Wir segeln dem Teufel den Schwanz ab - John-Henry Paul - E-Book

Wir segeln dem Teufel den Schwanz ab E-Book

John-Henry Paul

3,0

Beschreibung

Ein seltsamer Anruf erreicht den Skipper Hans. Die junge französische Professorin für Geschichte des Altertums Afrah, von der Uni Aix-Marseille, möchte drei Wochen in der Adria auf den Spuren ihrer marokkanischen Vorfahren segeln. Skipper Hans kennt jeden Winkel der Adria. Irgendwie hat er Grund zu der Annahme, der Nachkomme schwedischer Wikinger zu sein. Durch seine Liebe zum Segeln ist er schon oft in schwierige Situationen geschliddert. Doch dieses Mal ist alles ganz anders. Stürmische Überfahrten und romantische Nächte in den Häfen und auf See wechseln sich ab, bis er sich mit seiner erfahrenen Crew in der Rettungsinsel wiederfindet.

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Die höchste Form des Glücks ist ein Leben mit einem gewissen Grad an Verrücktheit.

Erasmus von Rotterdam

Dieses Buch ist meinen Segelkameraden gewidmet, an die ich denke, wenn ich traurig oder glücklich bin. Es trägt überwiegend autobiografische Züge. Die Crew ist real, auch viele Törn-Passagen. Lediglich die Handlung um Afrah ist fiktiv, könnte aber leider jederzeit so stattgefunden haben.

Inhalt

Ein lukratives Angebot

Rund Korsika

Das Abenteuer ruft

Auf dem Weg zum Kvarner Golf

Die Schatzsuche

Der Tanz beginnt

Auf dem Meer ausgesetzt

Die Falle schnappt zu

Der Teufel trägt Handschellen

Finale furioso

Worte zum Schluss

Seemännische Ausdrücke

PROLOG

Ich sitze an der Mole des schwedischen Hafens Malmö am Öresund. Es wird langsam Sommer. Ein dominanter Ostwind treibt die Yachten aus dem Hafen in Richtung Ostsee und Dänemark. Der Morgenhimmel hat eine zarte Bläue, ein blasses Königsblau. Es fröstelt mich, nicht wegen des Windes, das bin ich gewöhnt. Es ist der Gedanke an meinen letzten Herbsttörn in der Adria, der mich nicht loslässt. Damals ist mir meine Fantasie beinahe zum Verhängnis geworden.

Ich bin von Kindesbeinen an der See verfallen. Als mein Jugendtraum endlich real wurde und ich als Skipper viele Meilen auf See sein konnte, wusste ich: Das ist es.

Nicht alle Menschen können ermessen, welche Faszination das Meer ausüben kann. Sei es in all seiner Schönheit, sei es mit seinen unvorstellbaren Gewalten. Das Meer hatte mich gepackt und ließ mich mein Leben lang nicht wieder los, auch wenn es Anderen vielleicht ewig fremd bleiben wird.

Ich war so überzeugt, dass meine Vorfahren schwedische Wikinger waren, dass ich mir sehnlichst gewünscht habe, eine Bestätigung zu finden. Und was man intensiv sucht, findet man meist auch. Manchmal auf eine höchst gefährliche Art.

1

Ein verdächtig lukratives Angebot

Heute meldet sich das verrückte Telefon im Viertel-Stunden-Takt. Liegt das an dem verdammten Schmuddel-Wetter? Oder weil es freitagnachmittags ist? Gute Freunde erkundigen sich, wie es mir geht. Gibt es dazu einen Anlass? Geschäftspartner wünschen mir ein schönes Weihnachtsfest 2006. Ebenso.

Mein Versicherungsmakler braucht vor Weihnachten noch ein paar Euro. Er weiß doch, dass ich versorgt bin. Wer ruft denn jetzt wieder an? Unbekannte Stimme, unbekannter Name.

