Wyatt Earp Classic 93 – Western - William Mark - E-Book

Wyatt Earp Classic 93 – Western E-Book

William Mark

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Beschreibung

"Vor seinem Colt hatte selbst der Teufel Respekt!" (Mark Twain) Der Lieblingssatz des berühmten US Marshals: "Abenteuer? Ich habe sie nie gesucht. Weiß der Teufel wie es kam, dass sie immer dort waren, wohin ich ritt." Diese Romane müssen Sie als Western-Fan einfach lesen! Es gab sie damals schon, die jungen Leute, die man heute nicht ganz richtig ›halbstark‹ nennt. In den Siebziger- und Achtzigerjahren des vorigen Jahrhunderts nannte man sie in den Unionstaaten Nordamerikas bedeutend treffender die cry boys, die Schrei-Jungen, also die Unzufriedenen, die Großmäuler, die Verdrossenen, die Besserwisser. Stan Ripper allerdings hätte mit seinen neunzehn Jahren schon über dieses Stadium hinaus sein müssen. Gattertore von Corrals aushängen, Wagen umkippen, Fensterläden aushängen, Wagen umkippen, Fensterläden zuleimen, ganze Holztreppen nächtlicherweise abnehmen und Türschilder auswechseln – für dies alles hätte er längst zu erwachsen sein müssen. Und dennoch war er ein cry boy geblieben. Und zwar einer, der nicht mehr harmlos genannt werden konnte. Der Unfug, den er anstellte, war längst kein Unfug mehr. Stan war ein mittelgroßer, kräftiger und gewandter Bursche, der mit der Lässigkeit eines Raubtieres umherging, immer eine Zigarette im Mundwinkel, unfrisiert. Das Haar wuchs ihm hinten bis in den schmierigen Hemdkragen hinein, die Hände hatte er stets in den Hosentaschen und den breitrandigen grauen Stetson ins Genick zurückgeschoben. Sein Gesicht bestand zum überwiegenden Teil aus der unteren Hälfte. So stark war der Mund und vor allem die Kinnpartie ausgeprägt und nach vorn geschoben, daß die kleine Nase, die schmalen Augen und die kurze, fliehende Stirn ganz nebensächlich dagegen wirkten. Vielleicht war es das Unglück des Burschen, daß sein Vater im Krieg gefallen war. So hatte er in seiner Jugend nie die starke, zügelnde Hand eines Mannes gespürt. Die Mutter war eine kränkliche Frau, die von morgens sechs bis abends neun in einer Weberei arbeitete und sich infolgedessen kaum noch um den Jungen kümmern konnte. Geschwister hatte Stan nicht. Vielleicht hätte ihn eine ältere Schwester oder auch ein Bruder auf einen anderen Lebensweg bringen können als den, den der Bursche eingeschlagen hatte. Sterling Buck und Fin O'Brian formten sein Leben. Sie waren der cry-boy-Zeit zwar auch eigentlich schon entwachsen, hingen aber noch so daran wie Stan – und unterschieden sich von ihm nur durch einen schärferen Verstand und bessere Kleidung. Vor allem O'Brian war ein äußerst gerissener Bursche, und sein Vater, der Sägewerkbesitzer John O'Brian hatte seine liebe Not mit dem mißratenen Sohn. Sterling Buck war ein ziemlich schweigsamer junger Mann, aber er hatte es faustdick hinter den Ohren.

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Wyatt Earp Classic – 93 –

Die Outlaws von Santa Fé

William Mark

Es gab sie damals schon, die jungen Leute, die man heute nicht ganz richtig ›halbstark‹ nennt. In den Siebziger- und Achtzigerjahren des vorigen Jahrhunderts nannte man sie in den Unionstaaten Nordamerikas bedeutend treffender die cry boys, die Schrei-Jungen, also die Unzufriedenen, die Großmäuler, die Verdrossenen, die Besserwisser.

