Wildwest-Roman – Unsterbliche Helden 50 - Tom Harper - E-Book

Wildwest-Roman – Unsterbliche Helden 50 E-Book

Tom Harper

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Beschreibung

Es sind wilde Tage, als 1893 das Gebiet der Cherokee dem Oklahoma-Territorium angegliedert wird. Genau zu dieser Zeit wollen sich drei Männer im "Land der Verheißung" gemeinsam eine Zukunft aufbauen. Jeder von ihnen hat ein Zertifikat, das den Besitzanspruch auf hundertsechzig Acres Land bestätigt. Aber im Hintergrund spinnt der Teufel seine Fäden, ein Mann, der nicht einmal mit hunderttausend Acres zufrieden wäre. Doch Don McMurray, Saul Primrose und Tex Gardiner wollen um ihren Besitz kämpfen. Dann aber erleben sie die Schrecken, denen jetzt viele Tausend Landsucher ausgesetzt sind ...

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Inhalt

Cover

Drei zogen nach Westen

Vorschau

Impressum

Drei zogen nach Westen

Von Tom Harper

Als Don McMurray die Kirche verlässt, trifft ihn die sengende Hitze wie ein jäher Schlag aus dem Hinterhalt. Ein erstickender Staub verklebt ihm die Nasenlöcher und dringt beißend in seine Kehle ein.

Angewidert spuckt McMurray aus, und er verspürt das scharfe Verlangen nach einem Whisky.

Seine Augen verengen sich in dem flimmernden Sonnenglast. Mit verkniffenen Lippen blickt er über die Straße, dann dreht er sich um, weil er hinter sich seine beiden Partner aus der Kirche kommen hört.

Tex Gardiner und Saul Primrose grinsen, und auch McMurrays bronzebraunes Gesicht hellt sich in diesem Augenblick auf.

Saul Primrose sagt: »Das ist geschafft! Kein Warten und kein Herumstehen in dieser verdammten Schlange mehr! Und jetzt gehen wir einen trinken, was?«

Tex Gardiner schluckt, und sein Adamsapfel bewegt sich hüpfend auf und ab.

»Aber schnell!«, gibt er krächzend zurück. »Bloß schnell! Die Kirche haben wir hinter uns, wenn es auch nicht zum Beten war. Jetzt auf und in den nächsten Saloon! Die Hölle und die Pest, was ist das für eine Hitze und was für ein Tag.«

»Wir werden daran denken, solange wir leben«, murmelt McMurray, und das, was er sagt, gilt nicht nur für Gardiner, Primrose und ihn.

Es ist ein Tag im September – der 15. September 1893, ein Freitag. Und sie befinden sich gerade in Hennessey im Kingfisher County des Oklahoma Territoriums.

Unbarmherzig und brennend knallt der Sonnenschein auf die Stadt, die unter einer Glocke von Dunst und ätzenden Staubschleiern liegt. Weder vom Turkey River im Westen noch von den Hügeln im Osten kommt ein erfrischender Hauch, doch das ist es nicht allein, was die Stadt seit vier Tagen zu einem Vorhof der Hölle macht.

Sie ist für einige Hundert Familien gebaut, aber mehr als zehntausend Menschen erfüllen die Stadt mit Tumult, Streit und Geschrei. An die zweitausend stehen in der riesigen Schlange vor der Kirche, in der es statt Gebeten seit ein paar Stunden Zertifikate auf einhundertsechzig Acres Boden im alten Land der Cherokee gibt.

McMurray bewegt die breiten Schultern, um die sich das verwaschene Reithemd spannt. Ein körperliches Unbehagen erfüllt ihn, als er sagt: »Das gibt noch eine Menge Ärger und Verdruss. Die Schlange nimmt eher zu als ab, und jeder will nach vorne. Dieses Volk ist jetzt schon verrückt, und was wird erst sein, wenn morgen der Startschuss fällt.«

»Für uns ist der Verdruss vorbei«, erwidert Primrose. »Wir haben unsere Zertifikate, und keiner ist da, der sie uns abnehmen kann. Spätestens morgen Abend sitzen wir auf unserem eigenen Land, und den Rest der Welt soll dann meinetwegen der Teufel holen. Los jetzt, damit wir zu unserem Whisky kommen, Gents!«

Vielleicht glaubt er wirklich, dass aller Verdruss schon hinter ihnen liegt, und drängt mächtig nach vorne. Als er gegen McMurrays Rücken prallt, flucht er unterdrückt. Aber dann sieht er die vier Männer kommen und weiß, warum McMurray nicht weitergeht.

