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Die wirksamsten Übungen aus dem Yoga bei Depression Die erfahrene Yogalehrerin und Heilpraktikerin Anna Trökes gibt in diesem fundierten Ratgeber effiziente Hilfe zur Selbsthilfe bei Depression aus der Sicht des Yoga. Eine Depression ist eine kraftraubende, einsame und oft unsichtbare psychische Erkrankung. Sie schleicht sich langsam ins Leben, beißt sich fest und ist dann schwer wieder abzuschütteln. Anna Trökes vermittelt hier alle wichtigen Yoga-Tools: von beruhigenden oder auch aktivierenden Körperhaltungen über spezielle Atempraktiken bis hin zur Meditation. Yoga ist eine inzwischen wissenschaftlich anerkannte Methode bei der Behandlung von Depressionen. Yoga bei Depression bietet in dem Zusammenhang eine perfekte Hilfe für die Praxis zu Hause an, die ärztliche oder therapeutische Maßnahmen selbstverständlich nicht ersetzt, aber sehr effizient flankiert. Mit Yoga die Selbstwahrnehmung verbessern Yoga verbessert die Fähigkeit, sich selbst wahrzunehmen und körperliche sowie emotionale Bedürfnisse frühzeitiger und differenzierter zu erkennen. Damit ist Yoga eine der wirkungsvollsten begleitenden Therapien bei Depression. Anna Trökes bietet hier sowohl mentale Übungen im Sinne der kognitiven Umstrukturierung als auch Körper- und Atemübungen an, die direkt auf das vegetative Nervensystem einwirken. Bei der Übungspraxis wird besonderer Wert auf das Einüben von Achtsamkeit und Meditation gelegt, denn Forschungen der modernen Neurowissenschaften belegen klar, dass darin das größte und nachhaltigste Heilungspotenzial liegt.
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Anna Trökes
Mit Illustrationen von Nike Schenkl
Knaur eBooks
Mit Anna Trökes widmet sich eine der erfahrensten und einflussreichsten Yogalehrerinnen dem psychologischen Thema Nr. 1: Depression. Ihr Ratgeber vermittelt alle wichtigen Yoga-Tools: von beruhigenden oder auch aktivierenden Körperhaltungen über spezielle Atempraktiken bis hin zur Meditation. Yoga ist eine inzwischen wissenschaftlich anerkannte Methode bei der Behandlung von Depressionen. Yoga bei Depression bietet in dem Zusammenhang eine perfekte Hilfe für die Praxis zu Hause an, die ärztliche oder therapeutische Maßnahmen selbstverständlich nicht ersetzt, aber sehr effizient flankiert.
Yoga verbessert die Fähigkeit, sich selbst wahrzunehmen und körperliche sowie emotionale Bedürfnisse frühzeitiger und differenzierter zu erkennen. Damit ist Yoga eine der wirkungsvollsten begleitenden Therapien, um der Depression zu begegnen, die in den vergangenen Jahrzehnten zu einer der folgenreichsten Volkskrankheiten geworden ist. Anna Trökes bietet hier sowohl mentale Übungen im Sinne der kognitiven Umstrukturierung als auch Körper- und Atemübungen an, die direkt auf das vegetative Nervensystem einwirken. Bei der Übungspraxis wird besonderer Wert auf das Einüben von Achtsamkeit und Meditation gelegt, denn Forschungen der modernen Neurowissenschaften belegen klar, dass darin das größte und nachhaltigste Heilungspotenzial liegt.
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Vorwort zur überarbeiteten Neuauflage von Anna Trökes
Vorwort von Dr. Holger Cramer
Einleitung
Was kann helfen?
Eigene Erfahrung mit Depression
Der Begriff der adjuvanten Therapie
Kapitel 1: Was ist eigentlich eine Depression?
Alltagsverständnis von Depression
Depression verstehen lernen
Schweregrade und Symptome einer unipolaren Depression
Weitere Unterscheidungsmerkmale und Verläufe depressiver Erkrankungen
Ursachen für Depression
Änderung in den Hirnfunktionen und im Denken
Zusammenwirken mehrerer Auslöser
Psychologische Sicht auf die Ursachen
Kritisches Denken hilft nicht weiter
Vom Sinn einer Depression für die Seele
Erlernte Hilflosigkeit
Verzerrungen in der Kognition
Psychosoziale Ursachen
Folgen elterlicher Depression
Störungen in der Persönlichkeitsstruktur des Kindes
Neurobiologische Sicht auf die Ursachen
Neue Erkenntnisse zur Rolle des Immunsystems
Störungen im Verdauungssystem und Depression
Kapitel 2: Wie der Yoga die Behandlung depressiver Erkrankungen begleiten kann
Der Weg des Yoga – ein Überblick
Die buddhistische Analyse des Leidens
Die Frage danach, warum wir leiden
Ursachen des Leidens
Die Entfaltung von Achtsamkeit als Weg aus der Depression
Der klassische Yoga Patañjalis
Vom Umgang mit den Kräften, die Leid verursachen, oder Patañjalis Konzept der Kleshas
Avidya – die Tendenz zu Irrtum und Verwechslung
Asmita – das falsche Verständnis von uns selbst
Raga – drängendes Verlangen
Dvesha – Abneigungen und Vermeidungsstrategien
Abhinivesha – tief sitzende Unsicherheit und Angst
Die Prinzipien des Handelns – Kriya-Yoga
Die Balance zwischen Bemühen und Loslassen – Abhyasa und Vairagya
Das Konzept des Zeugen
Dem Geist eine heilsame Ausrichtung geben – Bhavana
Die vier erhabenen Geistesqualitäten
Selbstmitgefühl entfalten – in sich selbst Halt und Trost finden
Kapitel 3: Die Übungspraxis des modernen Yoga als adjuvante Therapie bei Depression
Jeder kann Yoga machen
Der Yoga der (ganz) kleinen Schritte
Behutsam in Richtung Aufwärtsspirale
Ein günstiges Setting für die persönliche Übungspraxis schaffen
Warum Bewegung hilft
Allmählich wieder »Gas geben«
Weniger ist oft mehr
Bewegung als »Dünger fürs Gehirn«
Haltung und Stimmung
Die Symbolik der Asanas für unsere inneren Bilder nutzen
Die Übungspraxis entschleunigen
Kapitel 4: Yoga-Praxis bei Depression
Allgemeines zur Gestaltung einer regelmäßigen Übungspraxis
Zeit zum Üben finden
Was Sie zum Üben brauchen
Wann ist Vorsicht geboten?
