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Wer bin ich und was mache ich hier? Bali Kiknadze nimmt sich ein paar schwierige Themen zur Brust. Themen, mit denen sie selbst zu tun hatte und immer noch hat. Wie kann man Verhalten und Kommunikation verbessern? Und wo sind die Grenzen?
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Seitenzahl: 93
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„Offenheit in der Kommunikation macht das Miteinander der Menschen erst möglich.“
Jochen Schweizer
Bei dem Wort „Kommunikation“ denken die meisten Menschen sofort an Sprache. Aber Kommunikation ist so viel mehr, als nur das gesprochene Wort. Das Thema wird meiner Meinung nach immer noch stark unterschätzt. Eine ganzheitliche Kommunikation beinhaltet neben der Sprache auch die Körperhaltung, den Tonfall, den Gesichtsausdruck und letztendlich sogar das, was wir tun. Das ganze Innenleben eines Menschen wird durch verschiedene Arten von Kommunikation an die Oberfläche geschwemmt. Wut, Trauer, Unsicherheit, Freude, Schadenfreude, Arroganz, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Aber um die ganzheitliche Kommunikation richtig zu verstehen braucht man zwei Dinge: Man muss sich selbst recht gut kennen, und man sollte Menschenkenntnis trainieren. Dann ist man offener für erfolgreiche Kommunikation und kann mit schwierigen Situationen besser umgehen.
Nur weil ich dieses Buch geschrieben habe, heißt das aber nicht, dass ich die Weisheit mit Löffeln gefressen habe. Absolut nicht. Ich befinde mich selbst im aktiven Lernprozess, kann aber schon kleine Erfolge verbuchen. Angefangen hat es damit, dass ich mich selbst und meine Mitmenschen in Extremsituationen beobachtet habe. Wann werde ich besonders schnell wütend und was kann ich dagegen tun? Warum hat Trauer so viele Gesichter? Wie kann man Mobbing erfolgreich bekämpfen? Ihr merkt schon, da kommt jetzt einiges auf euch zu.
Ich kann auch nicht für die Richtigkeit meiner Schlussfolgerungen garantieren, denn ich bin kein Psychologe. Aber vielleicht gelingen mir durch meine Beobachtungen ein paar Denkanstöße, die ich anhand selbst erlebter Geschichten verdeutlichen möchte. Wenn durch dieses Buch ein paar Leute weniger streiten, wenn es ein paar Mal weniger zu eklatanten Missverständnissen kommt, und wenn ein paar Leute dadurch weniger anfällig für Mobbing werden, dann wäre ich sehr glücklich. Wirklich!
Es war einmal ein blondes, hochgewachsenes Mädchen, welches in guten Verhältnissen aufwuchs und zu damaliger Zeit die Grundschule besuchte. Es hatte eine Freundin, ein kleineres, dunkelhaariges Mädchen, und sie gingen ihren Schulweg jeden Tag gemeinsam. Die Blonde war sehr selbstbewusst und gern um ihren Vorteil bemüht. Das bekam die Dunkelhaarige regelmäßig zu spüren. Beide lernten Flöte spielen, und es wurde gern gesehen, wenn sie bei Klassenaufführungen etwas vorflöteten, so wie das damals halt üblich war. Die Blonde wollte grundsätzlich die Oberstimme spielen, und die Dunkelhaarige war zu ängstlich, um sich dagegen aufzulehnen. So spielte sie immer nur das, was die Blonde ihr zuteilte. Zuhause konnte die Dunkelhaarige auch nicht auf Unterstützung hoffen. Wenn die Blonde für eine Klassenarbeit eine Eins Minus bekam und die Dunkelhaarige nur eine Zwei Plus, wurde sie von der Großmutter gerügt: „Wieso hast du nur eine Zwei Plus? Ist die andere etwa schlauer als du, du dummes Gör!“ Was sollte sie darauf schon erwidern, und so wurde die Dunkelhaarige immer stiller und stiller.
So ging es die gesamten vier Jahre an der Grundschule zu. Oft war die Dunkelhaarige verzweifelt: Zuhause konnte sie es niemandem Recht machen und in der Schule wurde sie von der Blonden ausgenutzt, auch wenn sie sich sonst recht gut vertrugen. Die Kleine wurde oft von einer Sehnsucht befallen, Sehnsucht nach ihren Eltern, aber das Schicksal wollte es nun mal anders und die Kleine weinte und fügte sich.
