Wie ein Licht in dunkler Nacht - Marietta Brem - E-Book

Wie ein Licht in dunkler Nacht E-Book

Marietta Brem

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Beschreibung

Wir lernen die Geschichte kennen, die einmal dazu führen wird, dass es, viele Jahre später, zur Gründung von 'Sophienlust' kommen wird. Der Weg dahin schildert eine ergreifende, spannende Familiengeschichte, die sich immer wieder, wenn keiner damit rechnet, dramatisch zuspitzt und dann wieder die schönste Harmonie der Welt ausstrahlt. Das Elternhaus Montand ist markant – hier liegen die Wurzeln für das spätere Kinderheim, aber das kann zu diesem frühen Zeitpunkt noch keiner ahnen. Eine wundervolle Vorgeschichte, die die Herzen aller Sophienlust-Fans höherschlagen lässt. Etwas kitzelte sie an der Nase. Sie schniefte und bewegte sich ein wenig. Im Traum gelang es ihr, sich zu kratzen, doch das Kribbeln blieb. Schließlich blieb Denise nichts anderes übrig, als die Augen zu öffnen. Es war hell im Raum und sie stellte überrascht fest, dass sie im Wohnzimmer auf dem Sofa lag, nicht in ihrem Zimmer im Bett. »Guten Morgen, Schlafmütze«, hörte sie eine sanfte Stimme an ihrem Ohr. Wieder blinzelte sie und schaute direkt in die strahlenden Augen ihrer Mutter. »Da bist du ja endlich. Wie ich sehe, haben wir Besuch«, flüsterte Eva Montand und deutete auf das andere schlafende Mädchen. »Ist das Stefanie?« Mit einem Ruck richtete sich Denise auf. Jetzt fiel ihr alles wieder ein: der Abend des vergangenen Tages, als plötzlich im strömenden Regen Stefanie vor der Tür gestanden hatte und ihr schluchzend in die Arme gesunken war. Das Versprechen, dass sie ihr alles berichten wollte, was zu dieser Kurzschlusshandlung geführt hatte, und die Freude darüber, für ein paar Tage die beste Freundin in ihrer Nähe haben zu dürfen. »Ja, das ist Stefanie«, flüsterte Denise zurück, ohne den Blick von ihrer Mutter zu wenden. »Wir müssen sie verwöhnen, solange sie bei uns ist. Sie hat Schweres durchgemacht.« »Das arme Mädchen.«

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Sophienlust, wie alles begann – 8 –

Wie ein Licht in dunkler Nacht

Ihre Familie gibt Denise die Kraft zum Weitermachen

Marietta Brem

Etwas kitzelte sie an der Nase. Sie schniefte und bewegte sich ein wenig. Im Traum gelang es ihr, sich zu kratzen, doch das Kribbeln blieb. Schließlich blieb Denise nichts anderes übrig, als die Augen zu öffnen. Es war hell im Raum und sie stellte überrascht fest, dass sie im Wohnzimmer auf dem Sofa lag, nicht in ihrem Zimmer im Bett.

»Guten Morgen, Schlafmütze«, hörte sie eine sanfte Stimme an ihrem Ohr. Wieder blinzelte sie und schaute direkt in die strahlenden Augen ihrer Mutter. »Da bist du ja endlich. Wie ich sehe, haben wir Besuch«, flüsterte Eva Montand und deutete auf das andere schlafende Mädchen. »Ist das Stefanie?«

Mit einem Ruck richtete sich Denise auf. Jetzt fiel ihr alles wieder ein: der Abend des vergangenen Tages, als plötzlich im strömenden Regen Stefanie vor der Tür gestanden hatte und ihr schluchzend in die Arme gesunken war. Das Versprechen, dass sie ihr alles berichten wollte, was zu dieser Kurzschlusshandlung geführt hatte, und die Freude darüber, für ein paar Tage die beste Freundin in ihrer Nähe haben zu dürfen.

»Ja, das ist Stefanie«, flüsterte Denise zurück, ohne den Blick von ihrer Mutter zu wenden. »Wir müssen sie verwöhnen, solange sie bei uns ist. Sie hat Schweres durchgemacht.«

»Das arme Mädchen.« Eva war wieder einmal voller Mitleid. »Es soll ihr an nichts fehlen. Sie muss sich unbedingt erholen«, fügte sie hinzu, denn sie kannte ja die ganze Geschichte, soweit Denise sie ihr erzählt hatte.

