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Der Millionendeal ist nur noch Stunden entfernt, als Lucas Vieira plötzlich ohne Übersetzerin dasteht! Seine Retterin ist die schöne Caroline Hamilton. Sie ist für den Brasilianer ein Glücksfall, denn aus dem erfolgreichen Abend wird eine berauschende Nacht zu zweit …
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Seitenzahl: 168
IMPRESSUM
Wie rettet man einen Milliardär? erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2011 by Sandra Myles Originaltitel: „Not For Sale“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRABand 344 - 2012 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Sabine Reinemuth
Umschlagsmotive: Andrejs Pidjass, Stanislav Bokach/Thinkstock
Veröffentlicht im ePub Format in 06/2015 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733742621
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Lucas Vieira beherrschte sich nur mit Mühe.
Der Tag hatte schon schlecht begonnen. Doch der bevorstehende Nachmittag versprach eine Katastrophe zu werden. Seine persönliche Assistentin hatte sich heute freigenommen, und die Aushilfssekretärin hatte ihm einen Kaffee serviert, der so schmeckte, als sei ihr das Kaffeewasser angebrannt.
Kopfschüttelnd schob er das Gebräu zur Seite und blickte dann auf das Display seines Handys. Jemand hatte versucht ihn anzurufen. Es war ein Reporter, der schon seit Wochen hinter ihm her war, um ein Interview von ihm zu bekommen. Wer mochte ihm wohl die Geheimnummer verraten haben?
Lucas schützte sein Privatleben so gut es ging. Er vermied jeden Kontakt mit den Medien, reiste ausschließlich im eigenen Jet. Zudem waren sein Penthouse in New York, sein Wochenendhaus am Ozean und seine Privatinsel in der Karibik durch modernste elektronische Anlagen gesichert.
Der geheimnisvolle Lucas Vieira, so nannte ihn die Presse. Öffentliche Auftritte beschränkte Lucas auf ein Minimum, denn ganz kam er als einer der reichsten Männer Amerikas um Kameras und Mikrofone nicht herum.
Ohne den üblichen familiären Hintergrund aufweisen zu können, war er bereits mit dreiunddreißig einer der ganz Großen in der Finanzwelt. An medienwirksamen Auftritten lag ihm nichts, und Interviews gab er ausschließlich, wenn dies dem Wohle seiner Firma diente.
Nach seinem Erfolgsrezept gefragt, hatte er einmal geantwortet: „Ich bin eben besser vorbereitet als andere und daher in der Lage, gewinnbringende Geschäfte für mich zu entscheiden.“ Dass er vorher rücksichtslos jedes Hindernis aus dem Weg räumte, verschwieg er.
Lucas runzelte die Stirn und drehte sich in seinem Sessel. Gedankenverloren kehrte er seinem imposanten Schreibtisch aus Edelholz den Rücken und blickte aus dem Fenster über die Skyline Manhattans.
Wenn er seinem Credo auch in dieser Situation treu bleiben wollte, musste er sich etwas einfallen lassen. Einen Weg gab es immer, er musste ihn nur finden – was ihm in seinem bisherigen Leben auch stets gelungen war.
Von seiner Mutter ausgesetzt, war er als Straßenkind in Rio aufgewachsen. Er hatte in Kartons geschlafen, sich Essensreste aus Mülltonnen geholt und Touristen bestohlen, um nicht zu verhungern. Mit sieben änderte sich sein Leben schlagartig. Zu schwach und fiebrig, um vor einem Polizisten zu fliehen, blieb er einfach sitzen.
Das war sein Glück, denn der Polizist wurde zufällig von einer Sozialarbeiterin begleitet. Diese nahm sich seiner an und sorgte dafür, dass er einen Platz in einem Projekt für Straßenkinder bekam. Von nun an hatte er eine feste Bleibe und ausreichend zu essen.
Dann wurde er in eine Pflegefamilie vermittelt, dann in die nächste, denn er war ein schwieriges Kind. Er war eigenwillig, besaß einen ausgeprägten Freiheitsdrang, und auf körperliche und seelische Gewalt reagierte er mit Verweigerung. Als er achtzehn wurde und keinen Vormund mehr brauchte, hatte er bereits mehr Lebenserfahrung als die meisten in seinem Alter.
