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... und plötzlich sind sie einem Komplott auf der Spur, das die Republik in ihren Grundfesten erschüttern könnte! Winger – bekannt aus einem gleichnamigen WDR-Hörspiel und dem Thriller "Trojanische Pferde" – ist keiner von den heroischen Helden, wie etwa bei Raymond Chandler – wenn auch im Kern gar nicht so übel. Aber jemand, der auch mal seine Cleverness und Gerissenheit zum eigenen Vorteil einsetzt. Er bezieht Prügel und teilt selber welche aus. ––– PRESSESTIMMEN: autor-peter-schmidt-pressestimmen.blogspot.de/ ––– "Schicht für Schicht legt der mehrfache Krimipreisträger Schmidt die Grabestiefen politischer Un-Kultur frei. Mit Charme und raffinierter Vernetzung präsentiert er ein beängstigendes Tableau aktueller Zeitgeschichte (…) Das alles ist so spannend wie engagiert erzählt und in seiner sprachlichen Gestaltung ein großes Lesevergnügen …" (WAZ – Westdeutsche Allgemeine) ––– "Peter Schmidt, westfälischer Doyen des deutschen Kriminalromans, legt mit 'Winger' einen spannenden, politisch 'brandaktuellen' Thriller vor ... Die actionreiche Schnitzeljagd durch Hinterzimmer dubioser Etablissements, Redaktionsstuben rechtsgesinnter Tageszeitungen und abgelegener Waldhäuser mit Trainingscamp-Appeal offenbart schrittweise ein bundesdeutsches Komplott, das erst dieser Tage in Italien bittere Realität wurde. Schmidts Schreibe ist knapp und lakonisch, erspart sich jeden Kommentar und läßt das Geschilderte gerade dadurch furchterregend real erscheinen." (Marabo) ––– "Das Thema ist auch wirklich bestechend: Rechtslastige Politiker wollen mit Hilfe von Geheimdienst, Verlagen und korrupten Kriminalbeamten die Macht an sich reißen. Schmidts Buch ist keines von den Machwerken, die politische Fiktion nett verpacken. Das Schauerliche daran ist die Nähe zur Realität. Schmidt zeigt, wie's klappen könnte.
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Seitenzahl: 360
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Peter Schmidt
Winger
Thriller
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Inhaltsverzeichnis
Titel
ZUM BUCH
PRESSESTIMMEN
ÜBER DEN AUTOR
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WEITERE TITEL
Impressum neobooks
Machtergreifung der Rechten in Deutschland?
Anwalt Elmond ist auf mysteriöse Weise im Wald hinter seinem Jagdhaus verbrannt. Die Journalistin Linda recherchiert und braucht dazu einen Leibwächter. Ein Job für Privatdetektiv Winger. Und plötzlich sind sie einem Komplott auf der Spur, das die Republik in ihren Grundfesten erschüttern könnte …
Winger – bekannt aus einem gleichnamigen WDR-Hörspiel und dem Thriller "Trojanische Pferde" – ist keiner von den heroischen Helden, wie etwa bei Raymond Chandler – wenn auch im Kern doch gar nicht so übel. Aber jemand, der auch mal seine Cleverness und Gerissenheit zum eigenen Vorteil einsetzt. Er bezieht Prügel und teilt selber welche aus.
„Schicht für Schicht legt der mehrfache Krimipreisträger Schmidt die Grabestiefen politischer Un-Kultur frei. Mit Charme und raffinierter Vernetzung präsentiert er ein beängstigendes Tableau aktueller Zeitgeschichte (…) Das alles ist so spannend wie engagiert erzählt und in seiner sprachlichen Gestaltung ein großes Lesevergnügen …“
(WAZ – Westdeutsche Allgemeine)
„Peter Schmidt, westfälischer Doyen des deutschen Kriminalromans, legt mit ‘Winger’ einen spannenden, politisch ‘brandaktuellen’ Thriller vor ... Die actionreiche Schnitzeljagd durch Hinterzimmer dubioser Etablissements, Redaktionsstuben rechtsgesinnter Tageszeitungen und abgelegener Waldhäuser mit Trainingscamp-Appeal offenbart schrittweise ein bundesdeutsches Komplott, das erst dieser Tage in Italien bittere Realität wurde. Schmidts Schreibe ist knapp und lakonisch, erspart sich jeden Kommentar und läßt das Geschilderte gerade dadurch furchterregend real erscheinen.“
(Marabo)
„Das Thema ist auch wirklich bestechend: Rechtslastige Politiker wollen mit Hilfe von Geheimdienst, Verlagen und korrupten Kriminalbeamten die Macht an sich reißen. Schmidts Buch ist keines von den Machwerken, die politische Fiktion nett verpacken. Das Schauerliche daran ist die Nähe zur Realität. Schmidt zeigt, wie’s klappen könnte.“
(Münchener Merkur)
„Schmidt hatte aktuelle Erscheinungen schon in „Schafspelz“ und in „Die andere Schwester“ aufgegriffen, in „Winger“ ist er mit Rechtsruck, DDR-Hinterlassenschaften, Ausländerhass usw. der tatsächlichen Entwicklung (noch) einen Schritt voraus.“
(Einkaufszentrale für öffentliche Bibliotheken)
„Ein Buch, das man nicht aus der Hand legen kann.“
(Neue Osnabrücker Zeitung)
Peter Schmidt, geboren in Gescher, Schriftsteller und Philosoph, gilt selbst dem Altmeister des Spionagethrillers, John le Carré, als einer der führenden deutschen Kriminalautoren des Genres. Außerdem veröffentlichte er zahlreiche Medizinthriller, Wissenschaftsthriller, Psychothriller und Detektivromane.
Bereits dreimal erhielt er den DEUTSCHEN KRIMIPREIS („Erfindergeist“, „Die Stunde des Geschichtenerzählers“ und „Das Veteranentreffen“). Für sein bisheriges Gesamtwerk wurde er mit dem Literaturpreis Ruhr ausgezeichnet.
Schmidt studierte Literaturwissenschaft und sprachanalytische und phänomenologische Philosophie mit Schwerpunkt psychologische Grundlagentheorie an der Ruhr-Universität Bochum und veröffentlichte rund 40 Bücher, darunter auch mehrere Sachbücher.
Jemand riss mich an den Haaren hoch, und von sehr weit weg hörte ich eine Frauenstimme meinen Namen rufen. Ich öffnete die Augen, aber um mich herum blieb es dunkel ...
Ich spürte, dass mir meine Jacke über dem Gesicht hing. Es roch nach Schweiß und öffentlicher Toilette, nach abgestandenem Bier, und in alledem klang das Schnarren des Lautsprechers an der Decke schmerzhafter, als es das Ordnungsamt erlauben sollte.
Plötzlich wusste ich wieder, wo ich mich befand – und dass der Geruch nicht das typische Ambiente des Lokals sondern meine eigene Ausdünstung war.
"Sind Sie wach oder schlafen Sie?", erkundigte sich eine Frauenstimme über mir.
"Ich bin wach, alles in Ordnung – mir geht's blendend ..."
Dabei sah ich durch die Glastür der Bar auf die beleuchtete Straße. Diese Stadt ... wie war noch gleich ihr Name? Na ja, rhetorische Frage – konnte überall sein …
Hauptsache, man erkennt sich selbst wieder, wenn man aus seinem Rausch erwacht. Überhaupt ist das eines der großen ungelösten Rätsel der Natur.