Tex Gardiner sagt zischend: »Don, das sieht so aus, als wollten die Burschen etwas von uns, was? Sie haben genau unsere Richtung, und ihr Grinsen gefällt mir nicht.«

McMurray nickt.

»Das sind Lorne Hackhouse, Phil Donner, Tom White und Tate Green. Ich habe gestern ihre Namen gehört. Sie kaufen für irgendeinen Mann, der hinter ihnen steht, Landansprüche auf, und ich denke, wir bekommen jetzt ein Angebot.«

»Sollen sie tausend Angebote machen! Warum warten wir überhaupt?«

McMurray hat nicht mehr die Zeit, eine Antwort zu geben, weil die vier Männer bereits vor ihnen stehen. Jener Hackhouse, der ein Gesicht hat, als hätte ihn einmal ein Pferd unter den Kiefer geschlagen, tippt an seinen speckigen Stetson und grinst.

»Auf ein Wort, Gents!«, sagt er mit einer Sanftmut, die nicht zu ihm passt. »Wir haben eine prächtige Chance für Sie, und Sie sollten sich anhören, was es ist.«

In Don McMurrays Augen steht der Ausdruck einer scharfen Wachsamkeit.

»Eine Chance? Nun gut, da hört ein Mann immer zu. Aber wir wollen möglichst rasch auf einen Whisky in den nächsten Saloon. Also los, wo sollte unsere Chance liegen?«

»Sie haben Ihre Zertifikate, und wir haben blanke Dollars. Wir geben gutes Geld für drei Fetzen Papier, die im Grunde einen Dreck wert sind. Wir ...«

McMurray lässt Hackhouse nicht ausreden. Er lächelt hintergründig und nicht ohne bissigen Spott.

»Das wäre ein schlechter Tausch für Sie, Mister, und wir sind keine Halsabschneider. Kein Geschäft mit uns, Freunde, und wenn Sie trotzdem mit Gewalt Zertifikate haben wollen, stellen Sie sich in der Schlange an.«

Er will weitergehen, und Gardiner und Primrose wollen ihm folgen. Ihre Gesichter sind verschlossen und abweisend, aber vielleicht ist es nicht nur das, was jener Hackhouse mit dem schiefen Gesicht übersieht.

Er breitet die Arme aus und versperrt McMurray den Weg.

»Fünfzig Dollar pro Zertifikat«, sagt er. »Einhundertfünfzig also im Ganzen. Das ist unser Satz.«

»Kein Geschäft mit uns«, wiederholt McMurray und dreht sich zu Gardiner und Primrose um. »Gehen wir!«

Aber Hackhouse ist nicht allein. Er und seine drei Begleiter stehen wie eine Wand, und der Mann, der Tom White heißt, sagt in einem Ton, der allen Widerspruch ausschließen soll: »Gents, das ist dumm. Sehr dumm sogar! Besser, Sie denken noch einmal nach. Wir haben schon Hunderte von Besitzansprüchen, aber der Mann, für den wir arbeiten, braucht noch mehr. Lorne, biete sechzig Dollar, aber danach muss das Geschäft perfekt sein.«

Eine scharfe, körperliche Unduldsamkeit liegt in seinen Worten, und etwas wie Angriffslust auf Whites rechteckigem, sommersprossigem Gesicht.

Don McMurray schüttelt den Kopf. Seine ruhige Gelassenheit vergeht, und er sagt knapp und scharf: »Warum muss ich zweimal wiederholen, was beim ersten Mal schon deutlich genug war? Wir haben unsere Zertifikate und behalten sie. Ist noch etwas?«

Die harten Kanten in seinem Gesicht prägen sich aus, und diese Veränderung geht von einem Augenblick zum andern vor sich. McMurrays Züge zeigen jetzt keine sanfte Glätte und keine Bereitschaft zum weiteren Verhandeln mehr, und er will, dass Hackhouse und seine Begleiter es erkennen.