Er wusste schon damals genau, was er wollte – respektiert werden.
Und er wusste auch, wie sich dieses Ziel verwirklichen ließ: durch Geld und Macht. So arbeitete er hart, nahm jeden Job an und studierte nebenbei. Er verschaffte sich eine umfassende Allgemeinbildung, gewöhnte sich tadellose Umgangsformen an und kleidete sich stets angemessen und elegant. Er wurde Börsenmakler, arbeitete sich hoch und gründete Vieira Financial. Mit dreiunddreißig hatte er sein Lebensziel verwirklicht.
Fast, denn dieser Tag, der so schlecht angefangen hatte, drohte mit einer Katastrophe zu enden. Lucas sprang auf und schritt unruhig im Zimmer auf und ab.
Elin, Model und seine derzeitige Geliebte, war am Vormittag im Büro gewesen, hatte ihm eine Szene gemacht und ihre Beziehung für beendet erklärt. Das wäre nicht so schlimm gewesen, wäre da heute Abend nicht das Essen mit Leonid Rostow gewesen. Es ging um einen Millionendeal, hinter dem die Konkurrenz ebenso her war wie er selbst.
Lucas jedoch war taktisch geschickter vorgegangen als alle anderen, und Rostow schien sich für ihn entschieden zu haben. Er hatte nämlich Lucas’ Einladung angenommen und flog allein deshalb von Moskau nach New York.
Lucas sprach kein Russisch und Rostow kein Amerikanisch. Beim letzten Treffen in Moskau hatte seine Frau Ilana, die in England studiert hatte, für beide übersetzt. Ilana war eine Schönheit, die ihre klassischen Züge der modernen Chirurgie verdankte, der kein Brillant zu groß und kein Parfüm zu schwer sein konnte – und sie war nymphoman.
Während des Essens in Moskau war sie unter dem Tisch, vor neugierigen Blicken durch das gestärkte weiße Damasttuch hervorragend geschützt, äußerst aktiv gewesen. Auch Rostow hatte nicht bemerkt, dass seine Gattin mit der einen Hand den ganzen Abend zwischen Lucas’ Schenkel zugange gewesen war. Lucas war es heute noch ein Rätsel, wie er das Essen mit unbeteiligtem Gesichtsausdruck hatte überstehen können.
Wohl auf Ilanas Drängen hin hatte Rostow von Lucas verlangt, zu dem heutigen Termin keinen professionellen Dolmetscher zu engagieren, weil Ilana diese Aufgabe übernehmen wolle, seine Freundin jedoch solle er unbedingt mitbringen.
Lucas hatte nur gelacht, denn er hatte einen Trumpf im Ärmel. Elin Jansson war Finnin und sprach Russisch ebenso fließend wie ihre Muttersprache. So war sie in der Lage, zwei Funktionen gleichzeitig zu erfüllen, ihm zu dolmetschen und ihn vor Ilanas lüsternen Übergriffen zu schützen.
Er stützte die Arme auf die Fensterbank und schloss die Augen. Hätte Elin nicht einen Tag später Schluss machen können? Was sollte er heute Abend nur tun?
„Mr Vieira?“ Zögernd betrat die Aushilfe sein Büro. „Ich habe geklopft, aber Sie haben nicht gehört.“ Ängstlich blickte sie ihn an, als er sich zu ihr umdrehte.
„Was ist, Denise?“
„Ich heiße Elise.“ Sie schluckte. „Mr Rostow hat angerufen. Er und seine Frau werden sich wahrscheinlich etwas verspäten, und ich dachte … Ich meine, wir sollten vielleicht dem Restaurant Bescheid geben, dass sie den Tisch nur für drei Personen decken.“
Das war ja unfassbar! Wusste denn schon die ganze Welt von seinem persönlichen Desaster?
„Habe ich Sie darum gebeten?“, fragte er scharf.
