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Was hat Sams Großvater, der reiche Schiffsmagnat Abram Sinclair, sich bloß dabei gedacht? In seinem Testament vermacht er sein gesamtes Vermögen demjenigen seiner drei Enkel, der Willa Kent heiratet – eine einfache junge Frau aus den Wäldern von Maine. Die eigenwillige Willa ist ebenso entsetzt, und zusammen mit Sam Sinclair sucht sie nach einem Ausweg aus dem unseligen Testament. Denn eine Ehe kommt für sie niemals infrage – obgleich der attraktive Sam mehr als lustvolle Gefühle in ihr weckt …
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Seitenzahl: 377
Als der reiche Schiffsmagnat Abram Sinclair eine unbekannte junge Frau, Willa Kent, als Stellvertreterin zu einem äußerst wichtigen Termin schickt, vermuten seine drei Enkelsöhne, er habe den Verstand verloren. Wer ist diese Frau? Doch Sam, einer der drei, kennt seinen Großvater nur zu gut, er ist sich sicher, dass der alte Herr einen guten Grund für sein Handeln hat. Und so ist es: Abram hat beschlossen, dass einer seiner drei Enkel Willa heiraten soll und mit der Eheschließung sein gesamtes Vermögen erben wird. Doch die ebenso eigenwillige wie schöne junge Frau ist selbst entsetzt, und so schließen sich Sam und sie zusammen, um ein Schlupfloch aus der Misere zu finden. Denn eine Ehe kommt für Willa niemals infrage. Doch beide haben nicht damit gerechnet, wie leidenschaftlich sie sich zueinander hingezogen fühlen und welch lustvolle Gefühle plötzlich erwachen …
Seit sie denken kann, hat Janet Chapman sich Geschichten ausgemalt, und daher ist das Schreiben von Romanen – viele davon wurden bereits mit Preisen ausgezeichnet – ihre größte Leidenschaft. Mit ihrer Zeitreise-Saga schrieb sie sich direkt auf die Spitzenplätze der New-York-Times-Bestsellerliste. Janet Chapman lebt mit ihrem Mann, ihren zwei Söhnen, drei Katzen und einem jungen Elchbullen, der sie regelmäßig im Garten besucht, in Maine.
Das Herz des Highlanders (36507) ⋅ Mit der Liebe eines Highlanders (36508) ⋅ Küss niemals einen Highlander (37095) · In den Armen des Schotten (37096) · Mein verräterisches Herz (37424) · Zur Liebe verführt (37466) · Lockruf der Highlands (37637)
Für Abigail
Mein kleines Mädchen, sei gefasst auf ein Leben in einer Familie überbesorgter Männer, die dich mit Liebe überschütten werden. (Ein Blick aus deinen babyblauen Augen, und sie werden dir zu Füßen liegen.)
Sam Sinclair stand am Empfangstresen von Tidewater International und wartete darauf, dass der Lift die dreißigste Etage erreichte. Endlich ertönte das leise Ping, und die Frau, die in der Tür des Lifts erschien, war … sie war … nun, so viel zu den Erwartungen, die er gehegt haben mochte.
Du lieber Himmel, Abram hatte ihnen eine richtige Wachtel geschickt!
Ihr Haar, vermutlich am Morgen noch ein adretter Knoten, umgab aufgelöst ihr Gesicht. Sie konnte keinen Tag älter als dreißig sein und trug ein formloses braunes Kostüm, das eher für eine doppelt so alte Frau gedacht war. Die halbe Bluse hing ihr unter der Jacke hervor. Beide Strümpfe wiesen Laufmaschen auf, woran die Übernachtungstasche zu ihren Füßen schuld sein mochte. Die Frau ähnelte tatsächlich einer kleinen Wachtel, deren schlichtes braunes Gefieder zerknittert und hoffnungslos unmodisch war.
Sie sah genauso aus, wie man sich eine Willamina vorstellte.
Starr vor Schreck sah Sam, wie ihre unförmige Handtasche auf dem Boden der Lobby landete, während sie sich nach ihrer gelben Reisetasche bückte. Mit einem leisen Fluch stiefelte sie auf ihren fünf Zentimeter hohen Absätzen unsicher aus dem Lift und bekam ihre Tasche in dem Moment zu fassen, als sich die Lifttüren schlossen.
Ihre Reisetasche war noch drinnen.
Die Tragriemen aber befanden sich in ihrer Hand.
Anstatt sich vorschriftsgemäß wieder zu öffnen, ertönte ein leises Ping, und die Tragriemen glitten im Spalt zwischen den Türen hoch. An der Decke war Schluss, und die Frau zerrte energisch an ihnen. Sam hörte das unverkennbare Geräusch reißenden Stoffes, und Willamina Kent landete mit einem erstaunten Aufschrei auf dem Boden, die Griffe ihrer Tasche noch immer in Händen.
Als einige aus der Runde der erschrocken verstummten Umstehenden vorstürzten, um ihr zu Hilfe zu kommen, geriet der Boden unter Sams Füßen beim Anblick des warmen, scheuen und aufrichtigen Lächelns, das sie ihren Rettern schenkte, ins Wanken.
Gott stehe ihnen bei. Ein engelhafter Trampel hatte sie heimgesucht.
Und genau das brauchten sie im Moment am allerwenigsten. Die heutige Sitzung des Verwaltungsrates, in deren Verlauf der neue Vorstandsvorsitzende von Tidewater International bestimmt werden sollte, drohte zu einer Zirkusnummer zu verkommen.
Und alles war allein Brams Schuld.
Abram Sinclair hatte heute Morgen ein knappes Telegramm aus Maine geschickt, in dem er ankündigte, Willamina Kent zu schicken, die ihn vertreten sollte. Miss Kent würde an Brams Stelle ihre Stimme abgeben und entscheiden, wer ihm als Vorstandsvorsitzender nachfolgen sollte.
Sein Großvater hatte die Geschicke eines Milliarden-Unternehmens einer Frau anvertraut, die nicht einmal imstande war, einen Lift zu verlassen, ohne peinliches Aufsehen zu erregen?
Etliche Angestellte von Tidewater umstanden Miss Kent, als diese eifrig die absurde Abfolge der Ereignisse schilderte, die damit geendet hatte, dass der Lift ihre Tasche verschlang. Sam ging näher.
»Ich bin mit einer dieser Shuttle-Propellermaschinen gekommen. Mein Sitz war genau zwischen den Riesenpropellern«, erklärte sie, an ihren Ohrläppchen zupfend, »und jetzt dröhnt es noch immer in meinen Ohren. Und der Flughafen liegt so weit außerhalb! Fast zwei Stunden Taxifahrt! Für das Geld hätte ich mir einen Leihwagen nehmen können. «
Zehn zu eins, dass der Taxifahrer Willamina Kent ebenfalls als naive Wachtel vom Land eingestuft und mit ihr eine Besichtigungstour unternommen hatte. Was im Normalfall im Mittagsverkehr nur eine Stunde dauerte, konnte locker auch zwei Stunden in Anspruch nehmen, wenn das Opfer in Manhattan fremd war.
»Miss Kent«, sagte Sam, trat vor und fasste nach ihrem Ellbogen, »die Sitzung kann beginnen, wenn Sie bereit wären.« Ihren schüchternen Befreiungsversuch ignorierte er.