Ja, ich bin Hochseeschiffer, antworte ich.

Ja, ich bin im Ruhestand. Ob ich die Adria kenne?

Jetzt reicht es. Was will er von mir? Das lässt sich in zwei Worten nicht sagen, entgegnet die Stimme. Der Mann braucht wahrscheinlich einen Skipper für einen Urlaubstörn. Oder auch nicht? Jetzt bin ich neugierig geworden. Weber ist mein Name, sagt die Stimme, wollen wir uns treffen? Ja, das Bahnhofscafe liegt zentral. Passt. Montag früh halb acht, schlägt er vor. Eine seltsame Zeit. Um diese Jahreszeit wird es gerade mal hell. Natürlich, der braucht sicher einen Skipper.

Skipper Hans

Ich überschlage schon mal meine möglichen Termine. Viel bleibt da nicht übrig. Im nächsten April segle ich mit meiner Crew von Puntone di Scarlino an der italienischen Westküste. Der Törn geht nach Ajaccio an der Westküste Korsikas.

Das kann und will ich nicht canceln. Anfang Mai bin ich dann mit Freunden mit dem Hausboot unterwegs. Mal keine Verantwortung. Im Juni ist die polnische Ostsee fest eingeplant und im August geht es dann in die dänische Südsee, vielleicht bis zur Insel Anholt. Bis dahin alles ausgebucht, die Yachten sind schon gechartert.

Nur Anfang September habe ich noch etwas frei. Das Schiff ist noch nicht vertraglich gebunden. Ich würde den Törn in der Adria ungern absagen, da ich mich schon lange darauf gefreut habe, wiedermal mit Profis zu segeln. Vier Männer und zwei Frauen, alle mit dem Meer vertraut.

Bisher hat Werner zugesagt, er ist schon achtmal als Co-Skipper mit mir gesegelt. Und auch Bernd, Berufstaucher und selbst Skipper, hat sich gemeldet. Birgit und Mike haben ebenso zugesagt, beide Seeschiffer. Und dann noch Viola, meine Beste. Ich bin Hans, Skipper mit allen erforderlichen Patenten.

Werner

Früher habe ich als Segellehrer gearbeitet und Prüfungen für Sportküstenschiffer abgenommen. Schade, wenn ich diesen Törn nicht fahren könnte. Ich liebe besonders das herrliche Revier der 1246 kroatischen Inseln, Eilande und Felsen in der Adria. Auch wenn nur 47 davon bewohnt sind. Dennoch will ich mir mal anhören, was dieser Herr Weber von mir möchte. Das klang am Telefon so geheimnisvoll.

Es ist Montag, achtuhrzwanzig. Ich bestelle mir eine große Tasse Kaffee und die Tageszeitung. Das Cafe ist noch fast leer. Der Duft des dampfenden Kaffees hebt meine Stimmung beträchtlich. Was er wohl von mir will, dieser Herr Weber? Möchte wetten, er hat einen Törn gebucht und hat keinen Skipper. Ich bin zwar ab und zu auch schon mal fürs Geld gefahren, aber nicht sehr scharf drauf.

Es sei denn, die Route und die Crew sind sehr interessant oder der Preis noch interessanter. Nun ist es achtuhrdreißig.

Herr Weber ist nicht zu sehen. Ich warte noch 15 Minuten. Dann war dieser Anruf wohl doch nur ein Scherz?

Am Nachbartisch am Fenster sitzt eine auffallende Frau, dunkler Teint, leicht krause schwarze Haare, sehr dezent geschminkt. Auch ihre Kleidung verrät Stil. Die letzten Minuten schaut sie ein paarmal herüber, so als ob sie etwas fragen möchte. Dann steht sie auf und kommt zielstrebig an meinen Tisch.

Sie erwarten Herrn Weber? Diese Stimme! Dunkel und selbstbewusst. Also eine Frau. Warum dieses Versteckspiel.