Stan Ripper allerdings hätte mit seinen neunzehn Jahren schon über dieses Stadium hinaus sein müssen. Gattertore von Corrals aushängen, Wagen umkippen, Fensterläden aushängen, Wagen umkippen, Fensterläden zuleimen, ganze Holztreppen nächtlicherweise abnehmen und Türschilder auswechseln – für dies alles hätte er längst zu erwachsen sein müssen. Und dennoch war er ein cry boy geblieben. Und zwar einer, der nicht mehr harmlos genannt werden konnte. Der Unfug, den er anstellte, war längst kein Unfug mehr. Stan war ein mittelgroßer, kräftiger und gewandter Bursche, der mit der Lässigkeit eines Raubtieres umherging, immer eine Zigarette im Mundwinkel, unfrisiert. Das Haar wuchs ihm hinten bis in den schmierigen Hemdkragen hinein, die Hände hatte er stets in den Hosentaschen und den breitrandigen grauen Stetson ins Genick zurückgeschoben. Sein Gesicht bestand zum überwiegenden Teil aus der unteren Hälfte. So stark war der Mund und vor allem die Kinnpartie ausgeprägt und nach vorn geschoben, daß die kleine Nase, die schmalen Augen und die kurze, fliehende Stirn ganz nebensächlich dagegen wirkten.

Vielleicht war es das Unglück des Burschen, daß sein Vater im Krieg gefallen war. So hatte er in seiner Jugend nie die starke, zügelnde Hand eines Mannes gespürt. Die Mutter war eine kränkliche Frau, die von morgens sechs bis abends neun in einer Weberei arbeitete und sich infolgedessen kaum noch um den Jungen kümmern konnte.

Geschwister hatte Stan nicht. Vielleicht hätte ihn eine ältere Schwester oder auch ein Bruder auf einen anderen Lebensweg bringen können als den, den der Bursche eingeschlagen hatte.

Sterling Buck und Fin O’Brian formten sein Leben. Sie waren der cry-boy-Zeit zwar auch eigentlich schon entwachsen, hingen aber noch so daran wie Stan – und unterschieden sich von ihm nur durch einen schärferen Verstand und bessere Kleidung. Vor allem O’Brian war ein äußerst gerissener Bursche, und sein Vater, der Sägewerkbesitzer John O’Brian hatte seine liebe Not mit dem mißratenen Sohn.

Sterling Buck war ein ziemlich schweigsamer junger Mann, aber er hatte es faustdick hinter den Ohren. Seine Eltern hatten eine Metzgerei in der Mainstreet der großen Stadt Santa Fé und fanden vor lauter Arbeit nur wenig Zeit, sich um den Sohn zu kümmern.

Die drei waren von der Schulbank her befreundet, hatten bisher alle Streiche gemeinsam durchgeführt und verharrten jetzt mit neunzehn, beziehungsweise zwanzig Jahren eigentlich noch dort, wo sonst junge Burschen allenfalls mit fünfzehn, sechzehn standen.

Obwohl man das, was die drei späten cry-boys in letzter Zeit angestellt hatten, schon nicht mehr als Streiche betrachten konnte, hatten sie bis zu jenem Augusttage noch kein Verbrechen begangen.

Eines Abends lungerten die drei vor der Marcus Bar herum und blickten dösend auf die Straße, die im schwindenden Licht des Tages lag und eigentlich mit ihrem Leben und Treiben ein großartiges Schauspiel bot. Aber für romantische Bilder hatten die drei Burschen keinen Blick.

Stan schnipste seine kaum halbgerauchte Zigarette in hohem Bogen vor die Füße einer Frau auf die Straße und knurrt verdrossen: »Wer hat noch ein paar Bucks für eine Flasche?«

Die beiden anderen zogen nur die Schultern hoch.

Stan lachte ärgerlich.

»Ihr seid mir vielleicht Figuren. Wenn ich einen Vater hätte, der eine Sägemühle oder eine Schlachterei besäße, dann hätte ich immer Geld für einen Drink im Gurt.«

O’Brian lachte blechern.