„Nein. Ich dachte nur …“, wiederholte sie noch einmal und schluckte wieder. „Mr Gordon stand gerade bei mir am Computer, als Ms Jansson in Ihr Büro stürmte. Wir konnten sie wirklich nicht aufhalten! Wir mussten alles mit anhören, weil sie die Tür nicht ins Schloss gezogen hatte.“
„Na super! Gehen Sie jetzt an Ihren Schreibtisch zurück. Wenn Sie Ihren Job in meiner Firma behalten wollen, erwähnen Sie diese Privatangelegenheit nie wieder, weder mir noch einem anderen gegenüber. Verstanden?“
Anscheinend hatte Denise, Elise, oder wie immer sie hieß, wirklich begriffen, denn sie senkte den Kopf, schlich sich aus dem Zimmer und schloss lautlos die Tür hinter sich.
Lucas setzte sich wieder an seinen imposanten Schreibtisch aus feinstem Edelholz, stützte das Kinn auf die Hände und ließ die Szene mit Elin noch einmal Revue passieren. Elins Entscheidung, die Beziehung zu beenden, kam ihm nur recht, der Zeitpunkt dagegen hätte ungünstiger nicht ausfallen können.
Würde es heute Abend beim Essen zum Vertragsabschluss mit Rostow kommen, wäre das die Krönung seiner Karriere! Einen Moment lang war er versucht, Elin anzurufen und sie zu bitten, ihn dieses eine Mal noch zu begleiten. Doch so schnell ihm die Idee gekommen war, verwarf er sie auch wieder.
Er ging zur Schrankwand, öffnete das Barfach und schenkte sich einen Whisky ein. Es war immer ein Fehler, Privates und Geschäftliches zu vermischen. Die Quittung dafür hatte er jetzt bekommen.
Wie sollte er innerhalb weniger Stunden eine Frau finden, die schön und klug genug war, um als seine Geliebte durchzugehen, und obendrein perfekt Englisch und Russisch sprach? Das schien in der Kürze der Zeit selbst in New York nicht machbar.
Lucas schreckte aus seinen Gedanken auf, weil jemand die Tür öffnete. Im Zeitlupentempo drehte er sich um.
„Mr Vieira?“ Elise lächelte unsicher, ließ Jack Gordon ins Zimmer treten und zog sich dann hastig wieder zurück.
Lucas hatte Jack vor gut einem Jahr eingestellt, weil er clever war und gute Einfälle hatte. Manchmal fragte Lucas sich jedoch, ob Jack wirklich der loyale Mitarbeiter war, für den er sich stets ausgab. Eisig sah er ihn an.
„Ich hoffe, Sie haben einen guten Grund für diesen Überfall, Jack.“
Jack Gordon erblasste, hielt jedoch Lucas’ Blick stand. „Was ich zu sagen habe, fällt mir nicht leicht.“ Er atmete tief durch. „Ich habe die Sache mit Ms Jansson unfreiwillig miterleben müssen. Außerdem weiß ich, dass sie heute Abend übersetzen sollte, weil Mr Rostov professionelle Dolmetscher ablehnt.“
„Und?“
„Ich kenne eine Frau, die intelligent ist, aussieht, wie ein Model und fließend Russisch spricht. Sie wäre der ideale Ersatz für Ms Jansson.“
Lucas schöpfte für einen Moment Hoffnung – aber auch nur für einen Moment. Der Zwanzig-Milliarden-Dollar-Deal, um den es an diesem Abend ging, war für ihn von größter Bedeutung. Sich bei derart komplizierten Vertragsverhandlungen in einer Sprache, die er nicht verstand, auf einen unbekannten Menschen zu verlassen, wäre der reinste Wahnsinn. „Gut gemeint, Jack, aber vergessen Sie es.“
„Bitte glauben Sie mir, Sir. Ich kenne Dani seit Jahren, sie ist genau die Frau, die Sie suchen.“
„Und wieso würde diese Dani einspringen? Aus reiner Menschenfreundlichkeit?“
„Wir sind Jugendfreunde, sie würde es mir zum Gefallen tun, Mr Vieira.“
Lucas biss die Zähne zusammen. Ein Zwanzig-Milliarden-Dollar-Deal, der von Leonid abhing, der zu viel Wodka trank, und von Ilana, die es nur auf seinen Hosenschlitz abgesehen hatte, und dazu eine Übersetzerin, die für ihn ein unbeschriebenes Blatt war?
Unmöglich.
Doch noch unmöglicher wäre es, sich ein Geschäft dieser Größenordnung entgehen zu lassen.