Darf ich mich setzen? fragt sie.

Entschuldigen sie bitte, ich bin etwas verwirrt, natürlich, stammle ich.

Nein, ich muss mich entschuldigen, widerspricht sie. Ich habe sie beobachtet und wollte einen ersten Eindruck gewinnen.

Und, welchen Eindruck haben sie gewonnen, brumme ich leicht verstimmt.

Es passt, sagt sie bestimmt.

Wofür? Brauchen sie einen Skipper? frage ich schon etwas schärfer.

Nein, faucht nun auch sie, einen Skipper bekomme ich überall.

Sie brauche ich, mit ihrer Adria-Erfahrung. Und fahren sie erst mal ihren Puls runter, ergänzt sie noch.

Teufel noch mal, soll ich aufstehen und gehen? überlege ich.

Inzwischen bestellt sie zwei doppelte Espresso, meinen mit braunem Zucker. Woher kennt sie meine Vorlieben? Brauner Zucker? Langsam wird mir das Ganze unheimlich.

Wie viele Meilen stehen in ihrem Logbuch? fragt sie mich.

Ich antworte: Fast 40.000.

Sehen sie, genau deshalb brauche sie und eine gute Crew für drei Wochen Kroatien-Urlaub. Ich habe eine 64-Fuß-Yacht, und als Skipperlohn bekommen sie fast jeden Betrag, den sie mir nennen.

Aha, einer meiner drei Gründe trifft zu: Das Geld.

Auch sechstausend Euro für die drei Wochen? frage ich unbescheiden.

Ich verdoppele, sagt die Dame.

Wow, kann ich da widerstehen? überlege ich.

Vorher noch ein paar Fragen: Warum treffen wir uns morgens im fast leeren Cafe? Wofür bekomme ich so viel Lohn? Und wie heißen sie richtig?

Mein Name ist Afrah, sagt sie. Mein Vater ist Marokkaner, meine Mutter Französin. Daher der Vorname mit afrikanischen Wurzeln. Ich lebe überwiegend in Marseille. Meine Yacht „Afrah II“ liegt zurzeit an der Tiber-Mündung, unweit von Rom. Sie werden sie in Messina auf Sizilien übernehmen und zur Adria segeln. Das sagt sie so überzeugt, als hätte ich schon zugesagt.

Wirklich, zwölftausend Euro sind ein starkes Argument. Aber irgendwas gefällt mir nicht und das ist nicht die Dame. Es ist ihre Begründung für diesen Törn.

Urlaubstörn, das glaubt sie doch wohl selber nicht. Für einen Urlaubstörn kann man jeden Skipper buchen. Lassen sie mich ein paar Nächte über ihr Angebot schlafen, schlage ich vor. Selbstverständlich, sagt sie, sie können das gerne bei mir tun.

Aha, da sehe ich doch den Hasen laufen. Aber ich muss sie enttäuschen: Ich bin liiert und meine Freundin Viola fährt diesen Törn mit.

Muss das sein? hakt sie nochmal nach.

Ja, unbedingt, denn am Tag erschreckt mich so schnell nichts, aber nachts in der Koje habe ich Angst allein, scherze ich.

Wenn das so ist, sagt sie, dann lassen wir es so und sie rufen mich an, wenn sie sich entschieden haben.

Sie steht auf und verlässt das Cafe. Erst jetzt sehe ich, dass in diesem Hosenanzug unheimlich lange Beine stecken müssen. Und diesen Gang kann man nicht erlernen.

Bevor ich nun endgültig zusage, muss ich noch mit meiner Crew sprechen. Beim nächsten Clubabend bietet sich die Gelegenheit. Vorsichtig versuche ich das Vorhaben zu schildern, ohne erkennen zu lassen, dass ich mich schon fast entschieden habe.