Ihren Yoga-Platz gestalten
Kleine Bewegungsabläufe (Vinyasa)
Den Rücken entlasten (Apanasana)
Ablauf mit Schulterbrücke (Dvipada pitham)
Ablauf mit Schulterbrücke und Apanasana
Bewegungsablauf zur Stärkung des Herzens
Bewegungsablauf, um wieder kraftvoll aufzutauchen
Bewegungsablauf, um sich wieder für das Leben zu öffnen (Virabhadrasana Flow)
Kleiner Sonnengruß – sich dem Licht zuwenden
Schultern und Brustraum von Last befreien
Belastendes loswerden
Reinigungsübung mit der HA- und der HUIT-Atmung
Stimmungsaufhellung durch Yoga-Haltungen (Asanas)
Moderate Rückbeugen
Die Engelhaltung (Bhujangasana-Variante)
Das Kamel (Ushtrasana)
Die Haltung des Ritters (Virabhadrasana-Variante)
Der Fisch (Matsyasana)
Kraftvolle Vorbeugen
Kraftvolle Grätsche (Prasarita padottanasana)
Der Hund, der nach unten schaut (Adho mukha shvanasana)
Der Hund, der ein Bein hebt (Adho mukha shvanasana-Variante)
Die Vorbeuge im Stand (Uttanasana)
Das Siegel des Yoga (Yoga Mudra)
Drehhaltungen
Die Spirale
Die gedrehte Flankendehnung (Parivritta parshva konasana)
Das Krokodil (Makarasana)
Standhaltungen
Die kraftvolle Haltung (Utkatasana)
Der Held 1 (Virabhadrasana 1)
Der Held 2 (Virabhadrasana 2)
Die Flankendehnung (Utthita parshva konasana)
Gleichgewichtshaltungen
Der Baum (Vrikshasana)
Der Halbmond (Ardha Chandrasana)
Der Tänzer (Natarajasana-Variante)
Umkehrhaltungen
Die Schulterbrücke (Dvipada Pitham)
Die gestützte Umkehrhaltung (Viparita karani mudra)
Atem und Geist – aus der Sicht des Yoga untrennbar verbunden
Atemübungen (Pranayama)
Natürlicher Atem
Atemgewahrsein
Die Bauchatmung
Intensivierung der Ausatmung
Langsame Atmung mit dem Reibelaut (Ujjayi)
Stimmungsaufhellende Atmung (Bhramari)
Ausgleichende Atmung/Wechselatmung (Nadi shodhana)
Die reinigende Atmung (Kapalabhati)
Die kraftvolle Atmung (Bhastrika-Variante)
Die energieaufladende Atmung (Plavini)
Der Atem der Freude (Breath of Joy)
Meditationen (Dhyana)
Ein differenzierter Blick ist vonnöten
Das innere Wissen entdecken
Was sagt die Forschung?
Begleitung finden
3-Minuten-Meditation
Halt und Raum finden zwischen Himmel und Erde
Der heile Ort
Das innere Licht
Mantra-Meditation zum Geleit in schwierigen Zeiten
Achtsamkeitsmeditation
Ausatem-Meditation
Dankbarkeitsmeditation
Maitri-Meditation
Ein Weg zurück ins Licht
Literatur
Dank
Hilfreiche Adressen
Sanskritnamen der Asanas und des Pranayama
Sachregister
Seitdem dieses Buch in seiner ersten Auflage 2017 erschien, hat es leider nichts an Aktualität verloren.
Immer mehr Menschen weltweit leiden unter depressiven Episoden und ihren Folgen. Dabei finde ich besonders beunruhigend, dass die Betroffenen immer jünger werden.
Viel zu oft entwickelt sich das Krankheitsbild der Depression im Rahmen lang andauernder Überlastungen, die die Menschen aller Altersgruppen – beginnend bei Schulkindern – zutiefst erschöpfen und nicht selten in einen Burn-out münden.
Neben den vielen persönlichen Belastungen leiden die Menschen inzwischen auch sehr an den umfassenden globalen Problemen, beginnend mit den tiefgreifenden Veränderungen, die durch die drei Jahre der Coronapandemie verursacht wurden, wie der uns allen noch immer unfassbaren Tatsache eines erbarmungslosen Angriffskrieges vor unserer Tür mit seinen einschneidenden Folgen. Dazu kommen die vielen leider noch immer ungelösten Probleme, die der Klimawandel mit sich bringt.
Kein Wunder, dass Unsicherheit und Gefühle der Hilflosigkeit sich immer mehr breitmachen. Sie sind ein Nährboden für die bedrückte und hoffnungslose Stimmung, die so viele Menschen erfasst hat.