„Okay. Geben Sie ihr Bescheid.“
„Wirklich?“ Erstaunt zog Jack die Brauen hoch.
„Natürlich. Sie haben es mir doch empfohlen, oder? Sagen Sie dieser Dani, ich hole sie um halb acht ab. Wo wohnt sie?“
„Sie wird direkt ins Hotel kommen“, antwortete Jack hastig.
„Gut, dann um zehn vor acht im Foyer des Palace.“ Sollte diese Dani seinen Ansprüchen nicht genügen, gab ihm das genügend Zeit, ihr eine Aufwandsentschädigung in die Hand zu drücken und sie mit dem nächsten Taxi wieder nach Hause zu schicken. „Sie weiß doch, wie man sich anzieht und sich sicher auf dem gesellschaftlichen Parkett bewegt, oder?“
„Selbstverständlich, Sir.“
„Natürlich werde ich sie bezahlen. Sagen wir, tausend Dollar für den Abend.“
Es sah aus, als müsse Jack ein unfreiwilliges Lächeln unterdrücken, was Lucas irritierte. Fand er als Angestellter es etwa lustig, seinen Boss in der Klemme stecken zu sehen?
„Das klingt gut.“ Jack hatte sich wieder unter Kontrolle. „Viel Glück, Mr Vieira.“ Er streckte den Arm aus.
Lucas zögerte einen Moment. Irgendetwas störte ihn an Jack Gordon. Da er jedoch keine Wahl hatte, schüttelte er die ihm angebotene Hand.
Jack Gordon überprüfte noch einmal, ob er die Tür zu seinem Büro auch wirklich fest zugezogen hatte, und zog dann sein Handy aus der Tasche.
„Dani, Baby, ich habe etwas für dich.“ Schnell erklärte er die Angelegenheit. Dani Sinclair hatte für lange Reden nichts übrig, dafür wurde sie von Männern nämlich nicht bezahlt.
Dani atmete einmal tief durch. „Ich wiederhole, dieser Lucas Vieira ist einer der reichsten Männer der Welt, und du hast mir ein Date mit ihm vermittelt?“
„Ja, allerdings ein ungewöhnliches Date. Du gehst mit ihm, einem russischen Geschäftspartner und dessen Frau essen, gibst dich als seine Freundin aus und übersetzt nebenbei für ihn. Dein Studium ist also doch nicht so unnütz, wie es mir immer scheint.“
„Jack, ich muss an die Zukunft denken, deshalb ist mir mein Universitätsabschluss so wichtig. Was zahlt er?“
„Tausend.“
„Soll das ein Witz sein, oder leidest du an Gedächtnisschwund? Ich nehme zehntausend Dollar den Abend.“
„Baby, wir waren schon als Kinder befreundet.“
„Also gut, fünftausend, weil du es bist, Jack.“
„Fünftausend, nur, um mit jemandem essen zu gehen?“
„Ganz richtig, und wenn er nach dem Essen noch etwas von mir möchte, kommt meine übliche Gebühr dazu.“
„Das musst du ihm selbst erklären, Dani.“
Sie lachte. „Du hast ihm also nicht erzählt, womit ich mein Geld verdiene? Willst du ihn schockieren?“
„Nein.“ Jacks Stimme klang plötzlich schneidend. „Ich möchte ihn mir verpflichten, und das wird mir gelingen, ganz egal, wie der Abend ausgeht.“
„Was für ein ausgesprochen netter Mensch du bist! Wann findet das Essen statt?“
„Heute Abend, zehn vor acht im Foyer des Palace.“
„Heute Abend?“ Dani bemühte sich, nicht bestürzt zu klingen. Sie war nämlich bereits mit ihrem texanischen Ölmillionär verabredet, der sie regelmäßig alle vier Wochen besuchte. Die fünftausend Dollar von Lucas Vieira wolle sie sich trotzdem nicht entgehen lassen. Sie würde schon einen Weg finden.
„Geht in Ordnung“, redete sie schnell weiter. „Also zehn vor acht im Palace.“
Sofort, nachdem Dani das Gespräch beendet hatte, rief sie das Telefonbuch ihres Handys auf und wählte die Nummer von Caroline Hamilton.