Woran erkennt man eigentlich, dass man noch derselbe ist wie gestern?
Jemand versetzte mir einen sanften Tritt gegen den Oberschenkel und zog mir die Jacke vom Gesicht. Eine Frauengestalt beugte sich über mich und öffnete meinen Kragen – schlanke, weiße Beine, etwas zu langes Kleid ...
Ich blinzelte nach oben, um ihr Gesicht auszumachen. Aber es schwebte wie bei einer Sonnenfinsternis vor dem grellen Lichtkranz der Deckenleuchte.
"Kennen wir uns?"
"Das will ich doch hoffen. Ich zahle Ihnen hundertfünfundsiebzig pro Tag, damit Sie mich vor ein paar zudringlichen Kerlen beschützen, aber momentan wirken Sie eher so, als wenn ich Sie beschützen müsste."
"Alles in Ordnung", sagte ich. "Sie können sich auf mich verlassen."
"Dann sehen Sie mal zu, dass Sie wieder auf die Beine kommen. Wir haben wohl ein paar Etablissements zu viel gemacht? Mixgetränke scheinen Ihnen ja überhaupt nicht zu bekommen." Sie griff mir unter die Achseln und versuchte mich aufzurichten.
"Mixgetränke?"
"Ihre Privatmischung. Wodka, mit reichlich Gin, einem Spritzer Flüssigei und Zitrone abgeschmeckt."
"Pfui, Teufel, Flüssigei ... erinnern Sie mich nicht daran. Mir ist schon übel."
"Geschieht Ihnen ganz recht – und lassen Sie sich nicht so hängen, verdammt noch mal."
"Wird schon wieder werden."
"Ich denke, heute taugen Sie nur noch dazu, Ihren Rausch auszuschlafen."
"Danke." Ich versuchte vergeblich vom Boden in die Hocke zu kommen. "Wer bin ich?"
"Gute Frage. Sie sind die schäbige kleine Nachahmung eines Detektivs, dem angeblich niemand Angst machen kann. Sie vermieten Ihre Fäuste, aber Sie beziehen mehr Prügel, als Sie austeilen.
Sie betreiben eine Detektei im – wie Sie das selber nennen – Rotationsverfahren. Sobald der 'Glücksklee' raus ist, wechseln Sie das Revier.
Sie sind in einschlägigen Kreisen so bekannt und gern gesehen wie ein Penner in dem Klubsesseln des Hilton. Sie brauchen dringend eine Rasur und ein Vollbad – und ein paar Jahre psychotherapeutische Behandlung.
Ihre Freundin ist Ihnen weggelaufen und Sie tragen zwei verschiedene Strümpfe. Ihre Goldzähne sehen aus, als wenn Sie selber daran herumgefeilt hätten.
Und was Sie gewöhnlich als Hut auf dem Kopf tragen, erinnert eher an einen gefrorenen Aufnehmer als eine seriöse Kopfbedeckung. Reicht das?"
"Reicht", bestätigte ich und sank erschöpft zurück.
Die Wahrheitsliebe mancher Frauen kennt keine Grenzen. Vielleicht würde sie ja noch irgend etwas Schockierendes zutage fördern, das mir gerade entfallen war. Für derartige Neuigkeiten fühlte ich mich momentan zu schwach.
Langsam kehrte meine Erinnerung zurück: Sie hieß Linda – hübscher alter Name, von Sieglinde auf die Kurzversion umgefummelt, damit's moderner klingt – und zog mit mir durch ein paar Frankfurter Etablissements, um sich in der Szene umzusehen.
Wozu, darüber schwieg sie sich noch aus. Sie hatte mich als ihren Beschützer engagiert. Ich stellte keine Fragen, denn Diskretion ist in meinem Gewerbe Ehrensache. Ich hatte draußen zu warten und nur mit Drohgebärden hereinzustürmen, wenn sie Hilfe brauchte.
Es schien eine Menge zu feiern zu geben bei ihren Unternehmungen. Vielleicht versuchten wir damit auch nur unsere angeschlagenen Nerven zu beruhigen. Und zwischendurch schien sie sogar etwas gefunden zu haben, denn nachdem sie ein Mädchen in einem Nachtklub hinter dem Bankenviertel befragt hatte, begann sie sich plötzlich dafür zu interessieren, ob es irgendwo am Stadtrand ein Jagdhaus gab.
Aber vorher widmeten wir uns erst einmal den Lokalen und schäbigen kleinen Vergnügungsetablissements der Hinterhöfe.
Linda war nicht kleinlich. Dreizehn Bars und alles was dazu gehört. Oder waren es dreiunddreißig gewesen? Solche Züge bringen manchmal meinen Zählrhythmus durcheinander.
Sie steckte ihre Cocktails weg, wie kapitale Holzfäller eine große Dose Bier herunterspülen, obwohl ich angesichts dieser Lebensweise nicht mal den Ansatz von Tränensäcken unter ihren schönen blauen Augen entdecken konnte.
Ich folgte ihr auf Schritt und Tritt und behielt ihren hübschen Hintern im Auge. Ich gab ihren Mantel an der Garderobe ab, besorgte ihr eine Zahnbürste in der Drogerie gegenüber, begleitete sie zum Taxi und fuhr mit ihr durch die Stadt.
Manchmal waren die Häuser alt und schäbig, mit verkommenen Hinterzimmern und demolierten Fluren, dann wieder noble Villen oder passable Bungalows. Und einmal war tatsächlich ein Jagdhaus irgendwo weit draußen darunter, das sich sehen lassen konnte mit seinem tief heruntergezogenen Dach aus Schiefer und der gemütlichen Holzveranda.
Gerlach, der Verwalter, zeigte Linda eine Stelle dicht am Waldrand hinter dem Haus, und als sie wieder zurückkamen, sah sie aus, als wenn sie sich gleich übergeben müsse.
Aber immer gab es irgendwo eine Hausbar, wo man sich den großen Bewusstseinsveränderern widmen konnte. Irgendwann bekam ich mit, dass wir eine junge Frau oder einen alten Mann suchten. Wenn das nicht ohnehin dasselbe ist. Vom kleinen Zwischenspiel am Jagdhaus abgesehen, wirkte Linda an jedem Platz gleich überzeugend: im Licht von Punktstrahlern genauso wie unter den gelben Glühlampen im Hinterzimmer eines Billardcafés. Ihr Gesicht sah aus, als sei sie geradewegs aus der Leinwand, auf der ein alter amerikanischer Gangsterfilm lief, zu uns gewöhnlichen Sterblichen herabgestiegen.
"Wieso vertragen Sie eigentlich so viel?“, fragte ich, als wir wieder draußen auf der Straße standen.
"Da ist irgend etwas mit meinen Hormonen. Ich habe zu viele männliche Hormone abbekommen. Das glauben jedenfalls die netten bebrillten Weißkittel, die meinen Stoffwechsel in der Universitätsklinik untersucht haben. Ich bin so was wie ein biologisches Wunder."
"Der Frauentyp der Zukunft", bestätigte ich.
Linda verfrachtete mich in ein Taxi, und wir sausten durch die Nacht.
Was für prächtige Fassaden doch ein paar Millionen hervorbringen, die sonst ein klägliches Dasein als hinterzogene Steuern auf ausländischen Nummernkonten fristen würden und jetzt viel weniger Ärger als legale Betriebsausgaben machen: verspiegelte Jeanspaläste, Pornokinos, doppelstöckige Griechen mit künstlichen Weinranken und hohlen Gipssäulen. Und dazwischen bleiche Drogensüchtige und polnische Großdealer in langen Pelzmänteln.