Die sich daraus ergebenden Krankheitsbilder werden häufig pauschal als »Anpassungsstörungen« bezeichnet, womit (wie ich finde) zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Mensch es einfach nicht hinkriegt, mit den vielfältigen Überlastungen und Überforderungen des modernen Lebens umzugehen. Dabei sind es doch wohl eher die Anforderungen der Leistungsgesellschaft und die daran gekoppelten äußeren und verinnerlichten Erwartungen, die das Problem darstellen.
Da der volkswirtschaftliche Schaden, der durch solche Belastungs- und Anpassungsstörungen verursacht wird, zu gewaltig ist und ständig weiter anwächst1, interessiert sich die Forschung immer mehr für Therapieansätze, die eine medikamentöse Behandlung unterstützen und ergänzen können.
Dabei rücken die Körperarbeit und die Atemtechniken des Yoga sowie verschiedene Formen der Meditation immer mehr in den Fokus. Der zunehmende Aufbau von »Mind-Body-Abteilungen« in Kliniken gibt Yoga und Meditation endlich zunehmend Raum, damit diese uralten, vielfach erprobten Übungswege ihre Wirksamkeit entfalten und unter Beweis stellen können. Damit wird mittel- bis langfristig vor allem die Selbstwirksamkeit der Betroffenen gestärkt – und die Erfahrung der Selbstwirksamkeit ist erwiesenermaßen mit das beste Mittel gegen Gefühle der Hilflosigkeit und der Hoffnungslosigkeit.
Yoga und Meditation setzen sich seit nunmehr über 3000 Jahren dafür ein, uns erkennen zu lassen, wodurch wir uns Leid erschaffen und wie wir auf diese psychischen Muster regulierend und heilsam einwirken können. Yoga und Meditation bieten geeignete Konzepte, damit wir verstehen können, was in uns vorgeht, und zeigen uns praktikable und alltagstaugliche Methoden auf, um unseren Geist und damit unsere Gestimmtheit zu stabilisieren und wieder auf das Förderliche und Gelingende auszurichten, das ja auch immer da ist.
Passend dazu wächst unter denjenigen, die Yoga und Meditation lehren, das Interesse, sich zu informieren und fortzubilden, um Menschen, die unter Belastungs- und Anpassungsstörungen leiden, zu unterstützen und zu begleiten.
So können wir es dann doch wagen, hoffnungsvoll in die Zukunft zu schauen, denn die Symptome von Depression, Niedergeschlagenheit und Überlastungssyndrom werden heute ernst genommen und als Erkrankung anerkannt. Gleichzeitig wird weltweit und fachübergreifend intensiv daran geforscht, womit die Betroffenen Linderung erfahren können. Und dabei stehen die Methoden des Yoga ganz im Mittelpunkt.
Mögen Sie auch Ihnen hilfreich sein!
Anna Trökes
Die Audios zu den Meditationen des Buches finden Sie unter diesen Links:
https://prana-yogaschule.de/yoga-fuer-depression/und
https://prana-yogaschule.de/highlights/
»Yoga«, so Patañjali, »ist die Beruhigung der Gedankenwellen des Geistes.« Seine altertümliche Ausdrucksweise möge man ihm verzeihen, schließlich hat der indische Weise seinen klassischen Satz vor etwa 2000 Jahren auf Sanskrit niedergeschrieben. Seine Aussage ist jedoch immer noch hochaktuell. So ist unkontrollierbares Grübeln oder Gedankenkreisen ein Hauptsymptom der Depression und führt für die über acht Millionen Betroffenen allein in Deutschland oft zu einem besonders quälenden und lähmenden Zustand. Yoga kann hier helfen, die kreisenden Gedanken zumindest vorübergehend abzustellen und mittelfristig Depressionen zu lindern. Und dabei handelt es sich keineswegs um Wunschdenken oder Esoterik: Zahlreiche klinische Studien stützen diese Idee und zeigen, dass Yoga depressiven Menschen effektiv helfen kann – bei leichten depressiven Verstimmungen als alleiniges, bei depressiven Störungen als ergänzendes Mittel, zusätzlich zu Psychotherapie und Psychopharmaka. Yoga lindert depressive Symptome, verringert die begleitende Angst und verlängert die symptomfreie Zeit zwischen zwei depressiven Episoden – und zwar stärker als andere »Sportarten« oder »Entspannungsverfahren«. Daher enttäuscht es, dass Yoga in Deutschland, im Gegensatz zu anderen Ländern, bisher kaum Einzug in die Depressionsbehandlung gefunden hat.
Umso erfreulicher hingegen ist es, dass sich mit Anna Trökes eine der einflussreichsten und erfahrensten Yoga-Lehrerinnen und -Autorinnen Deutschlands dieses wichtigen Themas annimmt. Anna Trökes unterrichtet Yoga seit mehr als vierzig Jahren und hat in ihren Büchern bereits häufig einen Schwerpunkt auf dessen heilende Wirkungen gelegt. Persönlich kennenlernen durfte ich sie erst letztes Jahr auf einer Podiumsdiskussion zum Thema »Yoga wirkt? Yoga in Prävention und Therapie«. Ich war als Diskutant und Vertreter der Wissenschaft eingeladen, Anna Trökes nahm als Zuhörerin teil und meldete sich in der abschließenden Frage-und-Antwort-Runde mit einer ergreifenden Darstellung ihres persönlichen Weges zum Yoga und den Wirkungen, die Yoga in ihrem Leben entfaltet hat, zu Wort. Ich bin überzeugt, dass zahlreiche Gäste der Veranstaltung insbesondere durch diesen ebenso spontanen wie eindrücklichen persönlichen Erfahrungsbericht einen Eindruck davon bekommen haben, wie Yoga wirkt und wirken kann. Auch in ihrem neuen Buch ist die unmittelbare Anwendbarkeit und Praxisnähe, ja Lebensnähe, des Dargestellten hervorzuheben – schließlich ist Yoga vor allem Praxis und nur nachgeordnet Theorie und Philosophie.