Die Freunde sind geteilter Meinung. Bernd der Taucher ist begeistert. Wir könnten ja mit dem Erlös mal einen kompletten Törn finanzieren, sagt Mike. Birgit sagt: Ich muss die Dame erst sehen, dann weiß ich, ob sie falsch spielt. Du wirst das schon machen, sagt Viola zu. Werner, mein Co-Skipper fährt sowieso mit mir überall hin.

Nun nenne ich auch meine Bedenken. Du siehst Gespenster, sagen die andern zu mir. Vielleicht haben sie recht.

Trotzdem, auch ich möchte pokern, um sicher zu sein. Deshalb lasse ich zwei Wochen verstreichen und melde mich nicht.

Als sie nachfragt, sage ich unschlüssig: Eher nein.

Ich spüre ihre Enttäuschung fast körperlich durchs Telefon.

Woran hängt es denn, fragt sie mich.

Ich weiß zu wenig über sie und ihre Motive, und der hohe Skipperlohn macht mich misstrauisch, versuche ich ihr zu erklären.

Ich kann sie verstehen. Würde es sie umstimmen, wenn ich ihnen meine Beweggründe erkläre? fragt sie mit werbender Stimme.

Warten wir es ab, kontere ich.

Es ist eine lange Geschichte, sagt sie. Planen sie ein paar Stunden ein. Wir treffen uns in der Lounge meines Hotels, da gibt es eine bequeme Sitzecke am Kamin. Das klingt zwar wie eine Anweisung, aber ich sage zu.

Sie sitzt schon lässig am großen Kamin, als ich die Lounge betrete. Neben ihr eine Papprolle, aus der Seekarten heraus lugen. Also meint sie es tatsächlich ernst. Was willst du wissen? fragt sie mich.

Holla, habe ich was verpasst?

Schau nicht so erstaunt, sagt sie, auf meinen Gesichtsausdruck reagierend. Wir sind doch Geschäftspartner.

Ach so, ja. Es redet sich so vielleicht auch leichter. Also „Du“.

Ja, zuerst möchte ich wissen, wer du bist, beginne ich. Das ist eine lange Geschichte. Ich bin Professorin für Kunst und Literatur und arbeite an der Universität Aix-Marseille als Dozentin. Meine Eltern leben dort und ich bin in dieser Millionenstadt groß geworden. Studiert habe ich in Paris und London. Aber die größte Hafenstadt und zweitgrößte Stadt Frankreichs ist etwas Besonderes.

Afrah

Hier am Golf von Lion, auch Löwengolf genannt, ist Geschichte erlebbar. In der römischen Antike hieß die Bucht Sinus Gallius, Gallischer Golf. Die Universität zieht viele Studenten an,

aktuell 24.000. Manche Marseillesen sagen, das liegt nicht an ihrem guten Ruf, sondern hauptsächlich an der Nähe zum

Strand. Tatsächlich aber ist die reiche Kultur und die monumentalen Bauwerke ein Erlebnis für Jung und Alt. Dass mein Vater

Marokkaner ist, erwähnte ich schon. Seine Vorfahren und deren Vorfahren stammen von einem Bey von Marokko ab. Einer von

ihnen war ein Kaufmann und Schiffer. Er segelte oft in die Adria und ich möchte nun die Orte vom Meer aus kennenlernen, wie er sie vor 1150 Jahren gesehen hat. Unije, Osor, Lubenice und andere. Ich bin vielleicht etwas zu romantisch, aber ich hoffe, irgendwo Spuren meiner Vorfahren zu finden.

Habe ich dich überzeugt? wirbt sie nochmal für ihr Vorhaben.

Ja, das ist sehr interessant, mich hast du überzeugt. Ich hoffe, dass meine Crew auch mitmacht.

Darauf müssen wir unbedingt anstoßen, stellt sie fest.

Als das von ihr bestellte Getränk gebracht wird, steigt mir ein altbekannter Duft in die Nase. Das kann doch wohl nicht wahr sein und schon gar kein Zufall.

