Pflegedienst kam, der Peter jeden Morgen beim Waschen und Anziehen half. Pünktlich fuhren sie los. Beim Impfzentrum trafen sie auf ihren Sohn, der zur Unterstützung nun mitging. Der Ablauf war vorbildlich organisiert, und wenig später war die erste Impfung überstanden.

Zuversichtlich fuhren sie nach Hause. In vier Wochen würde der zweite erforderliche Termin folgen.

(Februar 2021)

Der Fahrradkauf

Beim Spazierengehen neulich traf ich eine Bekannte, einige Jahre jünger als ich und vor allem deutlich sportlicher, die mit einem E-Bike unterwegs war. Sie hielt an, und wir plauderten eine Weile. Mein altes Fahrrad hatte ich zum Sperrmüll gegeben, weil es mir zu heruntergekommen und darum unsicher und nichts mehr wert schien. Doch war mir diese Möglichkeit der Fortbewegung sehr sympathisch. Ohne Auto, aber nicht immer auf Schusters Rappen, den Fahrtwind um die Nase und in den Haaren... Da ich selbst seit einiger Zeit auch mit dem Gedanken spielte, ein E-Bike zu kaufen, fragte ich natürlich einfach, ob sie ihres hier im Ort im Fahrradgeschäft gekauft hatte, was sie verneinte. Zwar hätte sie es gern hier gekauft, aber der Inhaber hätte nichts Passendes da gehabt letztes Jahr, und eines zu bestellen hätte ihr zu lange gedauert. Darum hatte sie ihr Fahrrad in der Nachbarstadt gekauft.

Das zufällige Treffen nahm ich zum Anlass, im Internet die Homepage des Fahrradgeschäfts anzuschauen. Wegen des Lockdowns waren die Möglichkeiten etwas eingeschränkt, aber mit Termin und Maske könne man sich informieren. Ich rief an und nannte mein Anliegen. Der Inhaber fragte nach meiner Körpergröße und sagte zu meiner Überraschung, er habe etwas Passendes da! Noch am selben Tag ging ich hin und schaute mir das in Frage kommende Fahrrad an. Das Modell gefiel mir, die Größe war richtig, der Sattel bequem, der Preis etwa wie erwartet. Einen guten Helm wollte ich ebenfalls kaufen, der Händler zeigte mir ein Modell, das ich anprobierte. Der Helm passte gut! Nur die Farbe des Fahrrads verunsicherte mich ein wenig. Wie soll ich sagen: irgendwie quietschblau? Das sollte gar nicht abwertend klingen, also dieses Blau war schon hübsch, aber einfach irgendwie ungewohnt für mich... Das sagte ich auch. Ja, die Farbe sei schon auffallend, meinte der Inhaber. Als ich fragte, ob ich mit dem Handy ein Foto machen dürfe, antwortete er, er gebe mir einen Katalog mit, das sei doch besser. Er kreuzte darin das in Frage kommende Modell an, und ich ging nach Hause, um den möglichen Kauf zu überdenken.

Zuhause las ich die Farbbezeichnung „türkis matt“. Ich erzählte meinem Sohn von meinem Vorhaben und auch von meiner Unsicherheit bezüglich der Farbe. Als ich ihm die Seite im Katalog zeigte, hatte ich erwartet, dass er vielleicht müde grinsen oder sagen würde, das gehe ja gar nicht. Stattdessen aber meinte er, die Farbe sei doch gut! Schwarz oder so sei langweilig, das habe jeder. Meiner Schwester schickte ich per Smartphone ein Foto von der Katalogseite. Sie schrieb wenige Minuten später: Coole Farbe! Und dass sie ansonsten von E-Bikes keine Ahnung habe. Nun, Ahnung hatte ich ja auch nicht, aber Vertrauen in den Fahrradhändler. Als mein Mann ebenfalls die Farbe gut fand, war mein Entschluss gefasst.