Dennoch freue ich mich, dass auch meine geistige Heimat, die medizinisch-psychologische Forschung, zu Wort kommen darf und Anna Trökes insbesondere die moderne Hirnforschung und deren Bezug zu Depressionen und zum Yoga ausführlich darstellt. Es sollte eigentlich wenig überraschen, dass das Praktizieren von Yoga und Meditation direkt die Form und Funktion des Gehirns beeinflussen kann, denn schließlich ist das menschliche Gehirn hochgradig formbar und verändert sich auch, wenn wir neue Sprachen, Geige oder Tischtennis lernen. Das Gehirn verändert sich sogar, wenn wir fernsehen oder spazieren gehen. Dennoch hat gerade die Erkenntnis, dass Yoga zu üben oder zu meditieren spezifische Bereiche des Gehirns nachweislich und reproduzierbar anatomisch verändert, zu einer deutlich höheren Akzeptanz des Yoga in der Wissenschaft wie auch in der Allgemeinbevölkerung geführt. Endlich ist da etwas, was man greifen kann und was auch erklärt, wie und warum Yoga wirkt – gerade auch bei Menschen mit Depressionen.
Die Botschaft ist tröstlich und herausfordernd zugleich: Alles, was wir tun, beeinflusst und formt unser Gehirn; allein durch unsere Taten und Gewohnheiten können wir entscheiden, ob wir unser Gehirn und damit unser Leben zum Schlechteren oder zum Besseren verändern. Das neue Buch von Anna Trökes kann helfen, hier den Weg zum Besseren einzuschlagen – und diesen Weg beizubehalten.
Privatdozent Dr. Holger Cramer
Forschungsleiter der Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin, Kliniken Essen-Mitte, Medizinische Fakultät der Universität Duisburg-Essen
In der westlichen Welt nehmen Depressionen in den letzten Jahrzehnten dramatisch zu. In Deutschland ist die Depression (in allen Abstufungen) inzwischen neben den Angststörungen die häufigste psychische Erkrankung. Jede vierte Frau und ca. jeder sechste Mann erleidet im Laufe des Lebens eine depressive Erkrankung. Am Gesamtkrankenstand in Deutschland im Jahr 2016 hatten Beschäftigte mit der Diagnose Depression einen Anteil von 25–30 Prozent. Die Zahl der Fehltage hat sich nach einer Analyse der DAK-Gesundheit in den letzten zwanzig Jahren mehr als verdreifacht.2 Weltweit leiden etwa 350 Millionen Menschen an Depressionen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rechnet damit, dass Affektstörungen wie Depressionen bis zum Jahr 2020 sogar die zweithäufigste Krankheitsursache sein werden, direkt nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen, was sich inzwischen – noch verstärkt durch die Auswirkungen der Corona-Epidemie – leider mehr als bewahrheitet hat. Allein in Deutschland und Frankreich kostet die Behandlung pro Jahr mehrere Milliarden Euro.3
Noch beunruhigender als diese hohen Kosten ist die Tatsache, dass immer mehr junge Menschen zwischen 20 und 30 Jahren von depressiven Störungen betroffen sind und dieses Krankheitsbild inzwischen sogar bei Schulkindern diagnostiziert wird.4 Besonders betroffen sind außerdem Senior*innen, bei denen zudem die Symptome depressiver Störungen besonders häufig mit durch das Alter bedingte Antriebsminderung, gedrückter Stimmung und sogar Selbstmordabsichten verwechselt werden.
Eine der wesentlichen Ursachen scheint die seit Jahrzehnten ungebremste Zunahme von Stress zu sein. Weitere Gründe sind darin zu sehen, dass in unserem westlichen Alltag die sozialen Netzwerke immer loser werden und weniger Halt geben. So erlebt sich der Einzelne oft mit seinen Problemen auf sich selbst zurückgeworfen. Gleichzeitig nehmen der Leistungsdruck in Bezug auf Flexibilität und die Fähigkeit zum Lösen von Problemen bei immer weniger vorhersehbaren und planbaren Lebenswegen zu. Auch das macht Menschen eine Menge Stress, abgesehen davon, dass sowohl die unvorhersehbaren einschneidenden Ereignisse der Pandemie und des Ukraine-Krieges als auch der scheinbar nicht mehr beherrschbare Klimawandel die bereits vorhandenen Tendenzen der Verunsicherung und Hoffnungslosigkeit besonders bei jüngeren Menschen massiv verstärkt haben.5
Daneben stellen Beruf, Familie und sogar noch die Organisation der eigenen Freizeit (besonders in Verbindung mit dem Homeoffice) immer höhere Anforderungen an den Einzelnen, der sich dadurch zunehmend überfordert und hilflos fühlt.
Forscher gehen beim Entstehen von Depressionen auch vom Syndrom »erlernter Hilflosigkeit« aus. Dieser Begriff taucht in den letzten Jahren immer häufiger im Zusammenhang mit Depression auf, sodass man schon von epidemischen Ausmaßen dieses Syndroms sprechen kann und es so auch dringlicher wird, dass vermehrt nach Ursachen und nachhaltigen Behandlungsmöglichkeiten gesucht wird. Ich gehe später darauf auch noch näher ein.