»Du hast eben gar keinen Vater, Stan. Das ist dein Pech.« Er stieß den flachen blonden Sterling Buck an. »Was meinst du, Ster?«

Der nickte nur. Dann schob er davon.

Als er nach zehn Minuten zurückkam, ging er an den beiden anderen vorbei in die Schenke.

Stan und Fin folgten ihm.

Buck lehnte schon an einer Ecke der Theke und hatte die Flasche bereits vor sich stehen. Als die beiden anderen nachkamen, sahen sie, daß er auch schon drei Gläser bestellt hatte.

Die drei cry-boys tranken die Flasche in einer knappen Viertelstunde leer – womit sie bewiesen, daß sie absolut noch keine Männer waren.

Sie verließen auf nicht mehr ganz sicheren Beinen die Schenke und waren kaum draußen, als sie feststellen mußten, daß sie regelrecht betrunken waren. Die frische Luft machte es ihnen deutlich.

Stan richtete sich auf. »Damned, ich will skalpiert werden, wenn ich mich jetzt schon ins Bett lege!«

»Wer verlangt… verlangt das von dir?« krächzte Fin.

Stan grinste. »Was habt ihr noch vor?« Fin zündete sich mit zittrigen Händen eine Zigarette an.

»Ich glaube, Sterling wollte Peggy Ray noch einen Besuch abstatten. Wir werden ihn dabei… dabei begleiten.«

Aber Buck hatte gar nicht die Absicht, der kleinen Peggy Ray, die ihn schon dreimal hatte abblitzen lassen, einen Besuch abzustatten.

»Wir machen etwas anderes«, brummte er, dem der Whisky nicht ganz so stark zugesetzt zu haben schien wie den beiden anderen. »Fin weiß es.«

Fin wußte nichts; aber das glaubte er unter keinen Umständen zugeben zu können: »Klar, kommt mit!« blabberte er.

Sie schlenderten los, quer über die Mainstreet, durch die breite Ponderoa Avenue hinüber zu den Mietställen des dicken Harry Garkin.

Eine Viertelstunde später hatten sie sieben Pferde aus dem Corral getrieben und standen hinter einer Scheunenmauer.

»Und jetzt?« fragte Stan.

»Was jetzt?« krächzte Fin. »Jetzt geht es weiter.«

Sie hingen zwei Gartentore aus und kippten einen Highländer um, der mit Feldwerkzeugen beladen war, und warfen Sand in offenstehende Fenster. Und wieder standen sie schweratmend von der Anstrengung hinter einer Mauer und starrten in eine halbdunkle Gasse.

Was war geschehen? Sie merkten plötzlich alle drei, daß irgend etwas geschehen war.

Es war wie immer gewesen – und doch war ihnen allen dreien auf einmal klargeworden, wie sinnlos es doch war, was sie da anstellten!

Und daß es ihnen gar keinen Spaß mehr machte.

Ein wichtiger Wendepunkt in ihrem Leben. Jetzt gab es nur zwei Wege, den zur Vernunft und jenen anderen Weg, der ernsthaft abwärts führte.

Stan hatte sich aus seinen letzten Tabakkrümeln eine Zigarette gedreht.

»Gehen wir?« fragte er halblaut.

Fin O’Brian spürte, daß die Frage an ihn gerichtet war und er spürte auch, daß es eine entscheidende Frage war.

Nein, sie würden jetzt nicht nach Hause gehen. Sie würden noch etwas anstellen.

Aber was?

Ob Sterling nichts wußte? Der hatte doch sonst immer Ideen.

O’Brian stieß ihn an.

Buck blickte die Gasse hinunter, die beiden anderen konnten sein hartes, kantiges Gesicht deutlich von der Seite sehen. Buck war im Gegensatz zu Ripper groß, schlank und hager, besser gekleidet und hatte mit den beiden anderen nur die scheußliche Figur und den schleichenden Tigergang gemeinsam.

Fin wischte sich durch sein ovales sommersprossiges Gesicht und strich sich zum hundersten Male an diesem Abend eine hartnäckige braune Haarsträhne aus der Stirn. Er war nicht ganz so groß wie Buck, dafür aber hatte er mächtige, weitausladende Schultern.