Zum Abschluss der Grundschule sollten die Viertklässler ein Theaterstück aufführen. Alle Eltern und alle Lehrer würden da sein. Oh, wie sich das schüchterne Mädchen darauf freute, denn irgendwie mochte sie das: so tun, als ob man jemand anders ist. Das war was feines! Das aufzuführende Stück hieß „Tischlein, deck dich.“
Die Blonde war ein paar Tage krank und konnte nicht zur Schule gehen. Den Abend, bevor die Lehrerin die Textbücher verteilte, instruierte sie die Dunkelhaarige, ihr eine wichtige Rolle zu verschaffen. Ja, natürlich, dachte das schüchterne Mädchen, was auch sonst. Die Lehrerin teilte also die Bücher aus und ließ die Klasse darin lesen. Später fragte sie dann jeden Einzelnen, welche Rolle er gern hätte. Da sprach plötzlich eine Stimme zu dem kleinen Mädchen: „Ich bin es. Dein Ich aus der Zukunft. Höre mir gut zu: Du wirst später durch noch viel tiefere Täler gehen.
Jedoch wirst du dich immer wieder da herausarbeiten. Du weißt nicht, was alles in dir steckt. Doch heute sollst du es einmal lernen. Vertraue dir selbst, und höre von nun an stets auf deine innere Stimme.“
Das kleine Mädchen konnte diese Stimme natürlich nicht hören, dennoch fing es an, fieberhaft in dem Buch zu blättern. Es konnte wahnsinnig schnell querlesen und überflog alle Seiten bis zum Ende. Ja, da war sie: die Hauptrolle! Es war der Kuno, der jüngste Sohn des Schneiders. Er war der Star der Geschichte! Und die Lehrerin fragte Rolle für Rolle ab und die Schüler meldeten sich. Und schließlich fragte sie: „Und wer will den Kuno spielen?“ Und das kleine Mädchen rief: „Ich!“
Einen Tag nach der Vorstellung saß das kleine Mädchen schon im Flugzeug, auf dem Weg zum geliebten Vater, der so weit weg wohnte. Es hatte bei der Aufführung alles richtig gemacht, es wurde geklatscht und gejubelt. Die Blonde hatte natürlich getobt, denn sie bekam nur eine unwichtige Nebenrolle.
Vierzig Jahre später sitzt das nun nicht mehr kleine Mädchen wieder im Flugzeug, auf dem Weg zum geliebten Vater, der so weit weg wohnt. Und es denkt oft an diesen Flug damals, der sich so anders anfühlte, als alle Flüge davor. Es hat sich einmal aus seiner Angst befreit und ist dafür belohnt worden. Natürlich würde das so nicht immer funktionieren, aber es gibt ihn, den Kuno-Effekt, und das nun alte Mädchen lächelt und weiß, dass es noch oft gelingen wird, ihn in den entscheidenden Momenten herbeizuzaubern.
Tischlein, deck dich.
Esel, streck dich.
Knüppel, aus dem Sack!
Mobbing
Neid
Ich bin Ich
Wahrnehmung Deutung Reaktion
Selbstmitleid
Trauer
Nein heißt Nein
Diplomatie
Die liebe Familie
Charisma
Ich gehöre zu den Menschen, die sofort die Wut packt, wenn Stärkere auf Schwächere losgehen. Das war ursprünglich der Hauptgrund für dieses Buch gewesen. Mit anderen Worten: Ich wollte ein Buch nur über Mobbing schreiben. Doch ich merkte schnell, dass das nicht funktionieren wird.
Um Mobbing zu verstehen, muss man an die Ursachen des Mobbing heran: Wieso werde ich zum Opfer? Und was macht den Mobber aus? Wie tickt der? Warum tut der das? Ich begriff, dass das Mobbing nur ein Teil des Ganzen war. Ein Teil der Kommunikation, die da komplett aus dem Ruder läuft. Aber fangen wir mal von vorne an.