Irgendwie schaffte ich es während dieser angebrochenen Nacht, Linda über Treppen und endlos lange Korridore ins Hotel zu folgen. Unsere Zimmer lagen Tür an Tür.
Ich fragte sie, mit wem sie liiert sei, aber sie blieb mir die Antwort schuldig.
Ich war eingeschlafen, und jemand, den ich nicht kannte – Gott, ein Engel oder Zauberer – verkündete mir, dass ich drei Wünsche offen hätte.
"Wie sieht's mit Reichtum, schönen Frauen und ewiger Gesundheit aus?“, erkundigte ich mich. Aber ehe er darauf antworten konnte, erwachte ich aus meinem Traum und entdeckte, dass mein Kopf und Nacken feucht, dass mein ganzer Körper in Schweiß gebadet war. Wo steckte meine Schöne? Ich vermisste ihre Beschimpfungen.
Anscheinend war Linda das Taxifahren leid oder Alkohol war jetzt erst mal passé. Oder sie hatte irgend etwas Größeres im Sinn, denn nach dem Frühstück stiegen wir in einen bulligen schwarzen Kleinwagen mit breiten Reifen, der das reine Understatement war, seinen Beschleunigungswerten nach zu urteilen, und fuhren über breite Stadtstraßen Richtung Zentrum.
In diesem Teil der Stadt kannte ich mich besser aus als in den Industriebezirken, und als wir im Banken und Büroviertel waren, hatte ich sogar das Gefühl, wieder heimische Gefilde zu betreten.
Linda ließ den Motor ihres Mietwagens aufheulen und umrundete zweimal den Block, als wolle sie sichergehen, dass wir nicht verfolgt wurden. Aber vielleicht war sie auch nur übermüdet oder unkonzentriert – ihrem angestrengten Blinzeln nach zu urteilen – und hatte beim erstenmal die Einfahrt verpasst.
"Also gut", sagte sie, als wir in die Tiefgarage einbogen. "Sie haben die Probe bestanden, Sie bekommen den Job. Obwohl Sie lange nicht soviel vertragen, wie Sie glauben, Winger."
"Welchen Job? Soll das etwa heißen, Sie arbeiten für den Klüngel da oben?", sagte ich und zeigte zur Betondecke des Zeitungsgebäudes.
Beim Anblick der blau verspiegelten Fassaden, wenn ich über die Autobahnbrücke an den Büroetagen entlangfuhr, versuchte ich mir manchmal vorzustellen, was einen gewöhnlichen Sterblichen dazu bringen konnte, sein Leben in so einem Gefängnis zu verbringen. Die Aussicht, eine Hundertfünfzigquadratmeterwohnung zu bekommen und ein Dauerabonnement auf Jahreswagen? Aber mag sein, dass das auch nur die verbogene Weltsicht von jemandem ist, der es nie weiter als bis zu einer armseligen Ein-Zimmer-Detektei mit Klappbett gebracht hat.
"Wäre doch nichts Ehrenrühriges, oder?“, fragte sie. "Außerdem bin ich nur Gelegenheitsjournalistin. Ich befasse mich nicht mit gewöhnlicher Pressearbeit."
"Gelegenheitsjournalistin? Gibt's das auch?"
"Ich könnte jederzeit mit meiner Geschichte zur Konkurrenz gehen."
Wir passierten die Kontrollen an den Fahrstuhltüren, ohne dass irgendeine Sirene aufheulte, um aller Welt mitzuteilen, Winger der Geschasste – der räudige Hund, das Enfant terrible des Gewerbes – sei trotz seines Hausverbotes in die heiligen Hallen des Verlages eingebrochen. Normalerweise entdecken einen diese Zeitungsfritzen an ihren Monitoren selbst dann noch, wenn man sich eine Pappnase aufgesetzt hat.
"Sie haben mir gesagt, ich sollte Ihnen ein paar Zuhältertypen vom Hals halten, falls sie zudringlich würden? Für hundertfünfundsiebzig am Tag."
"Genau dabei soll es auch bleiben. Und dafür brauchen Sie einen Presseausweis – von einem möglichst einflussreichen Laden wie diesem hier."
"Na schön, dass Sie endlich damit herausrücken. Wie sind Sie ausgerechnet an mich geraten?"
"Sie sehen nicht wie ein Polizist aus."
"Sondern?"
"Eher wie jemand, der sich seit ein paar Tagen nicht gewaschen hat", sagte Linda und küsste mich flüchtig auf die Wange. "Aber nehmen Sie das nicht zu persönlich. Ich mag Kerle mit Eigengeruch – wenn er nicht zu streng wird." Sie zeigte auf eine weißlackierte Tür, an der das Messingschild Walter F. Born hing, und wollte im Waschraum verschwinden, angeblich, um sich frisch zu machen.
"Was denn – doch nicht etwa ...? Walter hat mir erst vor kurzem Hausverbot erteilen lassen."
"Gehen Sie einfach hinein. Er erwartet Sie schon."
Als ich die Tür aufschob, stand Born mit einem dünnen blauen Aktenordner in der Hand neben dem Karteikasten und nickte mir so zuvorkommend zu, als sei ich der Mann, der die Toilettenverstopfung zu beheben habe – ein notwendiges Übel, jemand, den man lieber gehen als kommen sieht, auf den man aber auch nicht gut verzichten kann.
Er war nicht viel auffallender als andere Büromenschen, die ihr Gesicht jeden Tag von der Röntgenstrahlung des Bildschirms bräunen lassen, wenn man von seinen etwas zu dichtstehenden Augen und dem struppigen weißen Haupthaar absah, doch die Linie seiner Schultern und hängenden Arme signalisierte einem sofort, man solle besser vor ihm auf der Hut sein.
Walters Sekretär Alber saß hinter seinem mit vier Telefonen gespickten Schreibtisch, ein Bein zwischen dem Faxgerät und dem Computer, das andere unter dem Tisch, und versuchte möglichst unbeteiligt dreinzublicken. Doch das gelang ihm schlechter als einem undressierten Dobermann, der auf einen Zipfel Blutwurst scharf ist.
Ich schnaufte unwillig und warf die Tür wieder zu. Manchmal reicht es schon, durch den Geruch einer verschrammten Büroeinrichtung wieder an alte Geschichten erinnert zu werden, und Born und Alber gehörten nun mal zu jenem Typ von Auftraggebern, die einem, kaum hat man sich umgedreht, all die Wohltaten wieder wegnehmen, die sie einem gerade ergebungsvoll grinsend auf dem Silbertablett serviert haben.
Linda holte mich ein, als ich schon an der Treppe zur Tiefgarage war.
"Was ist denn los mit Ihnen, verdammt noch mal?"
"Borns Blatt steht mir zu weit im nationalen Lager, wenn Sie die höfliche Version hören wollen."
"Rechts und links – fallen Sie etwa auch noch auf diese Wortspielereien hinein?"
"Ich bin nun mal ein sensibler Intellektueller. Alles was nach mittel bis dunkelbraun aussieht, schlägt mir augenblicklich auf den Magen."
"Ihnen schlägt höchstens der vierzehnte Cocktail auf den Magen."
"Wollen Sie damit etwa andeuten, dass ich auf dem rechten Auge blind bin? Ich sehe ziemlich genau, was in diesem Teil der Welt vorgeht."
