Wildwest-Roman – Unsterbliche Helden 56 - John Reno - E-Book

Wildwest-Roman – Unsterbliche Helden 56 E-Book

John Reno

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Beschreibung

Whisky-Jack und Luis Barranca, die beiden Schlitzohr-Halunken, können wieder mal nicht ihre Bierdeckel bezahlen. Ein neuer Job tut not. Und den erhalten sie prompt: Sie sollen einen Geldtransport überfallen! Nur zum Schein natürlich! Die Bankenvereinigung will prüfen, ob die Schutzmannschaft einem Überfall gewachsen ist. Whisky-Jack und Luis Barranca halten das Ganze für einen Heidenspaß. Aber dann wird blutiger Ernst daraus. Denn plötzlich wird scharf geschossen. Und ehe sich die Schlitzohr-Halunken versehen, werden sie steckbrieflich verfolgt und geraten in den Teufelskreis brutaler Gewalt ...

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Inhalt

Cover

Halunken unter falscher Flagge

Vorschau

Impressum

Halunken unter falscher Flagge

Von John Reno

Whisky-Jack und Luis Barranca, die beiden Schlitzohr-Halunken, können wieder mal nicht ihre Bierdeckel bezahlen. Ein neuer Job tut not. Und den erhalten sie prompt: Sie sollen einen Geldtransport überfallen! Nur zum Schein natürlich! Die Bankenvereinigung will prüfen, ob die Schutzmannschaft einem Überfall gewachsen ist.

Unsere Helden halten das Ganze für einen Heidenspaß. Aber dann wird blutiger Ernst daraus. Denn plötzlich wird scharf geschossen. Und ehe sich die Schlitzohr-Halunken versehen, werden sie steckbrieflich verfolgt und geraten in den Teufelskreis brutaler Gewalt ...

Der Wagen war lustig bemalt. Man konnte ihn für das Gefährt von Gauklern halten, die mit ihren Requisiten von Ort zu Ort zogen und dabei Wässerchen und Schlangenöl gegen Hühneraugen und Zipperlein verkauften.

Doch der Schein trog.

Der Wagen war ein getarntes Fort auf Rädern.

Er enthielt keine Requisiten und Wässerchen, sondern Millionen in Banknoten.

Ein rollender Tresor.

Die Fahrer auf dem Wagenbock und die Männer im gepanzerten Fahrzeug waren keine Gaukler und »Medizin«-Verkäufer. Es waren harte und erfahrene Kämpfer.

Sechs Männer, die weder Tod noch Teufel fürchteten.

Bei anderen Einsätzen hatten sie sich und den Transport gegen große Indianerhorden und starke Banditenbanden erfolgreich verteidigt. Alle, die einen Überfall gewagt hatten, waren entweder erschossen oder so vom Grauen gepackt worden, dass sie es nie wieder versucht hatten.

Doch an diesem heißen 13. Juli in Arizona versuchte wieder jemand, das rollende Fort zu knacken und eine Millionenbeute zu machen.

Unter anderem zwei Männer.

Sie nannten sich Jack Bullwhip und Luis Barranca.

Das Schäferstündchen mit Marita hatte sich Luis Barranca ganz anders vorgestellt.

Es wurde kein Stündchen, nicht einmal eine Minute.

Und statt Liebe gab's Hiebe.

Dabei hatte alles so verheißungsvoll angefangen. Voller Vorfreude war Luis Barranca über die Leiter im Hinterhof des General Stores in Maritas Kammer eingestiegen. Marita, die hübsche Tochter des Storebesitzers Ian O'Connor, hatte ihn schon sehnsüchtig erwartet. Verliebt hatte sie ihn in die Arme geschlossen.

Das rotblonde Mädchen mit den glutvollen, schwarzen Augen war ungemein temperamentvoll. Vater Ire, Mutter Mexikanerin – eine Mischung wie Dynamit.

Am Vortag hatte Luis Barranca einen Stetson im Store gekauft, und bei der Anprobe hatte es gleich zwischen Luis und Marita gefunkt. Das war praktisch ein Gewitter mit unsichtbarem Blitz und lautlosem Donnerschlag gewesen. Eine Verabredung zum Essen, ein gemeinsamer Spaziergang im Mondschein, Liebesgeflüster, die ersten Küsse und dann die Einladung zu dieser Siesta, die zu einer Fiesta der Liebe werden sollte, wie sich Luis nach Maritas verheißungsvollem Lächeln erhoffte.