»Und jetzt geben Sie die Straße frei, Gents. Zur Seite, oder ...«

Er lässt das letzte Wort in der Schwebe. Es soll eine Herausforderung sein, und jäh ist die Gewissheit in ihm, dass Hackhouse und die andern es so wollen und es darauf anlegen, ihnen Verdruss zu bringen.

»Oder?« Hackhouse schiebt den Kopf und die massigen Schultern vor. »Was soll das heißen? Mann, ich höre da eine Drohung heraus.«

»All right, Mister – es sollte eine sein!«

Die Herausforderung trifft Hackhouse wie ein Schlag, gegen den er völlig ohne Deckungsmöglichkeit ist. Tate Greens Mund klappt auf, und White und Donner starren sich an, als hätten sie einen Blitzschlag in die Erde fahren sehen.

In Hackhouses Gesicht lodert plötzlich eine helle Flamme der Wut. Sie springt jäh in seine gelben Augen, und mit einem harten Ruck wirft er seinen schweren Körper nach vorne.

An allen Ecken und Enden der Stadt hängen Plakate, auf denen zu lesen ist, dass jedem Landsucher das Tragen von Waffen verboten ist. Aber es gibt keinen Mann in Hennessey, der sich an dieses Verbot hält.

Auch Hackhouse trägt herausfordernd seinen .45er-Colt, und mit einer gleitenden Bewegung fährt seine rechte Hand zum Kolben.

»Mann!«, brüllt er, und alle falsche Sanftheit fällt von ihm ab. »Mann – dir werde ich es gleich zeigen ...«

White, Donner und Green bewegen sich ebenfalls blitzschnell. Es sind nervöse und gereizte Männer, die keine Skrupel kennen, und McMurray erlebt einen üblen Augenblick der Furcht. Die düstere Erkenntnis, dass der erste Schuss, der fällt, die überfüllte Straße in eine Hölle verwandeln muss, lähmt ihn für einen Moment, dann handelt er mit der Wildheit eines ausbrechenden Vulkans.

Er greift nicht zum Colt, sondern hebt den rechten Fuß und stößt ihn nach vorne. Seine Stiefelspitze prellt Hackhouse das Eisen aus der Hand, und gleichzeitig schickt er eine knallharte Rechte gegen Hackhouses Kopf. Mit diesem Schlag wirft er alle Furcht über Bord, und der üble Augenblick eisiger Lähmung vergeht.

Hackhouse schreit gellend auf, als es ihn trifft. Geblendet und halb besinnungslos prallt er gegen White und Donner und reißt sie mit sich. Eine kalkige Blässe überzieht seine Haut, und sein Blick wird trübe und stumpf.

»Passt auf!«, keucht McMurray, während er noch einmal ausholt, und der scharfe Warnungsruf ist für Tex Gardiner und Saul Primrose das Signal.

Primrose wirft sich gegen Green, dessen Hand den Revolverkolben streift. Er schlägt einmal zu, und seine Knöchel treffen Greens Schläfe mit furchtbarer Wucht.

Green fällt in einer aufwirbelnden Wolke von Staub, aber trotz der ersten harten Lektion versucht er es noch einmal mit dem Colt. Kreischend zerrt er am Kolben seiner Waffe, aber Primrose stampft mit einem Fuß so heftig auf Greens Handgelenk, dass der schreiend alle Hoffnung fahren lässt.

Tex Gardiner erwischt Phil Donner mit einem kurzen Rückhandschlag, dann wendet er sich gegen White, der sich gerade aus der Umklammerung durch Hackhouse befreit. Aber McMurray ist schneller und schiebt seine Faust rammend in Whites Bauch ehe er mit einer wirbelnden Bewegung seinen Colt aus dem Holster reißt.

Hackhouse schüttelt den Kopf, um die Betäubung zu verlieren. Er will den Mund öffnen und zuckt vor Schmerz, und vielleicht hört er nicht einmal, dass McMurray sagt: »Ihr elenden Wegelagerer! Ihr denkt, ihr macht uns fertig, was? Aber da kommt ihr zu spät, und ihr solltet euch die Männer ansehen, denen ihr Kummer bereiten wollt. Verschwindet jetzt, und lasst euch von uns nicht mehr sehen.«

»Wir sollten sie einer Patrouille der Armee übergeben«, wirft Gardiner bissig ein. »Solche Strolche! Erst kommen sie mit einem idiotischen Angebot und dann so. Don, eine Armeepatrouille ...«

Hackhouse dreht mit einem stieren Blick den Kopf zu McMurray um. Pfeifend saugt er die Lungen voll Luft, ehe er sich schwer gegen Phil Donners Schulter lehnt.

