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In den düsteren Weiten der Wildnis machte sich die Furcht breit, als alle Augen nach dem unheimlichen Killer mit der Sharps Ausschau hielten. Seine Taten waren grausam und gnadenlos, und niemand wagte es, ihm im Alleingang entgegenzutreten. Doch dann kreuzte er den Weg von Whisky-Jack und Luis Barranca, den beiden Schlitzohr-Halunken, die wieder mal einen lukrativen 1000-Dollar-Job übernommen hatten. Sie sollten einen Silbertransport überwachen. Dass sie dabei eine höllische Überraschung erlebten und einem perfiden Plan zum Opfer fielen, machte sie erst richtig wütend - zumal der unheimliche Killer seine Hand im Spiel hatte. Und dann begann ein Kampf Mann gegen Mann, bei dem es um alles oder nichts ging ...
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Seitenzahl: 139
Cover
Teufelstanz in Helldorado
Vorschau
Impressum
Teufelstanz in Helldorado
Von John Reno
In den düsteren Weiten der Wildnis machte sich die Furcht breit, als alle Augen nach dem unheimlichen Killer mit der Sharps Ausschau hielten. Seine Taten waren grausam und gnadenlos, und niemand wagte es, ihm im Alleingang entgegenzutreten. Doch dann kreuzte er den Weg von Whisky-Jack und Luis Barranca, den beiden Schlitzohr-Halunken, die wieder mal einen lukrativen 1000-Dollar-Job übernommen hatten. Sie sollten einen Silbertransport überwachen. Dass sie dabei eine höllische Überraschung erlebten und einem perfiden Plan zum Opfer fielen, machte sie erst richtig wütend – zumal der unheimliche Killer seine Hand im Spiel hatte. Und dann begann ein Kampf Mann gegen Mann, bei dem es um alles oder nichts ging ...
»Nie wieder arm sein«, sagte Jack Bullwhip, bei seinen Freunden auch als Whisky-Jack bekannt.
Grinsend blickte er zu dem Minencamp hin, das sich aus dem Hitzeschleier am Nordende der weiten Ebene schälte. Dort wartete ein Job auf ihn und seinen Amigo Luis Barranca. Eine kinderleichte Sache von fünf Tagen, die jedem von ihnen fünftausend Dollar einbringen sollte. Zeilen-Kelly, der Reporter, hatten ihnen diesen lukrativen Auftrag vermittelt. Er erwartete sie in der Minenstadt.
»Da können wir auf einen Schlag sämtliche Bierdeckel bezahlen«, brummte Luis Barranca um das Zigarillo herum, das in seinem Mundwinkel hing. »Ha, die Salooners werden Augen machen, wenn wir uns mal wieder bei ihnen blicken lassen und Bares zeigen.« Er lachte, dass seine weißen Zähne blitzten. »Ich sage dir ...«
Das Versprechen konnte Luis nicht halten.
Ein Schuss riss ihm das Wort von den Lippen.
Das dumpfe Donnern hallte über die Ebene.
Luis Barrancas brauner Wallach Conchita – alle seine Pferde trugen Frauennamen, auch wenn es keine Stuten waren – wieherte gepeinigt. Von einem Augenblick zum anderen knickte das Tier in den Vorderläufen ein. Luis konnte gerade noch die Füße aus den Steigbügeln reißen, dann brach der Wallach schon zusammen, und Luis schlug in den warmen Sand.
Luis rollte sich fluchend ab, schmeckte Dreck und sah im wirbelnden Staub einen Augenblick lang alles nur verschwommen.
Wieder wummerte ein Gewehr in der Ferne.
Das Geschoss zischte so dicht an Luis Barrancas Ohr vorbei, dass er den Luftzug zu spüren glaubte.
Das Blei wirbelte nur einen Schritt hinter Luis eine Sandfontäne empor.
Das gequälte Wiehern des Pferdes schnitt Luis ins Herz. Er ritt den Wallach erst seit ein paar Wochen, doch das treue Tier war ihm schon ans Herz gewachsen, fast so sehr wie das Girl Conchita, nach der er es benannt hatte, weil auch sie so hübsch war.
Es war Luis, als sterbe mit dem Wallach auch die gemeinsame glückliche Zeit mit Conchita. Dann wurde er jäh aus seinen Gedanken gerissen.
Whisky-Jack prallte gegen seinen Freund.