Sterling Bucks Profil sah er jetzt scharf als schwarze Kontur gegen den hellen Nachthimmel.

Plötzlich ging ein Ruck durch Bucks Körper. Er zog sich den Hut tief in die Stirn und stieß sich von der Wand ab. Mit hartem Schritt ging er mitten durch die Gasse weiter.

Fin und Stan folgten ihm.

Sie kamen in die enge Tesuquestreet, eine Prallelstraße zur Mainstreet.

Fins Herz stockte plötzlich, als er bemerkte, daß Sterling den Schritt hinter dem Hof der Bank of Santa Fé verhielt.

Stan kam näher.

»Was habt ihr vor?«

»Halt’s Maul!« herrschte ihn Sterling an, dem selbst das Herz plötzlich bis in den Hals schlug. Er sah sich sichernd nach allen Seiten um.

Dann schwang er sich zu der Fenz hinauf, erreichte ihren Rand zwar mit den Händen, vermochte sich aber wegen der starken Wölbungen nicht hinaufzuziehen.

Fin und Stanley sprangen hinzu und stützten ihn. So konnte er sich höher ziehen und blieb oben auf einem der Pfähle hocken.

Die beiden starrten zu ihm hinauf.

Dann ging Fin zurück, nahm einen Anlauf – und baumelte ebenso wie vorhin Sterling, an der Pfahlwand. Es war einfach unmöglich, allein an der nach vorn gewölbten Fenz im Klimmzug hochzukommen, da man bei jeder Zugbewegung abgerutscht wäre.

Stan stützte ihn und Buck half von oben nach.

Für einen Augenblick sah Stan die beiden Gestalten oben auf den Pfählen hocken, dann waren sie verschwunden. Kaum hörte er das Geräusch ihres Aufsprungs drüben im Hof.

Da knirschte es am Tor, ein Lichtschein fiel in die dunkle Front der Pfahlmauer.

Die beiden hatten das Tor geöffnet.

Stan blickte in den vom schwachem Mondlicht erhellten Hof.

Fin zog ihn rasch hinein und schloß das schwere Tor, das nur durch einen Balkenriegel gesichert gewesen war, was normalerweise ja auch genügte.

Stan sah sich um.

»Wo ist Ster?«

Fin wies mit dem Kopf auf die dunkle Rückfront des Bankgebäudes.

»Was habt ihr denn vor?«

»Maul halten«, zischte Fin, der auch nicht wußte, was der schweigsame Sterling Buck im Schilde führte.

Und der Bursche, der im Schlagschatten des Hauses kauerte und die Fenster beobachtete, wußte es in diesem Augenblick selbst noch nicht.

Ganz sicher aber hatte er in dieser Minute nicht das vor, was noch vor Ablauf einer Viertelstunde geschehen sollte.

Sterling Buck war in dieser Minute längst nicht mehr betrunken, aber er war auch nicht nüchtern. Er befand sich in jenem Zustand, der den Menschen bedenkenlos macht.

Und dennoch dachte er nach.

Die beiden anderen waren jetzt dicht hinter ihm. Deutlich hörte er Stan Rippers heftiges Atmen.

»Damned, wenn uns hier jemand überrascht?« stieß Ripper durch die Zähne.

Sterlings Kopf flog herum.

»Und? Was dann?«

Stan zog seine breiten Schultern hoch.

»Was dann? Ich weiß es nicht. Ich könnte mir denken, daß man den Sheriff alarmieren würde.«

»Na und?«

»Komm, pump dich nicht so auf, was hast du vor?«

»Wirst du schon noch erfahren.«

Hätte er es nur selbst gewußt – vielleicht hätte er es dann unterlassen.

Da richtete sich Buck auf und huschte auf das Haus zu. Finlay folgte ihm sofort.

Stan blieb auf seinem Platz.