Sie hat zwei Glas Whisky der Marke Glennfiddich bestellt. Meinen Lieblings-Whisky konnte sie doch gar nicht kennen. Was geht hier vor? Zufall?

Schon beim ersten Zusammentreffen hatte sie zum Espresso braunem Zucker für mich bestellt, nur für mich. Seltsam.

Als sie meine Überraschung bemerkt, sagt sie: Zu einem guten Geschäft gehört auch ein guter Tropfen. Auf den Erfolg.

Ich lehne mich wohlig zurück. Neben mir knistert leise das Feuer im Kamin. Der Whisky beginnt zu wirken. Wenn die anderen nicht mit wollen, segeln wir eben allein.

Und schauen uns die Wirkungsstätten ihrer Vorfahren an. drei Wochen, von Sizilien zum Kvarner Golf.

Afrah entrollt eine Seekarte. Das tyrrhenische Meer.

Willst du gar nicht wissen, was für eine Yacht ich habe? fragt sie. Du sagtest, eine 64-Fuß-Ketsch, erinnere ich mich.

Ich bin mit so vielen verschiedenen Yachten gefahren, da werde ich schon klar kommen. Und bei dieser Größe bleibt für eine 7er-Crew viel Platz.

Das Schiff liegt hier, Fiumicino, im Tiber-Delta, zeigt sie mir. Der Name des Schiffes ist leicht zu merken: Afrah II.

In der Woche vor Beginn unseres Unternehmens wird die Yacht nach Messina auf Sizilien überführt. Dort übernimmst du sie.

Ich schaue mir die Karte an. Von hier aus sind es zirka 750 Seemeilen bis zum Kvarner Golf. Und nochmal eine Woche zu all den genannten Inseln.

Und dann?

Sie schien alles schon vorbereitet zu haben. Ihr fliegt nach Reggio di Calabria, sagt sie. Von dort werdet ihr mit einem Shuttle-Boot nach Messina gebracht. Wir treffen uns dort.

Nach Beendigung des Törns werdet ihr von Mali Lošinj mit einer Chartermaschine nach Triest geflogen und von dort mit der Linienmaschine nach Deutschland. Alles schon organisiert. Das Schiff wird dann von einer Überführungs-Crew übernommen und zurück gebracht.

Das sieht ja wirklich alles einfach aus, denke ich laut.

Es ist einfach, sagt sie.

Erzähl du mir etwas von deinen Törns in Kroatien und von dir, bittet sie. Wie viele Törns hast du dort schon gesegelt? Ich überschlage es kurz. 20 Jahre und jedes Jahr 5 bis 6 Törns. Zwischendurch Dänemark, England , Korsika und andere Reviere.

Es müssen allein in Kroatien fast einhundert gewesen sein.

Und ich erzähle ihr.

Angefangen hat mein Interesse für das Meer mit 8 Jahren auf einer alten Kiesrestgrube. Mitten drin war eine kleine Insel. Ich bin dorthin auf einem Baumstamm gepaddelt. Robinson en miniature. Ein tolles Gefühl. Ein Jahr später habe ich im Keller meiner Eltern ein „Schiff“ aus Kistenbrettern gebaut.

Fast fertig war mein Tun von meinem Vater entdeckt und das Schiff daraufhin im Ofen heiß „eingelagert“ worden.

Meine erste Berührung mit dem Meer erfolgte mit 14 Jahren. Hein, ein Bekannter meiner Eltern, früher zur See gefahren, nahm mich mit an die Ostsee. Er schenkte mir sein Marine-Fernglas. Eine Woche wanderte ich durch die Dünen und schaute sehnsüchtig zu den draußen vorbeifahrenden Schiffen.

Ich lag stundenlang hoch über der Steilküste und schaute aufs Meer. Bis mir jemand auf die Schulter klopfte. Vor mir stand ein Mann, der den Kopf schüttelte und mir mit dem Zeigefinger drohte. Ist es verboten, aufs Meer zu schauen? Aufs Meer nicht, sagte er.