"Also gut, gehen wir erst mal was essen", schlug Linda seufzend vor. "Ich lade Sie ein. Mit vollem Magen diskutiert's sich besser."
"Bei mir führt ein voller Magen nur dazu, dass ich schläfrig werde."
"Ich könnte Ihnen den Presseausweis auch besorgen, ohne dass Sie Born in die Quere kommen. Was halten Sie davon?"
"Hört sich schon viel besser an."
"Irgend jemand hat mir versichert, dass Sie bei weitem kein so sperriger Charakter sind, wie Sie mir einreden wollen, Winger – aber er muss sich wohl geirrt haben."
"Vielleicht neige ich ja auch nur bei schönen Frauen dazu, meine Charakterstärke zu beweisen, und eigentlich würde ich Walterchen viel lieber die Tür eintreten und ihm seine schöne alte verschrammte Büroeinrichtung samt blechernem Karteikasten in den Hof nachwerfen?"
"Ja, das passt schon eher zu Ihnen."
Sie schleppte mich in ein Lokal tief unten zwischen den wie überdimensionale Würfel hingestreuten platingrauen Betonblöcken irgendeiner futuristisch anmutenden Bürohausanlage, in dem ich trotz des vornehmen Zwielichts das Gefühl hatte, ich hätte mir seit vierzehn Tagen die Zähne nicht geputzt und jeder im Restaurant würde es merken. Der Oberkellner, der Linda die Karte reichte, ohne seinen graumelierten Kopf auch nur in meine Richtung zu drehen – und ein eher verwirrt aussehender junger Weinkellner, dem es ohne Anstrengung gelang, mir beim Einschenken seinen Ellenbogen ins Gesicht zu rammen.
Ich drückte seinen Arm vorsichtig zur Seite und fragte: "Finden Sie auch, dass ich Mundgeruch habe?"
"Bitte ... wie belieben?“, fragte er übertrieben altmodisch und beugte sich steif zu mir herunter.
"Ich meine, ist das vielleicht ein diskreter Versuch, mir mit Ihrem Ärmel die Zähne zu putzen?"
"Oh, verzeihen Sie."
"Sie stehen auf meinem Hosenumschlag."
"Pardon, das ist ..."
"... die einzige Hose, die ich habe."
"Ich bitte vielmals um Entschuldigung ..."
"Schon in Ordnung. Sagen Sie dem Oberkellner, er soll sich mit den Wachteln Zeit lassen. Wir halten uns noch ein Weilchen beim Horsd'oeuvre auf."
"Fühlen Sie sich jetzt besser?“, fragte Linda, als er in der Küche verschwunden war. Ihre Augen funkelten böse. "Was wollten Sie sich denn damit beweisen? Dass Sie nur ganz zufällig in diesem Aufzug hier hereingeraten sind und Horsd'oeuvre richtig aussprechen können?"
"Ich kann's sogar buchstabieren, wenn Sie wollen. Mein Vater, oder der, der sich mir gegenüber dafür ausgegeben hat, war Chefkoch auf einem Ozeanklipper."
"Das ist aber kein Wink mit dem Zaunpfahl, um wegen überdurchschnittlicher Bildung die Tagesgage heraufzusetzen?"
"Gutes Stichwort. Ich finde, dass ich bis jetzt noch keine hundertfünfundsiebzig am Tag wert war. Wollen Sie mir nicht sagen, wen oder was wir suchen?"
Vielleicht hätte ich das nicht fragen sollen, jedenfalls nicht vor dem Hauptgericht oder nachdem sie ihre Hälfte des Weins intus hatte, denn ihre Pupillen wurden so schmal, als versuchte ich mir ihre getragene Unterwäsche anzueignen.
"Sie sind doch nie im Leben Journalistin, nicht mal Gelegenheitsjournalistin, Linda. Wenn ich Ihnen etwas nicht abnehme, dann dass Sie für den Klüngel da oben arbeiten", sagte ich und deutete zur Restaurantdecke. "Born ist nicht ohne überdimensionale Verdauung zum Chefredakteur seines Magazins geworden. Er verbraucht reihenweise Mitarbeiter, wenn er dafür auch nur ein Prozent bei seinem Verleger zulegen kann, und Sie sind eine viel zu intelligente Frau, um auf seine Bauernfängertricks hereinzufallen."
"Danke für das Kompliment", sagte sie und sah mich so ungerührt an, als hätte ich nur versucht, ihr beim Aussteigen aus dem Taxi behilflich zu sein.
"Vielleicht verfolgen Sie ja irgendeine Sache auf eigene Rechnung, und ich finde, nachdem wir die Probezeit hinter uns haben, sollten Sie das Versteckspiel ad acta legen und mir einfach sagen, worum es geht."
"Hm, finden Sie wirklich?"
"Und ob", bestätigte ich.
"Die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit?"
"Oder wenigstens etwas, das halbwegs danach aussieht", sagte ich bescheiden.
"Die Wahrheit ist verdammt noch mal nichts für kleine Jungen, die sich im Detektivspiel versuchen wollen und es nie weiter als bis zu einem elenden Klappbett im eigenen Büro gebracht haben."
"Danke, aber mein Bedürfnis nach Bequemlichkeit ging nie so weit, um Überstunden für eine echte Latex-Matratze zu schinden."
"Geld bedeutet Ihnen nichts?"
"Na, sagen wir mal, wenn Sie mir mein Honorar in bar oder Naturalien anböten, würde ich zweifellos die Naturalien vorziehen."
"Naturalien?"
"Damit meine ich, dass ich nun mal hoffnungslos Ihrem weiblichen Charme verfallen bin und dass ich alles für ein kleines Lächeln von Ihnen tun würde."
Während des Essens hatte ich das Gefühl, sie dächte zu lange über meine Worte nach. Vielleicht kam sie dabei ja auch nur zu dem Schluss, der Konsumrausch sei doch nicht der Weisheit letzter Schluss und dass sie ihr königliches Baldachinbett in irgendeiner Nobelvilla nur dem Schweiß einiger folgsam mit ihren Henkelmännern zum Werkstor pilgernden Mitmenschen zu verdanken hatte.
Was auch immer in ihrem hübschen Köpfchen vorging, während sie die Wachtelbeine auf dem Teller mit der Gabel zerfetzte – sie war so tief in Gedanken versunken, als gebe es mich gar nicht.
Schließlich hob sie den Kopf und sah mich überrascht an.
"Ich habe einfach nicht damit gerechnet, dass Sie mir so unverblümt den Hof machen. Das kompliziert unsere Zusammenarbeit."
"Und aus welchem Grund? Es gibt Menschen, die dazu noch eine ganz altmodische Beziehung haben."
"Weil ich allergisch gegen schmierige kleine Liebesaffären bin. Weil sie oft auf dunklen Parkplätzen enden."
"Dann scheinen Sie schlechtere Erfahrungen als ich gemacht zu haben. Ich beende meine Liebesaffären immer in passender Umgebung."
Sie warf mir einen amüsierten Blick zu. "Wenn das Ihr ganzes Repertoire ist, Winger, um kleine Mädchen rumzukriegen, sollten Sie mal die Methode wechseln."
"Würden Sie mir jetzt gefälligst mitteilen, um welche Art von Zusammenarbeit es sich handelt?"
"Ich dachte, es genügt, wenn ich Sie als Leibwächter engagiere?"