Angestrengt lauschte er zum Haus hinüber. Er vermochte die beiden nicht zu sehen, so dunkel war es an der Rückfront des Bankgebäudes.

Was sie nur vorhatten?

Darüber zerbrach sich Fin, der jetzt dicht hinter Sterling am Boden kauerte, den Kopf.

Da stieß Sterling ihn an.

»Wir müssen da durch dieses Fenster.«

»Es ist doch geschlossen.«

»Wenn schon. Die anderen sind alle vergittert.«

Fin wartete nicht, vielleicht um nicht an seiner eigenen Angst zu verzagen.

Er schwang sich auf das Fenstersims und zog das Bowiemesser aus dem Gurt.

Es war nicht einfach, das große mehrteilige Fenster aus seinem Kipphaken zu heben, aber schließlich gab der Haken doch nach und schnappte zurück.

Fin schob das Fenster leise hoch.

Da wurde er von unten am Stiefel gepackt, zuckte zusammen und blickte sich um.

Er sah in Sterling Bucks Gesicht.

»Wir müssen alle drei hinein. Warte hinterm Fenster.«

Fin nickte und glitt lautlos in den dunklen Raum.

Dann kam Stan. Den Schluß machte Sterling Buck.

Mit angehaltenem Atem kauerten die drei Boys neben dem Fenster und lauschten in das Haus. Plötzlich schraken sie zusammen. Auf den Fliesen des Korridors war das klickende Tappen eines Hundes zu hören.

Stan Ripper glaubte, man müsse das laute Hämmern seines Herzens, das ihm selbst in die Ohren dröhnte, weit hören können.

Der Hund war stehengeblieben, unmittelbar vor der Tür dieses Raumes.

Fins Rechte tastete nach dem Revolver.

Stan merkte es und schluckte. Damned, in was hatte er sich da bloß eingelassen.

»Uim! Uim!« machte das Tier und ging dann langsam weiter.

»Ob der Köter uns gewittert hat?« fragte Stan heiser.

»Glaube ich nicht«, meinte Fin, aber keineswegs war er so sicher, wie er sich gab.

Sterling richtete sich auf und blickte zurück zum Fenster. Am liebsten wäre er jetzt zurückgegangen, weg aus dem Bankhaus. Er hatte plötzlich ein mulmiges Gefühl in der Magengrube.

Aber er glaubte, sich diese Blöße nicht vor den anderen geben zu dürfen. Deshalb tat er genau das Gegenteil von dem, was er wollte: Er schlich vorwärts, an der Wand entlang auf die Korridortür zu.

»Nicht«, raunte Stan ihm zu, »du kannst die Tür nicht öffnen, der Hund bellt das ganze Haus zusammen!«

Da hatte Ster die kleine in der Farbe der Wand gehaltene Tür zum Nebenraum entdeckt und schob den Drehknopf nach rechts. Die Tür gab nach. Leise knackte sie beim Öffnen. Ster hielt sie fest.

»Kommt her«, raunte er seinen beiden Genossen zu.

Leise kamen sie näher, schoben sich an ihm vorbei und kamen zu ihrer namenlosen Verwunderung in den großen Schalterraum, der bis hinüber zu den Fenstern der Straßenfront reichte.

Beklommenheit lastete auf den drei Eindringlingen.

Was wollten sie hier? Weshalb waren sie hier eingedrungen?

Stan spürte, daß seine Beine leise zitterten. Deshalb trat er weg von Sterling. Fin, der neben ihm gestanden hatte, zog seine Stiefel aus. Die anderen beiden folgten seinem Beispiel. Sie ließen die drei Stiefelpaare neben der Tapetentür stehen und huschten auf einen der Schalter zu, dessen Gitter heruntergelassen war.

Fin stieß Stan an.

»Los, über das Gitter – du mußt es von innen aufschieben!«

Stan folgte der Aufforderung. Er gelangte über das hohe Gitter, vermochte es aber nicht zu öffnen.