»Diese höllische Welt dreht sich«, ächzt er heiser, dann verliert er den Halt und stürzt schwer auf Gesicht und Bauch.

White sagt wimmernd: »Oaah, ich – ich bin mitten durch. Mein Bauch ... Aah, verdammt, ich ...«

Er reißt den Mund auf und schnappt nach Luft. Und weder er noch Hackhouse, Donner oder Green sind für drei entschlossene Männer eine Gefahr.

»Keine Patrouille!«, bestimmt McMurray knapp. »Das gibt nur Ärger und bringt nichts ein. Sollen andere mit diesen Bastarden tun, was sie mögen. Kommt!«

Er lässt seinen Colt am Bügel herumwirbeln und stößt ihn ins Holster zurück. Mit einer rudernden Armbewegung durchbricht er den Kreis der starrenden Neugierigen, die den Platz der kurzen Auseinandersetzung umstehen. Gardiner und Primrose folgen ihm, und keiner von ihnen wirft einen Blick zurück.

Vielleicht denken sie, dass sie etwas hinter sich gebracht haben, was nicht wiederkehrt. Sie ahnen nicht, dass in diesen Minuten etwas begonnen hat, was sie lange verfolgen wird, und kein Gefühl ist in ihnen, das sie warnt.

Der »Western Star«-Saloon liegt am Ende der Straße, an deren Anfang die Kirche steht, in der der Landagent der Regierung mit seinen Clerks schuftet und schwitzt. Trotzdem rückt die Schlange nur langsam vor. Mehr als zweitausend Menschen stehen murrend in der Hitze und der staubgeschwängerten Luft. Keine zwanzig Schritt vor der Kirchentür entsteht plötzlich Bewegung, und ein bärtiger Oldtimer, der bis jetzt seinen Platz behauptet hat, fällt unter dem entsetzten Kreischen von zwei Frauen um.

Don McMurray schluckt. Die Erregung des kurzen, hinter ihm liegenden Kampfes brodelt noch in ihm, jetzt sagt er rau und kratzend: »Da – schon wieder einer. Hier fallen die Männer um wie die Fliegen. Morgen beginnt erst der Run, aber diese Ansteherei hat schon mehr Menschenleben gefordert als eine Schlacht. Du lieber Himmel, was soll daraus noch werden?«

Tex Gardiner springt vor einem Wagen zur Seite, der klappernd und ratternd durch die Zwillingsfurche der Straße rast. Als die dichten, gelben Staubschleier sich legen, sieht er, dass bereits zwei Blaujacken der Kavallerie bei dem Oldman sind, und einer der Soldaten sagt heiser und abgestumpft über den Lärm und das Schreien der Frauen: »Keine Hilfe mehr! Ruhig, Leute, nur ruhig, diesem Mann kann keiner mehr helfen. Jetzt bekommt er ein eigenes Land vor der Stadt und hat, was er wollte. Immer ruhig – nur keine Panik. Das ist der Zwanzigste heute.«

»Teufel, Teufel!« Primrose spuckt aus, und zu dritt ziehen sie ihre Stiefel durch den Staub. »Der zwanzigste Tote, und die Zeitung hat morgen wieder eine lange Liste von Namen zu drucken. Ich habe noch nie einen Whisky so nötig gebraucht wie jetzt.«

Ein Trupp bärtiger Digger aus den Ozark Mountains marschiert grölend und betrunken vorbei; aus der Richtung von Dover kommt ein Trupp texanischer Cowboys in mexikanischen Bocksätteln in die Stadt. Zwei feine Gents aus dem Osten rümpfen ihre Nasen über das durchdringende Cowboygeschrei, und McMurray lacht: »Ich möchte wissen, was diese Fracks morgen sagen werden. Das ist doch erst der Anfang. Nun gut, da ist der Saloon, und vielleicht spült der Whisky alles hinab.«

Sie schieben sich hintereinander in den Saloon, und Primrose besorgt eine Flasche, drei Gläser und eine Handvoll Zigarren. An einem Ecktisch finden sie Platz, und während sie rauchen und trinken, sind sie für eine kurze Zeitspanne gelöst und entspannt.