Stefanie stöhnte leise und versuchte, sich auf die andere Seite zu drehen, was bei dem schmalen Sofa nicht möglich war. Schließlich öffnete auch sie die Augen und schaute sich verwundert um. Dann entdeckte sie Denise und ihre Mutter. »Wie seid ihr denn zu mir gekommen? Ich weiß…« Plötzlich schwieg sie, ihr Gesicht verzog sich, als wollte sie gleich wieder anfangen zu weinen. Doch dann brach sie unvermittelt in helles Lachen aus, schwang ihre langen, schön geformten Beine vom Sofa und stützte sich auf.

»Ich bin bei euch und nicht umgekehrt!«, prustete sie los und wischte sich die Lachtränen aus dem Gesicht.

Verwirrt setzte sich Denise neben die Freundin. »Was jetzt? Lachen oder weinen«, fragte sie trocken, legte die rechte Hand auf Stefanies Rücken und streichelte sanft hin und her, um sie zu beruhigen.

»Lachen«, antwortete Stefanie sofort. »Ich hab seit Wochen zum ersten Mal richtig gut geschlafen, obwohl dieses Sofa ein richtiges Folterinstrument und zum Schlafen überhaupt nicht geeignet ist. Da kannst du sehen, wie fertig ich gestern war, als ich angekommen bin.« Offensichtlich hatte sie zu ihrer alten Kraft zurückgefunden, zumindest für den Augenblick.

»Dann ist es Zeit für ein leckeres Frühstück«, mischte sich Eva jetzt erleichtert ein. Sie hatte bereits größere Probleme auf sich zukommen sehen, da sie ja nicht wusste, was Stefanie zu der Flucht bewogen hatte. »Wer will Kaffee, wer will Tee? Ich habe Pfefferminze, Kamille, Fenchel und gemischte Kräuter anzubieten.«

Denise blieb natürlich beim gewohnten Kaffee, und Stefanie entschied sich für gemischte Kräuter. »Es tut mir leid, dass ich so einfach ohne Ankündigung bei euch hereingeschneit bin. Hoffentlich mache ich nicht zu viele Umstände«, fügte sie verlegen hinzu.

Eva winkte ab. »Du bist immer willkommen bei uns, Stefanie. Denises Freunde sind auch unsere Freunde. Bleib, solange du möchtest.« Sie drehte sich zu dem Mann um, der eben das Wohnzimmer betreten hatte und verwundert guckte. »Du siehst richtig, Pierre, mein Schatz. Wir haben Besuch bekommen, oder besser, Denise hat Besuch von ihrer Freundin. Das ist Stefanie.«

Denise lachte. »Das ist mein Vater«, erklärte sie, zu Stefanie gewandt. »Möchtest du dich waschen, während Mami das Frühstück richtet? Ich brauche jetzt auf jeden Fall eine warme Dusche.« Sie erhob sich und machte eine einladende Bewegung zu ihrer Freundin, was bedeutete, dass sie mitkommen sollte. »Hast du Kleidung dabei?«

»Ist alles im Auto. Ich hab in höchster Eile alles zusammengerafft, dessen ich in einer halben Stunde habhaft werden konnte.«

»So schlimm?«, fragte Eva erschrocken.

Stefanie schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht«, versicherte sie verlegen. »Im Gegenteil, mein Freund hat mir einen Antrag gemacht.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen, die sie jedoch hastig wegblinzelte. »Ich erzähl es, wenn ich selbst damit umgehen kann«, fügte sie hinzu, dann verließ sie mit Denise die Küche.

Pierre schaute seine Frau forschend an. »Wusstest du davon?«

Eva zuckte die Schultern. »Ich weiß nur, dass sie ein Kind von ihrem Freund erwartet. Sie müsste jetzt Ende des zweiten Monats sein, wenn es stimmt, was sie Denise erzählt hat. Mein Stand ist der, dass sie nicht weiß, ob sie das Kind behalten will oder…«

»Sie will es abtreiben lassen?«, fragte Pierre entsetzt. »Das ist ja entsetzlich.«

»Natürlich nicht«, versicherte Eva sofort. »Sie hat über Adoption nachgedacht, wollte ihrem Freund nichts von der Schwangerschaft verraten. Doch wie mir scheint löst sich gerade alles in Wohlgefallen auf. Der Freund hat ihr einen Heiratsantrag gemacht, also wird er auch von dem Kind wissen. Sein Vater ist sehr vermögend, hat eine gut gehende Firma und wartet sehnsüchtig auf einen männlichen Erben. Der Sohn ist, laut Denise, nicht gerade der Wunschnachfolger.«

»Menschen gibt es, die sind mit normalem Verstand nicht zu verstehen«, murmelte Pierre vor sich hin und nahm sich ein Stück Pizza, die vom Vorabend übrig geblieben war. »Was macht der Vater, wenn das Kind ein Mädchen wird? Müssen die beiden dann so lange Nachkommen produzieren, bis ein Junge dabei ist?« Er kaute ziemlich schnell, was seine innere Erregung zeigte.