Jack hatte instinktiv und schnell reagiert. Noch bevor der erste Schuss verhallt war, hatte er die Winchester aus dem Scabbard gerissen und sich aus dem Sattel geworfen. In der Eile zur falschen Seite hin. Und wenn Luis Barranca sich nicht von den wild auskeilenden Hufen seines sterbenden Pferdes fortgerollt hätte, wäre Jack genau auf den Gefährten geprallt. Jetzt landete er fluchend im aufstiebenden Sand und stieß in seinem Schwung gegen Luis Barrancas Hüfte.
Wieder krachte es, dumpf und seltsam gedämpft.
Jacks Hengst wieherte schrill und jagte davon. Durch den aufgewirbelten Staub sah Jack die blutige Schramme an der Flanke des Tieres.
Jack fluchte, und Luis Barranca stieß eine spanische Verwünschung aus. Ihr Zorn war berechtigt.
Die Schüsse des heimtückischen Schützen waren von Nordwesten her abgefeuert worden. Aber, verdammt, dort gab es in der weiten Ebene keinerlei Deckung außer ein paar verdorrten niedrigen Kreosotsträuchern, hinter denen sich ein Schütze kaum verstecken konnte. Ob der Schütze in einem Erdloch kauerte? Aber dann hätte Pulverrauch zu sehen sein müssen. Doch da war nichts zu erspähen.
Luis Barranca wälzte sich hinter sein verendetes Pferd. Whisky-Jack kroch ihm nach. Der tote Wallach war weit und breit die einzige Deckung.
Wo zur Hölle steckte der hinterhältige Schütze?
Luis Barranca zog seinen Revolver. Whisky-Jack hebelte eine Patrone in die Kammer der Winchester.
Als das metallische Klicken verstummt war, herrschte Stille. Eine tiefe Stille, die etwas Bedrohliches hatte.
»Ich möchte echt mal wissen, wo der Hurensohn steckt«, knurrte Luis Barranca und spähte vorsichtig um die Hinterhand des toten Wallachs herum nach Nordwesten.
Auch Whisky-Jack hob langsam und angespannt den Kopf und starrte durch den wogenden Dunst des Hitzeschleiers, der über der Ebene hing.
In diesem Augenblick krachte es wieder.
Jack zuckte zusammen und zog den Kopf so schnell ein, dass er mit Stirn und Nase in den Sand stieß.
Sein Hut wirbelte durch die Luft, drehte eine Schleife und landete auf der Krempe. Er rollte noch ein Stück weiter und blieb dann im Staub liegen.
Der Schuss verhallte wie ein fernes Donnergrollen über der Ebene.
Luis Barranca sprach aus, was Whisky-Jack inzwischen ebenfalls erkannt hatte.
»Der Bastard hat deinen Hut mit 'ner Sharps gelöchert.«
Whisky-Jack nickte grimmig. Er hatte jetzt zwischen den rötlichen Felsen im Nordwesten ein bläulich-weißes Wölkchen entdeckt, das schnell zerfaserte. Pulverrauch.
Trotz der Hitze lief Jack ein kalter Schauder über den Rücken. Diese Felsformation am nordwestlichen Rand der Ebene war fast tausend Yards entfernt. Eine höllisch große Distanz, aber nicht zu weit für eine Sharps. Mit dieser schweren Büffelflinte vom Kaliber fünfzig konnte man Büffel auf sechshundert Yards und Menschen auf rund tausend Yards treffen. Und Pferde – wie der erste Schuss bewiesen hatte.
Wer auch immer mit dieser Donnerbüchse dort zwischen den Felsen kauerte, er musste ein verdammt guter Schütze sein. Er hatte Whisky-Jacks Hut gewiss nicht durch Zufall getroffen, und auch Luis Barranca hatte er nur um Haaresbreite verfehlt.
»Ziemlich unfreundlicher Empfang«, brummte Luis Barranca, entspannte den Revolver und schob ihn ins Holster. Der Colt war auf diese Distanz gegen einen Gegner mit einer Sharps völlig nutzlos. Auch Whisky-Jack hatte mit der Winchester keine Chance. Sie konnten nur warten, bis der heimtückische Schütze entweder verschwand oder sich näher heranwagte, was recht unwahrscheinlich war. Schließlich war er im Vorteil, während sie hinter dem Pferdekadaver praktisch festgenagelt waren und eine Kugel riskierten, wenn sie sich hinter der Deckung hervorwagten.
Whisky-Jack blickte zum Himmel. Die Sonne stand noch längst nicht im Zenit.
»Könnte noch ein langer, heißer Tag werden«, sagte Luis Barranca, als hätte er Jacks Gedanken erraten.
Whisky-Jack nickte verdrossen und wischte sich mit dem Handrücken Schweiß von der Stirn.
Abermals wummerte die Sharps.