»Aber mein Gepäck…«
»Jemand wird es für Sie holen«, versprach er mit einem Blick zu einem seiner Angestellten.
»Die Hausverwaltung soll feststellen, warum die Lifttüren sich nicht geöffnet haben«, setzte er hinzu, ehe er sich umdrehte und sie den Korridor entlanggeleitete.
Sam musste stehenbleiben, als sie stolperte. Sie blickte mit eindringlichen, neugierigen Augen von undefinierbarer Farbe auf. Auf den ersten Blick waren sie grau oder blau. Und unleugbar einnehmend und fesselnd.
»Wer sind Sie?«, fragte sie.
»Sam Sinclair.« Er blickte unwillig auf ihre Schuhe hinunter, die nicht zu ihrem Kostüm passten. Rock und Jacke waren braun, die Schuhe grün. Und sie waren zu groß für ihre Füße.
»Abrams Enkel«, sagte sie.
Es war keine Frage. Sam rang sich ein gezwungenes Lächeln ab.
»Sein ältester Enkel, Miss Kent.«
»Woher wissen Sie, wer ich bin?,« fragte sie mit erfreutem und erwartungsvollem Blick.
»Ach, ich habe es erraten«, murmelte er und dirigierte sie weiter zum Sitzungsraum, wenn auch mit kürzeren Schritten.
»Wie … die Sitzung fängt schon an? Aber ich bin nicht … ich brauche …«
Sie sprach nicht weiter und fasste in ihr Haar – ein vergeblicher Versuch, ihre Frisur in Ordnung zu bringen. Dann straffte sie mit einem tiefen Atemzug die Schultern. Sam verkniff sich ein unwillkürliches Lächeln. Miss Kent machte den Eindruck, als müsste sie das Kolosseum im alten Rom betreten, um wilden Tieren zum Fraß vorgeworfen zu werden – und genauso fühlte sie sich. Das Sitzungszimmer würde voller Löwen sein, von denen drei nach der Position des Vorstandsvorsitzenden gierten. Und Sam war einer von ihnen.
»Wir haben mit der Sitzung schon vor einer Stunde begonnen«, sagte er, als er die Tür zum Allerheiligsten von Tidewater öffnete.
»Ach, das tut mir aber leid«, flüsterte sie sanft errötend.
»Die Fahrt vom Flughafen hierher war länger, als ich dachte.«
»Hätten Sie uns Ihre Ankunftszeit bekannt gegeben, hätten wir Ihnen einen Hubschrauber schicken können. «
»Einen Hubschrauber?«, wiederholte sie verblüfft. Es folgte ein strahlendes Lächeln.
»Jede Wette, dass ich dann keine zwei Stunden gebraucht hätte.«
Wieder versuchte er, sie in das Sitzungszimmer zu führen.
»Etwa zwanzig Minuten.«
Sie blieb stehen und spähte hinein. Alle Gespräche verstummten, alle Köpfe drehten sich nach ihr um. Miss Kent wich einen Schritt zurück.
»Wenn man so lange gewartet hat, spielen noch mal fünf Minuten keine Rolle mehr. Wo ist die Toilette?« Wieder wollte sie ihren Ellbogen befreien.
Sam trat wieder in den Korridor und schickte sie drei Türen weiter.
»Fünf Minuten, Miss Kent, dann fangen wir ohne Sie an«, sagte er warnend und ließ sie endlich los.
Sie schenkte ihm ein selbstzufriedenes Lächeln und ging auf die Tür der Toilette zu.
»Wie Sie wollen. Aber beenden können Sie die Sitzung nicht ohne mich«, gab sie zurück und verschwand hinter der Tür.
Sam, dessen Miene sich verfinsterte, verwünschte seinen Großvater. Der Alte hielt die Zügel des Unternehmens in der Hand, er hätte also zugegen sein sollen. Wo steckte er bloß? In Maine?
Bram war sechs Wochen zuvor verschwunden, ohne jemandem auch nur ein Wort zu sagen. Und seither hatten sie von ihm kaum ein Lebenszeichen erhalten. Der Fünfundachtzigjährige schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Einmal wöchentlich gab es auf einem Büro-Computer eine Nachricht: Ja, er war noch am Leben, kein Grund zur Besorgnis.
Bram war ein gerissener alter Fuchs. Er hatte sich lange und wortreich darüber beklagt, als in seinem Unternehmen Computer installiert wurden, scheute sich aber nicht, sich diese Technik zunutze zu machen. Auch die findigsten Computer-Gurus von Tidewater hatten den Ursprung seiner Nachrichten nicht zurückverfolgen können.
Sam konnte nur vermuten, warum sein Großvater sich wie ein Dieb in der Nacht davongemacht hatte. Es war sicher nicht leicht, als Chef eines Unternehmens zurückzutreten, das er aus dem Nichts mit Blut, Schweiß, Köpfchen und Mut aufgebaut hatte. Offenbar hasste Bram es, die Zügel aus der Hand zu geben, wenngleich er das Altwerden wahrscheinlich noch mehr hasste – eine Tatsache, die sie alle seit dem Tod von Grammy Rose vor fünf Jahren zu spüren bekommen hatten.
Sam betrat das Sitzungszimmer, nahm am Kopf des Konferenztisches Aufstellung und wartete. Die etwa zwanzig Mitglieder des Verwaltungsrates nahmen schweigend ihre Plätze ein und warteten ebenfalls. Zehn Minuten später ging die große Tür auf, und Miss Kent trat ein, trotz ihrer offenkundigen Verschönerungsversuche noch immer hausbacken wie zuvor.
Ihr hellbraunes, gebürstetes und mit einem Clip zusammengefasstes Haar fiel ihr in weichen welligen Locken über den Rücken. Ihr Gesicht war blank geschrubbt und glühte vor leicht sonnenbrauner Frische. Ihre Bluse steckte im Rock, doch sah sie noch immer eher wie ein als Erwachsene verkleidetes Kind aus als eine Frau, die im Begriff stand, den Kurs eines internationalen Schifffahrtsunternehmens zu ändern.
»Vielen Dank für Ihre große Geduld«, sagte sie an den großen Tisch tretend. Sie sah Sam an.
»Wo soll ich sitzen?«
Er zeigte auf einen Stuhl zu seiner Rechten. Der Mann, der daneben saß, zog den Stuhl hervor.
»Danke«, sagte sie. Als sie sich setzte, ließ sie ihre monströse Tasche auf den Tisch fallen und fing sofort an, darin zu kramen.
Mit kaum gezügelter Geduld und dann mit wachsender Verwunderung sahen Sam und alle Anwesenden zu, als Miss Kent die zerrissenen Halter ihrer Reisetasche hervorzog und sie auf den Tisch legte. Dann war eine prall gefüllte Brieftasche an der Reihe, ein Schlüsselring, so massiv, dass man ein Frachtschiff damit versenken konnte, drei Packungen Airline-Erdnüsse, eine Packung Taschentücher, ein Adressbuch und ein bis zur Unkenntlichkeit zerquetschter Schokoladenriegel. Als sie leise etwas vor sich hin murmelte, verloren sich ihre Worte in der Höhle ihrer Tasche.