»Keine Ahnung«, meinte Eva und stellte die Brotdose, Butter, Wurst und Käse auf das Tablett. »Bringst du das schon mal ins Esszimmer?«

Pierre verzog das Gesicht, tat aber bereitwillig, worum sie ihn gebeten hatte. »Für dich tu ich alles, mein Liebes«, flötete er und grinste. »Es war ein wunderschöner Abend gestern. Und die Nacht erst…«, fügte er vieldeutig hinzu.

»Das glaub ich«, antwortete Eva trocken. »Du warst so gut drauf, dass du während der Heimfahrt bereits geschlafen hast. Ich wette mit dir, dass du nicht mal weißt, wie du ins Bett gekommen bist. Du weißt doch, dass du Rotwein nicht verträgst.«

»Aber er schmeckt so gut«, tat Pierre zerknirscht. »Ich hatte nur ein kleines Gläschen.«

»Das weiß ich, Schatz«, beschwichtigte Eva ihren Mann liebevoll. »Ich mach dir auch keinen Vorwurf. Außerdem fand ich die Nacht auch sehr schön, habe immer noch die wundervolle Musik in den Ohren. Danke für den schönen Abend«, flüsterte sie an seinem Ohr, dann küsste sie ihn zärtlich.

Pierres Hände glitten liebevoll und zugleich fordernd über ihren Rücken und blieben auf ihren Hüften liegen. »Auch nach zwanzig Jahren machst du mich noch immer rasend vor Leidenschaft, wenn du mir mit dieser besonderen Stimme etwas ins Ohr flüsterst«, sagte er ein wenig atemlos.

Eva lächelte zufrieden vor sich hin. Genau das hatte sie hören wollen. Es war die Bestätigung für sie, dass Karin, seine geschiedene Frau, so viele Anschläge auf seine Treue veranstalten konnte, wie sie wollte, sie hatte keine Chance. Dennoch schob sie ihn sanft von sich. »Lass uns den Tisch decken«, entschied sie. »Die Mädchen werden gleich da sein.«

Seufzend fügte sich Pierre ihrer Entscheidung, nahm das Tablett und marschierte ins Esszimmer. »Ich will Kaffee«, rief er, als er die Kanne mit kochend heißem Wasser entdeckte.

»Stefanie möchte Tee«, rief Eva zurück und schaltete die Kaffeemaschine an. Glucksend lief der frische Kaffee in die silberne Thermoskanne. Ein feiner Duft erfüllte die Küche.

»Wie wirst du heute den Tag verbringen, Liebes?«

Eva zuckte die Schultern. »Ich hab zwei Stunden Vertretung bis zwölf Uhr, danach eine Stunde Mittag, und ab halb zwei hab ich mich für die Hausaufgabenaufsicht eingeschrieben.«

»Warum das denn? Ich dachte, dein Kollege Krieger ist da immer so scharf drauf?«, fragte Pierre überrascht.

»Der hat diese Woche Vertretung für die Erstklässler. Frau Kässler, die das sonst immer macht, ist krank. Du weißt doch, dass Herr Krieger seit seinem Unfall nicht mehr Vollzeit arbeiten kann. Seine Nerven sind auch nicht mehr die besten seit damals, deshalb ist er jetzt Springer und wird immer da eingesetzt, wo er gebraucht wird. Mit den älteren Kindern kommt er nicht mehr so gut zurecht.«

Pierre nickte vor sich hin. »Ich erinnere mich, das war ein Drama damals. Er hat mir so leid getan. Deshalb bin ich froh, dass es ihm wieder einigermaßen geht. Zum Glück hat seine Ehe das ausgehalten.«

»Leider ist auch die nur geflickt«, antwortete Eva bedrückt. »Aber das ist nicht unsere Sache. Ich habe ihm gesagt, dass ich jederzeit bereit für ein Gespräch bin, wenn er das möchte. Bis jetzt hat er von meinem Angebot keinen Gebrauch gemacht. Er meinte, mit den Tabletten, die ihm sein Psychiater verschreibt, kommt er gut hin.«

»Na ja, es gibt gute Tabletten, das stimmt schon«, gab Pierre etwas widerstrebend zu. »Doch wirkliche Hilfe kann er sich nur selbst geben. Tabletten können zudecken, dämpfen, doch im Innern geht das Thema weiter, solange man nicht mit sich selbst ins Reine kommt. Ich hatte ihm dringend zu einer Psychotherapie geraten, bis jetzt ist in dieser Richtung jedoch offenbar noch nichts geschehen. Er ist aber auch so stur«, fügte er leicht verärgert hinzu. Eva zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht, ob ich mich zu so einer Therapie durchringen könnte«, meinte sie nachdenklich. »Man muss wirklich sein Innerstes nach außen kehren. Wenn der Mensch das aber nicht mal vor sich selbst eingestehen will, wie soll er sich da bei einer fremden Person öffnen«, überlegte sie und versuchte, sich in die Lage ihres Kollegen zu versetzen.