Whisky-Jack presste die Zähne aufeinander, als er sah, wie sein Pferd zusammenbrach.
»Dieser verdammte Bastard!«
In ohnmächtigem Zorn ballte Jack die Hände zu Fäusten. Auch er hatte an seinem Pferd gehangen. Schon manches Mal hatte ihn der prächtige Hengst aus der Gefahr getragen, wenn seinem Reiter das Blei um die Ohren geflogen war.
Luis Barranca zerrte an den Satteltaschen, die halb unter dem Pferdekadaver eingeklemmt waren. Er schaffte es, heran zu gelangen. Fluchend zog er dann die Hand zurück. Er hatte sich an einem Glassplitter geschnitten. Die Tequilaflasche, die er als seine Medizin auf dem Trail bezeichnete, war beim Aufprall zerbrochen.
»Nicht mal ein Beruhigungstropfen«, murmelte er und schlug wütend eine der Fliegen tot, die vom Blut angezogen um den Kadaver schwirrten.
»Jetzt hängen wir vollends fest«, merkte Jack nüchtern an. »Wenn der Kerl mit der Sharps nicht die Lust verliert, müssen wir auf jeden Fall bis zur Dunkelheit warten, bevor wir zur Stadt gelangen können.«
»Wir haben Vollmond«, gab Luis zu bedenken. »Da würden wir genauso Zielscheiben abgeben wie bei Tageslicht. Aber vielleicht kommt jemand von der Stadt.« Er zog zwei Zigarillos aus der Hemdtasche und reichte eines Jack.
»Glaubst du, dass der Anschlag etwas mit unserem Job zu tun hat?«, fragte Jack, als sie eine Weile schweigend geraucht hatten.
Luis zuckte mit den Schultern.
»Zeilen-Kelly, dieses Windei, hätte sich ruhig etwas deutlicher ausdrücken können. Passt doch gar nicht zu ihm, so wenig Worte zu nutzen. Sonst macht er aus 'ner Mücke einen Elefanten. Und uns speist er mit einem dürftigen Telegramm ab: PRIMA JOB FÜR EUCH – fünftausend Dollar garantiert pro Mann für Fünf-Tage-Reise. Dann das Kaff, in dem er uns erwartet, und sonst nichts. Wir hätten gleich wissen sollen, dass da was faul ist.«
Whisky-Jack nickte.
Auch er war skeptisch gewesen. Schließlich kannte er Zeilen-Kelly nur zu gut. Das war ein windiger Reporter, der ständig übertrieb und aus der kleinsten Episode haarsträubende Sensationsartikel machte. Doch sie konnten ihm nicht böse sein, denn Kelly hatte trotz allem das Herz auf dem richtigen Fleck. Außerdem konnte es nicht schaden, wenn er für sie Reklame machte. Das hatte ihnen schon so manchen guten Job eingebracht.
Beim letzten Abenteuer hatte er allerdings den Bogen ein bisschen überspannt. Er war auf der Suche nach einer brandheißen Story nur zu fündig geworden. Er war Indianern dabei in die Hände gefallen und wäre zu Tode gemartert worden. Doch Jack und Luis hatten ihn im buchstäblich letzten Augenblick herausgepaukt und waren den Roten durch eine dramatische Flucht entkommen.
Zeilen-Kelly hatte sich recht dankbar und großzügig gezeigt. In einem Anfall von Spendierlaune hatte er die Zeche für ein Gelage übernommen, das vom frühen Abend bis in den späten Morgen gedauert hatte.
Der Artikel, den dann der freie Reporter Kelly gleich an ein Dutzend Krawallblättchen verhökert hatte, war natürlich eine Räuberpistole geworden. Doch so unglaublich es auch klang, von gewissen Übertreibungen abgesehen, entsprach die Geschichte der Wahrheit. Das war wirklich ein unglaubliches Abenteuer gewesen, bei dem Whisky-Jack und Luis Barranca ein paarmal mit einem Stiefel in der Hölle gewesen waren.
Zeilen-Kelly hatte daher zu Recht die »Kampfkraft und Tollkühnheit meiner verwegenen Freunde« beschrieben: »Böse Zungen nennen diese Teufelskerle Schlitzohr-Halunken. Doch ich sage euch, werte Leserinnen und Leser, lasst euch durch diese Bezeichnung nicht irreführen. Dahintersteckt purer Neid, Missgunst jener Typen, die nicht so trick- und erfolgreich sind. Ich sage euch, Whisky-Jack und sein Amigo Luis Barranca sind nicht mit Gold aufzuwiegen. Ach was, ich übertreibe nicht, wenn ich behaupte – sie zählen zu den größten Helden des Westens!«
So weit, so gut. Nur der Nachspann der Story mit der Lobeshymne hatte Jack und Luis ein wenig befremdet: Lesen Sie in der nächsten Ausgabe den atemberaubenden, authentischen Bericht von Kelly, unserem Starreporter: WIE ICH WHISKY JACK UND LUIS BARRANCA AUS DEN KLAUEN BLUTRÜNSTIGER ROTHÄUTE BEFREITE.
