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Eine verrückt-liebenswerte Familie – das dritte Abenteuer der Buddenbergs! Die neunjährige Mia hat die trubeligste Patchworkfamilie, die man sich vorstellen kann. Kein Wunder, dass bei den Buddenbergs immer was los ist und sie von einem Abenteuer ins nächste stolpern. Am ersten Morgen der Sommerferien kribbelt das ganze Glück der Welt in Mias Füßen. Sechs Wochen Freiheit! Als sie in den vollgepackten VW-Bus steigt, freut Mia sich auf einen ganz normalen Urlaub mit ihrer chaotischen Familie. Sie ahnt noch nicht, dass ein richtiges Sommerabenteuer auf die Buddenbergs wartet … Pauschalurlaub ist was für Anfänger – und nichts gegen einen VW-Bus voller Buddenbergs! Zum Totlachen, zum Mitfiebern, zum wohlig Gruseln. Nicht nur zur Ferienzeit ein Muss für alle kleinen und großen Chaoten. »Eine sehr charmante Familiengeschichte – da stekt viel Liebe drin!« Tanya Stewner Mit vielen Bildern von Florentine Prechtel. Alle Bände von »Wir Buddenbergs«: Band 1: Wir Buddenbergs – Der Schatz, der mit der Post kam Band 2: Wir Buddenbergs – Der Geheimnis vor der Tür Band 3: Wir Buddenbergs – Abenteuer machen keine Ferien Serie bei Antolin gelistet
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Seitenzahl: 139
Antje Herden
Wir Buddenbergs
Abenteuer machen keine Ferien Band 3
FISCHER E-Books
Am ersten Morgen der großen Ferien schlug ich die Augen auf, und das Glück der Welt kribbelte in meinen Füßen.
»Juchhu! Wir fahren heute in den Urlaub«, flüsterte ich den Staubkörnchen zu, die in einem Sonnenstrahl vor meiner Nase herumtanzten.
Wenn die ganze Herrlichkeit des Sommers vor einem liegt, ist das der allerbeste Grund für das allerkribbligste Fußkribbeln überhaupt. Darum kam ich gar nicht auf die Idee, dass es auch noch etwas anderes bedeuten konnte, nämlich die Ankündigung des ganz und gar unheimlichen Seeabenteuers, das auf uns wartete.
Wir hatten unseren alten VW-Bus schon am Abend vorher gepackt, damit wir gleich früh am Morgen losfahren konnten.
Opipi nannte unseren Urlaub Die Sommerfrische, mein großer Bruder Joshua Die Alltagspause und Mama Die große Flatter. Luis und Lukas, die Zwillinge, sagten Reltweise und Weltreise. Luis vertauscht nämlich manchmal die Buchstaben. Doch ganz egal, wer wie dazu sagte, das Wichtigste war, dass wir Buddenbergs zusammen in die Welt hinauszogen. Oder zumindest aus der Stadt hinaus und irgendwo anders hin. Ich bin Mia und sehr gerne zu Hause, aber noch lieber unterwegs. Unterwegs erlebt man ganz besondere Abenteuer, und ein gutes Leben braucht beides: Zuhause- und Unterwegsabenteuer.
Nach dem Frühstück suchten wir uns alle ein Plätzchen zwischen unseren Campingsachen, die sich bis an den Bushimmel türmten. Mein Herz hüpfte vor Freude, aber nicht nur meins. Wir alle konnten es kaum erwarten loszukommen.
Leider ging es am Anfang nicht ganz so schnell.
»Leinen los und Schiff ahoi!«, rief Mama.
Opipi kicherte. »Na, das wollen wir doch erst mal sehen.«
»Was soll denn das bedeuten?«, fragte Mama und schnallte sich an.
»War nur so ein flüchtiger Gedanke«, sagte Opipi.
Ich musste mir ein Grinsen verkneifen und hörte Joshua hinter mir leise lachen. Opipi, Joshua und ich wussten, dass bestimmt noch irgendwas dazwischenkommen würde.
Opipi saß vorne neben Mama, auf dem Shotgun-Sitz. Vielleicht fragt ihr euch, was das ist. Das ist der Beifahrersitz und der wichtigste Sitz überhaupt. Das hatte uns Opipi erklärt. Denn der Beifahrer musste für die Sicherheit des Fahrers sorgen. Mit einer Shotgun, also einem Schießgewehr, auf der Flucht vor Banditen. Oder mit Getränken, Karamellbonbons und einer Straßenkarte, wenn man nur so unterwegs war, in den Urlaub zum Beispiel.