Heraus kamen ein Mini-Radio und Kopfhörer. Noch mehr Papiertaschentücher. Ein ramponiertes Taschenbuch mit einem Stift als Lesezeichen. Ein Brillenetui. Schließlich tauchte ein zusammengefaltetes Durcheinander von Papieren in ihrer Hand auf.
Mit zaghaftem Lächeln, das niemandem Bestimmten galt, entfaltete Miss Kent die Papiere, zog ein Blatt hervor und schob es Sam zu.
»Meine Vollmacht.« Sie ließ ihren Blick um den Tisch wandern und stand sodann auf.
»Ich sollte mich vorstellen. Ich bin Willamina Kent, eine Freundin Brams. Er bat mich, ihn heute hier zu vertreten und meine Stimme abzugeben.« Sie lächelte allen zu und wandte sich dann erwartungsvoll an Sam.
»Sie können anfangen«, gab sie ihm leise Anweisung, als sie sich wieder setzte und ihren Kram in die Tasche stopfte.
»Danke«, antwortete er gedehnt, griff nach dem Papier und überflog es. Es stimmte, Bram hatte Miss Kent die Vollmacht erteilt. Seine deutliche Unterschrift prangte groß und breit unter dem von einem Notar aufgesetzten Schriftstück. Sam kniff die Augen zusammen und las die handschriftliche Notiz am rechten Rand: Burschen, seid ja nett zu der Dame.
Sam, der sich ein Lächeln verkneifen musste, eröffnete die Sitzung und teilte den Verwaltungsratsmitgliedern mit, was diese schon wussten: Abram Sinclair war müde und nicht mehr imstande, das Unternehmen weiterhin zu leiten. Verdammt, er hätte schon vor zehn Jahren zurücktreten sollen. Purer Eigensinn hatte ihn weitermachen lassen, schließlich aber hatte das Alter Bram eingeholt, und Tidewater brauchte einen neuen Chef.
»Wo steckt Abram? Warum übergibt er die Leitung nicht persönlich?«, fragte eines der Mitglieder Miss Kent mit gerunzelter Stirn.
Miss Kent schob ihr Kinn vor.
»Er macht noch immer Urlaub. Ich gebe meine Stimme an seiner Stelle ab.«
»Aber wo ist er?«, wollte Benjamin Sinclair wissen.
Ben war der mittlere der Sinclair-Brüder. Auch er strebte die vakante Position an. Er war ebenso dafür erzogen worden wie Sam und sein jüngerer Bruder Jesse. Alle drei waren heute anwesend, jeder hoffte, die Verwaltungsratsmitglieder davon zu überzeugen, dass er für diese Aufgabe der Beste wäre – auch wenn Miss Kents Stimme den Ausschlag geben würde.
Oder vielmehr Brams Stimme, die Miss Kent stellvertretend abgeben würde.
»Er ist in Maine«, sagte sie zu Ben.
»Das nenne ich eine genaue Auskunft«, sagte Ben sarkastisch.
»Wo in Maine?«
»Er wollte nicht, dass ich es verrate.«
»Woher sollen wir wissen, dass Bram noch am Leben ist?«, fragte ein anderer der Anwesenden mit argwöhnischem Blick, der Willamina galt.
Sam sprang in die Bresche, ehe sie antworten konnte.
»Bram hat uns heute durch ein Kabel davon in Kenntnis gesetzt, dass Miss Kent ihn vertreten würde.«
»Woher sollen wir wissen, dass er es war, der das Telegramm geschickt hat?«
»Er war es«, beruhigte Sam ihn, »Brams Wortwahl ist unverkennbar. Also, fangen wir an.« Er wandte sich an die Wachtel.
»Miss Kent. Wir sind drei, die sich um die Position des Vorstandsvorsitzenden bewerben. Ich, mein Bruder Benjamin«, sagte er und nickte Ben zu, der das Nicken erwiderte, »und unser Bruder Jesse.«
Sie bedachte jeden mit einem Lächeln.
»Wie Bram Ihnen sicher erklärt hat, muss die fragliche Position zumindest vorübergehend besetzt werden, bis er entscheidet, was aus Tidewater werden soll«, erklärte Sam.
»Ich nehme an, dass er diesen kleinen Urlaub dazu benutzt, um darüber nachzudenken. In der Zwischenzeit ist Tidewater ohne Führung.«
Sie nickte mit angespannter Miene.
»Jesse, du beginnst. Meine Damen und Herren, stellen Sie im weiteren Verlauf Fragen«, bat Sam und lehnte sich zurück.
Während Jesse darlegte, was ihm für das Unternehmen vorschwebte, studierte Sam heimlich die Anwesenden. Durchweg intelligente Menschen, für die von der Zukunft des Unternehmens sehr viel abhing.
Sams wandernder Blick blieb kritisch an Miss Kent hängen, als er bemerkte, dass sie sich nicht wie alle anderen Notizen machte. Auch schenkte sie dem, was gesagt wurde, nicht sonderlich viel Beachtung. Da ging ihm mit einem Schlag auf, dass die Frau keine Ahnung von diesem Unternehmen hatte. Ihre blau-grauen Augen, in denen er nachdenkliche Aufmerksamkeit sah, beobachteten Jesse mit einer Intelligenz, die nichts mit schriftlichen Unterlagen, Wachstumskurven und Gewinnen zu tun hatte.
Als Nächster sprach Ben.
Und wieder studierte Miss Kent ihn mit einer Eindringlichkeit, als gelte es ein Pferd auf einer Auktion zu ersteigern und keinen Firmenchef zu installieren.
Sam spürte plötzlich eine gewisse innere Anspannung. Nicht zu fassen. Ihr Großvater peilte wieder sein altes Ziel an, nur war der alte Fuchs raffinierter geworden.
Er hatte Willamina losgeschickt, damit sie sich einen Ehemann angelte.
Sam war sechsunddreißig, Ben vierunddreißig und Jesse dreißig. Seitdem sie zwanzig waren, hatte Bram nichts unversucht gelassen, sie zu verheiraten und zur Familiengründung zu bewegen. Ihr Großvater hatte ihnen mehr Frauen vorgeführt, als Sam zählen, geschweige denn im Gedächtnis behalten konnte. Und jetzt hatte der Alte wieder eine Glücksjägerin aufgetrieben, diesmal in Maine.
Bram musste der Verzweiflung nahe sein, wenn er ihnen diese hausbackene Goldgräberin auf den Hals gehetzt hatte, ein dummes kleines Ding mit Feenhaar und Engelsaugen, das die Anmut eines neugeborenen Fohlens auf Schlittschuhen besaß. Und nach allem, was er bisher gesehen hatte, schienen das noch ihre guten Eigenschaften zu sein.
Aber solange sie ihre Stimme abgab, wie man es ihr aufgetragen hatte, ging es doch niemanden etwas an, dass sie auf der Jagd nach einem Ehemann war, oder? Seine Brüder und er waren den Ränken ihres Großvaters seit sechzehn Jahren erfolgreich entgangen; sie würden diese Person zwei Minuten nach ihrer Stimmabgabe zurück nach Maine befördern.