»Auf Gesetz, Ordnung und unser Land«, sagt Gardiner und hebt sein Glas.

McMurrays Gesicht ist dunkel, nachdenklich und ernst, als er sagt: »Hier sterben Ordnung und Gesetz. Und ein paar bedenkenlose Schufte wie dieser Hackhouse und seine Figuren fischen im Trüben.«

Primrose schiebt das Glas auf dem Tisch hin und her. Sicher hat er auch etwas zu sagen, doch er sagt es nicht. Am Nebentisch fährt ein Mann wie von einer Schlange gebissen von seinem Stuhl, zeigt auf zwei Burschen, die sich gerade an den Tresen schieben, und schreit: »Höllenhunde! Diese beiden da ... Hab' ich nicht gesagt, dass zwei an meinem Wagen waren und ihn in Brand stecken wollten! Diese zwei – ich habe sie genau gesehen und erkenne sie jetzt. Festhalten! Haltet sie fest!«

Der Mann zerrt seinen Colt heraus und fuchtelt mit der Waffe durch die Luft. Und McMurray sieht das Blitzen des einfallenden Lichtes auf dem brünierten Lauf.

Er fährt hoch, und sein Stuhl kracht polternd auf die mit Sägemehl bestreuten Bodenbretter. Mit einem zornigen Knurren wirft er sich auf den Mann, der wahnsinnig genug ist, eine Massenschießerei auszulösen. Denn das, was nach dem ersten Schuss kommt, kann nur eine Katastrophe sein.

»Narr!«, zischt McMurray grimmig. »Weg mit dem Colt. Bist du verrückt geworden?«

»Gehörst du etwa auch zu diesen Schuften, die anderen Männern die Wagen zerstören und die Pferde umbringen, damit sie beim Run morgen keine Chance mehr haben?« Wütend fährt der bullige Mann mit dem Revolver herum. »Verteufeltes Gesindel und Pack. Aber warte, ich ...«

Für den Bruchteil einer Sekunde starrt McMurray in das drohende, schwarze Mündungsrund.

Aber noch ehe es blitzt und kracht und der »Western Star«-Saloon zu einem Tollhaus voll brüllender und um sich schießender Verrückter wird, schickt McMurray seine Faust vor.

Der Colt jenes Mannes segelt durch die Luft, und der Mann selbst umklammert unter wilden Verwünschungen sein geprelltes Handgelenk.

Die zwei Kerle am Tresen, um die alles geht, verständigen sich durch einen Blick.

Wie auf Kommando werfen sie sich herum, und ihr Ziel ist die Tür. Aber da ist eine Front von Leibern, gegen die sie prallen, und in der Schwingtür des Saloons erscheint im gleichen Moment ein baumlanger Sergeant der Armee mit einer Patrouille von sechs Soldaten.

Der Sergeant fragt nicht lange, als er das wilde Getümmel am Tresen sieht. Er dreht sein Armeegewehr um und gibt seinen Blaujacken einen scharfen Befehl.

Mit dem Kolben bahnt er sich als Erster einen Weg, und die sechs Männer mit ihren gespannten und entsicherten Lee-Enfield-Gewehren sind hinter ihm.

»Aufhören!«, brüllt der Sergeant in das Getümmel hinein. »Sofort aufhören! Hier fängt keiner etwas an, ohne dass er es bekommt. Was ist los?«

Mehr als Hundert Landsucher sind im Saloon, und nicht einer ist da, in dem nicht die Wut brodelt und kocht. Jeder von ihnen hat schon gehört, dass es Banditen gibt, die Pferde vergiften und Wagen verbrennen, um die eigenen Chancen beim Run zu erhöhen, und die Männer vergessen ihren Whisky und ihr Bier.

Brüllend bringt der, der die zwei Burschen erkannt hat, seine Anklage vor.

»Nehmt sie, und hängt sie auf!«, fordert er zornig. »Dieses Banditengesindel! Hängt sie am Dachbalken über dem Tresen auf. Meinen Wagen verbrennen, was?«

»Schlagt sie tot!«, brüllt ein anderer und man sieht ihm an, dass er jegliche ruhige Überlegung verloren hat.

