An den Klippen der Sehnsucht - Janet Chapman - E-Book

An den Klippen der Sehnsucht E-Book

Janet Chapman

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Beschreibung

Ihr Verstand warnt sie, doch ihr Herz kann ihm nicht wiederstehen …

Die Architektin Rachel Foster liebt die Villa an der Küste von Maine, die sie zusammen mit ihrem Vater entworfen hat. Aber es ist auch der Ort, an dem ihr Vater sich selbst, ihre Mutter und den Besitzer des Hauses aus Eifersucht tötete. Als ein neuer Eigentümer einzieht, erwacht das Haus zu ungeahntem Leben. Keenan Oakes rückt mit einem Gefolge von streng dreinblickenden Assistenten und einem zahmen Wolf an. Und schon bald kann Rachel ihre Finger nicht mehr von dem überaus attraktiven Keenan lassen, der ihre Leidenschaft immer mehr entfacht, während die Gefahr um sie herum stetig wächst …

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Buch

Die Architektin Rachel Foster hat die letzten drei Jahre in einer Villa an der Küste von Maine verbracht. Sie liebt das Gebäude, das sie zusammen mit ihrem Vater entworfen und gebaut hat. Aber es ist auch der Ort, an dem ihr Vater ihre Mutter und den Besitzer des Hauses aus Eifersucht umgebracht hat. Danach hat er die Waffe gegen sich selbst gerichtet.

Das Gebäude erwacht zu neuem Leben, als ein neuer Eigentümer einzieht, und Rachel muss schnell reagieren, um von ihr entwendete Dinge in das Haus zurückzubringen. Während dieses geheimen Abenteuers lernt sie den neuen Besitzer, Keenan Oakes, kennen. Er braucht Rachel, um in das Haus zu gelangen und seine Schätze zu finden. Sie stimmt zu, denn so kann sie heimlich die gestohlenen Dinge zurück an ihren Platz bringen. Allerdings kann Rachel ihre Finger nicht von dem überaus attraktiven Keenan lassen, der ihre Leidenschaft immer mehr entfacht, während die Gefahr um sie herum stetig wächst.

Autorin

Seit sie denken kann, hat Janet Chapman sich Geschichten ausgemalt, und daher ist das Schreiben von Romanen – viele davon wurden bereits mit Preisen ausgezeichnet – ihre größte Leidenschaft. Mit ihrer Zeitreise-Saga schrieb sie sich direkt auf die Spitzenplätze der New York Times-Bestsellerliste. Janet Chapman lebt mit ihrem Mann, ihren zwei Söhnen, drei Katzen und einem Elchbullen, der sie regelmäßig im Garten besucht, in Maine.

Von Janet Chapman bei Blanvalet lieferbar:

In den Armen des Schotten

Von Janet Chapman bei Blanvalet als eBook lieferbar:

Das Herz des Highlanders, Mit der Liebe eines Highlanders, Der Ring des Highlanders, Der Traum des Highlanders, Küss niemals einen Highlander, Lockruf der Highlands, Zärtliche Brandung, Wogen der Leidenschaft, Zur Liebe verführt, Mein verräterisches Herz

Janet Chapman

An den Klippender Sehnsucht

Roman

Übersetztvon Christiane Meyer

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Die Originalausgabe erschien 2004 unter dem Titel»The Seductive Impostor« bei POCKET BOOKS,a division of Simon & Schuster, Inc., New York.

1. AuflageTaschenbuchausgabe April 2016bei Blanvalet, einem Unternehmen derVerlagsgruppe Random House GmbH, MünchenCopyright © 2004 by Janet ChapmanCopyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2016by Blanvalet Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, MünchenUmschlaggestaltung: © Johannes Wiebel | punchdesign, unter Verwendung von Motiven von Chris Cocozzaund Shutterstock.comRedaktion: Margit von CossartJvN · Herstellung: samSatz: DTP Service Apel, HannoverISBN: 978-3-641-16060-9V001Besuchen Sie uns auch auf www.facebook.com/blanvaletund www.twitter.com/BlanvaletVerlag.www.blanvalet.de

Für Della, weil sie eine tolle Schwester und meine beste Freundin ist.Sie stellt vielleicht einige meiner Macken infrage,aber nie meine Liebe.

Kapitel 1

Mit dem Gehstock in der Hand humpelte Rachel Foster die Stufen der Bibliothek hinunter zu ihrem Geländewagen. Sie freute sich darauf, nach Hause zu kommen und ein langes heißes Bad zu nehmen. Der Meniskusriss in ihrem Knie war fast verheilt, doch ihre Muskeln hatten sich aufgrund der mangelnden Bewegung zurückgebildet. Ein einmonatiges Rudertraining im Kajak würde sie wieder aufbauen. Rachel konnte den Arzttermin am kommenden Freitag kaum erwarten, um endlich die blöde Gehhilfe und die juckende Schiene an ihrem Knie loszuwerden.

Während sie die Straße entlangfuhr, die sich zwischen Puffin Harbors kleinen Lädchen und Geschäften aller Art und dem Stadtpark hindurchschlängelte, winkte sie ein paar Freunden zu. Bevor sie drei Wochen zuvor den Wanderunfall am Gull Mountain gehabt hatte, hatte sie die Strecke bis nach Hause zu Fuß zurückgelegt – in nur fünfzehn Minuten.