Sam stand als Letzter auf und erläuterte seinen Standpunkt, indem er zunächst erklärte, dass er im Moment keine größeren Veränderungen plane, dann aber seine Zukunftsvisionen für das Unternehmen darlegte, wobei er den Anwesenden ins Gedächtnis rief, dass das Tagesgeschäft bereits seit fünf Jahren auf seinen Schultern lastete.
Dann forderte er sie auf, ihre Stimmen abzugeben.
Die meisten Mitglieder hatten diesen Tag erwartet, sodass die Reden als reine Formalität angesehen wurden. Alle drei Brüder hatten ihre Anhänger, und als die Stimmen per Zuruf gegeben wurden, stimmte jedes Mitglied für seinen oder ihren Favoriten. Schließlich war Brams entscheidende Stimme an der Reihe.
»Miss Kent«, sagte Sam, »bitte, sagen Sie uns, was Bram sich wünscht.«
Sie hob den Blick und sah ihn an.
»Ich … ich habe mich noch nicht entschieden.«
»Das müssen Sie auch nicht, Miss Kent«, sagte Sam und straffte die Schultern, »Sie müssen uns nur Brams Stimme geben.«
»Hm ja … Abram hat mir keine spezielle Empfehlung mitgegeben.«
»Wie bitte?«, gab Ben erstaunt von sich und sprang von seinem Sitz ihr gegenüber auf.
»Was soll das heißen?«
»Er sagte, die Entscheidung läge bei mir.« Sie streckte trotzig ihr Kinn vor.
»Sie liegt bei Ihnen?«, wiederholte Jesse und stand ebenfalls auf.
»Zum Teufel, was soll das?«
Willamina Kent stand auf, um eindrucksvoller zu wirken – aufgrund ihrer geringen Größe ein missglückter Versuch.
»Es ist, wie ich es eben gesagt habe. Abram hat die Entscheidung mir überlassen.«
»Das kann er nicht machen!«
»Das hat er aber.«
Willaminas Blick glitt von einem Enkel zum anderen, dann breitete sie die Arme aus.
»Überlegen Sie doch, Gentlemen«, sagte sie leise und flehentlich, »der Mann ist Ihr Großvater, und er liebt alle seine Enkel. Er konnte keinen bevorzugen.«
»Liebe hat damit nichts zu tun«, sagte Sam gepresst.
»Er muss nur denjenigen benennen, den er für den geeignetsten Nachfolger hält.«
»Er hat gesagt, alle drei wären geeignet und er könnte das Unternehmen jedem unbesorgt anvertrauen.«
Das aufgeregte Raunen, das um den Tisch hörbar wurde, verriet die Anspannung der Anwesenden.
»Verdammt, was wird von uns erwartet? Was sollen wir tun?«, knurrte Jesse.
Alle sahen Miss Kent an.
Sie lächelte zaghaft.
»Ich schätze, Sie werden mich zum Dinner ausführen müssen.«
»Und was ist mit der Stimmabgabe?«, fragte jemand barsch.
Miss Kent warf einen wachsamen Blick auf die Tischrunde feindseliger Blicke.
»Mir ist die Bedeutung meiner Entscheidung klar. Und ehrlich gesagt, wollte ich diese Verpflichtung gar nicht annehmen. Doch dann habe ich es doch getan, und jetzt brauche ich Bedenkzeit.«
»Warum tun Sie das für Bram?«, fragte Sam.
»Weil er mich darum gebeten hat.«
»Aber warum?«
»Abram hat vor sechs Wochen ein Cottage auf meinem Anwesen gemietet, und wir haben uns angefreundet. Er hat diesen Gefallen von mir gebraucht, und ich habe es nicht über mich gebracht, ihm seine Bitte abzuschlagen. Die ganze letzte Woche habe ich versucht, es ihm auszureden, er aber wurde …«
»… immer sturer«, beendete Sam den Satz.
»Miss Kent«, unterbrach eines der Mitglieder des Verwaltungsrates, »so kann es nicht weitergehen. Abram Sinclair ist Tidewater. In der Geschäftswelt weiß man, dass er verschwunden ist und dass wir keinen Entscheidungsträger haben. Wir müssen unbedingt rasch einen neuen Vorsitzenden wählen.«
»Meine Entscheidung wird morgen fallen, nachdem ich mit den drei Brüdern zu Abend gegessen habe«, versprach sie und blickte die drei Anwärter an.
»Im Moment kann ich keine Stimme abgeben.«
»Ich habe heute schon eine Verabredung«, wandte Jesse ein.
»Bringen Sie die Dame doch mit«, schlug sie vor.
»Ich dachte mir nur, die Entscheidung würde mir leichterfallen, wenn ich Sie besser kennenlerne.«
»Sie wollen die Zukunft eines Unternehmens mit Milliardenumsätzen beim Abendessen ausknobeln?«, fragte Ben fassungslos.
»Mir wurde gesagt, das Unternehmen wäre bei jedem von Ihnen in guten Händen.«
»Falls es sich hier um einen Fischzug handelt, Miss Kent, dann seien Sie auf der Hut«, flüsterte Sam gepresst und beugte sich über den Tisch. Befriedigt registrierte er, dass ihre Augen groß wurden und einen wachsamen Ausdruck annahmen.
»Wir drei könnten Ihr Boot zum Kentern bringen, während Sie noch an Bord sind.«
Sie blinzelte ratlos.
»Fischzug?«
»Zur Hölle!«, knurrte Ben, klappte seinen Aktenkoffer zu und stürmte aus dem Sitzungszimmer.
Sam fasste wieder nach ihrem Ellbogen und konnte sich nur mühsam zurückhalten, sie nicht auf die Füße zu ziehen. Im Moment konnten sie das alles nicht gebrauchen. Nicht nach sechs Wochen der Sorge um ihren Großvater.
»Kommen Sie, Miss Kent«, stieß er hervor.
Er musste ihren Ellbogen loslassen, als sie unter den Tisch kroch, um ihre Tasche aufzuheben, die sie wieder fallen gelassen hatte. Als sie unter dem Tisch den Boden nach ihren Schuhen abtastete, sah Sam sich einem Sitzungszimmer voller durchweg fassungsloser Menschen gegenüber.
Die Tasche entglitt ihr abermals, als sie sich hinzusetzen versuchte, um ihre Schuhe anzuziehen. Sam hob die Tasche auf und entschied, sie zu behalten, um nicht irrsinnig zu werden. Schließlich zerrte er sie fast hinaus auf den Korridor.
»Ich habe ein Zimmer im Marriott gebucht«, sagte sie, während sie nur mit Mühe mit ihm Schritt hielt.
»Sie können im Penthouse übernachten.«
»Nein. Ich bleibe lieber im Hotel!«, sagte sie unverwandt zu ihm aufblickend, wobei ihre Augen fast schiefergrau wirkten.
»Wenn Sie unbedingt möchten.« Er blieb am Empfangstisch stehen.
»Wurde Miss Kents Tasche gefunden?«
»Danke.« Er wollte zum Lift.
»Ich kann allein gehen«, sagte sie leise und zerrte an ihrem Ellbogen.
Da gab er sie frei und beobachtete mit schlecht verhohlenem Unwillen, wie sie die Lifttüren beäugte, als würden diese sich öffnen, nur um sie zu verschlingen.