Zeilen-Kelly hatte Stein und Bein geschworen, dass diese Verdrehung der Tatsachen nicht auf sein Konto gehe. Diese Lüge musste von irgendeinem Drucker oder Verleger in die Welt beziehungsweise in dieses Käseblatt gesetzt worden sein. Man kenne das doch: Klappern gehöre zum Handwerk. Jack und Luis sollten sich mal nicht ins Hemd machen.
Nun, das machten sie auch nicht. Stattdessen verpasste der temperamentvolle Luis Barranca im Laufe des Wortgefechts Zeilen-Kelly ein blaues Auge. Doch man versöhnte sich dann wieder, als der Reporter bei einem Umtrunk – auf seine Kosten – hoch und heilig versprach, er werde mit einem Widerruf in dem Krawallblättchen die Sache richtigstellen. Tatsächlich erschien ein paar Wochen später, wenn auch in einer Schrifttype für Adleraugen, in der betreffenden Zeitung der Widerruf: Hiermit widerrufe ich den Artikel von unserem ehemaligen Reporter Kelly bezüglich der Indianer. Der Herausgeber.
Eine Sensation war das nicht gerade. Über Abenteuer mit Indianern hatte Kelly jede Menge geschrieben, und da das Blatt allenfalls noch als Einwickelpapier unterwegs war, blieb für den Leser ziemlich unklar, was da widerrufen wurde. Aber Kelly konnte Jack und Luis glaubwürdig versichern, dass er sein Bestes getan hatte, um die Sache klarzustellen, und er führte als Beweis an, dass er dadurch den Job bei dieser Zeitung verloren hatte.
»Und ich dachte, Zeilen Kellys schlechtes Gewissen hätte uns zu diesem noblen Fünftausend-Dollar-Job verholfen«, murmelte Whisky-Jack aus seinen Gedanken heraus.
»Selbst wenn wir eine Null abstreichen müssten wie schon einmal, wäre das immer noch ein warmer Regen«, sagte Luis Barranca trocken. »Schließlich sind wir so pleite wie lange nicht mehr.«
Zeilen-Kelly hatte schon mehrmals seine Beziehungen spielen lassen und ihnen schnelle Jobs und schnelles Geld besorgt. Einmal waren aus den versprochenen tausend Dollar gerade noch hundert geworden, und dafür hatten sie auch noch Kopf und Kragen riskieren müssen ...
Whisky-Jack spähte zu der Felsformation im Nordwesten hin. Nichts tat sich dort.
»Vielleicht ist das alles auch eine Verwechslung«, brummte Luis Barranca und schnippte die Zigarillokippe fort. »Möglicherweise galt der Anschlag ganz anderen Leuten.« Im nächsten Moment wandte er den Kopf, und seine Augen weiteten sich. »He, wenn das keine Fata Morgana ist, sind wir gleich fein raus.«
Auch Whisky-Jack hatte sich umgewandt. Er grinste.
Ein Wagen näherte sich von Süden her auf ihrer Fährte. Ein Buggy, der von einer jungen Frau gefahren wurde. Sie saß in stolzer Haltung auf dem Sitz, und ihr langes, kastanienbraunes Haar flatterte im Fahrtwind und wurde von der Sonne mit einem rötlichen Schimmer überzogen.
Wahrhaftig ein erfreulicher Anblick.
»Sieht nach einem Engel der Prärie aus«, sagte Whisky-Jack und stieß einen leisen Pfiff aus.
Die junge Frau war jetzt bis auf etwa hundert Yards heran.
»Wir sollten sie warnen«, meinte Luis Barranca und warf einen schnellen Blick zu den weit entfernten Felsen hin, aus denen heraus sie mit der Sharps beschossen worden waren. »Einem Hundesohn, der Pferde aus dem Hinterhalt abknallt und uns offenbar ebenfalls mit Blei füllen wollte, traue ich alles zu.«
Er zog seinen Revolver und feuerte in den blauen Himmel.