Es stellte sich inzwischen auch heraus, dass die Wirkung von Psychopharmaka wesentlich geringer ist als allgemein angenommen. Und in rund einem Drittel aller Fälle bessern sich die Symptome nicht. Und mit jedem weiterem Anti-Depressivum, das man vergeblich ausprobiert, sinken die Chancen auf einen Erfolg. Allein in Deutschland leiden mehr als eine Million Menschen an einer »therapieresistenten Depression. Weltweit sind es etwa 100 Millionen.«6
Das Ausbleiben der erhofften Wirkungen betrifft sowohl die Linderung von Symptomen als auch die Nachhaltigkeit der Wirkung von Medikamenten bei leichten und mittelschweren Depressionen – woran die Mehrheit der Erkrankten leidet. Trotzdem sind die Verschreibungszahlen in den letzten Jahren stark angestiegen. Laut OECD-Gesundheitsstatistik wurden beispielsweise in Frankreich im Jahr 2013 rund 1,2 Milliarden Tagesdosen an Antidepressiva verschrieben. Das waren 25 Prozent mehr als im Jahr 2000. In Deutschland wurden im gleichen Zeitraum sogar ca. 1,5 Milliarden Tagesdosen verschrieben, und es wurde im Vergleich zum Jahr 2000 ein Anstieg um 138 Prozent verzeichnet! – Tendenz weiter steigend.7
Kaum verständlich ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass »von 2005 bis 2015 Pharmafirmen so gut wie keine klinischen Studien für neue Antidepressiva mehr unternommen haben«8, erklärt der Psychiater Sagar Parikh von der University of Michigan, die Forschung stecke in einer Sackgasse.
Bei der Suche nach geeigneten Alternativen zur jahrelangen Einnahme von Psychopharmaka mit ihren vielfältigen Nebenwirkungen zeigte sich auf wissenschaftlich gut abgesicherter Basis9, dass eine regelmäßige Übungspraxis, die Bewegung, Entspannung, Achtsamkeitstraining und Meditation umfasst, vergleichbare unmittelbare Wirkungen haben kann und bezüglich der Nachhaltigkeit jedoch deutlich bessere Ergebnisse zeigte.10 Ein solches begleitendes (adjuvantes) Training bewirkte neben der gegebenenfalls von den behandelnden Ärzt*innen, Psychotherapeut*innen oder Psychiater*innen für notwendig erachteten Verordnung von chemischen oder pflanzlichen Wirkstoffen zuverlässig eine Veränderung in der Empfindung des eigenen Selbstwertes, bedingt durch die wahrgenommene Selbstwirksamkeit. Es verbessert die Fähigkeit, sich selbst wahrzunehmen und körperliche sowie emotionale Bedürfnisse frühzeitiger und differenzierter zu erkennen.
Besonders effektiv ist ein solches Training, wenn es einhergeht mit einem Prozess der Achtsamkeitsschulung und einer darauffolgenden kognitiven Umstrukturierung. Das bedeutet, dass die Betroffenen lernen, ihre inneren Glaubenssätze bewusst wahrzunehmen und in ihren Auswirkungen auf ihr Gestimmtsein und damit ihr ganzes Befinden zu erfahren. Dadurch kommen sie in die Lage, ihre ungünstigen – weil destruktiven und vielleicht sogar toxischen – inneren Einstellungen zu erkennen, und sie können lernen, ihnen allmählich die Macht zu entziehen, sodass es ihnen möglich wird, achtsamer, fürsorglicher und liebevoller mit sich umzugehen.
Der Yoga hat genau diese Komponenten zu bieten. Seine Übungspraxis basiert auf einer jahrtausendealten Philosophie, die sich immer schon eher als eine Psychologie verstand, im Sinne einer Erkenntnistheorie, die Menschen hilft, ihr Leben zu verstehen, zu ordnen und positiv zu gestalten. Entsprechend unterstützt die Yoga-Philosophie schon seit jeher die notwendigen Prozesse des Erkennens, Annehmens und Wandelns, die es möglich machen, dass wir uns aus dem Netz schädlicher und krank machender innerer Einstellungen befreien können und lernen, diese durch achtsame und heilsame Sichtweisen zu ersetzen.
Zu diesem Umstrukturierungsprozess trägt auch die Körperarbeit des Yoga entscheidend bei. Sie umfasst nicht nur die vielen Körperhaltungen (Asanas) und Bewegungsabläufe, die heute weltweit in unzähligen Yoga-Studios und Fitnesscentern angeboten werden, sondern vor allem den bewussten Umgang mit der Atmung (Pranayama), vielfältige körperliche Entspannungsmethoden und – dem Yoga untrennbar verbunden – die Meditation.
Dass diese Methoden des Yoga in ihrem seit vielen Jahrhunderten bewährten Zusammenspiel helfen können, uns aus depressiven Zuständen wirksam und nachhaltig herauszuführen, konnte ich in meiner Lehrtätigkeit immer wieder beobachten.
Vor allem aber konnte ich die Wirkweise dieser Methoden auch wiederholt am eigenen Leib (und der eigenen Seele) erfahren, da ich selber seit meiner Kindheit immer wieder mit depressiven Episoden unterschiedlichster Schweregrade zu kämpfen hatte. Seit meinem 20. Lebensjahr lerne und übe ich kontinuierlich Hatha-Yoga in seiner gesamten Bandbreite und beschäftige mich schon fast genauso lange mit der Yoga-Philosophie. Ich lehre Yoga nun schon seit 1974 in Seminaren und Yoga-Kursen. Seit 1984 bin ich in den verschiedensten Ausbildungsgängen der Yoga-Lehrausbildungen aktiv und habe dadurch viele Hundert Menschen auf ihrem Weg begleiten können. Bedingt durch meine eigenen Erfahrungen mit Phasen der Depression, bin ich natürlicherweise sehr empfindsam bei diesem Thema und erkenne schnell und sicher, wenn ein anderer Mensch sich in einem Zustand befindet, der im Yoga »Verdunklung des Geistes« (Daurmanas) genannt wird. Und deshalb bin ich wahrscheinlich auch besonders sicher in meiner Wahrnehmung und darin, zu erkennen, welche der vielen Methoden, die uns der Yoga bereitstellt, unterstützend und hilfreich wirken. So konnte ich im Laufe der Jahrzehnte ein breites Erfahrungswissen ansammeln, das sowohl in meinem Selbststudium als auch in der Wegbegleitung vieler Menschen gegründet ist.