»Sind Sie zum ersten Mal in New York?«, fragte er trocken, seine wahren Gefühle beherrschend. Nur mit Mühe lockerte er seine Schultern, die er unter dem Verlangen, das kleine Ding zu erwürgen, angespannt hatte.
»Heute gab es mehrere erste Male für mich«, gab sie zurück und blickte mit einem Ausdruck zu ihm auf, den Sam nur als Aufregung bezeichnen konnte, »inklusive meines ersten Fluges.«
»Wirklich?« »Ja. Und ich habe es mit einer Wiederholung nicht eilig, kann ich Ihnen sagen.«
»Wie verdienen Sie in Maine Ihr Geld, Miss Kent?«
»Ich stelle Särge her.«
Sam sah sie überrascht an. Als die Lifttüren aufglitten, fasste er automatisch wieder nach ihrem Ellbogen und schob sie hinein.
»Sagten Sie Särge?«
Sie blickte mit nachsichtigem Lächeln zu ihm auf, als hätte sie diese Reaktion erwartet.
»Ich besitze eine kleine Sargtischlerei und beschäftige ein paar hochqualifizierte Schreiner für die Holzarbeit und andere Fachkräfte für die Innenausstattung.«
»Ich verstehe.«
»Abram hat bei mir gearbeitet«, sagte sie und befreite sich aus seinem Griff. Sie berührte Sams Ärmel.
»Er hat seinen eigenen Sarg getischlert.«
Sam geriet leicht ins Schwanken, als hätte ihn ein Hieb in den Magen getroffen.
»Es war ein Trost für Ihren Großvater«, fuhr sie leise fort.
»Abram sagt, dass er gern mit den Händen arbeitet. Er ist sehr stolz auf seine letzte Errungenschaft.«
Sie trat direkt vor ihn hin und blickte besorgt zu ihm auf.
»Mr. Sinclair, Ihr Großvater hat nicht mehr lange zu leben«, sagte sie leise.
»Er hat sich damit abgefunden, und jetzt müssen auch Sie und Ihre Brüder sich damit abfinden.«
»Dann hätte er nicht davonlaufen sollen!«, fuhr er sie an.
»Er sollte zu Hause bei seiner Familie sein. Außer uns hat er niemanden.«
»Er wird zurückkommen. Das glaube ich jedenfalls.«
»Sie glauben es?«
Sie legte den Kopf schräg und bewahrte angesichts des aufziehenden Gewitters, das sich in seinen Augen andeutete, Ruhe.
»In manchen Kulturen ziehen die Alten sich zum Sterben in die Wildnis zurück. Ich glaube, das hat auch Abram getan. Ich vermute, dass er dem üblichen Getue am Sterbebett entgehen wollte«, erklärte sie beschwichtigend.
Verdammt, er wollte nicht beschwichtigt werden. Er wollte diese Frau packen und so lange schütteln, bis ihre Zähne klapperten. Sie war eine Fremde und ein dummes Huhn obendrein. Und sie sagte Dinge, die er nicht hören wollte.
»Sagen Sie mir, wo er steckt«, brachte Sam heraus und packte sie an den Schultern.
Ihre Augen wurden groß, ihr Mitgefühl ging in Angst über.
»Ich kann nicht. Ich habe es versprochen.«
Sam sah sie finster an.
»Lassen Sie sich gesagt sein, dass ich ihn finden werde. Es kann in Maine nicht viele Sargschreinereien geben, die einer Willamina Kent gehören.«
»Wenn Sie das tun, tun Sie ihm sehr weh.«
»Er gehört nach Hause.«
»Er wird kommen.«
»Im Sarg!«
»Wenn er das möchte.« Sie hob ihr Kinn, nicht aber ihre Stimme.
»Mr. Sinclair, bei unserem Eintritt in diese Welt haben wir nicht viel mitzureden. Aber wenn wir die Chance haben, sie zu unseren Bedingungen zu verlassen, sollte man es uns gestatten.«
Sam spürte, wie ihm das Blut aus den Wangen wich. Er umfasste ihre Schultern fester.
Sie zuckte zusammen, versuchte aber nicht, sich loszumachen. Stattdessen legte sie ihre kleine Hand auf seine Brust.
»Es ist Abrams Entscheidung, Sam.« Ihr Blick bekam eine flehentliche Note.
»Vielleicht möchte er, dass Sie sich an ihn als starken Mann erinnern, der bis zum Schluss die Geschicke seines Imperiums gelenkt hat? Wäre es nach Abram gegangen, wäre er wohl an seinem Schreibtisch gestorben.«
»Oder an Deck eines Frachters, von dem aus er den Sonnenaufgang beobachtet«, flüsterte Sam. Er ließ sie los und schlug mit der Hand auf die Wand der Liftkabine.
»Verdammt!« Damit drehte er sich zu ihr um.
»Wussten Sie, dass er Kapitän war? So fing er an. Bram konnte nach dem Geruch des Windes das Wetter des nächsten Tages voraussagen. Er liebte die Seefahrt. Oft fuhr er mit Grammy auf einem seiner Frachter, wenn der Zielhafen ihnen zusagte.«
»Das wusste ich nicht.«
Sam schloss die Augen angesichts des Schmerzes, der in seinem Inneren wütete. Die Situation behagte ihm nicht, doch war sie ihm nicht ganz unverständlich. Ja, irgendwie verstand er Brams Rückzug nach Maine. Wenn der Alte wusste, dass das Ende nahe war, würde er keine Zeugen wollen, schon gar nicht seine Enkel.
Sam atmete tief durch.
»Okay«, sagte er heiser, »Bram wird vermutlich im Sarg zurückkehren.«
»Es tut mir leid.«
»Der alte Fuchs kann nicht ewig leben«, sagte er mit schmerzlicher Resignation und rieb sich seine Schläfe in dem Versuch, die Erkenntnis auszulöschen, dass er seinen Großvater wahrscheinlich niemals wiedersehen würde.
Sie berührte seinen Ärmel und blickte mit traurigem Lächeln zu ihm auf. In diesem Moment blieb der Lift stehen, das Ping der Tür ertönte, und er sah, wie sie erstarrte. Mit eisernem Willen unterdrückte er seinen Schmerz und hielt ihre Tasche in die Höhe.
»Keine Angst, ich werde sie mit meinem Leben schützen.«
Sie lachte, und das bedrückende Gewicht der Morbidität schwand wie durch Zauberhand aus dem Lift. Jeder Muskel in Sams Körper reagierte unwillkürlich auf das simple, angenehme Geräusch ihres leisen Lachens.
»Sie glauben wohl, mit Lifts stehe ich auf Kriegsfuß? «, sagte sie mit schiefem Lächeln.
»Sie sollten mich auf einer Rolltreppe sehen.«
Teufel noch mal. Eine Wachtel mit dem Lachen eines Engels.
Wenn Abram Sinclair eine Schwäche hatte, dann waren es die Frauen. Üppige Formen, Humor und Wärme waren die Qualitäten, die den Alten vor allem anzogen. Kein Wunder, dass er seinen Enkelsöhnen stets eingeschärft hatte, dass Herkunft, Schönheit und Bankkonten keine nennenswerte Rolle spielten. Volle Brüste und ein ebensolches Hinterteil, an das ein Mann sich halten konnte, waren die Attribute, auf die es ankam.