Da entdeckte ich unter mir am Strand seine Frau in einer Sandburg. Nackt. Hat mich damals noch nicht interessiert.

Hein schenkte mir später seinen alten Seesack mit allen Utensilien seiner Fahrenszeit. Da fand meine Sehnsucht nach dem Meer neue Nahrung.

Nach meinem Studium begann ich zu segeln. Jede Pinne, die ich in die Hand bekam, habe ich gehalten und vom Meer geträumt. Bücher über die Seefahrt habe ich „gefressen“, zu Dutzenden.

Irgendwann hat ein Bekannter ein kleines Segelboot verkauft. Mit diesem bin ich auf den masurischen Seen gesegelt.

Mit Freunden habe ich Jahre später eine stählerne 7-Meter-Yacht aufgebaut. Auch mit diesem Boot bin ich oft gesegelt.

Manchmal, wenn ich auf einem der großen Binnenseen unterwegs war, stand ich vor dem Mast und haben von den Weiten der Ozeane geträumt.

Mit 45 Jahren habe ich eine Ausbildung zum Segellehrer begonnen. Große Yachten gesegelt, Ostsee, Nordsee, England und irgendwann meinen ersten Törn in Kroatien.

Von Novigrad in die nördlichen Kornaten. Und danach jeden segelbaren Monat ein bis zwei Törns, von Umag bis Dubrovnik.

In dieser Zeit begann auch die Suche nach meinen Wurzeln.

Meine Vorfahren kamen vor über 900 Jahren aus Nordeuropa, vermutlich Schweden, nach Litauen, später Ostpreußen.

Sie haben dann über 200 Jahre in Oberschlesien gesiedelt.

So hat sich in mir die Vermutung festgesetzt, es waren ursprünglich schwedische Wikinger.

Dazu kam dann später ein seltsames Erlebnis in einer Kneipe, einer kroatischen Konoba. Ich hatte einen schönen Segeltag hinter mir und viel Durst. Das liegt an der salzigen Luft und diesem herrlich warmen Wind von Süd. Meine Crew wollte unbedingt feststellen, welche Grappa-Sorte am besten schmeckt. Am Nachbartisch saßen einige Fischer und tranken Rotwein aus großen Gläsern. Einige Wortfetzen verstand ich. Es ging natürlich ums Fischen. Der Abend wurde lang.

Gegen 00.30 Uhr stand einer der Fischer auf und ging. Alle anderen schüttelten den Kopf und lachten. Er geht doch nicht etwa zum Fischen? fragte ich sie.

Ja, sagten sie, der verrückte Luigi geht zum Fischen. Wir waren gestern draußen und haben nichts gefangen.

Am Morgen stellte ich fest, dass meine Jacke noch in der Konoba hängt. Ich machte mich auf den Weg und traf am Hafen auf Luigi.

Er saß in seinem Boot zwischen Kisten voll Fisch.

Woher weißt du, wann der Fisch da ist? frage ich ihn.

Es ist ein Gefühl, sagte er.

Kann ich morgen Nacht mal mit rausfahren? Bitte ich ihn.

Nein, entgegnete er, morgen am Vormittag. Nachts kannst du nicht fotografieren.

Ich will nicht fotografieren, ich will nur dabei sein, wenn du fischst.

Er schüttelte ungläubig den Kopf. Gib mir deine Telefonnummer und deinen Namen, ich rufe dich an, wenn ich zum Fischen gehe. Als er den Zettel in den Händen hielt, stutzte er bei meinem Namen. Jetzt verstehe ich, sagte er feierlich, du bist der Nachfahre von Nordmännern. Woher willst du das wissen? fragte ich ihn.