Die Yoga-Übungen, die ich in diesem Buch für Körper, Geist und Seele vorstelle, sind durchgängig solche, mit denen ich selber immer wieder gute Erfahrungen gemacht habe. Um zu verstehen, warum sie wirken, habe ich mich in den letzten Jahren sehr intensiv mit den Erkenntnissen der Neurowissenschaften, der Mind-Body-Medizin, der Stressforschung, der Psychoneuroimmunologie, der Positiven Psychologie und der Achtsamkeitslehre (nach Jon Kabat-Zinn) beschäftigt. Ich werde einige der aktuellen Forschungsergebnisse vorstellen, die zeigen, wie Depressionen entstehen und was wir tun können, um unser Gemüt wieder aufzuhellen. Auch wenn es sich meist nicht mit unseren persönlichen Erfahrungen deckt, wissen wir heute, dass eine Disposition zur Depression kein unveränderliches Schicksal darstellt.
Damit sich jedoch die depressiven Episoden nicht immer und häufiger wiederholen und eventuell sogar im Laufe der Zeit schlimmer werden, muss diese Krankheit aber auch wie jede andere behandelt werden, und zwar vorrangig von einem Psychologen oder Psychotherapeuten.
Inzwischen ist mir auch klar geworden, dass die depressiven Episoden wohl vor allem deshalb immer wieder auftauchten, weil ich mir nicht bewusst war, dass eine Depression eine behandlungsbedürftige Erkrankung ist. Folglich nahm ich keine ärztliche oder psychotherapeutische Unterstützung in Anspruch und konnte nur bemerken, dass diese Phasen immer dann auftauchten, wenn ich mich aufgrund von Stress oder Überlastung sowieso schon angegriffen und schwach fühlte. Erst als die depressiven Episoden immer häufiger kamen und immer intensiver wurden, ahnte ich, dass Handlungsbedarf besteht. Die ärztlichen Untersuchungen brachten dann ein ganzes Bündel an körperlichen, hormonellen und psychischen Ursachen zutage. In der Psychotherapie, die ich daraufhin begann, habe ich mir zum ersten Mal eingestanden, dass manche Erlebnisse in meinem Leben mich so schwer beschädigt hatten, dass ich nicht aus eigener Kraft in der Lage war, sie zu verarbeiten, und sie deswegen immer weiter – wie eine unselige uralte Saat – in der Tiefe meines Geistes und meines Gemüts wirksam blieben. Gleichzeitig hatte mich jedoch meine jahrzehntelange Yoga-Praxis so weit stabilisiert, dass ich jedes Mal aufs Neue der großen Versuchung widerstehen konnte, meinem Leben ein Ende zu setzen – so wie es in meiner Familie schon so oft geschehen war. Und das ist einer der wesentlichen Gründe, warum ich wirklich weiß, dass Yoga auch »bei Depressionen einen klaren therapeutischen Effekt hat«11.
An dieser Stelle ist mir wichtig, nochmals ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass Yoga in seiner hohen Komplexität des Zusammenspiels psychologischer, philosophischer und körperlicher (somatischer) Faktoren in aller Regel nicht als reine Therapie angewandt wird, außer vielleicht im Kontext einer interdisziplinären Behandlung in Kliniken, die auf Mind-Body-Medizin spezialisiert sind, oder im Rahmen einer ayurvedischen Heilbehandlung in einer entsprechenden Klinik. In diesem Sinne verstehe ich die Ausführungen in diesem Buch nicht als therapeutische Angebote, sondern vielmehr als eine Erweiterung und Begleitung einer fachärztlichen Behandlung(!), somit also als eine adjuvante Therapie12.
Yoga kann uns zwar helfen, mögliche Ursachen unserer Depression zu erkennen, sie dadurch zu entkräften und durch eine kontinuierliche Übungspraxis auch die Symptome abzumildern. Yoga ist aber nicht geeignet als alleinige Behandlungsmethode zur Heilung einer Depression. Die medikamentöse und/oder psychologische Therapie sollte weiterhin in fachärztlicher Obhut bleiben.
Diese Einschränkung hängt einerseits mit dem Selbstverständnis des Yoga zusammen und damit, dass sein Vorgehen seit jeher als ursachen- und nicht als symptombezogen betrachtet wird. Andererseits muss beachtet werden, dass Yoga-Lehrende in der Regel nicht über die gesetzliche Erlaubnis verfügen, die Heilkunde ausüben zu dürfen. Das bedeutet, dass sie nicht therapeutisch arbeiten dürfen und auch keine Heilversprechen machen dürfen.
Die Genehmigung dafür ist in Deutschland ausschließlich (Fach-)Ärzten, Psychologen und Psychiatern, Physiotherapeuten und Heilpraktikern vorbehalten, also Menschen, die sich einer umfassenden staatlichen Überprüfung ihres Wissens unterzogen haben.