Was Willamina Kents Erscheinen erklärte.
Sam begleitete sie schweigend zu der unterirdischen Garage, in der Ronald wartete. Nachdem er seinem Fahrer Anweisung gegeben hatte, sie zum Marriott zu bringen, fuhren sie schweigend durch Manhattan. Willamina drückte die Nase an die Scheibe und verbrachte die Fahrt damit, die Stadt an sich vorüberziehen zu lassen.
Sam verbrachte die Zeit damit, sie zu beobachten.
Ihre Bluse war wieder herausgerutscht. Und das Kostüm, das aussah wie aus den späten Siebzigern, war irreparabel zerknittert. Die schwere Tasche zu ihren Füßen war umgefallen, die Hälfte des Inhalts herausgerutscht.
Sam stieß einen stillen Seufzer aus. Er wurde aus ihr nicht klug. Trotz der augenscheinlichen Arglosigkeit Miss Kents hatte er während der Sitzung in ihren Augen wache Intelligenz gesehen.
Ein weniger scharfsinniger Mensch hätte nur ihre äußere Erscheinung gesehen, Bram aber versuchte immer, hinter die Maske zu sehen, die jemand trug, so wie er immer versuchte, über den Horizont des Ozeans hinauszublicken.
Sam spürte, dass er das Talent seines Großvaters mitbekommen hatte, und deshalb hätte er gewettet, dass in Willamina Kent mehr steckte, als auf den ersten Blick zu sehen war. Abram Sinclair hätte das Schicksal von Tidewater – oder das seiner Enkelsöhne – niemals in die Hände einer dummen Gans gelegt.
War sie nur die Figur eines letzten schrulligen Schachzuges, den ein alter Mann sich vor seinem Tod leistete? Es hätte durchaus auf Brams Linie gelegen, seine Familie oder sein Unternehmen gehörig durcheinanderzuwirbeln, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, und das bedeutete, dass der alte Fuchs ein höheres Ziel im Auge hatte, als er auf die Idee kam, sie nach New York zu schicken.
Eine Heirat vermutlich. Es war Bram zuzutrauen, dass er sich selbst in Willamina verliebt hatte. Und wer eignete sich daher besser als Ehefrau für seine Enkel? Willamina schien eine mitfühlende Person zu sein, wenn man hinter ihren grotesken Aufzug und ihr Auftreten blickte.
Obwohl ihr Beruf … unheimlich war.
Verdammt noch mal … aber irgendjemand musste ja Särge tischlern.
Aber Bram hatte seinen eigenen Sarg gemacht. Sam konnte dieses makabre Bild nicht abschütteln.
»Brauchen Sie Hilfe beim Einchecken?«, fragte er, als sie vor dem Marriott vorfuhren.
»Nein, danke. Ich komme allein zurecht.« Sie blickte mit gerunzelter Stirn auf ihre Tasche hinunter und schob alles hinein, was herausgerutscht war.
»Werden wir uns heute alle zum Dinner treffen?«
»Wir holen sie um sieben ab«, sagte Sam. Er stieg hinter ihr aus und beobachtete mit spöttischer Belustigung, wie Ronald ihr ramponiertes Gepäck, das eine mitleidige Seele mit einem Klebeband gesichert hatte, dem Träger übergab. Seine erstklassige Ausbildung war Gewähr dafür, dass er es in Empfang nahm, ohne auch nur mit einer Wimper zu zucken.
Sobald Miss Kent sich auf sicherem Weg ins Hotel befand, stieg Sam wieder ein und ließ sich ins Büro fahren. Vielleicht glückte es ihm, doch noch etwas von diesem höllischen Tag zu retten – und im Internet nach einer Sargfabrik in Maine zu suchen.
Als die Lifttüren sich in der Garage schlossen, sah Sam ein Stückchen Stoff im Öffnungsspalt. Er stemmte sich gegen die Türen, um sie wieder zu öffnen, bückte sich und rettete etwas, das sich als changierend-fliederfarbiges Höschen entpuppte.
Etwas größer, als er es gewohnt war.
Mit einem erwartungsvollen Lächeln, das dem bevorstehenden Abend galt, steckte er es in die Tasche. An der kleinen Wachtel war also nicht alles braun.
Willa ließ ihre ruinierte Reisetasche auf den Boden des Hotelzimmers fallen und sah zu, wie diese sich öffnete und ihre lachhafte Garderobe auf dem Teppich landete.
Ein richtiger Schlamassel. Nicht nur ihre Sachen … der viel größere Schlamassel war jener, in dem sie steckte – inklusive der Abend, der, wie sie wusste, die reinste Hölle sein würde. Sie hatte es während des gesamten Dinners mit diesen drei feindseligen Typen zu tun, die sie am liebsten geteert und gefedert hätten, um sie anschließend in die erstbeste Maschine mit Kurs nach Norden zu stecken.
Nachdem jeder von ihnen versucht hatte, ihr ihre Stimme abzuschmeicheln.
Verdammter Abram Sinclair! Alles war allein seine Schuld. Sie war hier völlig fehl am Platz. Diese Leute bei der Sitzung, und diese Sinclair-Enkel … allesamt nicht in ihrer Liga. Sie war ein Mädchen aus der Kleinstadt. Ihre schwerwiegendsten geschäftlichen Entscheidungen drehten sich um neue Verzierungen auf ihren Sargdeckeln. Welche Qualitäten jemand für die Leitung eines milliardenschweren Unternehmens mitbringen musste, entzog sich ihrem Urteilsvermögen.
Willa seufzte frustriert, schleuderte ihre Schuhe von sich, ließ sich aufs Bett fallen und rieb sich die Stirn. Ihr Sitz zwischen den monströsen Propellern hatte ihr in Minutenschnelle dröhnende Kopfschmerzen beschert. Sie quälten sie noch immer, nur waren die Schmerzen nicht mehr dröhnend, sondern drohten ihren Kopf zu sprengen. Verdammt, sogar ihre Haare schmerzten.
Und ihr Tag war noch nicht gelaufen. Willa schlug die Augen auf und schielte auf ihre Uhr. In vier Stunden würden drei Männer sie zähneknirschend zum Dinner ausführen. Gewiss, sie würden den Anstand wahren, da ja jeder auf ihre Stimme aus war. Vermutlich würden alle ihren Charme so dick auftragen, dass sie darin erstickte.
Bis auf Sam Sinclair vielleicht. Er hatte sich keine Mühe gegeben zu verbergen, was er von der Situation – und von ihr – hielt.
Sie konnte es ihm nicht verargen. Dass Abram von zu Hause ausgerissen war, stellte für seine Erben eine große Kränkung dar. Es war offenkundig, dass sie den Alten liebten und ihm Adieu sagen wollten. Willa hatte Verständnis für den Standpunkt der drei Enkel, aber auch für jenen Abrams; und sie verstand auch den Schmerz aller Beteiligten.
Und um das Maß vollzumachen, empfand Sam sie ganz eindeutig als Schlag ins Gesicht. Abram hatte eine Außenseiterin in die Familien- und Geschäftsszene eingeführt. Nicht nur eine Außenseiterin, sondern einen Trampel.