Eine Straßenkarte wollte Mama nicht, auch kein Navigationsgerät und schon gar keine Tipps von Opipi. Das ist typisch Mama. Wie immer hatte sie sich die Strecke zu Hause am Computer eingeprägt. Oder zumindest angeguckt. Zur Sicherheit verriet sie aber niemandem, wo sie eigentlich hinwollte. So konnte sich hinterher auch keiner beschweren. Das kannten wir schon und ahnten, dass Mama ziemlich oft ganz woanders hingewollt hatte als an den Ort, an dem wir am Ende landeten.
Neben mir rutschten und zappelten meine Zwillingsbrüder Luis und Lukas herum. Sie hatten ihre großen Kuschelkissen und Unmengen Bilderbücher dabei und überlegten gerade, wie viele Zentimeter der Autobank jedem für seine Sachen zustanden. Lukas hatte sogar mein Geodreieck in den Bus geschmuggelt, um das ganz genau auszumessen. Mir war das egal. Dem Dreieck fehlten sowieso schon zwei Ecken, und für das nächste Schuljahr würde ich ein neues brauchen. Doch an die Schule wollte ich die nächsten sechs Wochen lang nicht den klitzekleinsten Gedanken verschwenden.
Auf der hintersten Bank hatte Joshua es sich bequem gemacht. Er war wie immer mit schwarzem Kajal und blutrotem Lippenstift geschminkt. Seinen schwarzen Mantel trug er aber nicht. Immerhin wollten wir ja zelten. Da wäre so ein langer Mantel ziemlich unpraktisch gewesen. Joshua steckte mit seiner Nase tief in einem dieser kleinen gelben Heftchen, in denen seine geliebten Theaterstücke stehen.
»Alles angeschnallt?«, fragte Mama.
»Ja, Mama!«, antworteten wir.
»Kinder, ihr wisst doch, welch wichtigen Sitz ich eingenommen habe, nicht wahr?«, fragte Opipi.
»Den Shotgun-Sitz«, krähte Lukas.
»Damit Mama in Hicherseit ist«, rief Luis.
Opipi nickte zufrieden. Mama steckte den Schlüssel ins Zündschloss, der Motor heulte auf, und wir ruckelten von unserem Grundstück Richtung Unterwegsabenteuer.
Also beinahe jedenfalls. Denn so einfach ist es bei uns nie.
In Wirklichkeit schnallte sich Luis nämlich wieder ab und sprang von seinem Sitz, bevor Mama den Schlüssel umgedreht hatte.
»Das Fuddel! Ich habe das Fuddel vergessen. Ich muss es sofort holen!«, rief er. Dann schob er die Bustür auf und lief zum Haus zurück.
Das Fuddel war ein Stofffetzenwesen mit einem dicken Knoten in der Mitte. Luis erzählte ihm alles, was er erlebte, und er fragte es alle Fragen, die er hatte. Luis besaß auch ein Keah. Das Keah war praktisch das Gleiche wie das Fuddel, nur etwas älter. Sein Zwillingsbruder Lukas kuschelte nicht mit Stofffetzenwesen. Manchmal trug er aber das Keah für ihn, wenn Luis alle Hände voll hatte. Und manchmal erklärte Lukas dem Fuddel und dem Keah die Dinge noch einmal anders. Nämlich immer dann, wenn er das Gefühl hatte, Luis hätte da irgendwas nicht richtig verstanden.
»Die Show beginnt«, sagte Opipi.
Mama stöhnte auf und schnallte sich wieder ab. Dann lief auch sie zu unserem Haus zurück, um Luis aufzuschließen. Sie hatte unseren Ersatzschlüssel in der Dachrinne versteckt, damit Opipis Freund Heribert ihn dort finden konnte. Heribert würde die Blumen gießen und den Postkasten leeren, solange wir nicht da waren.
An die Dachrinne kam Luis nicht heran. Mama auch nicht. Darum musste sie einen leeren Blumenkübel umdrehen und als Tritt benutzen.
Opipi ließ das Seitenfenster herunter.
»Warum benutzt du nicht deinen Schlüssel?«, rief er zu Mama auf dem Blumenkübel hinüber.
»Der ist irgendwo im Bus«, knurrte Mama.
Opipi feixte und zündete sich seine Pfeife an.
»Opipi, du sollst im Bus nicht rauchen«, sagte ich.
Eigentlich wäre es ja gesünder gewesen, wenn Opipi überhaupt nicht geraucht hätte. Das wusste er selbst auch, ich kannte ihn aber gar nicht ohne seine Pfeife.
Mama, Luis und das Fuddel kamen wieder aus dem Haus geflitzt. Mama stieg auf den Blumenkübel, versteckte den Schlüssel in der Dachrinne und stellte den Kübel an seine Stelle zurück.