»Genau das ist ja die Therapie«, wandte Pierre ein. »Wenn du es schaffst, dich einem Menschen anzuvertrauen, der von Berufs wegen zu Schweigen verpflichtet ist, dann hast du es schon vor dir selbst eingestanden, dass du ein Problem hast. Meist ist das der erste Schritt in die Heilung, denn dann kannst du es Stück für Stück aufarbeiten und ablegen.«

Eva schaute ihren Mann zweifelnd an. »Ob das immer so klappt, sei dahingestellt. Ich hab darüber auch anderes gehört. Eine Konfrontation mit den Stolpersteinen des Lebens kann einen Menschen auch so tief in die Depression treiben, dass es gar nicht mehr weitergeht und er in Panik etwas Unüberlegtes tut. Ich denke, ich wäre so ein Patient.« Eva seufzte tief auf. Warum nur musste sie gerade in diesem Moment an Karin denken?

»Wenn der Therapeut sein Handwerk versteht und auch die richtigen Tabletten in der richtigen Dosierung verordnet, dürfte das eigentlich nicht passieren. Ein bisschen Vertrauen sollte man schon haben.« Pierre musste seiner Frau jedoch insgeheim Recht geben.

»Das mag schon alles stimmen, dennoch denke ich, dass diese Vorgehensweise nicht für jeden geeignet ist. Das muss Herr Krieger ganz allein für sich entscheiden. Ich beurteile das nicht, sondern versuche, ihm zu helfen, so gut es geht.«

»Meine Eva, mein Schatz«, murmelte Pierre gerührt und nahm seine Frau zärtlich in die Arme. »Du bist ohnehin der beste Therapeut. Ich bin sicher, du kannst sowohl Herrn Krieger helfen als auch Stefanie, wenn sie lange genug bei uns bleibt.« Er küsste sie zärtlich.

Eva küsste ihn zurück. »Schmeichler«, sagte sie nur, dann nahm sie die Kaffeekanne und marschierte hoch erhobenen Hauptes ins Esszimmer.

*

»Wie geht es dir heute, Stefanie?« Denise saß auf ihrem Bett und wartete darauf, dass ihre Freundin aus dem angrenzenden Badezimmer kam. Der überraschende Besuch und vor allem der damit verbundene Schreck lag ihr noch immer im Magen. Sie hatte Schlimmstes vermutet, und selbst als Stefanie ihr glaubhaft versicherte, dass nichts Weltbewegendes geschehen war, konnte sie sich erst mal nicht beruhigen.

»Mir tut jeder Knochen weh«, rief Stefanie ihr zu und schaltete den Wasserhahn aus. Das Rauschen verstummte. »Ich glaub, in mir steckt eine saftige Erkältung. Als ich gestern hier ankam, hab ich so gefroren, dass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte.«

»Bei so einem Unwetter bleibt man auch besser zu Hause«, antwortete Denise und lachte. »Doch wenn man in Panik ist, denkt man über so etwas natürlich nicht nach.«

»Es war wirklich eine völlig überstürzte Entscheidung«, bestätigte Stefanie. »Heute würde ich es mir vermutlich wieder hundertmal überlegen, ob ich mir die Fahrt antun soll. Dennoch stehe ich zu meiner überstürzten Entscheidung. Jetzt könnte ich alles haben, was ich mir wünsche, und habe doch furchtbare Angst vor dieser Entscheidung. Deshalb bin ich einfach geflüchtet.«

Denise atmete erleichtert auf. Sie hatte schon befürchtet, die Freundin würde weiterhin verschlossen wie eine Auster sein. Doch anscheinend hatte sie auf einmal großes Mitteilungsbedürfnis. »Meine Eltern haben ganz schön gestaunt, als sie heute Morgen sahen, dass Besuch im Haus ist. Ich bin sehr froh, dass du da bist«, fügte sie hastig hinzu, um der Freundin das Gefühl zu nehmen, vielleicht zu aufdringlich gewesen zu sein.