Willa hatte noch nie im Leben High Heels getragen und würde auch nie auf den Geschmack kommen. Die Schuhe, die sie heute trug, hatten ihrer Mutter gehört. Und sie hasste Lifts. Hätte der Sitzungsraum sich nicht im dreißigsten Stock befunden, sie hätte die Treppe genommen – aber dreißig Etagen waren doch etwas viel. Dann war ihr Gepäck verschlungen worden. Und als sie auf die Toilette gegangen war und in den Spiegel gesehen hatte, hätte sie beinahe aufgeschrien.
Stattdessen hatte sie gelacht, bis ihr die Tränen gekommen waren. Sie war zu einer hochkarätigen Sitzung nach Manhattan gekommen und hatte ausgesehen wie ein von einer Katze am Strand ergattertes Stück Treibgut. Kein Wunder, dass alle entsetzt waren, weil sie die entscheidende Stimme hatte. Sie war selbst entsetzt gewesen.
Und jetzt hatte sie einfach nur Angst. Und das war für sie nicht normal. Sie war neunundzwanzig und hielt sich für furchtlos. Sie vertraute ihrer Fähigkeit, Situationen und Menschen einschätzen zu können, und traf Entscheidungen, zu denen sie stand, auch wenn sie sich als falsch erweisen sollten.
Und deswegen war sie hier und stellte sich Abrams drei Enkelsöhnen. Als der scharfäugige Alte mit den wirren Haaren auf ihrer Türschwelle erschienen war und den Wunsch geäußert hatte, ihr Cottage zu mieten, hatte er ihr mit seinem unverschämten Charme, seiner unzeitgemäßen Arroganz und seiner Gebrechlichkeit das Herz gestohlen. Er hatte ihr unumwunden erklärt, er wäre nach Maine gekommen, um zu sterben und wolle den Tod zu seinen Bedingungen hinter sich bringen. Und Willa, die nie widerstehen konnte, wenn jemand in Nöten war, hatte ihn aufgenommen, ihm Liebe und Verständnis geschenkt – und ihm versprochen, seinen Enkeln beizubringen, dass er dem Tod nahe war.
Sie hätte sich denken können, dass die drei Sinclairs jüngere Ausgaben von Abram sein würden.
Alle drei Enkelsöhne waren wahre Prachtexemplare – groß, eindrucksvoll und schlechterdings einschüchternd. Willa war ernsthaft versucht, einen Stimmzettel mit ihrer Entscheidung am Empfang zu hinterlassen, sodass sie bereits auf dem Heimflug sein würde, wenn die drei Sinclairs kämen, um sie abzuholen. Wenn sie das Resultat lasen, wollte sie möglichst nicht in der Nähe der zwei Verlierer sein.
Mit mehr Willenskraft als Ehrgeiz zwang Willa sich, vom Bett zu krabbeln und sich aus dem Kostüm zu schälen, das sie sich von Maureen, einer ihrer älteren Mitarbeiterinnen, ausgeborgt hatte. Sie kramte in dem Durcheinander auf dem Boden und fand das Kleid, das sie für diesen Kurztrip erstanden hatte. Nachdem sie es angewidert ausgeschüttelt hatte, angelte sie sich einen Kleiderbügel aus dem Schrank und hängte das Kleid im Bad auf. Dann drehte sie die Dusche auf, in der Hoffnung, die Knitterfalten würden verschwinden, während sie ihre körpereigenen Falten ebenfalls unter Dampfeinfluss zu glätten hoffte.
»Verdammt, wo hat Bram sie aufgetrieben?«
»In Maine.«
»Typisch. Was hat sie gesagt? Wann kommt er zurück? «
»Gar nicht«, sagte Sam leise.
»Niemals wieder?«
»Laut Miss Kent ist er dem Tod nahe.«
Sam saß still in der Ecke des Wagens und ließ seine Antwort wirken. Jesse saß ihm gegenüber, Ben neben ihm. Alle drei trugen lässige Abendkleidung und waren auf dem Weg, um ihre Damen zur Verabredung abzuholen.
Sams Dame war Willamina.
»Er kann nicht einfach Reißaus nehmen und für uns tot sein«, flüsterte Jesse, »oder doch?«
»Sieht ganz so aus, als ob er es täte. Miss Kent hat gesagt, er wäre zu stolz, um zuzulassen, dass wir ihn sterben sehen.«
»Das ist Humbug. Bram hat uns aufgezogen. Er war für uns mehr Vater als Großvater. Er hat kein Recht, ohne uns zu sterben«, sagte Ben, dessen geballte Fäuste auf seinen Knien lagen.
»Sie muss uns verraten, wo er ist, und dann werden wir ihn holen. Er gehört in sein Haus.«
»Sie wird ihn nicht verraten. Ich habe es schon versucht. «
»Vielleicht hast du es nicht energisch genug versucht. «
Sam reagierte mit einem schiefen Lächeln.
»Unterschätzt Miss Kent nicht, Gentlemen. Sie mag ja aussehen wie eine schüchterne kleine Wachtel, aber sie wird ihr Bram gegebenes Versprechen nicht brechen. «
»Wir wissen, dass er in Maine ist. Nichts leichter, als seinen Aufenthaltsort ausfindig zu machen«, sagte Ben.
In der weichen Innenbeleuchtung der Limousine studierte Sam die beklommenen Mienen seiner Brüder.
»Wollen wir wirklich Brams Wünschen zuwiderhandeln? «, fragte er in einem Ton, der seine Bedenken verriet.
»Sein Verstand ist intakt, aber sein Körper lässt ihn im Stich. Und er möchte nicht, dass wir es mitbekommen. «
»Verdammt, mir war nicht klar, dass er so krank ist. Ich habe gedacht, wir hätten mehr Zeit«, stieß Jesse hervor und senkte den Blick auf seine Hände.
Ben klammerte sich an seine Wut.
»Warum konnte er uns seine Entscheidung nicht einfach faxen? Die Frau kann doch einen Kalkulationsbogen nicht von einem Bettlaken unterscheiden.«
Sam schnaubte.
»Dreimal dürft ihr raten.«
Beide Brüder sahen in erst ratlos an, dann fingen sie an zu fluchen.
»Bram versucht doch glatt, uns noch vom Totenbett aus zu verkuppeln!«, stieß Jesse mit entrüstetem Kopfschütteln hervor.
»So ist es«, pflichtete Sam bei.
»Außerdem will er uns vorbereiten.« Sam legte den Kopf schräg.
»Ich wette, dass Miss Kent sich in Bram verliebt hat. Warum würde sie sonst das alles für ihn tun?«
»Um sich einen reichen Mann zu angeln«, stieß Ben hervor.
»Diese Frau könnte keinen Goldfisch an Land ziehen, geschweige denn einen reichen Ehemann«, widersprach Jesse.
»Ihr dürft sie nicht unterschätzen.« Sam sah seine Brüder mit traurigem Blick an.
»Sie besitzt eine Sargfabrik. Und sie hat gesagt, Bram hätte seinen eigenen Sarg angefertigt.«
»Wie bitte?«
»Sie hat gesagt, es wäre tröstlich für ihn gewesen.«
»Dann ist sie so krank wie er!«
»Nein, sie hat ein weiches Herz. Und sie ist die tapferste Frau, der ich jemals begegnete«, konterte Sam.
»Tapfer?«, wiederholte Ben.
