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Die untote Gesellschaft Klon, Transhumanismus, Enhanced Humanity, Hikikomori, Kinect, Cyborg, Epigenetik, Designer-Baby - Begriffe einer neuen Welt, in die wir bereits stärker verstrickt sind, als wir glauben. In das Blickfeld ernsthaften Nachdenkens über die Zukunft des Menschlichen rückt somit die Figur des "Untoten", des "Zombie", mit der nicht nur der eine oder andere Menschen (ob Botox-Monster oder hirntot gefesselt an eine Herz-Lungen-Maschine), sondern auch unsere Gesellschaft analysiert werden kann. Neue Konzepte des menschlichen Körpers, neue Formen der Gesellschaft - mit den Fortschritten in der Wissenschaft und Technik verschwimmen die Grenzen zwischen Leben und Tod, Kultur und Technik. Neue Fragestellungen geraten ins Zentrum ethischer und ästhetischer Überlegungen. Die Frage nach der Grenze des Machbaren wurde schon immer von der Realität als fiktiv und nicht relevant entlarvt. Stellen wir uns also der Frage nach dem Menschenpark. Wohin geht die Reise?
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Seitenzahl: 453
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Ein Wort hat denkwürdige Konjunktur: untot. Die Untoten, das sind natürlich die Zombies, in 35 ziemlich guten und 2000 schlechten Filmen, in Comics und Romanen, im karnevalesken Zombie Walk und in vielleicht nur teilweise ironischen »Zombie Survival Guides«. Aber »untot« drückt auch ein eigenartiges ausuferndes Empfinden der Zeit aus. Da-Sein und doch nicht Da-Sein; Dasein und doch kein Dasein. Man denkt an Gespenster, Retortenwesen oder radikal Entwürdigte, an Menschen jenseits ihrer Geschichte und jenseits ihrer, nun ja, Menschlichkeit, an RoboCops und Pilleneinwerfer, Vampire und Junkies, an Bürokraten und Fließbandarbeiter, Soldatenmaschinen und Maschinensoldaten, Hirndoping und »Flatliners«. Leute, die sich halb zu Tode schuften, und Leute, die sich halb zu Tode amüsieren. An zum Tode Verurteilte, die jahrelang auf die Vollstreckung warten, »Dead Man Walking«, wie man das im Todesstrafen-Land USA nennt. An Demenz erkrankte Verwandte und an unsterbliche Seegurken im Labor. Untot! Und immer denkt man, ein ganz klein wenig, auch an sich selbst mit. Bin ich/ist Ich schon kontaminiert vom Untod?
Das Wort wird unscharf verwendet. Es zieht etwas Ungewisses hinein in einen Bereich noch größerer (aber vernetzter) Ungewissheit; es ist sich seiner mangelhaft verborgenen Widersprüchlichkeit bewusst, es ist Vorschein mehr als Nachhall. Aber dieses Wort »untot« will ein semantisches Feld besetzen, es will kommunizieren und existieren. Wenn zwei sich über das »Untote« unterhalten, dann sind sie beide erregt, aber selten über das Gleiche; man weiß nur, da berühren sich gerade Körper und Sprache, da wollen wir gemeinsam hinein in ein unerforschtes Land.
Das Untote bezeichnet eine gerade neu entdeckte Unschärfe. Definiere »Leben«! Definiere »Tod«! Das war immer schwer und wird noch schwieriger. Nein, treibe dich stattdessen in der Untoten-Zone herum, bildlich, semiotisch, ungreifbar, aber fest entschlossen, wenigstens dieser Zukunft nicht auszuweichen: Da entsteht etwas zwischen dem gewohnten Leben und dem nach wie vor skandalösen Tod: verlängertes Leben, verändertes, verbessertes, enteignetes, reduziertes Leben, oder eben andersherum, verlängertes Sterben, philosophische Zombies, Wesen, denen »ihr eigener Tod«, der ihnen versprochen war (als Todespoesie immerhin), verweigert wurde, der Kino-Spruch von einem, der tot ist, aber es noch nicht weiß, wiedergeboren als Maschine, als Monster, als Mutant, als– genau, Untoter.
So rätselhaft die Sache selbst ist, diese sich ausbreitende Zone einer Ungewissheit, die man sich auf die unterschiedlichste Weise, vom Diskurs zum Bild, von der »Erprobung« zum Modell, von der Pop-Mythe zum Alltagsleben irgendwie vorzustellen versucht, so deutlich sind die verschiedenen gesellschaftlichen Kräfte, die sich ihr in ihrem jeweiligen Interesse und mit den jeweiligen Mitteln nähern und dabei auch in direkte und indirekte Wechselwirkungen treten. Vielleicht kann man sich dies in etwa so vergegenwärtigen:
Ob also zuerst die »Zone« da war oder ob sie vielmehr erst entstand durch das Zusammenwirken der Kräfte, die ein Interesse an ihr haben, ist hier nicht entschieden. (Behalten wir uns ein dialektisches Ineinander von beidem vor.)
Nicht, dass es einen Bereich zwischen Leben und Tod nicht schon immer gegeben hätte. Er mag sogar, genauer besehen, ein wichtiger Baustein am Ursprung der Kulte und Kulturen, der Religion und der Philosophie, der Kunst und des Karnevals sein. Wie auch wäre es anders möglich bei einem Wesen, das in dem Augenblick, da es (im anderen) erkennt, dass es sterben muss, zugleich erkennt, dass es nicht sterben will? »Fast ein jeder hat die Welt geliebt, wenn man ihm zwei Hände Erde gibt«, sagt Brecht. Und fast ein jeder wünscht, die zwei Hände Erde nicht geben zu müssen. Wohin gehen die Toten? In eine bessere Welt, ins Paradies, in die ewigen Jagdgründe vielleicht. Wenn man sie richtig behandelt, wenn ihnen Respekt, Angedenken und Wegzehrung gegeben wird. Doch wenn dies alles nicht geschieht? (Und kann es überhaupt noch geschehen in einer Welt, in der nichts heilig ist und alles Profit und Entertainment?) »Manchmal kommen sie wieder.«
Der Untote, wie auch immer wir ihn uns vorstellen, als ewige Wiederkehr der Schuld, als »Halbwesen« zwischen Mensch und Tier, als Gestalt gewordenen Verstoß des irren Wissenschaftlers der Frankenstein-Art gegen Schöpfung und Naturgeschichte, als manifeste Folge allfälliger Entweihungen, als schlafwandelnden Mörder, als denkende Maschine, als Mutation infolge von Chemie und Strahlung, als ein unschuldig Böses, dem die selbstbegrenzenden und selbsterkennenden Merkmale eines Menschengeistes fehlen, als mediales Phantom, als Monster aus den vergoldeten Laboratorien der plastischen Chirurgie usw., der Untote, so viel steht fest, steht kurz vor seiner technischen Produzierbarkeit (oder er wird schon produziert und wir wissen es nicht, denn wo das Ungewisse ist, da ist auch die Verschwörung nicht weit).
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