„Hi, Caroline! Hier ist Dani, wir kennen uns aus dem Seminar über Tschechow. Mir ist für heute Abend ein Übersetzungsjob angeboten worden, der leider nicht in meinen Terminplan passt. Da habe ich sofort an dich gedacht.“
Caroline runzelte die Stirn. Ach ja, Dani, die wie sie an ihrer Doktorarbeit schrieb. Lange Beine, rassige Figur und stets exklusiv und nach der neuesten Mode gekleidet. Sie hatte mit Dani noch nie privat gesprochen, sondern mit ihr lediglich die Telefonnummern ausgetauscht. Das hatten alle Seminarteilnehmer getan, falls sie einmal Mitschriften austauschen wollten.
„Und was ist das für ein Job?“, erkundigte sie sich vorsichtig.
„Ein etwas ungewöhnlicher. Du sollst während eines Geschäftsessens dolmetschen.“
Essen? Carolines Magen machte sich schmerzhaft bemerkbar. Um Geld zu sparen, hatte sie mittags nur einen Kaffee getrunken.
„Und noch etwas, du sollst dich als die Freundin des Auftraggebers ausgeben – übrigens ein superreicher Börsenmakler.“
„Wie bitte? Was soll denn das Theater?“
„Keine Ahnung. Vieira, so heißt der Typ, wünscht es so.“
„Da ist doch garantiert etwas faul an der Sache! Lieb von dir, dass du an mich gedacht hast, Dani, aber der Job ist nichts für mich.“
„Hundert Dollar.“
„Dani, bitte verstehe …“
„Zweihundert. Du kannst in einem der besten Restaurants New Yorks nach Herzenslust schlemmen und dir anschließend zweihundert Dollar in dein Abendtäschchen stecken.“
„Damit ist die Entscheidung gefallen. Ich besitze kein einziges Stück Garderobe, mit dem ich mich in einem Luxuslokal blicken lassen könnte.“
„Ich trage Kleidergröße achtunddreißig und Schuhgröße neununddreißig. Und du?“
„Ich auch, aber ehrlich …“
„Dreihundert“, unterbrach Dani sie. „Ich packe alles zusammen und bin sofort bei dir. Ich bringe Kleider, Schuhe und Schminke mit. Glaub mir, das wird ein Riesenspaß. Gib mir schnell deine Adresse, wir haben wirklich keine Zeit zu verschenken.“
Caroline dachte an die dreihundert Dollar – und nannte Dani ihre Anschrift.
Zwei Stunden später betrachtete sie sich im Spiegel und erkannte sich nicht wieder.
Die sündhaft teuren Haarpflegemittel, die Dani mitgebracht hatte, ließen ihr Haar in warmen Goldtönen schimmern. Ihre schon von Natur aus ausdrucksvollen braunen Augen wirkten dank des bronzefarbenen Lidschattens noch dunkler und geheimnisvoller, und das Rouge, das perfekt mit der Farbe der Lippen harmonierte, betonte ihre hohen Wangenknochen.
Und erst das Kleid! Es bestand nur aus einem Hauch von schwarzem Chiffon über einem engen Unterkleid aus Satin und endete mehr als eine Handbreite über dem Knie. Der extrem kurze Rock und die hochhackigen Sandaletten aus goldfarbenen Lederriemchen ließen ihre Beine endlos lang erscheinen. Würde sie auf solchen Absätzen überhaupt laufen können?
Sie kam sich selbst fremd vor und bekam Angst. „Dani, ich …“
„Du hast dich vom hässlichen Entlein in einen schönen Schwan gemausert“, fiel Dani ihr ins Wort. „In einer halben Stunde beginnt dein großer Auftritt – und noch etwas, lass den Typen im Glauben, du seist Dani, andernfalls könnte es für den Freund, der mir den Auftrag vermittelt hat, schwierig werden. Abgemacht?“
„Ich soll mich also nicht nur als Freundin dieses Typen ausgeben, sondern auch noch meine Identität verleugnen? Nimm es mir nicht übel, Dani, aber das geht echt zu weit!“
„Fünfhundert, und der Mann heißt Lucas Vieira, präg dir das um Himmels willen ein, Lucas Vieira!“
„Fünfhundert Dollar?“ Caroline schluckte. „Also gut.“
Lucas duschte und zog sich für den Abend um. Zu dem grauen Anzug mit weißem Hemd wählte er eine ausgesprochen modische Krawatte und wirkte so elegant und dennoch lässig gekleidet. Er ging den kurzen Weg zum Hotel zu Fuß, das gab ihm die Gelegenheit, sich zu sammeln und auf die bevorstehenden Verhandlungen zu konzentrieren.