"Nehmen wir mal an, es würde tatsächlich genügen. Dann sollten Sie mir wenigstens sagen, wer es auf Sie abgesehen hat. Und zwar aus ganz praktischen Gründen. Weil ich mich darauf einstellen kann. Weil ich dann nicht bei jeder Nonne in der Menge argwöhnen müsste, der Vatikan habe sie mit einem Klappmesser auf Sie angesetzt."
Linda sagte, sie wolle meinen Ratschlag beherzigen und darüber nachdenken. Aber dafür brauche sie ein paar Tage. Weil es nämlich ein besonderes Stück Story sei, und vielleicht sogar noch etwas mehr, und wenn irgend jemand – gar nicht mal aus böser Absicht, sondern nur aus Nachlässigkeit – davon erfahre, lande ihre Geschichte mit tödlicher Sicherheit bei der Konkurrenz. Sie sprach das Wort "tödlich" so aus, als habe es die Härte und Durchschlagskraft eines Neunmillimetergeschosses.
Die Stadt war schon seit langem ein Zwitter, eine seltene Mischung aus Biederkeit und hinterhältiger Grausamkeit. Ich habe zu viele ihrer Hinterhöfe gesehen, zu viele geheime Keller, Bars und Klubs für Mitglieder, Zimmer hinter Tapetentüren in schäbigen kleinen Hotels, Zockerklubs hinter Rezeptionen, wo man eigentlich nur eine Abstellkammer vermuten sollte.
Und nirgendwo findet man öfter jenen Typ von bleichen verwirrten Drogensüchtigen, die so unerwartet nach einem schmalen Flur oder Tordurchgang auftauchen wie ein Rottweiler, der einem ans Hosenbein will.
Aber wenn man seine Koffer packte, kam man damit nicht automatisch schon an einen Ort, der einem das Gefühl verschaffte, zur Ruhe zu kommen.
Solche Orte gibt es überhaupt nicht – vielleicht am Amazonas, in irgendeiner Waldidylle, an einem der kleinen Kahlschläge auf dem Ufer mit einfachen Pfahlbauten und Dächern aus Palmwedeln, wenn die Moskitos noch darüber nachdenken, ob sie lieber nach Süden oder nach Norden ziehen sollen und jedenfalls die Dämmerung oder einen Schweißausbruch für ihre Attacken abwarten, denn was uns die Experten über die grüne Hölle weismachen wollen, ist nichts weiter als ein verzerrtes Bild aus Abenteuerbüchern.
Eine amerikanische Kleinstadt signalisiert einem sofort, jemand könnte einem an der nächsten Straßenecke eine runterhauen, nur weil es ihm gerade so eingefallen ist, selbst wenn sie gepflegte kleine Vorgärten und sauber gestrichene Garagentore besitzt, und das hat etwas von ehrlichem Bekenntnis zur Gewalt. Die Bedrohung hängt wie eine große gut lesbare Ankündigung am klaren blauen Himmel.
In Frankfurt sehen selbst die Drogensüchtigen so aus, als seien sie auf dem Wege zur Gesprächstherapie, und dann rammen sie einem an der nächsten Telefonzelle wegen des Wechselgelds ein Messer in die Nieren.
Linda schien mich bei ihren mysteriösen Streifzügen genau in jene Etablissements zu schleppen, mit denen ich schon einmal auf unsanfte Art und Weise Bekanntschaft gemacht hatte.
Das Eduardo im Bahnhofsviertel war eine jener Bars der Größe und Weitläufigkeit, die an ein mittleres Spielkasino erinnern, obwohl sie von der Straßenseite aus eher bescheidene Maße hatte.
Kein dunkler Schlauch der alten Art mit Séparées und stromlinienförmigen Damen an der Theke, die auf ein Getränk eingeladen werden wollen, das nach Cognac aussieht, aber wie Tee schmeckt, sondern eine neue Erfindung, bei der man nie weiß, ob es sich nicht doch nur um eine Billardhalle oder Peepshow, einen Laden für Ehehygiene oder einen Spezialitätenimbiss handelt. Weil sie nämlich alles zugleich sind und es noch gar keinen Namen dafür gibt. Oder ob es eigentlich nur darum geht, den paar großen dunklen Hinterzimmern zur Hofseite eine undurchsichtige Fassade zu geben.
Meiner Meinung nach war Eduardo gar kein echter Portugiese, sondern stammte aus einem Dorf südlich von Casablanca. Aber ein marokkanischer Pass würde der Freizügigkeit in der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft empfindliche Grenzen setzen.
Sein Gesicht war alles andere als afrikanisch, was hätte ihn also daran hindern sollen, dieser Legitimation für den europäischen Markt durch geeignete Papiere nachzuhelfen? Portugiesische Pässe mit Beglaubigung der Behörden in Lissabon und einem amtlichen Auszug aus dem örtlichen Taufregister, der kostenlos beigefügt wird, kann man, wenn man in der Stadt die richtige Adresse kennt, für weniger als tausendfünfhundert bekommen.
Mit einer Einschränkung: Es dürfen keine Hunderter aus dem Farbkopierer sein, weil man die an derselben Stelle für dreißig Mark kaufen könnte. Das Geschäft würde sich sonst nicht rechnen.
Eduardos Geschäftsführer mochte mein Gesicht nicht. Eduardos Geschäftsführer mochte überhaupt keine Gesichter, wenn sie es darauf anlegten, ihre Nasenspitzen in Eduardos Hinterzimmer zu stecken. Aber das war nun einmal meine gottverdammte Aufgabe gewesen, nachdem ich darauf eingegangen war, für einen geschäftlichen Konkurrenten Eduardos nachzuweisen, dass Eduardo lieber schleunigst in sein Heimatdorf an der marokkanischen Atlantikküste zurückkehrte.
Eduardo hatte das gar nicht gefallen, seinem Geschäftsführer nicht und mir auch nicht. Darin waren wir uns alle einig gewesen. Soviel Einigkeit ist selten. Trotzdem hatte sie Eduardos Geschäftsführer Balwin ein paar Tage Bettruhe und Erholung eingetragen.
"Müssen wir wirklich ins Eduardo?“, fragte ich. "Sind Sie da sicher, Linda?"
Wir standen auf der Straße neben dem Eingang, und Linda trat ans Schaufenster und versuchte zwischen den grünen Vorhängen aus Plastikfolie einen Blick ins Innere des Lokals zu werfen.
"Sie war hier", sagte sie und wiegte nachdenklich den Kopf. "Das ist das letzte, was ich über sie herausbekommen habe."
"Wer war hier?"
"Das Mädchen vom Phantombild."
"Herzlichen Dank, dass Sie sich jede Silbe über den Fall einzeln entreißen lassen wollen, Linda. Das macht die Sache etwas spannender für mich. Mein Leben ist eine einzige Kette langweiliger Alltäglichkeiten, und da freut man sich doch über jeden kleinen Nervenkitzel, selbst wenn er aus nichts weiter als den Wortkrumen besteht, die beim Nachdenken aus Ihrem hübschen Mund fallen."
"Was haben Sie gerade gesagt?“, fragte Linda und sah mich entgeistert an.
"Schon gut. Versuchen Sie gar nicht erst, das in einfaches Alltagsdeutsch zu übersetzen."
"Sie mich auch ..." sagte sie erbost und stellte sich mit in die Hüfte gestemmten Armen vor mich hin. "Nun hören Sie mir mal gut zu, Winger. Ich zahle Ihnen hundertfünfzig am Tag, damit sie mich unterstützen und nicht weil ich scharf drauf wäre, dass Sie mir mit Ihren Kommentaren auf den Wecker gehen. Wenn Sie der Fall langweilt oder wenn Sie meine Methode in Zweifel ziehen, dann ..."