Gerade als Luis seinen Gurt mit einem Klick wieder eingesteckt hatte, musste Lukas unbedingt noch einmal auf die Toilette.
»Na, wer sagt’s denn«, brummte Opipi. Fröhlich schmunzelnd paffte er zum offenen Busfenster in den Garten hinaus. Opipi hat gerne recht.
»Muss noch jemand aufs Klo?«, fragte Mama.
»Ich muss auch mal«, rief Luis.
Dann schnallte er sich wieder ab und huschte hinter seinem Bruder her. Mama verdrehte die Augen und lief den beiden nach, stieg auf den umgekippten Blumenkübel, fand in der Dachrinne den Schlüssel, stieg vom Blumenkübel herunter und schloss die Tür auf.
Es war klar, dass es noch etwas dauern würde, bevor wir wirklich losfuhren, darum nahm ich meinen Lebensatlas heraus. In den zeichne ich meine Karten, mit denen ich mir alles, was passiert und was ich sehe, ein bisschen besser erklären kann.
Joshuas Smartphone klingelte. Es klingelt nicht oft, denn Joshua hat nicht so viele Freunde. Das liegt daran, dass er ein bisschen anders ist als andere, sagt Opipi manchmal traurig. Ich finde das nicht traurig. Joshua ist eben Joshua. Der beste große Bruder der Welt, der am liebsten Theaterstücke liest und so schön ist wie Schneewittchen.
Ich hörte nicht zu, was er zu besprechen hatte. Aber als er damit fertig war, merkte er, dass er sein Ladekabel vergessen hatte. Darum krabbelte er auch noch einmal aus dem Bus und lief ins Haus.
»Da war’n es nur noch zwei«, sagte Opipi.
Er begann, ein altes Kinderlied zu summen, aus der Zeit, als er selbst noch ein Kind war. Es hieß Zehn kleine Negerlein, und heute darf man es nicht mehr singen, weil man zu niemandem Negerlein sagen darf. Ich summte im Kopf mit. Dann sang ich das Lied leise vor mich hin, aber mit einer ausgedachten Strophe.
»Zwei kleine Buddenbergs,
die saßen noch im Bus,
da kam die Moder-Lise an,
gab einem einen Kuss.«
Opipi musste lachen. Dabei verschluckte er sich an seinem Pfeifenrauch und hustete. Das klang nicht sehr gesund. Ich dachte mir noch eine Strophe aus.
»Ein kleiner Buddenberg
saß ganz allein im Bus,
erstickt’ an seinem Pfeifenqualm,
und darum ist jetzt Schluss.«
Mama und die Zwillinge kamen wieder zurück. Alle stiegen ein, schnallten sich an, und Mama wollte den Motor starten.
»Da fehlt noch jemand«, sagte Opipi.
Erschrocken sah sich Mama um. »Wo ist Joshua?«, fragte sie.
»Im Haus. Sein Ladekabel holen«, antwortete ich.
Wir schauten alle aus den Busfenstern zu unserem Haus. Mama hatte es wieder abgeschlossen. Der Schlüssel lag versteckt in der Regenrinne. Der Blumenkübel stand wieder an seinem Platz. Aus dem Küchenfenster winkte Joshua uns zu.
»Ich werde noch meschugge«, sagte Mama.
»Wirklich?«, fragte Opipi. »Warum denn? Eigentlich ist doch alles wie immer.«
Und plötzlich mussten wir lachen, alle zusammen, bis uns die Tränen die Wangen hinabliefen. Joshua im Haus lachte nicht mit. Er schaute etwas seltsam. Wahrscheinlich wunderte er sich über uns.
Mama stieg wieder aus dem Bus und auf den umgedrehten Blumenkübel, holte den Schlüssel aus der Dachrinne und schloss für Joshua die Tür auf.
Drei Minuten später waren wir endlich unterwegs.
»Wo fahren wir eigentlich hin?«, fragte Luis.
»Lasst euch überraschen«, sagte Mama.
»Wie immer«, murmelte Joshua hinter seinem gelben Heft hervor.
Opipi zwinkerte mir zu, und ich zwinkerte zurück.
»Ich will mein Bunterwegsrot«, krähte Luis.
»Wir sind doch gerade erst losgefahren«, sagte Opipi.
»Wir haben doch gerade erst gefrühstückt«, sagte Mama.
»Aber nun sind wir unterwegs, und dabei isst man ein Unterwegsbrot«, kam Lukas seinem Bruder zu Hilfe. »Ich will meins auch jetzt.«
»Wir werden noch eine ganze Weile fahren«, gab Opipi zu bedenken.