Fast hätte er einen der hoch am Himmel kreisenden Bussarde getroffen. Der Vogel erschrak gewaltig, als ihm da etwas dicht an der Schwinge vorbeiflog. Er zuckte zusammen und drehte ab. Der Tisch dort unten war zwar gedeckt, doch es war noch zu unruhig. Das Festmahl musste daher warten.
Auch die junge Frau im Buggy zuckte zusammen, doch sie drehte nicht ab und hielt auch nicht an.
Whisky-Jack forderte sie mit einem Wink zum Stoppen auf.
»Vorsicht, Ma'am!«, rief er ihr entgegen. »Da ballert jemand in der Gegend herum.«
Sie hielt erst im letzten Augenblick, nur ein paar Schritte von den beiden Männern entfernt, die wohlweislich in Deckung des Pferdekadavers liegen geblieben waren. Und sie starrte unmutig auf die Männer herab, als ärgere sie das Hindernis.
»Was soll das?«, fragte sie und wischte mit der Rechten eine Haarsträhne aus der Stirn. Bei der ruckartigen Bewegung hob und senkte sich ihr Busen im straff gespannten Mieder, das in das enge, hellbraune Kleid eingearbeitet war. »Was treiben Sie da?«
Der Blick ihrer großen graublauen Augen glitt beinahe angewidert über die Männer hinweg zu dem toten Pferd und dann zu dem zweiten Kadaver hin.
»Wir suchen Murmeln«, erwiderte Luis Barranca spöttisch.
Sie fasste ihn ins Auge. »Sie wollen mich wohl auf den Arm nehmen!«
»Da würde ich nicht nein sagen«, entgegnete Luis Barranca und setzte sein charmantestes Lächeln auf.
Er wirkte nicht wie sonst. Vielleicht lag das auch daran, dass er der Dame ein bisschen zu wortwörtlich zu Füßen lag. Sie musterte ihn von oben herab und das nicht nur, weil sie auf dem Buggy saß. Da war etwas äußerst Herablassendes in ihrer Art.
»Werden Sie nicht frech, Sie ...«, sagte sie scharf, und ihr Blick ließ erahnen, dass sie kein schmeichelhaftes Wort auf der Zunge gehabt hatte.
Sie nahm ruckartig die Zügel auf und wollte den Schimmel antreiben. Es sah tatsächlich so aus, als dachte sie gar nicht daran, das Hindernis zu umfahren. Natürlich kam das Jack und Luis in ihrer augenblicklichen Lage nur so vor.
Whisky-Jack hielt es für an der Zeit, das Wort zu ergreifen, nachdem die Lady Luis hatte abblitzen lassen.
»Ma'am, lassen Sie mich erklären. Wir wurden beschossen. Von einem verd ... äh ... Kerl mit einer Sharps. Wenn Sie wissen, was das für eine Flinte ist ...«
»Jedes Kind weiß das«, fiel sie ihm unwirsch ins Wort.
Whisky-Jack ließ sich nicht beirren. »Dann wissen Sie auch, wie weit man mit dieser Kanone bolzen kann, Ma'am. Sie sehen unsere toten Pferde dort liegen und meinen gelöcherten Hut. Wir hatten Glück, dass nicht was anderes von uns ein Loch abbekam. Möglicherweise könnten auch Sie und Ihr hübscher Schimmel zu Schaden kommen. Deshalb raten wir Ihnen, in einem weiten Bogen zur Stadt zu fahren.« Er wies nach Osten und fügte hinzu: »Nur für den Fall, dass da ein blindwütiger Schießer am Werk ist, dem es ganz gleichgültig ist, auf wen er ballert.«
»Niemand im Umkreis von tausend Meilen würde es wagen, auf Miriam Malone zu schießen!«, erklärte sie empört, und sie sprach den Namen aus, als sei er allein eine Garantie für ein langes Leben.
Sie war offenbar eine bekannte Lady in dieser Gegend.
»Möglich«, erwiderte Whisky-Jack mit einem Schulterzucken. »Wäre auch eine Schande. Aber möglicherweise erkennt der Bandit Sie nicht auf die große Entfernung.«
Jetzt wirkte sie plötzlich betroffen, nagte an der Unterlippe und spähte aus leicht zusammengekniffenen Augen zu den Felsen im Nordwesten der Ebene hin.
»Unsinn«, sagte sie dann jedoch wieder schnippisch. »Niemand würde es wagen, auf eine Malone ...« Daraufhin verstummte sie und schaute über Luis und Jack hinweg zur Stadt am Horizont. »Nun, wenn es Sie freut, werde ich Ihren Rat beherzigen und abbiegen«, gab sie schließlich reichlich gönnerhaft zu verstehen und schenkte Whisky-Jack einen kurzen Blick.