Sie waren hier vor langer Zeit. Und sie wurden im Mittelmeer Nauten genannt. Die Nauten sind die Normannen, siehst du den Bezug zu deinem Namen? Unglaublich. Sollte es wirklich stimmen? Dann würde ich vieles in meinem Lebenslauf verstehen.

Afrah, was sagst du dazu.

Ich wusste fast alles, gibt sie zu. Deshalb habe ich dich gesucht. Du wirst es später mal verstehen.

Sehr geheimnisvoll, finde ich. Was hat sie studiert? Geschichte, Kunst und Literatur? Hängt es damit zusammen?

Jetzt will ich gar nicht mehr aussteigen. Ich freue mich sogar auf den Törn zum Kvarner Golf.

Es schneit draußen und meine Gedanken eilen voraus in den September des nächsten Jahres. Bisher war jede Törnvorbereitung Routine für mich. Warum ist es dieses Mal anders?

Ich finde darauf keine befriedigende Antwort.

Meine Crew schlägt mir ein Treffen vor. Im separaten Raum unseres Stammlokals treffen wir uns. Hier haben wir Ruhe und den benötigten Platz für die Seekarten. Werner nimmt als erster das Wort.

Wir waren zusammen im Öresund, als wir Jo in Klintholm vergessen haben. Ich bin mit dir und John in der Nordsee bei Wind 8 gesegelt. Denkst du noch an Korsika oder die vielen Törns in der Adria? Am 24.September bei Windstärke 12 und 5 Meter Welle? Da werde ich doch bei diesem überschaubaren Törn nicht kneifen. Genauso habe ich es von dir erwartet, melde ich mich zu Wort. Mike und Birgit waren bei diesem Törn mit dabei, als wir uns ungeplant und plötzlich im Orkan wiederfanden.

Auf dem Kvarner Golf, wo es keine Möglichkeit zum Ankern oder Abducken gibt.

Ist schon ein paar Jahre her. Birgit hatte damals gerade ihren Skipperschein bestanden und das Seefunkzeugnis absolviert. Heute sagt sie nur: Pass auf das Weib auf, die will dir ans Leder.

Keine Angst, ich hab Viola dabei. Die kratzt und beißt notfalls. Bernd der Taucher ist manchmal leichtsinnig, aber nicht beim Tauchen.

Das ist sein Beruf. Er will sich die Dame erst ansehen, die sich einen Skipper für 12.000 Euro leistet.

Dann will er sich entscheiden. Wir gehen nochmal die möglichen Stationen der Fahrt durch.

Messina liegt doch an der Nordspitze von Sizilien. Im Hafenhandbuch finden wir diesen, aus allen Windrichtungen gut geschützten Hafen. Nur die Außenmole bekommt den Schwell der Fähren ab.

Der erste Schlag müsste durch die Straße von Messina um die Stiefelspitze in das Ionische Meer gehen und weiter bis Brindisi.

Wenn wir kreuzen müssen, wird es knapp mit der Zeit. Oder wir segeln durch bis Pescara am Fuße der Abruzzen. Ja, das passt so. Birgit und Viola gefällt es nicht, dass wir bei diesem Törn so hetzen müssen. Sie würden lieber mal einen Tag in Locri oder Rossano bleiben. Das kann ich natürlich verstehen. Würde mir auch gefallen.

Wenn sie so viel Geld für ihren Urlaub ausgeben will, soll sie sich doch eine Yacht in Kroatien mieten, meinen die Beiden. Dann brauchten wir nicht zu überführen. Andererseits bin ich neugierig auf dieses 20-Meter-Schiff. Also weiter.

Wir werden in Messina auf Sizilien starten.

Dann durch die Straße von Messina. Am besten am Tag, da wird uns der Schiffsverkehr nicht gefährlich. Schade, dass wir so wenig Zeit haben. Im Süden von Sizilien hat ein befreundetes Ehepaar eine Yacht liegen. Man könnte sich treffen. Leider nicht möglich.