Wir haben genug! - Tobias Ruff - E-Book

Wir haben genug! E-Book

Tobias Ruff

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Beschreibung

Was wir gewinnen, wenn wir verzichten Immer größer, immer schneller, immer mehr – koste es, was es wolle: Das jahrzehntelang gepriesene und gelebte Wohlstands- und Konsummodell hat ausgedient, denn es führt uns sehenden Auges nicht nur in die ökologische, sondern gleichfalls in die soziale wie finanzielle Erschöpfung. Doch ist Wohlstand ohne Wachstum überhaupt denkbar? Was gewinnen wir, wenn wir uns vom Überfluss verabschieden? Können wir damit unserer Sehnsucht nach Beständigem, nach Zufriedenheit, Qualität und Geborgenheit begegnen? Und wie können wir unseren Kindern und Kindeskindern einen lebenswerten Planeten hinterlassen? Die Autor*innen, allesamt politische Überzeugungstäter*innen, die durch ökologische Projekte und erfolgreiche Volksbegehren bayern- und teils bundesweit bekannt wurden, zeichnen in dieser Streitschrift das verheißungsvolle, realistische Bild eines neuen Wohlstandsmodells, das nicht auf Zerstörung und Ausplünderung, sondern auf Bewahrung, Nachhaltigkeit und Sinnstiftung setzt. Aufrüttelnd, Mut machend und visionär!

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Agnes Becker, Tobias Ruff, Bernhard Suttner
Wir haben genug!
Warum das gute Leben jenseits von Konsumismus, Wachstumswahn und Überfluss liegt
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
© 2023 oekom verlag, Münchenoekom – Gesellschaft für ökologische Kommunikation mbHWaltherstraße 29, 80337 München
Korrektur: Maike SpechtUmschlagfoto: © AdobeStock, UKRAINIANCovergestaltung: Sarah Schneider, oekom verlag
E-Book: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt
Alle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-98726-280-7

Inhalt

Vorwort von Niko Paech
Einleitung: Warum wir gewinnen, wenn wir verzichten
Schönheit und Wildnis statt Massenaussterben!Wir verzichten gern auf weitere Expansion der Gattung Homo sapiens
Zukunft für unsere Kindeskinder, Selbstachtung uns Lebenden!Wir verzichten gern auf Bequemlichkeit und kurzfristige Gewinne
Artgerechtes Leben für unsere Mitgeschöpfe!Wir verzichten gern auf Tierquälerei und Massentierhaltung
Mehr Zeit für Familie, Beziehung und echte Erlebnisse!Wir verzichten gern auf das Hamsterrad
Stabile Demokratie durch konsequente Ökopolitik!Wir verzichten gern auf schwache Politik und Ökodiktatur
Sauberes Wasser für alle!Wir verzichten gern auf Verschwendung und Vergiftung unseres kostbarsten »Rohstoffs«
Lebensfreundliche Städte und Regionen!Wir verzichten gern auf Megaurbanisierung, soziale Spaltung und Flächenversiegelung
Mehr Macht und Selbstwirksamkeit dem Souverän!Warum wir alle gewinnen, wenn die Mächtigen auf Macht verzichten
Lebenssinn und Zufriedenheit durch Verantwortung!Wir verzichten gern auf Despotie und Krone
Nachwort von Walter Spielmann