Ja, diese Marita war voller Glut. Sie küsste ihn leidenschaftlich und flüsterte dabei spanische und irische Liebesworte, während Luis sie auf die Arme nahm und zum Bett trug.

Und dann ging's auch schon rund.

Doch anders, als Luis gedacht hatte.

Die Tür flog auf, und drei Männer sprangen in die Kammer.

Überrascht ließ Luis Barranca die junge Frau aufs Bett fallen.

Marita stieß einen Schrei des Entsetzens aus.

»Hab' ich euch erwischt!«, knurrte der Mann an der Spitze des Trios, das in die Kammer stürmte, und hob die massigen Fäuste.

»Vater, lass mich erklären ...«, begann Marita und rappelte sich auf dem Bett auf.

Dabei kam ihr Po hoch, und der Vater vergaß für einen Augenblick Luis Barranca. Er öffnete die geballte Rechte, und schon klatschte seine flache Hand auf das Hinterteil seiner Tochter.

»Ich denke, das ist eine Erklärung genug!«, brüllte der Vater. »Zieh dich an und verschwinde. Wir sprechen uns später!«

Marita sprang vom Bett. Sie bebte vor Zorn oder Scham oder was auch immer. Nicht nur ihr Po war rot geworden. Mit blitzenden Augen schmiegte sie sich an Luis, der wie versteinert dastand und noch nach einem Ausweg aus dieser Klemme suchte. Denn dass die drei nicht gekommen waren, um ihm zu seiner Eroberung zu gratulieren, war klar. Der Vater, dieser rothaarige Bulle von einem Mann, kochte vor Wut, und die beiden stiernackigen jüngeren Bullen, die nach dem gleichen Aussehen Söhne sein mussten, waren ebenso wenig freundlich gesonnen. Einer packte Marita an der Schulter und zog sie wortlos von Luis fort. Er schob sie dem anderen hin.

»Zisch ab, Schwesterchen«, brummte der Mann.

Als Marita protestierte, packte er sie, hob sie auf die breite Schulter und trug das zappelnde Mädchen zur Tür. Ziemlich unsanft setzte er Marita draußen ab, und schon knallte die Tür zu, und der Schlüssel wurde im Schloss gedreht.

»Und nun zu dir, du Wüstling!«, sagte der Vater, ballte die enorme Rechte und rieb sich mit der Linken über die Knöchel der Faust.

Jetzt wusste Luis Barranca, weshalb Marita ihn gebeten hatte, vorsichtig zu sein und aufzupassen, dass niemand ihn sah, wenn er zu ihr in die Kammer einstieg.

Luis kam ebenso wenig zu einer Erklärung wie Marita.

Er hob beschwichtigend eine Hand, lächelte, wie ein nackter Mann angesichts dreier angriffslustiger irischer Bullen nur lächeln kann, und begann: »Gentlemen ...«

Da traf ihn auch schon der erste Fausthieb. Der Schlag kam vom Vater, fast ansatzlos und so schnell, dass Luis sich weder ducken noch den Hieb abblocken konnte.

Luis glaubte, von einem Schmiedehammer getroffen zu werden. Er fand sich auf dem Bett wieder und sah für einen Augenblick statt dreier irischer Bullen eine ganze Herde.

Schon waren Maritas Brüder heran, und Luis blieb nur noch Zeit zu dem Gedanken: Wenn die auch so einen Hammer wie ihr Alter draufhaben, dann gute Nacht, Luis!

Bevor Luis wusste, wie ihm geschah, packte ihn einer der beiden am Haar, riss ihn hoch und holte mit der anderen Faust aus, wie um Maß zu nehmen.

Luis Barranca riss instinktiv den Kopf zur Seite. Die Faust streifte ihn nur am Kinn und knallte gegen die Bettdecke.

Der irische Bulle war so in Schwung, dass er fast auf Luis gelandet wäre. Doch Luis Barranca riss gedankenschnell ein Bein hoch und empfing den Gegner mit dem Knie.

Maritas Bruder stieß einen ächzenden Laut aus und fiel neben das Bett. Er presste die Hände auf den Leib. Doch das sah Luis nicht.

Er sprang bereits vom Bett.

Er wollte zu seinem Coltgurt. Er wusste, dass er sich nur vorübergehend Luft geschaffen hatte und dass er gegen diese drei bärenstarken Kolosse keine Chance hatte.

Wo war der verdammte Coltgurt mit der Waffe?