In diesem Augenblick flog die Schwingtür auf, und Balwin kam in seinem albern wippenden Gang heraus – albern wippend, weil er größer wirken wollte und hochhackige Schuhe mit schweren Absätzen trug, die mich immer an spanische Toreros erinnerten. Obwohl ich gar nicht sicher war, ob ein Torero damit in der Arena überhaupt eine Chance gehabt hätte. Er hielt zwei Aktenmappen unter dem Arm und in der rechten Hand eine schwere Ledertasche, als sei er Vertreter.
"Winger?" flüsterte er fast lautlos und sah mich ungläubig an. "Welcher Teufel reitet Sie denn, dass Sie sich immer noch in der Stadt aufhalten?"
"Hundertfünfundsiebzig", sagte ich an Linda gewandt. "Oder ist mein Kurs wegen meines kleinen Schwächeanfalls gestern Abend um fünfundzwanzig gefallen?"
Linda steuerte wortlos auf den Eingang zu und drückte mit den Fingerspitzen die rechte Hälfte der Schwingtür nach innen.
"Tut mir leid, das Lokal ist momentan geschlossen", sagte Balwin.
"Aber die Tür steht doch offen, oder?"
"Die Tür steht offen", bestätigte er. "Aber das Lokal ist geschlossen."
"Na schön, so was soll's geben", sagte Linda. "Was halten Sie davon, Winger?"
"Soll das heißen, ich bin wieder eingestellt?"
"Ich kann mich nicht erinnern, Sie rausgeworfen zu haben."
"Und was da eben wie 'hundertfünfzig' klang, gehört auch nur in den Bereich der akustischen Halluzinationen? Also unter diesen Umständen", sagte ich und schob die andere Hälfte der gläsernen Schwingtür nach innen, "würde ich meinen, dass Eduardos Betrieb nicht geschlossen sein kann, weil sich darin eine Menge Kunden aufhalten."
"Es ist geschlossen, weil ich es sage", erklärte Balwin.
"Jetzt, in diesem Augenblick?“, fragte Linda und sah auf ihre Armbanduhr. "Um zwanzig vor zwölf?"
"Meinetwegen auch um zwanzig nach zwölf. Wollen Sie mir deswegen Vorschriften machen?"
"Lieber Himmel, Balwin, hat Ihnen denn Eduardo immer noch nicht gesagt, dass ich jetzt sein bester Freund bin?" Mit diesen Worten ging ich einfach hinein, und Linda kam mir nach und ließ die Glastür genau in dem Augenblick vor Balwins Nasenspitze zufallen, als er mit seinen Mappen und der Ledertasche eine Kehrtwendung gemacht hatte, um uns zu folgen.
Ich steuerte schnell auf eine schmale Tür hinter der Theke zu, die wegen ihrer Scheibe aus Spiegelglas leicht als Eingang von Eduardos Büro zu erkennen war. Im Regal an der Rückwand stand ein auf Hochglanz poliertes Messingschild mit der Aufschrift: LIGA GEGEN AUSLÄNDERHASS – Sektion Frankfurt.
Als ich hinter der Theke stand, fragte mich ein dünnes Mädchen in rosa Leinenkleid mit Samtträgern, wohin ich wolle. Sie sah mich so aufmerksam an und klimperte so nervös mit ihren schwarz bewimperten Augenlidern, den schwach geschminkten Mund leicht geöffnet, als erwarte sie irgendeinen Zauberspruch von mir, der sie von der Pflicht erlöste, sich einem Kerl wie mir in den Weg zu werfen.
Ich murmelte etwas Unverständliches und deutete auf Balwin im Eingang. Dann schob ich Linda in Eduardos Büro und drehte hinter mir den Schlüssel im Schloss um.
Eduardo kam wie eine mächtige, erschreckende Masse Mensch hinter seinem Palisanderholzschreibtisch hoch. Ich hatte ihn nicht so groß und voluminös in Erinnerung, aber er war schon immer ein guter Esser gewesen. Er hielt etwas in der Hand, das wie dünnes, zerbrechliches Glas aussah – drei Ampullen, die eine hellbraune Flüssigkeit enthielten. Als er mich und Linda entdeckte, nahm er sie, eilig wieder von der Schreibtischplatte und legte sie ins Fach zurück.
"Immer noch in denselben Nebengeschäften tätig, Eduardo?“, fragte ich. "Bisschen das Taschengeld aufbessern? Hat die Polizei denn gar keinen Ehrgeiz, dieses schöne Viertel von bösen Drogen zu säubern? Und das Schild da?“, erkundigte ich mich und deutete auf das gleiche polierte Messingschild mit der Aufschrift: LIGA GEGEN AUSLÄNDERHASS auf seinem Schreibtisch wie im Lokal. "Ist das etwa eine neue Methode der armen verfolgten Mitbrüder draußen vor unseren Grenzen, um mit all den himmelschreienden Ungerechtigkeiten wegen der Verteilung unserer Sozialhilfe fertig zu werden?"
"Reden Sie doch keinen Blödsinn", sagte er böse. "Sie hören sich ja schon an wie einer dieser verdammten Rechtsextremen. Wie kommen Sie überhaupt hier herein?"
"Ihr Wachhund Balwin war so entgegenkommend, bei der Türdame ein gutes Wort für uns einzulegen."
"Tja", murmelte er, dabei strich er sich unschlüssig mit der Daumenspitze übers Brustbein und zupfte am wuchernden schwarzen Haar, das aus seinem Hemdausschnitt lugte. Schließlich verklärte ein breites Lächeln sein Gesicht – und dieses Gesicht war ungefähr so groß und oval wie ein Tennisschläger, nur nicht so sauber verspannt. "Das muss ich dann ja wohl glauben, Winger. Was führt Sie zu mir?"
"Linda", sagte ich. "Jetzt sind Sie an der Reihe."
"Hübscher Name", nickte Eduardo. "Passt zum angenehmen Rest. Linda – und wie weiter?"
Jemand hämmerte draußen laut gegen Eduardos Bürotür. Dann fragte Balwins besorgte Stimme: "Alles in Ordnung, Chef? Macht er wieder Schwierigkeiten? Soll ich ein paar Leute besorgen?"
"Nein, nicht nötig", sagte Eduardo über die Sprechanlage. Und, nachdem er sich wieder mir zugewandt hatte: "Wir sind doch nicht nachtragend, Winger? Sie sind doch ein Mensch, der eigentlich ein Herz für Ausländer hat? Als Sie mich damals nach Portugal zurückschicken wollten, geschah das doch nur, weil Ihnen einer meiner liebenswerten Konkurrenten im Viertel Flausen in den Kopf gesetzt hatte ..."
"Marokko", verbesserte ich.
"Mein Gott, ist das lange her", sagte er und hob ergebungsvoll seine großen weißen Hände, deren Finger so aussahen, als habe man ihre Kuppen mit Bimsstein und die Nägel mit einer groben Pfeile bearbeitet. "Ich erinnere mich schon gar nicht mehr an meine Heimat. Ich bin jetzt portugiesischer Staatsbürger mit allen Rechten und Pflichten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft."
Linda setzte sich in einen der Sessel vor dem Schreibtisch und schlug die Beine übereinander.