Währenddessen lehnte Sterling Buck mit heißem Schädel unter dem Schalterbrett an dem hölzernen Sockel und hörte deutlich in sich die Warnung. Das ist doch Wahnsinn, was du da tust! Was willst du überhaupt hier? Etwa die Bank berauben?

Auf Bankraub steht Straflager!

Buck richtete sich wildentschlossen auf und schwang sich selbst über das Gitter.

»Verschwinde«, zischte er Stan Ripper zu, »der bewacht die Fenster zur Straße. Fin, halt die Tür zum Korridor im Auge!«

Stan jumpte wieder oben über das Gitter und kroch dann am Holzsockel der Schalter entlang bis zur Fensterfront, die an der Mainstreet lag.

Fin blieb vor dem Schalter, hinter dem er Sterling wußte.

Es herrschte ein hartes Knacken. Buck und Ripper fuhren zusammen.

Fin hatte es versucht, weil er von sich aus versucht hatte, das kleine Gitter über dem Schalterbrett aufzustoßen.

»Idiot!« zischelte Sterling.

Und da wurden sie auch schon durch das wilde Bellen des großen Hundes aufgeschreckt.

Stan rannte auf die große Flurtür zu.

Nur etwa eine halbe Minute später waren harte Schritte im Korridor und dann flog die große Tür auf.

Fin hastete zur Tapetentür und war im Nebenraum verschwunden.

Auch Stan hätte flüchten können. Aber er wußte Sterling Buck drüben im Schalterraum.

So duckte er sich und hechtete dem Mann an der Tür entgegen.

Der große Hund sprang ihm in die Flanke.

Stan versetzte dem Tier einen Fußtritt.

Wild kläffend wirbelte der Hund zurück, um erneut anzustürmen.

Aber plötzlich erstarb sein heiseres Gebell in einem Gewimmer, das rasch erstarb.

Stan achtete nicht darauf.

Er sah den Mann vor sich, zog den Colt und ließ ihn blitzschnell auf den Schädel des anderen niedersausen. Einmal, zweimal, dreimal.

Schwer schlug der Getroffene auf den Boden auf.

Da sah Stan eine Gestalt unweit von sich hochschnellen.

Sterling Buck! Er hatte den Hund zum Schweigen gebracht. Schon war auch er durch die Tapetentür verschwunden.

Im Bankhaus herrschte wieder Totenstille.

Wie betäubt stand der junge Stanlay Ripper vor dem Mann, der reglos zu seinen Füßen lag.

Rechts lag der dunkle Körper des Hundes auf den hellen Dielen.

Stan hatte den Revolver noch in seiner Faust, als er sich dem Hund näherte.

»Stan!« Der gezischte Laut ließ ihn zusammenzucken. Es war Sterling Buck, er kam von der Tapetentür her.

»Laß den Köter, ich habe ihn ausgelöscht.«

Stan wischte sich über sein Gesicht und schob den Colt ins Halfter zurück, er war schweißnaß.

Buck bückte sich über den Niedergeschlagenen. Als er sich aufrichtete, hörte Stanlay Ripper ihn drei Worte sagen, die ihn wie Keulenschläge trafen: »Er ist tot!«

Tot? Nein! Das konnte doch nicht sein! Er hatte ihn doch nicht töten wollen.

Sterling Buck wandte sich ab und ging wieder auf die Tapetentür zu.

Stan hörte die leisen Geräusche, die die beiden im Nebenraum am Fenster verursachten.

Er blieb minutenlang neben dem Körper des Mannes stehen.

Dann ging auch er. Fin und Sterling waren nirgends zu sehen.

Er verließ den Hof über die Fenz, wie sie es wohl auch getan hatten. Man kam leichter hinaus als hinein.

Dann rannte er plötzlich los und wollte nach Hause.

Aber nein, er konnte jetzt nicht heimgehen. Auf keinen Fall!

Was aber sollte er tun?

Da stieß er an einer Straßenecke mit einem Mann zusammen.

Es war Sterling Buck. »Komm mit«, sagte der zu ihm.