»Ich werde nicht lange bleiben.« Stefanie kam aus dem Bad, hatte ein Handtuch um den Kopf geschlungen und machte sich jetzt daran, ihre Haare trocken zu reiben. Aufseufzend setzte sie sich neben Denise aufs Bett. »Was soll ich bloß tun?«

»Erzähl doch erst einmal, was genau vorgefallen ist, das dich so in Panik versetzt hat.«

»Jens hat mir einen Antrag gemacht.«

»Wie bitte? War er betrunken?«

»Jetzt ist es aber gut«, fuhr Stefanie gespielt entrüstet auf. »Muss man betrunken sein, um mir einen Antrag zu machen? Nein, er war völlig nüchtern.«

»Hat er gesagt, dass er dich liebt?«

Überrascht hielt Stefanie in ihrer Tätigkeit inne. »Nein«, antwortete sie nach kurzer Überlegung zögernd, »davon hat er nichts gesagt.«

»Das gehört dazu.« Denise war ratlos. »Warum will er dich heiraten, wenn er dich nicht liebt?«

»Nur weil er es nicht gesagt hat, heißt das doch nicht, dass er keine Gefühle für mich hat.«

»Dann hast du ihm von dem Kind erzählt? Das wolltest du doch nicht. Er sollte sich frei für oder gegen dich entscheiden. Warum hast du …«

»Hab ich nicht«, unterbrach Stefanie die Freundin entrüstet. »Bin doch nicht doof. Er weiß noch immer nicht, dass er Vater wird. Und vorläufig sag ich es ihm auch nicht. Erst muss ich sehen, wie sich alles entwickelt.«

»Dann hast du Ja gesagt?«

Stefanie schüttelte den Kopf. »Deshalb bin ich ja geflüchtet. Wenn ich Ja sage, hat das lebenslange Folgen; wenn ich Nein sage, ebenfalls. Was soll ich tun?« Das Lachen war aus ihrem Gesicht verschwunden. Langsam begann ihre grüblerische Natur wieder die Oberhand zu gewinnen.

»Das kommt auf deine Gefühle an.« Liebevoll nahm Denise die Hand ihrer Freundin und hielt sie ganz fest. »Liebst du ihn denn?«

Stefanie zuckte die Schultern. »Wenn ich das nur wüsste. Ich hab ihn mal geliebt, sehr sogar. Doch sein Verhalten hat Stück für Stück meine Gefühle für ihn verändert. Ist da noch Liebe dabei? Ich hab keine Ahnung.«

»Was ist denn mit der anderen Freundin, die er, deiner Meinung nach, in der letzten Zeit gehabt hat? Du warst überzeugt davon, dass er dich betrügt. Stimmt das nun, oder hast du dir das alles nur eingebildet?«

Sie zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Mein Kopf ist leer, ich weiß es nicht.«

»Du wiederholst dich, liebe Stefanie. Ich bin davon ausgegangen, dass dein Jens ein Schlamper ist, ein treuloser Bengel, der die Leichtigkeit des Seins genießt und von Big Daddy finanziert wird. Jetzt hört sich die ganze Geschichte ein bisschen anders an. Nur – welche Variante ist nun die richtige?«

Stefanie schwieg eine ganze Zeitlang. »Also, auf die Gefahr hin, dass du gleich einen Schreikrampf kriegst: Ich hab keine Ahnung«, sagte sie schon wieder, legte jedoch im nächsten Moment beide Arme und Denise und hielt sie ganz fest. »Bleib bitte ruhig. Deshalb bin ich ja zu dir gekommen, weil du die Friedlichere, die Vernünftigere von uns beiden bist. Enttäusche mich jetzt nicht.«

Denise biss sich auf die Lippen und schluckte tapfer die Erwiderung hinunter, die ihr eben auf der Zunge lag. Sie befreite sich sanft aus Stefanies Umarmung, dann erhob sie sich. »Wir sollten nach unten gehen, meine Eltern warten mit dem Frühstück auf uns. Ich denke, du oder wir sollten das alles mit meiner Mutter oder besser mit meinen Eltern besprechen. Je mehr Meinungen zusammenkommen, desto besser. Dann kannst du in Ruhe sortieren und dir das Beste aussuchen.«

»Ach Denise, da gibt es kein Aussuchen.« Stefanie seufzte vor sich hin und erhob sich nun ebenfalls. »Wir kennen die Fakten, und ich muss sehen, wie ich alles irgendwie unter einen Hut kriege.«

»Dann sprich mit Jens, sag ihm, dass er Vater wird. Und dann entscheidet gemeinsam.«