»Woher weißt du das?«, fragte ich. »Hat Mama dir etwa verraten, wo wir hinwollen?«
Joshua lachte laut los. Ich musste ebenfalls grinsen. Niemals hätte Mama vorher irgendetwas verraten. Schon gar nicht Opipi. Mama findet nämlich manchmal, dass Opipi ein Besserwisser ist, und zum Besserwissen will sie ihm keine Gelegenheit geben.
Wie sehr Joshua und ich uns dieses Mal allerdings irrten, konnten wir in dem Moment nicht wissen. Wir hatten ja noch nicht einmal die Stadt verlassen, und unser unglaubliches Unterwegsabenteuer hatte darum noch nicht begonnen.
»Unterwegsbrot! Unterwegsbrot!«, riefen Lukas und Luis im Chor.
Der Korb mit dem Reiseproviant stand neben Joshua. Daraus nahm er zwei Päckchen und wickelte die Brote für die Zwillinge aus.
»Hier, meine Süßen, haut rein«, sagte er.
Die beiden hoben ihre kleinen Fäuste und taten so, als ob sie in die belegten Brote boxen wollten. Dann lachten sie sich kurz kaputt. Doch schließlich verdrückten sie glücklich ihren Reiseproviant.
»Unterwegsbrote schmecken viel besser als Zuhausebrote«, schwärmte Lukas.
»Genau«, mümmelte Luis.
Ich finde das auch. Obwohl es ja die gleichen Brote sind, die wir auch immer zu Hause essen.
Plötzlich krachte ein Donner aus den schwarzen Wolken über uns. Er war so laut, dass ich erschrocken zusammenfuhr und einen Schreckkritzler in meinen Lebensatlas malte. Ich hatte nämlich gar nicht bemerkt, dass sich der Himmel zugezogen hatte.
»Ideales Fahrwetter«, behauptete Mama trotzdem.
Große Regentropfen fielen auf die Scheibe. Mama tat so, als gäbe es das Gewitter da draußen gar nicht. Opipi knurrte. Mama hörte aber nicht darauf. Opipi knurrte noch einmal. Da begann Mama ein Lied vor sich hinzusingen. Irgendwas mit Die Sonne lacht vom Himmelszelt. Der Regen pladderte.
»Angela, bitte schalte die Scheibenwischer ein«, schimpfte Opipi schließlich.
»Pfff«, machte Mama, »die paar Tropfen.«
Sie klickte aber einen Hebel nach unten, die Wischer schoben die Wassermassen zur Seite, und man konnte endlich wieder die Straße vor uns sehen.
Ich schaute dem Regen zu. Der Fahrtwind drückte die Tropfen platt gegen die Scheibe. Ich zählte die Sekunden, die sie sich halten konnten, bis sie davonflogen oder das Fenster hinunterliefen.
Plötzlich lenkte Mama auf den Grünstreifen und machte eine Vollbremsung.
»Himmel, Angela, was ist denn in dich gefahren?«, meckerte Opipi, als er sich wieder gerade hingesetzt hatte.
»Der Schlüssel!«, rief Mama und guckte ganz komisch. »Ich habe vergessen, den Schlüssel in die Dachrinne zu legen.«
»O nein!«, stöhnte Lukas. »Jetzt müssen wir wieder zurückfahren.«
»Dann haben wir ja unsere Bunterwegsrote ganz umsonst aufgegessen!«, rief Luis.
Da drehte Mama sich mit einem Lächeln zu uns um. »Beruhigt euch, meine Lieben. Das macht alles überhaupt nichts.«
Gespannt schauten wir sie an. Sogar Opipi. Denn Mama bringt nichts aus der Ruhe, und immer hat sie eine Idee, warum etwas genauso sein muss, wie es ist. Auch wenn man die ganze Sache anders geplant hatte.
»Ich habe sowieso noch etwas vergessen«, sagte sie nun.
»Was denn?«, fragte Lukas mit großen Augen.
»Etwas sehr, sehr Wichtiges, das ich unbedingt mitnehmen wollte«, erklärte Mama.
»Dein Kusselkischen?«, flüsterte Luis aufgeregt.
»Nein, mein Kuschelkissen habe ich eingepackt«, sagte Mama. »Es ist ein Geheimnis.«
Sie schaute über die Schulter, ob ein Auto kam. Als dem nicht so war, wendete sie über die ganze Straße. Dann fuhren wir wieder nach Hause.
»Geheimnisse sind das Beste überhaupt«, schwärmte Luis.