Es machte ihm immer noch zu schaffen, Elin so falsch eingeschätzt zu haben. Allein deshalb steckte er jetzt in der Klemme und musste alles auf eine Karte setzen.
In dem großzügigen und geschmackvoll eingerichteten Foyer des Luxushotels herrschte um diese Zeit reger Betrieb. Deshalb stellte er sich mit dem Rücken vor eine Säule und beobachtete den Eingangsbereich. Doch keine Frau, auf die Jack Gordons Beschreibung passte, trat aus der Drehtür. Nervös blickte er auf die Uhr. Es war fast acht.
Da erschien eine Frau, die keinen Begleiter hatte und Ende zwanzig sein mochte. Doch alle anderen Eigenschaften, die Jack ihm genannt hatte, trafen nicht auf sie zu.
Ihr Haar war nicht braun, sondern schimmerte golden. Die Farbe ihrer Augen konnte er von Weitem nicht erkennen, doch sie waren mandelförmig wie die einer Katze. Ihr Gesicht war oval, die Lippen in einem sanften Rosé geschminkt.
Selbst aus der Ferne faszinierte sie ihn.
Sie war zierlich, ohne zerbrechlich zu wirken. Ihre ausgesprochen weiblichen Rundungen zeichneten sich verführerisch unter dem dünnen, seidigen Stoff ihres kurzen schwarzen Kleides ab, und die extrem hohen Absätze ihrer goldfarbenen Sandaletten ließen ihre ohnehin schon langen Beine geradezu endlos erscheinen.
Wie sie wohl ohne das Kleid, nur in den hohen Schuhen und ihren Dessous aussehen mochte? Lucas schluckte und versuchte, sich wieder auf wichtigere Dinge zu konzentrieren. Da hob sie den Kopf und blickte ihm direkt in die Augen.
Sein Herz schien ein Schlag auszusetzen, und unwillkürlich machte er einen Schritt auf sie zu. In dem Moment wandte sie den Kopf und blickte sich suchend um – der Zauber zerbrach.
Lucas atmete tief durch. Was war nur los mit ihm? Er schien mit den Nerven am Ende zu sein und brauchte dringend Urlaub. Sobald er diesen Deal abgewickelt hatte, würde er sich eine Auszeit in seinem Wochenendhaus auf Long Island gönnen. Eine Woche Einsamkeit, Strand und Meer, und er würde wieder fit für seinen Job und bereit für eine neue Affäre sein.
Er blickte auf die Uhr. Fünf nach acht und keine Dani Sinclair. Ilana Rostow würde also übersetzen und ihre Finger spielen lassen – irgendwie musste er den Abend überstehen. Er biss die Zähne zusammen.
„Entschuldigung.“ Jemand berührte seinen Arm, und Lucas blickte auf.
Die bezaubernde Fremde mit dem honigblonden Haar stand direkt vor ihm. Aus der Nähe betrachtet wirkte sie noch attraktiver. Ihre schräg stehenden Katzenaugen waren braun, wie er jetzt erkannte. Sosehr sie ihn auch erregte, ihrem Outfit und Benehmen nach zu urteilen, schien sie eine Professionelle zu sein, und noch nie im Leben hatte er für Liebe bezahlen müssen. Daran sollte sich auch nichts ändern, vor allem nicht an diesem Abend …
„Ich frage mich, ob Sie …“, sprach sie ihn an.
„Nein danke, ich bin nicht interessiert.“
Sie zuckte zusammen und wurde blass. Also doch kein Call Girl, erkannte Lucas. Er hatte die schöne Unbekannte beleidigt und seine schlechte Laune an ihr ausgelassen. Schnell versuchte er, seinen Fehler wiedergutzumachen.
„Ich würde Sie wirklich gern auf einen Drink einladen“, meinte er. „Leider passt das Timing nicht, denn ich bin mit einem Geschäftspartner zum Essen verabredet.“