Die Kleidungsstücke lagen verstreut am Boden. Marita hatte alles achtlos auf den verschlissenen Teppich fallen lassen.

Luis Barranca entdeckte den Gurt mit dem Holster, aus dem der Revolver ragte. Wenn er den irischen Bullen den Colt unter die Nase hielt, würden sie bestimmt zur Vernunft kommen.

Doch Luis kam nicht mehr an die Waffe heran.

Einer von Maritas Brüdern griff an.

Luis wehrte sich, so gut er konnte. Doch der Kerl traf ihn links, rechts, rechts, links – und in die Magengrube.

Luis Barranca wusste nicht mehr, wo links und rechts und oben und unten war.

Ein Hieb von Vater O'Connor erwischte ihn am Kinn und schleuderte ihn quer durch den Raum, dass er die Engel zu einem Trommelwirbel singen hörte.

Der Trommelwirbel rührte in Wirklichkeit von Marita her. Sie hämmerte gegen die abgeschlossene Tür, und dabei sang sie nicht engelhaft, sondern fluchte auf Spanisch und amerikanisch und vermutlich auch irisch und beschwor ihren Vater und ihre Brüder, aufzuhören und den Mann ihrer Liebe zu verschonen.

Natürlich hörten die Kerle nicht auf sie.

Luis Barranca prallte gegen die Wand.

Er hatte sich gerade wieder gefangen, als er abermals eine Faust auf sich zurasen sah. Er duckte sich noch, doch er war zu benommen, um zur richtigen Seite hin auszuweichen. Er duckte sich genau in einen Schwinger hinein.

Der Hieb riss Luis auf die Fußspitzen.

Sterne schienen vor seinen Augen zu zerplatzen.

Der nächste Schlag riss ihn halb um die Achse, und er fühlte, wie er sich plötzlich vom Boden abhob. Er versuchte sich festzuhalten, doch er griff ins Leere.

Das Fenster!

Bevor Luis irgendwo Halt finden konnte, traf ihn etwas ins verlängerte Rückgrat, und Luis machte einen unfreiwilligen Satz ins Freie.

Sekundenlang schien er zwischen Himmel und Erde zu schweben. Dann gab es einen harten Aufschlag, ein Splittern und Bersten und Krachen, und im nächsten Augenblick lag Luis irgendwo unten auf dem Hof zwischen den Trümmern der Leiter, über die er erst vor Kurzem in Maritas Kammer eingestiegen war.

Ein wahrhaft erniedrigender Abstieg.

Luis glaubte sich ein paar Knochen gebrochen zu haben, und er hatte das Gefühl, sein Kinn wäre größer als der ganze Kopf.

Dann klatschte etwas auf ihn nieder.

In seinem benebelten Zustand erkannte Luis nicht gleich, was es war: Hose, Hemd, Jacke. Erst als ihm der erste Stiefel auf den Kopf knallte, merkte er, was los war. Er hob im Reflex eine Hand über den Kopf, und der zweite Stiefel prallte davon ab. Socken segelten hinterher, doch die waren im Vergleich zu den Stiefeln sanft wie Federn.

Sie lassen mir wenigstens meine Klamotten, dachte Luis. Er wollte sich hochstemmen.

Da knallte ihm als letztes den Coltgurt samt Revolver auf den Schädel, und er sank wieder zurück. Noch eine Beule.

Er spähte hoch und sah durch einen Schleier und Sternchen seinen nagelneuen Hut herabsegeln. Der schöne Hut, mit dem praktisch das Abenteuer Marita angefangen hatte, drehte eine Ehrenrunde über ihn hinweg und landete in einem der Fässer, die im Hof abgestellt waren. Wasser platschte.

Wie aus weiter Ferne hörte Luis Barranca oben am Fenster eine dröhnende Stimme sagen: »Und lass dich nie wiedersehen, du Hurensohn! Das nächste Mal kommst du nicht so glimpflich davon. Wenn wir dich noch einmal mit Marita erwischen, dann schlagen wir dich zu Brei!«

Luis betastete sich benommen. Brei war er noch nicht, aber viel fehlte wohl nicht.

Was zur Hölle, verstehen diese verdammten Kerle unter glimpflich?, dachte er noch. Dann sank er zurück und nahm von einem Augenblick zum anderen nichts mehr wahr.