Zu Hause hüpften wir alle aus dem Bus. Es gab plötzlich noch einmal eine Menge vor der Abreise zu tun. Mama holte etwas Geheimes aus dem Keller und versteckte es unter den Campingsachen. Joshua verstaute sein Smartphone und das Ladekabel im Flurregal. Er wollte doch lieber unerreichbar sein, besonders für Probleme. Opipi schaute noch einmal nach dem Rechten, wie er immer sagt. Ich weiß nicht so genau, was er damit meint. Aber man muss dabei pfeiferauchend erst um das Haus und dann in den Keller gehen. Heribert erschrak fast zu Tode, weil wir noch da waren, als er kam, um ebenfalls nach dem Rechten zu sehen.
Schließlich fuhren wir zum zweiten Mal, dafür aber wirklich los und dann sehr, sehr lange immer weiter. Wir brausten über Schnellstraßen und rumpelten über Kopfsteinpflaster, auch über Feldwege und einmal sogar ein Stück über ein Feld ganz ohne Weg. Wir hielten viermal an, um Pipi zu machen, dreimal, um Eis, Pommes und Trostgummibärchen zu kaufen, zweimal, um zu tanken, und einmal, weil Opipi kurz seine Ruhe brauchte.
Unterwegs flüsterten Luis und Lukas manchmal komische Sachen.
»Dreimal das Haus mit den grünen Fenstern.«
»Die dicke Frau auf der Bank. Zweimal.«
»Viermal der krumme Baum.«
»Der große rote Traktor.«
»Was flüstert ihr da?«, fragte ich neugierig.
»Psst!«, machte Luis und hielt sich den Finger an die Lippen.
»Mama darf das nicht hören«, raunte Lukas.
»Was darf Mama nicht hören?«, fragte Mama von vorn.
Lukas verdrehte die Augen.
»Die Jungs zählen Dinge auf, an denen wir mehrmals vorbeigefahren sind«, erklärte Joshua von hinten. Er wusste immer, was wir anderen drei taten, und meistens auch, was wir fühlten.
»Wir fahren an überhaupt gar nichts mehrmals vorbei«, sagte Mama bestimmt.
»Nun ja«, meinte Joshua hinter seinem Buch hervor.
Ich konnte hören, dass er sich das Lachen verkneifen musste. Als ich aus dem Fenster schaute, sah ich einen Brunnen mit drei großen Steinfischen. Den hatte ich heute schon zweimal gesehen.
»Halt an!«, knurrte Opipi in dem Moment. Seine Stimme klang, als würde er vor Wut gleich platzen.
Mama fuhr an den Rand, und Opipi vertrat sich die Beine. Jedenfalls lief er fünfmal sehr schnell um einen großen Baum herum, der da ganz alleine am Wegesrand stand. Dabei schimpfte er vor sich hin.
»An dem Baum sind wir vorhin schon vorbeigekommen«, flüsterte Luis ziemlich laut.
Mama tat so, als hätte sie das nicht gehört.
Als die Sonne irgendwann unter dem schwarzen Regenwolkenrand hervorstrahlte, stoppte Mama mitten auf einer kleinen Straße, sprang aus dem Bus, schaute sich um und rief triumphierend: »Da sind wir!«
»Und wo, bitteschön, ist da?«, knurrte Opipi.
Wenigstens hatte es aufgehört zu regnen.
Ich hatte vor mich hingedöst, die Zwillinge waren eingeschlafen, und Joshua las in seinen Theaterheften. Vor den Busfenstern waberte Nebel über eine Wiese, und Bäume warfen dunkle Schatten. Dahinter hing die Sonne wie eine riesige Orange tief am Himmel. Etwas Großes glitzerte.
»Ein See«, sagte ich.
»Ein wunderschöner Campingplatz an einem wunderschönen See«, verbesserte Mama fröhlich.
Dann kletterte sie zurück in den Bus und startete den Motor.
Als sie ihn das nächste Mal abstellte, waren wir wirklich angekommen, nämlich an der Rezeption des Campingplatzes. Weil die Zwillinge schliefen, gingen nur Mama, Opipi, Joshua und ich hinein.
»Guten Abend!«, begrüßte uns der Campingplatzbesitzer. Er hatte ein freundliches Lächeln in den Augen und einen zerschlissenen Zylinder auf dem Kopf.
»Einen wunderschönen guten Abend, Herr Alberti«, sagte Mama ein bisschen zu laut.
»Anscheinend hat Mama hier wirklich hingewollt«, flüsterte mir Joshua zu.
Das stimmte, denn sie kannte nicht nur den Namen des Besitzers, sondern unser eigener Name stand auch auf einer Reservierungsliste.