Sie gingen in die Mainstreet. Buck hielt auf die Marcus Bar zu.

»Du mußt dich jetzt betrunken stellen!«

Buck packte Stan am Ärmel und zog ihn in die Schenke.

Niemand achtete auf die beiden. Es herrschte immer noch viel Betrieb in dem großen Saloon. Jonny Marcus, der Keeper, blickte kaum auf, als Sterling Buck mit schwerer Zunge sagte: »Wir haben drei Minuten Luft geschnappt und wollen jetzt einen besseren Whisky trinken.«

Der Schankwirt zog die Schultern hoch.

»Wenn ihr noch Geld habt!«

Sterling griff in seine Gurttasche und zog ein goldenes Zwanzigdollarstück hervor.

»Fehlt der Ihnen nicht noch in Ihrer Sammlung, Jonny?«

Der Salooner bückte sich, nahm eine Flasche unter der Theke hervor, wischte sie mit einem schmierigen Lappen ab, fischte zwei Gläser aus der kleinen Wanne und stellte alles vor Buck und Ripper hin.

Sterling öffnete die Flasche und schenkte ein. Stan beobachtete ihn und beneidete ihn um seine ruhige Hand.

Aber um keinen Preis wollte er an den Mann in der Bank erinnert werden.

Er vermochte es nicht zu begreifen, nicht zu fassen:

Er hatte einen Menschen getötet!

Er war ein…, ja, es gab keinen Zweifel: Er war ein Mörder!

Und Sterling Buck wußte es. Er und Finlay O’Brian.

Wo war Fin überhaupt?

Weshalb hatte er nicht auf ihn gewartet?

Da tippte jemand Stan auf die Schulter.

Der Bursche zuckte zusammen wie unter einem Peitschenschlag. Er hatte nicht den Mut, sich umzudrehen, als ihm O’Brians näselnde Stimme ans Ohr drang: »Na, Boy, wie ist der Whisky?«

Stan hätte Fin am liebsten geohrfeigt.

Nach dem zweiten Glas ging Stan hinaus. Tief zog er die frische Nachtluft ein. Es rauschte in seinem Schädel.

Langsam schlenderte er nach Hause.

Es war die scheußlichste Nacht seines Lebens. Nicht eine Minute vermochte er die Augen zu schließen.

Als der Tag zu grauen begann, stand er auf, wusch sich und kleidete sich an.

Ich werde wegreiten!

Nach langem Überlegen war er zu dieser Erkenntnis gekommen. Ich muß weg von hier! Sie würden mich hängen.

So lautlos wie möglich verließ er das Haus und trat in den Hof.

Als er mit seinem Pony auf die Straße kam, sah er in die Augen Sterling Bucks, der zusammen mit Finlay O’Brian auf dem gegenüberliegenden Vorbau hockte.

Buck stand auf und kam schwankend über die schmale Seitenstraße. In seinen Augen glomm es böse.

»Wo willst du hin, du Idiot!« krächzte er. »Habe ich es mir doch gedacht!«

Er war betrunken, aber nicht betrunken genug, um nicht noch zu wissen, was er tat und was er sprach.

»Ich muß weg«, keuchte Stan.

»Wohin? Und vor allem: Wie weit? Mister Tracy ist ein mißtrauischer Mann und hat mit seinen fünf Deputies eine Reihe schneller Pferde.«

Buck legte den Kopf auf die Seite und krächzte: »Fin!«

Der schaukelte heran.

»Was sagst du zu Stan?« fragte Buck ihn, ohne Stan aus den Augen zu lassen.

»Er ist ein Idiot!«

Auch Finlay O’Brian war betrunken. Doch auch er wußte noch, was er tat und sprach.

»Bring das Pony zurück, du bleibst hier.«

»Und wenn ich nicht will?« knurrte Ripper trotzig.

Da nahm Fin seinen Revolver aus dem Halfter. Er kniff das linke Auge ein: »Wir wollen, Stan.«

»Aus dem Weg!« knurrte ihn Stan an.

Da räusperte sich Sterling leise.