Vorwort

von Prof. Dr. Niko Paech
Das geneigte Nachhaltigkeitspublikum wird mit diesem Buch eine Überraschung erleben. Dermaßen unverblümt auf die Notwendigkeit umfassender Anspruchsmäßigungen hinzuweisen, verlangt Mut, den man am wenigsten von Autoren erwartet hätte, die nicht verhehlen, im politischen Wettbewerb zu stehen. Der Kampf um Wählerstimmen und mediale Aufmerksamkeit ist längst zu einem Schaulaufen sich überbietender Wohlstandsgießkannen degeneriert. Und das wirkt sich katastrophal auf die Chancen aus, dass von politischer Seite Impulse für das dringend erforderliche Überlebensprogramm ausgehen. Wer es als Parteienvertreter wagt, ohne vorher zehnmal beglaubigte Wohlstandsgarantie – »mehr, schneller, bequemer, billiger«, wie es an einer Stelle des Buches treffend heißt – von Nachhaltigkeit oder Klimaschutz zu sprechen, wird aus der öffentlichen Wahrnehmung verbannt oder riskiert übelste Bezichtigungen, die von antisozialer Gesinnung bis zum Ökodiktaturvorwurf reichen.
Unbändige Angst vor einem derartigen Abseits hat die Politik in ein Labyrinth technologischer Abenteuer getrieben, stets versehen mit dem Versprechen, damit die ökologische Zukunftsbeständigkeit mit Wachstum vereinen zu können. Die Folgen dieser grün angepinselten Fortschrittsreligion sind so verheerend, dass sie jeder mit eigenen Augen wahrnehmen kann, sofern er den Blick vom Smartphone in die analogen Landschaften schweifen lässt.
Dieses Buch lässt hoffen, weil darin politische Akteure zu Wort kommen, die sich nicht um unpopuläre und deshalb oft unterdrückte Sachverhalte herumdrücken. Mehr noch: Die argumentative Eleganz und Schlüssigkeit, mit der begründet wird, dass Verzicht – tatsächlich: Sie schrecken nicht einmal vor dem V-Wort zurück! – in der aktuellen Situation mit vielen Gewinnen an Lebensqualität und Sinnstiftung einherginge, ist beeindruckend. Den Leser erwartet ein strukturierter Überblick, der nicht nur wichtige Grundlagen des Suffizienzdiskurses vermittelt, sondern landläufige Einwände gegen eine Politik der Mäßigung sauber dekonstruiert. Damit könnte sich eine Tür öffnen: Vielleicht erreicht die Debatte darüber, wie legitim eine wachstumsträchtige Daseinsform überhaupt sein kann, endlich auch die politische Ebene.
Niko Paech (geb. 1960) ist Diplom-Volkswirt und prominentester Vertreter der Postwachstumsökonomie. Autor unter anderem der Bücher Befreiung vom Überfluss, All you need is less (zusammen mit Manfred Folkers) und Small is beautiful (zusammen mit Ernst F. Schumacher).