Ich war als Kind total schüchtern und unselbstständig. Weil ich so erzogen wurde. Möglichst kein eigenes Denken, ganz nach dem Motto: Do as I say, not as I do. Natürlich war mir diese Prägung als Kind nicht bewusst. Als Kind merkt man so etwas nicht, schon gar nicht über Nacht. Es gibt bis zur ersten Erleuchtung mehrere Phasen. Zuerst wird man ausgegrenzt, zum Beispiel in der Schule. Oder man grenzt sich unbewusst selbst aus. Dann kommt eine Mobbing-Phase. Damals war das noch nicht so krass wie heute teilweise. Man wurde aufgezogen, weil man anders war als der Rest. In meiner Zeit wurde das primär an der Mode festgemacht. Lagst du im Trend oder nicht. Ich lag meilenweit entfernt von jeglichen Trends, aufgrund der konservativen Erziehung, die ich in vollen Zügen genoss. Ja, früher reichte das aus, um zum Spielball der Klasse zu werden. Um mit dem Druck fertig zu werden, fing ich an, mich selbst zu attackieren. Ganz speziell in meinem Fall: das Abreißen von Haut, wo auch immer das möglich war. Unter den Fingernägeln, in den Handinnenflächen, hinter den Ohren. Bis es blutete. Oft habe ich gar nicht gemerkt, dass ich „zupfte“, bis der Schmerz mich erreichte, aber dann war es schon zu spät. Üble Wunden waren das. Daraus wurden Narben, Gott sei dank heute kaum noch sichtbar. Aber selbst wenn sie noch sichtbar wären, es wäre kein Drama für mich. Narben können auch gut sein. Henry Rollins, ein sehr intelligenter, charismatischer Punk-Musiker aus den 70ern (und heutzutage ein fantastischer Stand-Up-Redner), sagte mal ganz treffend dazu: „Narbengewebe ist härter als normales Gewebe.“
Haargenau so sehe ich das auch.
Um Mobbing ins Leere laufen zu lassen, muss man zuerst die Angst ablegen und Selbstvertrauen aufbauen. Aber kein falsches Selbstvertrauen! Man muss sich im Klaren darüber sein, was man kann und was man nicht kann. Und man sollte mit den eigenen Schwächen spielend umgehen und den Humor auch gegen sich selbst richten können. Dann wird es deutlich schwerer, ein Mobbing-Opfer zu werden. Zumindest was das verbale Mobbing betrifft. Ich denke da an soziale Veranstaltungen, beziehungsweise den Klassiker: das Büro, oder, ganz allgemein, den Arbeitsplatz. Dort findet wohl das meiste Mobbing statt. Warum? Weil man da hin muss, also keine Ausweichmöglichkeit hat. Denn seinen Freundeskreis kann man sich aussuchen: Wird man da gemobbt, hat man die Wahl, dieses Umfeld zu verlassen. Das Mobbing am Arbeitsplatz zu eliminieren ist dennoch etwas einfacher, als das in der Schule, da man schon erwachsen und sich seiner selbst stärker bewusst ist. Natürlich, sowohl in der Schule, als auch später in der Arbeit kann jeder Opfer werden: Wer zu dick oder wer zu dünn ist, wer auffällige Körpermerkmale hat, wer körperlich oder geistig behindert ist. Überall gibt es Menschen, die Mobbing erleben. Sich aber als unfertiger Mensch, sprich als Kind, dagegen zu wehren ist viel schwerer als später im Büro.
Körpergewicht, Aussehen und das Ausstrahlen von Unsicherheit (am besten noch die Kombination aus allem) sind die Top-Kriterien fürs Mobbing. Wie wehrt man sich dagegen? Sowohl bei Kindern, als auch bei Erwachsenen beginnt das „Anti-Mobbing“ im Kopf. Die Angst verlieren. In sich ruhen. Niemand kann schlagfertig antworten, der Angst hat oder im Stress ist. Nur wer die Ruhe weg hat, kann Paroli bieten. Und Schlagfertigkeit ist die Waffe Nummer eins beim Mobbing. Doch diese Waffe einzusetzen gelingt nur den Wenigsten. Die gute Nachricht: vieles ist erlernbar. Selbst ein so schüchterner, unsicherer Mensch wie ich, der voller Angst ist, hat diese 180-Wendung ganz gut hinbekommen. Und das ist für mich Motivation genug, auch anderen zu zeigen, wie man daran arbeitet. Und ich wünsche allen inständig, dass das klappt!
Hier also die wichtigsten Schritte für das Anti-Mobbing:
Angst verlieren
In sich ruhen
Ursprung des Mobbing analysieren
statt weglaufen, dem anderen ganz nahe kommen
Gelassenheit ausstrahlen
witzige Antworten geben
das Ganze gekonnt ins Lächerliche ziehen