»Eine Affenhitze!«, brummte Samson auf dem Wagenbock des rollenden Tresors und spähte unter der Krempe des schweren Huts über die weite Ebene, die von Mesquite und gelegentlichen Ocotillio-Gruppen gesprenkelt war. Die Hitze lag wie ein Schleier über dem ausgedörrten Land, und die Superstition Mountains im Norden schimmerten bläulich im Dunst.

Der Hut war kein normaler Hut. Eisen war darin eingearbeitet. Unter dem Hemd, das ein paar Nummern zu groß war, trug Samson einen Brustpanzer. Kein Wunder, dass ihm die ohnehin kaum erträgliche Hitze zu schaffen machte.

»Manchmal frage ich mich, weshalb ich keinen anständigeren Job habe«, fügte Samson mit einem Schnaufen hinzu.

Der Mann neben ihm, der ebenso wachsam über das Land spähte und mit scharfen Augen jede Mesquite- und Kakteen-Gruppe auf dem Trail musterte, spuckte einen Strahl braunen Tabaksafts aus und lachte herzlich.

Er hieß Hamton Boyler, doch wegen seiner Frohnatur nannten ihn die Kollegen Happy-Boy.

»Was verstehst du unter einem anständigen Job, Samson?«, fragte er.

»Na – etwas Bürgerlicheres, Geregelteres, Ungefährlicheres. Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll – etwas, bei dem man nicht so schwitzt.«

»Ohne Schweiß kein Preis«, bemerkte Happy-Boy.

Samson, der eigentlich Samuel Cohen hieß, wegen seiner Frau Delilah, aber von allen Kameraden Samson genannt wurde, nickte.

»Der Preis ist das Einzige, was bei diesem Job stimmt. Noch ein Jahr, und ich ziehe mich mit Delilah aufs Altenteil zurück.«

»Mit vierzig?«, fragte Happy-Boy überrascht. »Wo du noch voll in Saft und Kraft bist?«

Samsons schwarzer Vollbart, der mit gelblichem Staub gepudert war, klaffte auf, und er zeigte ein kräftiges, weißes Gebiss, als er breit grinste.

»Delilah sollte auch noch etwas von Saft und Kraft haben«, erklärte er. »Als ich sie das letzte Mal sah, machte sie ihrer Namensvetterin aus dem Alten Testament alle Ehre. Sie drohte, mir durch das Scheren meiner Haare die Stärke zu rauben, wie es die alte Dalila bei Samson tat, wenn ich nicht endlich mehr Zeit für sie hätte. Ich musste ihr versprechen, den Job bald dranzugeben. Und verdammt, ich will mehr Zeit für sie haben, statt ständig durch die Gegend zu gondeln. Kann das ein eingefleischter Junggeselle wie Happy-Boy verstehen?«

Happy-Boy lachte.

»Ich halte es wie Pitt. Dem ist auch der Hafen gleichgültig, in dem er ankert. Hauptsache, es gibt genug Gelegenheiten, die Heuer zu verprassen und die letzte Fahrt zu vergessen. Und wenn die Taschen dann leer sind, zieht es einen zum nächsten Hafen und das ganze Spiel fängt von vorne an.«

Pitt versah im Augenblick im Wagen Dienst an der Gatling Gun.

Er war jahrelang zur See gefahren und hatte sich sämtliche Häfen, »in denen es rundgegangen war«, auf den Körper tätowieren lassen. Wer ihn nackt sah, konnte ihn für eine wandelnde Seekarte halten. Die wichtigsten Häfen seiner Matrosenzeit waren mit einem Herz ausgezeichnet, und wenn man Pitt fragte, erzählte er, dass er dort sein Herz verloren hätte.

Das musste geflunkert sein, denn Pitt hatte das Herz immer noch, und zwar auf dem richtigen Fleck.

Er erzählte den drei anderen Männern im Wagen gerade eine Menge Seemannsgarn. Er wies auf eine Tätowierung seines nackten, schweißglänzenden Oberkörpers.

»Hier kam der Klabautermann, und mit ihm Lola, die schwarze Perle mit den vier Brüsten.«

Er deutete ein Doppelpaar Busen an, das nicht mal er mit seinen schaufelartigen Händen umfassen konnte.

»Du spinnst«, brummte Danny, der jüngste in der Mannschaft dieser verwegenen Kämpfer, der an einer der Schießscharten als Scharfschütze Dienst versah. Danny war siebenundzwanzig, doch wer sein Gesicht sah, konnte ihn auf über vierzig schätzen. Er hatte viel Schlimmes in seiner Zeit bei der Army erlebt. Er kannte die schaurige Fratze des Todes in vielen Formen.