Der Ruf pflanzt sich fort, und zehn, zwanzig andere Männer greifen ihn auf. Die beiden Burschen, um die es geht, stehen zitternd vor der Patrouille, suchen gehetzt nach einem Ausweg und wären sicher lieber auf dem Mond als im »Western Star«.

»Jetzt flattern ihnen die Hosen, was?«, krächzt Tex Gardiner. »Sollen sie bekommen, was sie verdient haben.«

»Meine Meinung!«, pflichtet Saul Primrose ihm bei, und Don McMurray denkt plötzlich daran, dass sich auch jemand an ihren Tieren vergreifen kann, die in Cole Banners Mietstall am Ende der Main Street stehen.

Die zwei Banditen stehen der aufgebrachten Landsuchermeute gegenüber, und die Angst lässt sie zittern. Sie zeigen dem ganzen Saloon das bittere Grau ihrer Gesichter, und das Toben der andern verklingt erst nach einem heiseren Befehl des Sergeanten, der sein Gewehr wieder umdreht und an die Hüfte nimmt.

»Ihr seid verhaftet!«, sagt er hart. »Und ihr andern versucht nichts. Solange die Armee hier für Ordnung sorgt, wird keiner gelyncht. Vorwärts – ihr zwei! Und wenn ihr denkt, dass ihr wegrennen könnt ... Vergesst es besser!«

Der Schweiß rinnt mit öligem Glanz über die Gesichter der beiden, und ihre Lippen sind schmal und scharf. Schurrend ziehen sie die Füße über die Dielenbretter, als sie zur Schwingtür gehen – ein Doppelbildnis des Schreckens und der Ergebenheit.

Don McMurray sagt: »Sie werden trotzdem den Versuch machen, davonzukommen, passt nur auf. Ich kenne solche Kerle. Lasst sie erst an der Tür sein, und sie werden es probieren.«

Er beobachtet gut. Seine Menschenkenntnis lässt ihn an jedem Mann das Wesentliche sehen, und er behält auch diesmal recht. Der Ältere der beiden Burschen schreit gellend in das Knarren der Schwingtür hinein: »Jetzt!«

Im gleichen Augenblick werfen sich beide nach vorne. Geduckt rennen sie los, und sicher denken sie, im Tumult auf der Straße untertauchen zu können.

Die Befehle des Sergeanten übertönen den Lärm im Saloon, und die Soldaten drängen nach draußen. Jemand brüllt einen Haltebefehl, dann kracht ein Schuss, dem drei andere wie Echos folgen. Tex Gardiner lässt die angespannten Schultern nach vorne fallen.

»Don, du hattest es richtig erkannt. Sie haben es versucht, und jetzt sind sie wahrscheinlich tot. Unsere Flasche ... Sie ist leer. Wer holt eine neue?«

»Keinen Whisky mehr!«, sagt McMurray, drückt den Rest seiner Zigarre aus und steht auf. »In einer Stunde wird es dunkel sein, und ich weiß etwas, was besser ist, als hier herumzuhocken und zu saufen. Unsere Pferde ...«

»Meinst du, auch im Mietstall könnte etwas passieren?«, fragt Primrose und schüttelt den Kopf.

»Warum nicht im Mietstall? Für jemanden, der eine Schurkerei inszenieren will, ist ein Ort so gut wie der andere. Kommt mit!«

Gardiner und Primrose maulen und fluchen, aber sie schieben sich trotzdem hinter McMurray nach draußen. In den ersten Schatten der niederfallenden Dämmerung suchen sie ihren Weg, und McMurray beschleunigt seine Schritte, weil jäh eine dumpfe Ahnung von kommendem Unheil ihn plagt.

Noch steht er damit allein, und Primrose sagt in gutmütigem Spott zu Gardiner: »So ein Quatsch! Da rennen wir wie die Hasen, und hinterher halten uns selbst die Gäule für verrückt. So ein Camp, um das die Coyoten schleichen.«

Knappe zehn Minuten später vergeht ihm der Spott.

Sie erreichen den Hof des Mietstalls, und es ist nicht mehr als ein Zufall, dass McMurray zur Tür des Schuppens blickt, hinter der Cole Banners Futtervorrat gelagert ist.