Einleitung: Warum wir gewinnen, wenn wir verzichten

Welche Verzichte?
Wenn in den folgenden Texten immer wieder von Verzicht die Rede ist, dann ist in keinem Fall die Verstärkung des Mangels am Nötigsten bei ohnehin benachteiligten Menschen gemeint. Es gibt diese Benachteiligten im industrialisierten Norden ebenso wie im Globalen Süden. Die vielfach beschriebenen, himmelschreienden prekären Verhältnisse stehen ebenso monströsen Extremreichtümern hier wie dort gegenüber. Beide Erscheinungen unserer Zeit, also extreme Armut und extremer Reichtum, sind nicht zu rechtfertigen.
Die herrschenden Verhältnisse haben unterschiedliche Ursachen, die teils weit in die koloniale Geschichte zurückreichen. Die Gründe sind oft in strukturellen Fehlern des ökonomischen Systems zu finden. Auch ist das sogenannte »bad government«, also »schlechte« Politik, immer wieder der Ursprung von Elend, Benachteiligung, Mangel am Nötigsten und einem gleichzeitig zu beobachtenden extremen Überfluss.
Die Rede vom nötigen Verzicht darf also nicht als Rechtfertigung oder gar als Idealisierung des Mangels missverstanden werden, der auf den genannten Ursachen beruht. Der Einsatz für die Linderung und möglichst für die Beseitigung dieser Defizite ist ebenso Aufgabe sozialökologischer Politik wie die Eindämmung von Hyperkonsum und Verschwendung. Der aktuelle Bericht des Club of Rome »2052« (Randers 2022) anlässlich des 50. Jahrestags der Studie über die »Grenzen des Wachstums« (Meadows 1972) betont diese Doppelaufgabe genau: Ohne Lösung der sozialen Frage wird es keine Lösung der ökologischen Überlebensfragen geben können.
*
Wir sind der Meinung, dass der aktuelle Zustand der Menschheit und des Planeten Erde keine weitere undifferenzierte Vermehrung von allem und jedem unter dem Deckmantel »nötige Verbesserungen für alle« verträgt. Es geht jetzt um die nötige Reduzierung der materiellen Ansprüche an den Planeten. Bei den besser oder bestens versorgten gesellschaftlichen Schichten der Industrienationen und der sogenannten Schwellenländer, aber auch bei den Oberschichten sehr armer Staaten sind diese Ansprüche zu hoch, teilweise auch exzessiv. Dennoch regiert nahezu überall das Dogma vom unverzichtbaren stetigen Wachstum der Wirtschaft, mit dem oft nur noch höhere Ansprüche an das eigene Lebensniveau verwirklicht werden sollen.
Das Wachstumsdogma ist insbesondere in Gestalt der Trickle-down- oder Spill-over-Theorie eine für die Menschheit lebensgefährliche Irrlehre: Sie wurde erfunden, um sich das konfliktreiche Bemühen um Verteilungsgerechtigkeit ersparen zu können. Diese ernsthaft vertretene ökonomische Theorie setzt darauf, dass positive Effekte für alle und insbesondere auch für die Armen eintreten, wenn die Reichen noch viel reicher werden. Beim Reicherwerden der Reichen ganz oben sickere immer auch etwas »nach unten« durch … Der Unterhalt einer Superjacht erfordere z. B. – ebenso wie der Bau und die Pflege von Sportstätten in einem Wüstenemirat – allerhand Arbeitskräfte. Aber auch im Alltag von uns Normalbürgerinnen und -bürgern ist folgender Vorgang zu erleben: Wenn wir aufhörten, irrsinnig viele Textilien für extrem kurze Modezyklen nachzufragen und rasch wieder zu »entsorgen«, dann würden doch als Erste die armen Näherinnen im Globalen Süden leiden, ist da oft zu hören. Also müsse man aus »sozialethischen Gründen« den Hyperkonsum aufrechterhalten.
Die Erkenntnis, dass das Aufhäufen von immensen Reichtümern und die Produktion horrender Massen von kurzlebiger Wegwerfware die Lebensgrundlagen des Planeten schädigt und immer weiter schädigen wird, erreicht immer noch nicht alle wirtschaftswissenschaftlichen Institute. Sie beeinflusst leider auch noch nicht das Verhalten aller Menschen im Alltag.
Reduzierung, qualitative Differenzierung, Verteilungsgerechtigkeit und auch der Verzicht, also nicht nur die Reduzierung, sondern das wirkliche Beenden von bisher als selbstverständlich angenommenen Verbräuchen und Verhaltensweisen, halten wir für »unverzichtbar«: Die Mengen der heute von der Menschheit beanspruchten, Tag für Tag benutzten und dabei leider auch entwerteten Materialien und Flächen befinden sich nicht mehr im erträglichen Maß. Verbrauch, Schädigung und Entwertung geschehen übermäßig. Die ökologischen Belastungsgrenzen sind vielfach erreicht, in einigen Bereichen, wie z. B. beim Verlust der Artenvielfalt, schon gefährlich weit überschritten, wie die bekannte Studie von Rockström u. a. (Stockholm 2009) zeigt.
*
Es gilt, drei grundverschiedene Formen des Verzichts zu unterscheiden:
den Verzicht auf Zeit zu »Testzwecken«: kein Alkohol, keine Zigaretten, kein Fleisch, keine Süßigkeiten, keine Autonutzung, wenig oder keine Plastikverpackung …