»Man konnte ihr ansehen, dass der Sitzungsraum von Tidewater der allerletzte Ort war, an dem Miss Kent sein wollte. Ihr könnt sicher sein, dass sie sich auf diesen Abend keineswegs freut. Man muss sehr viel Mut besitzen, um die Nachricht vom unmittelbar bevorstehenden Tod eines Menschen seiner Familie zu überbringen. Ich muss ehrlich sagen, dass ich das nicht könnte.«
Im Wagen wurde es still, bis sie anhielten, um Jesses Dame abzuholen. Mit der sagenhaften Willenskraft der Sinclairs zwangen sich die drei Männer, ihre trübe Stimmung abzuwerfen und Darcy zuzulächeln, als sie sich neben Jesse setzte.
Darcy, Inbegriff von glamourösem Manhattan-Schick, wirkte in elegantem Schwarz sehr kultiviert und kühl. In ihren acht Zentimeter hohen High Heels konnte sie es mit der Größe ihres Begleiters einigermaßen aufnehmen. Jesse und Darcy trafen einander seit drei Monaten, was in etwa Jesses üblicher Aufmerksamkeitsspanne für das schöne Geschlecht entsprach.
Sam vermutete, dass sein Bruder bald weiterwandern würde, was ganz in Ordnung war. Darcys Schönheit vermochte gewisse Mängel ihres Wesens und ihres Charakters nicht wettzumachen. Ihre Interessen gingen über Reisen, Shoppen und das Verbrauchen ihres Treuhandvermögens nicht hinaus.
Als Nächstes holten sie Paula ab, Bens Dame, die nicht seine einzige Freundin war. Ben, der sich der Gunst verschiedener Frauen erfreute, hatte sich schon zweimal schmerzlich die Finger verbrannt; das erste Mal mit neunzehn und dann wieder vor vier Jahren.
Beim letzten Mal war es knapp gewesen. Bram hatte schon geglaubt, er würde endlich eine Schwiegerenkelin bekommen, und Jesse und Sam hatten gehofft, von dem Druck befreit zu werden, sich eine Frau suchen zu müssen. Doch just als es ausgesehen hatte, als wäre Ben zu einem Heiratsantrag bereit, hatte er die Beziehung beendet. Über den Grund hatte er sich ausgeschwiegen.
Eine Frau musste sehr standfest und unerschütterlich sein, um einen Sinclair zu heiraten. Sie musste intelligent und stark sein, und sie musste verzeihen können. Außerdem war Mut gefragt. Die Sinclair-Männer waren nicht für ihre Geduld bekannt und wurden von ihrer Umgebung mit entsprechender Vorsicht behandelt, Bram im Besonderen. Dieser hatte seine Enkel dazu erzogen, ebenso unerbittlich, unnachgiebig und ehrgeizig zu sein.
Sam, Ben und Jesse waren zu Waisen geworden, als Sam zwölf war. Ihre Eltern waren auf der Rückkehr von einer Konferenz in Übersee, der ein Romantikurlaub gefolgt war, bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Bram, der unter der Nachricht vom Tod seines letzten überlebenden Sohnes vor Gram fast zusammengebrochen war, hatte damals mit Grammy Rose die Jungen abgeholt und zu sich genommen. Seit jenem Tag hatte sich eine starke Bindung zwischen den drei verlorenen und verwirrten Kindern und ihren trauernden Großeltern entwickelt. Tiefe, verzweifelte Liebe war, gespeist von Freundschaft und Respekt, aufgeblüht.
Das war der Grund, weshalb Bram sich nicht zwischen ihnen entscheiden konnte und sein Unternehmen nicht allein einem seiner Jungen übergeben wollte; sie alle besaßen Anteile an Tidewater und waren dank ihrer Sinclair-Energie reiche Männer. Einen der drei zum Firmenoberhaupt zu bestimmen, ging über die Kräfte des Alten.
Der Wagen fuhr vor dem Marriott vor, wo Willa in der Lobby wartete. Sie erinnerte Sam an eine zerstreute Professorin, deren Körper Schwierigkeiten hatte, mit ihrem Verstand mitzuhalten. Willamina Kents Kopf schwebte zu hoch in den Wolken, um die alltäglichen Details des Lebens wahrzunehmen. Und ihr Herz war offenbar ihr ärgster Feind. Warum sonst hätte sie diese Mission für einen Menschen übernehmen sollen, den sie erst seit sechs Wochen kannte?
Kaum hatte sie ihn erblickt, als sie auch schon zur Drehtür lief. Anstelle ihrer einer Satteltasche ähnelnden Handtasche trug sie eine flache Clutch mit langem Schulterriemen, die in ihrer Hand baumelte. Mit stoischer Resignation beobachtete Sam, wie sie durch die Tür hinaustrat und ihre Tasche in der Tür hinter ihr eingeklemmt wurde. Der Riemen riss, die Tasche landete auf dem Boden und wurde wenig überraschend von der Tür hinter ihr mitgeschleppt.
Willa geriet gefährlich ins Wanken, als sie sich danach bückte. Sam griff nach ihrem Ellbogen, um sie zu stützen, dann hob er die Tasche selbst auf.
»Danke«, murmelte sie, die malträtierte Tasche an sich drückend, während der lange Halteriemen wie ein Schwanz hinter ihr baumelte, als sie zum Wagen lief.
Sam half ihr in den Wagen, in dem Grabesstille herrschte. Als er sich neben sie setzte, sah er, dass ihre Wangen flammend rot waren – passend zu ihrem Kleid.
Das Kleid sah aus, als käme es aus einem Second-Hand-Laden, und war womöglich noch unmodischer als das Kostüm, das sie bei der Sitzung getragen hatte. Die Rüsche des Stehkragens, der sie zu ersticken drohte, reichte ihr bis zum Kinn, der Saum ging ihr fast bis zu den Fesseln.
Wenigstens ihre Schuhe waren besser. Schwarz, wieder mit Fünfzentimeterabsätzen, passend zu dem breiten Gürtel, der ihre Taille umspannte. Die Tasche, in deren Reparatur sie sich vertieft hatte, war braun.
Sam streckte die Hand aus und nahm sie ihr ab. Nachdem er das Ding untersucht hatte, entschied er, dass es verlorene Liebesmüh war, und riss den Tragriemen einfach ab.
»Jetzt haben Sie eine Hand-Clutch«, sagte er und gab ihr die Tasche zurück.
Zunächst hatte sie mit großen Augen zugesehen, als er den nutzlosen Riemen abriss, dann senkte sie den Blick auf ihren Schoß. Das Täschchen hin und her drehend, sah sie schließlich die anderen Insassen des Wagens mit schüchternem Lächeln an.
»Hallo«, sagte sie zu Jesse, der seinen Blick nicht von ihr losreißen konnte.
Ben schubste ihn wortlos.
»Ach, … hallo«, antwortete Jesse.
»Ich sollte die Herrschaften wohl bekannt machen. Das ist meine Freundin Darcy. Und das ist Paula, Bens Freundin. Meine Damen, das ist Willamina.«
Alle lächelten höflich, dann wandte Willa sich an Sam.
»Holen wir jetzt Ihre Verabredung?«
»Nein, ich habe den Schwarzen Peter gezogen.«