Wie wir sehen werden, eignet sich Yoga so herausragend als begleitende Therapie, weil man in Indien – wie die alten Schriften zeigen – das Krankheitsbild der Depression schon seit Jahrtausenden kennt und behandelt. Der ursprüngliche klassische Yoga versteht sich als eine »Wissenschaft von der Seele« und untersuchte von Anbeginn an, wie unser Geist funktioniert, was unser Denken verzerrt und was die Gründe dafür sind. Das ist die Ebene der Erkenntnis. Yoga ist aber immer auch ein Übungsweg (Sadhana), und deshalb gehört auch grundsätzlich eine Anwendungsebene dazu. Sie beruht auf den jahrtausendealten Erfahrungen der Meister des Yoga, die eine Vielzahl von Programmen zur Geistesschulung entwickelt haben, von denen viele Überschneidungen mit den modernen Therapieansätzen zum Beispiel der »kognitiven Umstrukturierung« oder der Verhaltenstherapie aufweisen.
In den meisten Yoga-Traditionen ist es außerdem selbstverständlich, Geist, Gemüt, Atem und Körper als ein ständig aufeinander einwirkendes Netzwerk zu sehen. So nimmt der Yoga eine sehr moderne Entwicklung vorweg, nämlich die der körperorientierten Psychotherapie. Deswegen wird im Mittelpunkt dieses Buches auch die Übungspraxis stehen, ohne die alle Erkenntnis und Einsicht wirkungslos bleiben.
Kapitel 1
Jeder Mensch in der modernen Welt weiß wohl, was es heißt, deprimiert zu sein, denn jede und jeder von uns kennt sie, diese Gefühle von Niedergeschlagenheit, von Antriebslosigkeit oder tiefer Lustlosigkeit. Wir alle kennen Zustände, in denen uns Sorgen niederdrücken und wir in unserem Gedankenkarussell festsitzen. Wir alle können entsprechend auch etwas mit dem Begriff Depression anfangen, denn er ist uns aus unserem Erleben vertraut.
Wir benutzen das Wort auch umgangssprachlich im weitesten Sinne, wenn wir davon sprechen, dass uns das ewig schlechte Wetter deprimiert, die Aussicht auf eine lange anstrengende Arbeitswoche oder die Vorstellung, mit zunehmendem Alter nicht mehr so fit und leistungsfähig sein zu können, wie wir es uns wünschen. Wir sagen, dass sich die Wirtschaft in einer Phase der Depression befindet oder dass der Kollege, der gerade nicht gut drauf ist, mal wieder »einen Depri schiebt«. Und sogar eine Landschaft nennen wir deprimierend, wenn sie uns öde und kahl erscheint.
Gerade in dieser so allgemeinen und unscharfen Verwendung des Begriffs Depression liegt eine gefährliche Quelle für Missverständnisse und Fehleinschätzungen. Viel zu schnell schließen Menschen, die episodisch einen Zustand des Bedrücktseins und der Sorgen erleben, von sich auf andere. Sie unterschätzen, dass sich hinter dem, was äußerlich aussieht wie das, was sie selbst Depression nennen, ein komplexes und schwerwiegendes Krankheitsbild verbergen kann. Das führt nicht nur zur Unterschätzung einer Krankheit, die oft genug tödlich ausgeht, sondern führt auch vor allem dazu, dass sich erkrankte Menschen mit guten Ratschlägen wie »Reiß dich mal zusammen!«, »Das wird schon wieder!«, »Denk doch mal positiv!« und dergleichen mehr auseinandersetzen müssen. Diese natürlich durchaus gut gemeinten Ratschläge setzen voraus, dass sich ein Mensch, der eine Depression hat, am eigenen Schopf aus seinem Sumpf herausziehen kann – um dann wieder wie gewohnt zu funktionieren. Und genau das geht nicht! Die guten Ratschläge werden den Betroffenen in ihrem Zustand inneren Gelähmtseins vielmehr zur Qual, denn diese sind in einer echten Depression beim besten Willen nicht umsetzbar. Darauf weisen unter anderem »Neurologen und Psychiater im Netz« auf ihrem Informationsportal hin und geben die Empfehlung an Angehörige, Betroffene zwar nach Kräften zu unterstützen, wenn diese Eigeninitiative zeigen, dass es aber zum Beispiel nicht sinnvoll sei, diese zu einer Reise bewegen zu wollen, um »mal abzuschalten«, da die fremde Umgebung sie nur noch mehr verstören würde. Darüber hinaus wird Angehörigen geraten:
die Depression als Erkrankung zu akzeptieren,
den Rat eines Arztes einzuholen,
den Betroffenen keine Vorwürfe zu machen,
weder sich selbst noch die Betroffenen zu überfordern,
sich mit gut gemeinten Ratschlägen zurückzuhalten,
auch die eigenen Gefühle anzunehmen,
geduldig zu bleiben
und Selbsttötungsdrohungen ernst zu nehmen.13
Auch wenn die Ursachen für das Ausbrechen der Erkrankung, wie wir noch sehen werden, sehr unterschiedlich sein können, kann doch immer davon ausgegangen werden, dass die normalen Hirnfunktionen der Betroffenen beeinträchtigt sind. Oft sind unmittelbar die Bereiche des Gehirns, wie etwa das Stirnhirn (präfrontaler Cortex), betroffen, die in der Lage sind, Affekte zu regulieren und zu modulieren. Gleichzeitig ist der Teil des Gehirns besonders aktiv, der für das Affekterleben, und hier besonders für Angst zuständig ist (limbisches System, besonders die Amygdala). Dadurch erleben wir uns in der Depression oft so, als seien wir unseren (dunklen) Gedanken ausgeliefert. Besonders in schweren depressiven Episoden können sich uns Selbsttötungsgedanken aufdrängen, ob wir es wollen oder nicht. Sie neigen dazu, uns ausdauernd und unbarmherzig zu belagern, wobei unser Gehirn im Autopilotmodus in endlosen Schleifen von Gedanken und inneren Bildern immer wieder alle möglichen Selbstmordszenarien bzw. ein bestimmtes durchspielt. Dieses Gefühl der Verselbstständigung der Visionen, verbunden mit dem Gefühl der Hilflosigkeit, kann uns im Extremfall so in die Verzweiflung treiben, dass wir im Suizid die einzig mögliche (Er-)Lösung zu sehen meinen. Fast noch verstörender ist es zu erleben, wie der eigene Geist in der Lage ist, völlig sachlich und abgekoppelt von jedem Selbstmitgefühl zu planen, wie man die Welt vom eigenen Sein – und sich selbst von der Welt – erlösen könnte.