Eduardo musterte sie so interessiert, als seien Lindas Beine plötzlich der einzige interessante Gegenstand auf der Welt – als entdecke er außer Drogen und seinem Laden noch etwas anderes, das die Beschäftigung lohnte. Und er hatte natürlich recht, Lindas Beine lohnten mehr als eine Beschäftigung. Wenn Gott die Frauenbeine geschaffen hat, um bei uns Männern den Verstand außer Kraft zu setzen, damit wir auf das immer gleiche Bisschen Fassade hereinfallen, dann war es ihm bei Linda besonders gut gelungen.
"Ich sehe Ihnen ja an, dass Sie so was wie ein Fachmann in Sachen Beinen sind, Eduardo. Das bringt Ihr Beruf in diesem Gewerbe nun mal so mit sich. Aber sollten unsere Augen jetzt nicht wieder nach oben rutschen?"
"Ist das Eifersucht oder einfach nur Anstand bei Ihnen, Winger?“, fragte er, ohne den Blick von Lindas übereinandergeschlagenen Beinen abzuwenden.
"Beides. Ihr verdammten Muslime seid doch nur so außer Rand und Band, weil ein paar prüde Geistliche mit Potenzproblemen euch gesagt haben, man müsse alles, was schön an den Frauen ist, verhüllen. Und nun glaubt ihr hier bei den Ungläubigen wildern zu können, weil sie nach euerer Lehre gar keine richtigen Menschen sind."
"Quatsch", sagte er. "Hab' nie was mit dem Koran am Hut gehabt."
"Sind Sie eigentlich wirklich der Besitzer dieses schönen Etablissements, Eduardo?“, erkundigte sich Linda.
"Sicher, warum fragen Sie?"
"Oder gibt es Teilhaber?"
Eduardo ließ sich nicht anmerken, dass ihn die Frage ärgerte. Zumindest war das für einen weniger geübten Beobachter kaum zu erkennen. Aber ich kannte ihn inzwischen gut genug, um am unmerklichen Zittern seines weißen Wabberkinns und seinen in den Jackentaschen geballten Fäusten zu sehen, dass ihn das in diesem Viertel besser keiner fragte – und schon gar keine Frau. Es ging gegen seine Ehre als Nordafrikaner. Ein Geschäftsmann wie er war von niemandem abhängig, nicht mal von einem Teilhaber.
"Wie kommen Sie bloß auf diesen Quatsch?“, fragte er. Quatsch schien sein neues Lieblingswort zu sein.
"Es heißt, der ganz Block gehöre ein paar Anlegern, die lieber nicht bekannt werden wollten."
"So? Nie was von gehört."
"Der Block – und wahrscheinlich noch ein ganzer Teil des Bahnhofsviertels."
"Die Besitzer sind alle fein säuberlich im städtischen Grundbuch aufgelistet", sagte er. "Wenn es Sie interessiert, gebe ich Ihnen gern die Adresse vom Amt?"
"Nein, das wird nicht nötig sein."
Eduardo nickte, als habe er nichts anderes erwartet, und setzte sich achselzuckend hinter seinen Schreibtisch. "Darf ich fragen, was Sie beide zu mir führt? Doch wohl nicht die Frage, wie viele Hausbesitzer das Viertel hat?"
"Nein, allerdings nicht", bestätigte Linda. Sie zog ein Blatt Papier aus ihrer Tasche. "Man sagt, das Mädchen auf dem Phantombild habe mit dem Besitzer dieses Etablissements ein Verhältnis gehabt."
Eduardo nahm das Blatt und schüttelte mürrisch den Kopf. "Der Besitzer bin ich, wie gesagt ..."
"Es geht das Gerücht um, viele Besitzer hier in der Gegend seien nur Strohmänner für reiche Anleger, die selbst nicht in Verruf kommen möchten, sich mit solchen Geschäften ein Zubrot zu verdienen."
"Gerüchte, Gerüchte ... haben Sie da jemand Bestimmten im Auge?"
"Sagt Ihnen der Name Elmond etwas?"
"Elmond, Elmond? Ist das nicht ein Bonner Politiker? Ich glaube, ich hab' kürzlich mal was in der Zeitung über ihn gelesen. Einer von diesen Burschen, die uns Ausländern nicht so grün sind, wie sie's eigentlich nach der Verfassung sein sollten."
"Ich meine nicht Peter Elmond, den Vorsitzenden des Wehrausschusses im Bundestag, sondern seinen Vater."
"Ja richtig, Elmonds Vater." Eduardo lehnte sich in seinem Sessel zurück und musterte mich voller Unbehagen. "Haben Sie mir die Kleine auf den Hals gehetzt, Winger? Ist das wieder mal auf Ihrem Mist gewachsen? Etwa eine neue Attacke, um ehrbare Kaufleute zu diskreditieren?"
"Nein, ich bin nur Lindas Begleiter. Ich passe auf, dass ihr bei der Suche niemand zu nahe kommt."
"Suche wonach?“, fragte er.
"Nach dem Mädchen auf dem Phantombild, nehme ich an – oder, Linda?"
"Wie man's nimmt, ja."
"Was denn nun – wie man's nimmt? Oder ja?“, fragte ich.
Linda warf mir einen bösen Blick zu und steckte das Blatt mit dem Phantombild wieder in ihre lederne Umhängetasche. "Ich sagte Ihnen doch schon, Winger, dass ich Sie nur bezahle, damit sie mich unterstützen und nicht weil ich scharf drauf wäre, dass Sie mir mit Ihren Kommentaren auf den Wecker gehen. Wenn Sie die Arbeit langweilt oder wenn Sie meine Methode in Zweifel ziehen ..."
"Ihr beide seid mir ja ein hübsches Pärchen", meinte Eduardo und rekelte sich amüsiert in seinem schwarzen Drehsessel, die Arme über den Lehnen baumelnd.
"Es wäre natürlich schön, wenn Sie sich noch an den Namen Ihres Teilhabers erinnern könnten", sagte Linda.
"Und weshalb sind Sie so verlegen darum? Warum wollen Sie das Mädchen finden? Hat es irgend etwas ausgefressen – natürlich, sonst würd's ja nicht mit einem Phantombild gesucht", fügte er nachdenklich hinzu.
"Ich möchte es finden, aber nicht, weil es irgend etwas ausgefressen hätte. Phantombilder werden von der Polizei auch eingesetzt, wenn man nur jemanden in einem Mordfall sucht, der den Behörden weiterhelfen könnte. Weshalb ich sie suche, steht auf einem anderen Blatt. Das ist meine Privatsache."
"Ein Mordfall, sieh mal einer an. Wer ist denn ermordet worden, wenn ich fragen darf?"
"Ihr Kompagnon Robert Elmond, nehme ich an."
Wenn Eduardo diese Antwort überraschte, dann spielte er seine Überraschung wirklich gut. Er schwang seinen Drehsessel herum, und einen Moment lang sah es ganz so aus, als verlöre die mächtige, erschreckende Masse Mensch von hundertdreißig Kilo Lebendgewicht dabei das Gleichgewicht. Doch er fing sich noch rechtzeitig mit beiden Händen an der Tischplatte ab und kam vorgebeugt, die Ellenbogen aufgestützt, zum Halten.
"Davon weiß ich nichts? Das ist ..."
"Die Polizei hält den Namen des Ermordeten noch geheim. Sie spricht nur vage von einem Frankfurter Kommunalpolitiker. Elmond war doch Politiker, oder?"
"Rechtsanwalt, er war vor allem Rechtsanwalt."
"Schließlich hat er sogar irgendwann für den Posten des Oberbürgermeisters kandidiert", sagte Linda.