Die zweite Verzichtsform ist althergebracht-bürgerlich und wurde erst jüngst vom Konsumforscher Dirk Hohnsträter (»Qualität«, München/Wien 2022) modernisiert: Aktueller Konsumverzicht ermöglicht nach einem Ansparprozess die Anschaffung von Gütern höchster Qualität.
Die dritte Verzichtsform ist die frei gewählte Folge der Erkenntnis einer ethischen Pflicht: Wenn nach Feststellung einer Schwangerschaft die Eltern den Alkohol- oder Zigarettenkonsum einstellen, dann geht es um die Vermeidung schwerer Schäden für das heranwachsende Kind.
Der Gewinn, der sich aus dieser dritten Art von Verzicht ziehen lässt, ist die Genugtuung, eine ethische Pflicht gegenüber einer anderen Person erfüllt zu haben.
Wir sind der Überzeugung, dass wir zum Verzicht der »dritten Art« aufgerufen sind: Es geht nicht um einen »zeitlich begrenzten Test« oder um einen »Ansparvorgang« – es geht um die Vermeidung schwerer Schäden.
Bildlich gesprochen, sind wir alle aktuell mit den kommenden Generationen schwanger. Wenn wir heute den aus ethischen Gründen gebotenen Verzicht auf überzogene Ansprüche nicht akzeptieren, werden nicht wir leiden, sondern unser Generationen-Fötus.
Hier kommt auch der Kommunikationstrick »Weniger ist mehr!« oder »Verzicht bringt auch Gewinn!« an seine Grenzen. Für trainierte Konsummenschen ist mehr einfach besser, und Verzicht heißt für solche Menschen Mangel. Die hübsche These vom Gewinn durch Verzicht setzt entweder eine Persönlichkeit mit aufgeklärt-nichtmaterialistischer Wertestruktur oder eine moralische Persönlichkeit voraus, die das Glück und die Chancen künftiger Generationen als eigenen Gewinn oder aber als zwingende Pflicht interpretieren kann.
Das Bundesverfassungsgericht hat ganz in diesem Sinne (vgl. die Entscheidung zum Klimaschutzgesetz 2021) die Freiheit der künftigen Generationen als rechtlich relevante Größe eingeführt. Damit wurde die Freiheit der aktuellen Generation deutlich eingeschränkt.
Einfach ausgedrückt: Das BVG hat uns zum Verzicht auf einen exzessiven Freiheitsbegriff angehalten. Das ist nur bei vielen Menschen, auch bei vielen führenden Personen in der Politik, noch gar nicht angekommen!
*
Alle genannten Verzichtsformen stellen übrigens unsere Wirtschaftsweise und unser gewohntes Alltagsleben infrage. Wir leben in einer von einer Wachstumspflicht getriebenen, kapitalorientierten Weltwirtschaft. Diese Wirtschaftsform funktioniert nicht mehr, wenn viele Menschen weniger konsumieren oder nur noch langlebige Qualitätsprodukte kaufen. Die Wachstumswirtschaft braucht die großen Mengen, und sie braucht auch das schnelle Wegwerfen derselben …
Trotz dieser Problematik sind Verzichte dringend nötig, weil anders der Lebensraum Erde für unsere Gattung verloren geht. Es braucht deshalb eine mutige Ordnungspolitik, die Schritt für Schritt die Rahmensetzung für Wirtschaft und Alltagsleben am Ziel der ökologischen Stabilität und der sozialen Gerechtigkeit durch Verteilungsgerechtigkeit und nicht länger durch Trickle-down-Illusionen ausrichtet. Die parlamentarische Demokratie muss den Mut haben, den Menschen Zumutungen aufzuerlegen. Das ist weder ungewohnt noch unmöglich: Auch alle Steuergesetze sind letztlich »Zumutungen« – keine Steuer beruht auf reiner Freiwilligkeit der Vernünftigen!
Gleichzeitig muss aber auch ein gesellschaftliches Tabu abgebaut werden: Das Suffizienztabu, also die Verleumdung von Selbstbeschränkung als vorgestrige Spießigkeit, muss durch eine Haltung aufgeklärter Rationalität abgelöst werden. Es muss Menschen geben, die mit aller Deutlichkeit die Notwendigkeit der Beschränkung unserer Ansprüche an den Planeten thematisieren. Wer nur fordert, sich künftig zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien zu versorgen, und es vermeidet, über die in Anspruch genommenen absoluten Mengen zu sprechen, wird unserer Meinung nach dem Problem nicht gerecht. Wir haben leider vorrangig ein Mengen- und nicht nur ein fossiles Technologieproblem. Deshalb ist die vielfältige sozialökologische Krise auch nicht mit Technologie allein zu bewältigen.
Welche Gewinne?
Das Gewinnen ist eine der wirksamsten Triebfedern für das Verhalten des Menschen. Ob in der Wirtschaft, im Sport, im Spiel, bei politischen oder wissenschaftlichen Projekten, ja auch in der Erotik – überall lässt uns die Aussicht auf Gewinn aktiv und vor allem kreativ werden. Das Gewinnen hat erregenden Reiz, die drohende Niederlage macht Angst. Für das Erzielen von Gewinnen muss man sich bilden und informieren, aktivieren, anstrengen, man muss Wagnisse eingehen, investieren und Aufwand betreiben.
Es ist auf den ersten Blick nicht naheliegend, den Verzicht, also das »Sein-Lassen«, als Weg zu Gewinnen vielfältiger Art zu erkennen.