»Eine Lady mit vier Brüsten gibt es ebenso wenig wie einen Klabautermann«, erklärte er mit seiner rauen Stimme.

Pitt schwingt die Gatling Gun zu ihm herum.

»Willst du mich als Lügner bezeichnen?«, fragte er empört und setzte seine finsterste Piraten-Miene auf.

Danny grinste ihn und die gebündelten Läufe der Schnellfeuerkanone an.

»Als den größten Lügensack aller Zeiten«, sagte er.

»Rattattattattattatamm!«

Pitt imitierte das Hämmern der Gatling. Schon oftmals hatte diese Waffe bei Überfällen Tod und Verderben gespuckt.

»So ist er ein Sieb, Freunde!«, brummte Pitt todernst. »Noch niemand hat mich ungestraft Lügner genannt.«

»Lügensack«, korrigierte Lester, der zweite Scharfschütze, und spähte durch die Schießscharte in der Seitenwand des Wagens. Die Schießscharte war in den schwarzen Gürtel eines halb nackten Mädchens eingearbeitet, das draußen auf der Seitenwand des Wagens aufgemalt war. Lester grinste. »Und wenn du mich fragst, so hat er verdammt recht.«

»Rattattattatatamm!«

Auch Lester wurde von einem imaginären Gatling-Feuer niedergemacht.

»Noch jemand ohne Luftlöcher?«, fragte Pitt und schwenkte die Gatling zu Buck, dem vierten Mann im Wagen, herum. Buck war praktisch Mädchen für alles. Bei einem Überfall sorgte er dafür, dass die Scharfschützen stets geladene Waffen zum Wechseln hatten und dass der Mann an der Gatling mit Munitionsnachschub versehen wurde. Blitzschnell war Buck. Da saß jeder Handgriff, sogar in völliger Dunkelheit.

Buck vermutete, dass Pitt mal wieder einen seiner Witze loswerden wollte, und er tat ihm den Gefallen, den ihm die anderen absichtlich nicht erwiesen hatten, weil sie ihn ein bisschen schmoren lassen wollten.

»Wie sah sie denn genau aus, diese seltsame Lady?«, fragte er mit gespielter Neugier.

Darauf hatte Pitt nur gewartet.

Er grinste erfreut.

»Hui, Freunde, das war ein Ding. Genauer gesagt: Dinger! Ich hab' sie eigentlich nur im Halbdunkel gesehen. Aber ich schwöre, sie hatte ...«

Er verstummte jäh.

Es klopfte an die Klappe hinter dem Wagenbock. Tak –Pause – taktak.

Gefahr!

Sofort gingen alle Männer im Wagen in Stellung. Pitt schwenkte die Gatling zum Wagenheck herum und machte die Schnellfeuerwaffe schussklar.

Die Scharfschützen spähten durch ihre Zielfernrohre.

Buck, vorne im Wagen, öffnete die kleine Klappe zum Wagenbock.

Danny betätigte Hebel, und zwei weitere Schießscharten öffneten sich wie durch Zauberei.

»Reiter von Norden«, meldete Samson vom Wagenbock her. »Etwa eine Meile voraus. Zwei Mann nur. Trotzdem Gefechtsbereitschaft! Es könnte ein Trick sein!«

Jack Bullwhip, bei seinen Freunden auch als Whisky-Jack bekannt, war in prächtiger Stimmung.

Wenn Lady Fortuna ihm weiterhin so hold war, dann konnte er nicht nur für sich und seinen Amigo Luis Barranca die drei Bierdeckel bezahlen, die sie im Last Chance Saloon bei Dirk hatten anlegen lassen, sondern dann war auch für die nächsten Wochen ein angenehmes Leben ohne Schulden – zumindest in Arizona – garantiert.

Bis jetzt hatte er fünfhundertzwanzig Dollar beim Pokern gewonnen, und wenn die anderen Spieler am Tisch nicht die Lust verloren, dann war da noch einiges mehr drin.

Die guten Karten liefen ihm förmlich nach.

Der Last Chance Saloon war wirklich ihre letzte Chance gewesen. Als Jack und Luis in Coolidge, diesem Kaff aus vorwiegend Adobehütten, eingetroffen waren, hatte jeder von ihnen so an die zehn Dollar in den Taschen gehabt. Aber sie hatten geglaubt, drei Tage später mindestens tausend pro Mann einzufahren.