"Das ist lange her. Danach ging er wieder in seinen alten Job zurück."
"Aber vor einiger Zeit plante er plötzlich sein Comeback. Woher dieser Sinneswandel? Man munkelte sogar, er sei scharf darauf, in die Landespolitik zu gehen. Man munkelte, er rechne sich Chancen für die höchsten Posten aus. Das Amt des Wirtschaftsministers oder sogar des Ministerpräsidenten."
"Da verwechseln Sie ihn vermutlich mit seinem Sohn Peter Elmond. Der steckt bis zum Hals in der Bundespolitik und gibt dort gar keine schlechte Figur ab, wie ich gehört habe."
"Nein, ich meine seinen Vater. Ist es richtig, dass sich die beiden entzweit hatten?"
"Ziemlich, ja."
Linda nickte und schwieg. Sie nahm das rechte Bein herunter und legte das linke über das rechte, und Eduardo sah ihr wieder dabei zu. Aber seine Gedanken weilten ganz woanders, vielleicht bei den Elmonds und ihren politischen Plänen und jedenfalls nicht bei einem Sonnenschein wie Linda, denn sein Gesicht sah so finster umwölkt aus, als ziehe gleich eine Schlechtwetterfront herauf.
Dann sagte er: "Dass der alte Elmond plötzlich tot sein soll, will mir nicht in den Kopf.
"So alt war er ja noch gar nicht mal", widersprach Linda. "Sechsundfünfzig, das ist bestes Mannesalter. Er hatte noch alles vor sich. Außerdem soll er sehr attraktiv gewesen sein. Sein Sohn ist jetzt neununddreißig. Das macht – ja, er muss ihn schon mit siebzehn ...."
"Wie ist Elmond denn ums Leben gekommen?"
"Wäre ich hier, wenn ich das wüsste?“, fragte Linda.
"Und warum glauben Sie, dass er ermordet wurde?"
"Ich sah das Phantombild des Mädchens in der Zeitung. Ich fand es merkwürdig, dass die Polizei keine weiteren Angaben zu dem Fall machte. Das ist doch ungewöhnlich, finden Sie nicht? Dafür musste es irgendeinen Grund geben. Die Polizei sprach nur von einem Gewaltverbrechen und dass das Mädchen vielleicht so etwas wie ein Callgirl oder eine Prostituierte sei. Also machte ich mich daran, der Sache nachzugehen. Ich hörte mich in den Kreisen um, die dafür in Frage kommen. Bordelle, Peepshows, Bars, Privatklubs. Leider sind das nicht gerade wenige", seufzte sie.
"Was bringt Sie denn dazu, der Polizei ins Handwerk zu pfuschen?“, erkundigte sich Eduardo. Für wen arbeiten Sie eigentlich?"
"Ich bin Journalistin."
"Und da kommen Sie ausgerechnet zu mir? Wenn man wie ich aus einem Land der Dritten Welt stammt, kann man keine Öffentlichkeit brauchen."
"Ich mache auch nur meinen Job, Eduardo – wie jeder andere. Wir müssen alle sehen, wo wir bleiben, und mein Job ist es nun mal, gute Storys aufzureißen."
"Na, Sie sind mir ja ein Früchtchen", sagte Eduardo und ließ sich wieder in seinen Drehsessel zurücksinken. "Sie kommen mit einem meiner ältesten Feinde in der Stadt hereinspaziert und stellen mir Fragen. Wissen Sie, dass Winger den armen Balwin ganz schön vermacht hat? Ich habe ihn in einer norddeutschen Spezialklinik wieder zusammenflicken lassen müssen. Das hat mich ein paar Riesen und ziemlich viel Nerven gekostet, weil Balwin zwar ein guter Buchhalter ist, aber wenig einstecken kann. Und jetzt sitzt dieser Stinker in seinen schmierigen Klamotten da, grinst mich unverschämt an und versaut mir meine guten Ledersessel."
"Seien Sie doch mal nett zu einem armen Mädchen wie mir", sagte Linda. "Säße ich denn ohne Winger hier in Ihrem Büro, Eduardo?"
"Ich könnte sogar sehr nett zu Ihnen sein – wie ein guter Afrikaner. Aber was springt schon dabei für mich heraus, wenn ich mich in einen Mordfall einmische? Nur Ärger."
"Nein, mehr", widersprach Linda.
"Mehr? Wie soll ich das verstehen?" Eduardo zauberte eine kleine Silberpfeife aus der Schublade, zündete sie seelenruhig an, nahm zwei, drei tiefe Züge, sah versonnen dem bläulichen Cannabinoldunst nach und legte sie wieder zurück. Sein großes ovales Tennisschlägergesicht wurde für einen Moment so entspannt, als sei er jetzt bereit, jeden Wortball der Welt in die gegnerische Hälfte zurückzuschmettern.
"Wir verstehen uns schon, Eduardo", sagte Linda.
"Verstehen, nein."
"Elmonds Witwe oder sein Sohn könnten schließlich eines Tages auf die Idee kommen, sich zu erkundigen, ob irgendwo noch ein Wechsel herumliegt, von dem sie nichts wissen."
Eduardos Augen verengten sich zu Schlitzen. Der Spuk von plötzlichem Wohlbefinden endete so schnell, wie er gekommen war – oder sein Misstrauen war erwacht, und er hatte plötzlich den richtigen Geistesblitz.
"Ein Wechsel, wofür?"
"Denken Sie mal an die andere Hälfte des Besitzes."
"Welche andere Hälfte? Was ist damit?"
"Sie könnten sie behalten. Als kleine Gegenleistung für Ihr Entgegenkommen."
"Ich könnte sie ..." Er warf Linda einen entgeisterten Blick zu. "Etwa, weil Sie es sagen?"
"Weil niemand einen Anspruch darauf anmeldet, Eduardo."
"Wie kommen Sie nur auf diesen gottverdammten Blödsinn", sagte er wütend. "Nehmen wir einmal an, an Ihrer Geschichte mit dem verstorbenen Teilhaber, den ich auf die kalte Tour beerben sollte, sei etwas dran – dann haben Sie die Sache doch von jemand anders erfahren. Also könnten Sie mir auch gar nicht garantieren, dass sie nicht doch eines Tages publik würde."
"Ich könnte Ihnen garantieren, dass ich sie nicht publik mache, Eduardo. Und ich kann Ihnen garantieren, dass derjenige, der mich darauf gebracht hat, von den Besitzverhältnissen selbst gar nichts weiß."
"Wie das?“, fragte Eduardo ungläubig.
"Jemand sagte mir, das Mädchen habe für kurze Zeit in diesem Etablissement gearbeitet. Nicht aus Überzeugung übrigens, sie benutzte ihren schönen Körper nur als Sprungbrett. Dabei muss sie sehr schnell herausbekommen haben, wer der wirkliche Herr im Hause war, und machte sich an Elmond heran."
"Na und?“, sagte Eduardo. "Das beweist noch gar nichts."
"Dieser Jemand erkannte sie auf dem Phantombild. Er ahnte nichts von Elmonds Strohmann-Geschäften, er kannte nur seinen Namen und wusste, dass er Rechtsanwalt war. Aber er hatte das Mädchen damit prahlen hören, es werde schon bald die heimliche Besitzerin des Eduardo sein. Und dann werde sie diesen nachgemachten Portugiesen wieder dahin zurückjagen, wo er hingehöre, nämlich in die marokkanische Wüste."
"So ein Miststück", seufzte Eduardo.