Forschungen konnten zeigen, dass sich die Gehirnfunktionen zudem in einer Weise verändern können, dass der Betroffene sich als vollkommen in der Abwärtsspirale seiner negativen Gedanken gefangen erlebt. Das führt dazu, dass der Betroffene seinen eigenen Gedanken und Gefühlen nicht mehr trauen kann.
»Das bin nicht ich!« ist eine erschütternde Erfahrung, die der Depressive mit sich selbst macht.
Erst nach Abklingen der Depression weiß der Betroffene wieder, dass seine Sichtweise auf sich selbst und die Welt verzerrt war. In der Depression selbst ist er in der Regel von dieser Erkenntnis komplett abgekoppelt. Deswegen ist es auch so schwer, einen Menschen zu erreichen, der gerade in der Abwärtsspirale einer Depression gefangen ist. Wie wir später noch genauer betrachten werden, sind dabei im Gehirn die Regelkreise des Denkens und Fühlens in ihrer Interaktion und Abstimmung gestört. Das führt dazu, dass einen die Abwärtsspirale negativer Gedanken und Gefühle nicht nur immer weiter nach unten zieht, sondern auch unten hält. »Depression ist ein sehr stabiler Zustand«, bemerkt dazu der Neurowissenschaftler Alex Korb, denn »das Gehirn sitzt fest – die Depression zieht es so unerbittlich wie die Erdanziehung nach unten«.23
Da depressive Episoden aber – wie bereits erwähnt – in aller Regel auch von alleine wieder abklingen, sie bei den meisten Menschen – wenn sie nicht behandelt werden – aber auch leider immer wiederkommen, ist es sinnvoll, in den symptomfreien Perioden, wenn die Hirnfunktionen wieder normal sind, achtsames Gewahrsein, günstige Bewertungs- und Verhaltensprogramme einzuüben und sich mithilfe von Körper- und Atemübungen zu stabilisieren. Ausdauernd und nachhaltig eingeübt, sind diese dann verfügbar, wenn unser Geist sich wieder zu verdunkeln beginnt. Wir können uns dann an sie erinnern und bringen uns damit in problematischen Situationen – wenigstens ansatzweise – in die Lage, auf günstigere Muster, wie zum Beispiel das achtsame Gewahrsein, zurückzugreifen.
In dieser Hinsicht können, wie wir später sehen werden, die Methoden der Geistesschulung des Yoga sehr hilfreich eingesetzt werden. Außerdem lernen Betroffene durch Yoga Körperhaltungen kennen, die dem Gefühl des Niedergedrücktseins entgegenwirken.
Zunächst soll es aber darum gehen, die Ursachen dieser tiefgreifenden Störung unseres Denkens und Fühlens noch genauer zu verstehen.
In einem Punkt stimmen alle Theorien zu Depressionen überein: Dass ein Mensch diese entwickelt, hat immer viele Ursachen.
Während man früher endogene (innere, organische) und funktionelle (seelische, neurotische) Ursachen voneinander abgrenzte, geht man heute davon aus, dass sich beides gegenseitig bedingt und zumeist verstärkt. Durch die sich ständig weiterentwickelnden bildgebenden Verfahren ist man inzwischen in der Lage zu erkennen, dass auch den funktionellen Störungen häufig Unregelmäßigkeiten des Gehirnstoffwechsels zugrunde liegen. »Daher hat sich für diese Störungen der Begriff ›primär‹ durchgesetzt. Das heißt, die ›primäre‹ Erkrankung beinhaltet gestörte biochemische zerebrale Prozesse. Im Gegensatz dazu werden Störungen auf der Basis neurologischer oder somatischer Erkrankungen, die ihrerseits zerebrale biochemische Prozesse verändern, als ›sekundäre‹ psychische Störungen bezeichnet.«24
Da man nur selten ganz klar einen ursächlichen Auslöser für einen Prozess ausmachen kann, der in die Depression mündet, sollen hier die wichtigsten und häufigsten Faktoren für eine unipolare Depression kurz vorgestellt werden.
Grundsätzlich kann man sagen, dass nur ganz selten eine aktuelle psychische Belastung die Ursache für den Ausbruch einer Depression ist. Wenn wir mit einer aktuellen Belastung nicht fertigwerden, hat das oft seinen Grund darin, dass sie anknüpft an ältere schmerzhafte oder sogar traumatische Erfahrungen, die wir noch nicht erkannt und/oder bearbeitet haben. Wenn wir als Kinder oder Jugendliche regelmäßig überwältigende Gefühle des Verlassenseins, der Einsamkeit, des Nichtwertgeschätzt- und des Nichtgeliebtwerdens erfahren haben, »dann ist es sehr wahrscheinlich, dass diejenigen Denkmuster, die uns damals depressiv machten – nämlich das Gefühl, in irgendeiner Weise nicht gut genug zu sein –, in der Gegenwart durch das geringste Gefühl von Niedergeschlagenheit wieder neu aktiviert werden«.25