Rachels Lächeln verschwand augenblicklich, als sie an den Feuerwehrmännern vorbeikam, die vor der Feuerwache standen. Die Männer hatten sie am Gull Mountain gerettet, und sie hatte sie vor Schmerz und Wut über sich selbst angebrüllt, vorsichtig zu sein. Doch die Kerle hatten nur gelacht und gedroht, sie fallen zu lassen, wenn sie sich nicht beruhigte. Ihr wütendes Funkeln wurde von Pfiffen und Rufen beantwortet. Ronald Pikes riss die Arme hoch, winkte und rief ihr grinsend zu, wann sie denn ihren nächsten Wanderversuch unternehmen wolle.

Als Rachel kurz darauf in die Auffahrt ihres Hauses bog, erblickte sie Wendell Potter, der auf ihrer Hollywoodschaukel auf der Veranda saß. Er hielt seine abgenutzte Aktentasche umklammert und hatte die Augen geschlossen. Jetzt, da sie neben der Veranda hielt, schreckte Wendell auf. Während sie ausstieg, kam er mühsam auf die Beine.

»Was führt dich hierher, du hübscher alter Casanova? Die Arbeit oder das Vergnügen?«, fragte sie und humpelte vorsichtig die Treppe hinauf.

Er erwiderte ihr Lächeln, auch wenn es ein bisschen gezwungen wirkte. Oder vielleicht ein wenig müde. Rachel gab dem langjährigen Freund und Anwalt der Familie, der allmählich in die Jahre kam, einen Kuss auf die Wange.

»Der alte Casanova ist dienstlich hier, fürchte ich«, entgegnete er und hielt die Fliegengittertür auf, damit Rachel die Haustür aufschließen konnte. Er folgte ihr in die Küche. »Ich ziehe mich übrigens aus dem Geschäft zurück«, fuhr er fort, ging zum Küchentisch und stellte seine Tasche ab.

Rachel hängte ihre Gehhilfe an die Rückenlehne eines Küchenstuhls, setzte sich und legte ihr rechtes Bein auf einen anderen Stuhl. Sie sah Wendell, der erschöpft seufzend ebenfalls Platz nahm, erstaunt an.

»Du ziehst dich aus dem Geschäft zurück?«, wunderte sie sich. »Aber du bist doch erst knapp über sechzig!«, fügte sie mit einem breiten Grinsen hinzu.

»Ich werde nächsten Monat vierundsiebzig, und das weißt du ganz genau«, sagte er und zog eine seiner buschigen Augenbrauen hoch. »Denkst du, ich will mich für den Rest meiner Tage um rechtliche Angelegenheiten kümmern? Was dich betrifft – du hast ja jetzt eine Schwester, die das für dich erledigen kann.«

»Aber was willst du dann machen?«

Er lebte merklich auf und warf ihr ein Lächeln zu, das vor fünfzig Jahren bestimmt viele Frauenherzen zum Schmelzen gebracht hatte.

»Wir haben uns eine Eigentumswohnung in Florida gekauft. Für uns gibt es keinen endlosen Winter in Maine mehr!«

Rachel schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Schön für euch! Es wird auch höchste Zeit, dass du das ganze Geld, das du im Laufe der Jahre mit uns Fosters verdient hast, endlich mal auf den Kopf haust.«

Er sah sie gespielt böse an und schüttelte den Kopf. »Ich könnte schwören, dass du jedes Mal, wenn wir uns sehen, frecher wirst.« Unvermittelt wurde er wieder ernst. »Wie geht’s dem Knie?«, erkundigte er sich und wies mit einem Kopfnicken auf den Gehstock, der am Stuhl hing.

»Inzwischen ziemlich gut. Ich hoffe, dass Dr. Sprague mir erlaubt, nächste Woche wieder zu arbeiten.«

Wendell nickte zufrieden. »Betty meinte, du wärst den halben Gull Mountain hinuntergestürzt«, berichtete er, und in seinem Blick blitzte Belustigung auf. »Sie sagte, die Feuerwehr von Puffin Harbor sei geschlossen angerückt, um dich zu retten.«

Betty saß am Empfang von Dr. Spragues Praxis und war die größte Klatschtante der Stadt. Und sie war Wendell Potters Frau.

Rachel schlug die Hände vors Gesicht und spähte zwischen den gespreizten Fingern hindurch. »Es war so peinlich. Sie haben mich auf einer dieser Krankentragen festgebunden und den Berg hinuntergetragen.« Sie ließ die Hände sinken, machte große Augen und beschloss, ihre Geschichte noch ein bisschen dramatisch auszuschmücken. »Ich hatte panische Angst, dass sie mich fallen lassen würden. Ich habe sie angeschrien, aber es war kaum möglich, sich über ihr Gelächter hinweg Gehör zu verschaffen. Ich war im Begriff zu sterben, und diese Idioten hatten ihren großen Tag.«

»Das lag daran, dass sie sich sicher waren, dass du eben nicht im Begriff warst zu sterben.« Wendell gluckste vor Lachen. »Und jeder Feuerwehrmann, dem du im Laufe der Jahre einen Korb gegeben hast, hatte dich endlich da, wo er dich schon immer haben wollte«, sagte Wendell.

Er öffnete die Schnallen seiner alten Aktentasche und nahm eine kleine Schatulle aus Metall heraus. Rachels Freude über Wendells überraschenden Besuch wich einer unbändigen Neugier. Das Kästchen, das der alte Anwalt nun auf den Tisch stellte, war schäbig und verbeult, wohl von jahrelanger achtloser Behandlung. An den Kanten und um das Schloss herum blätterte die Farbe ab, darunter kam Rost zum Vorschein. Rachel erstarrte und bemühte sich, die vertraute Trauer zurückzudrängen, die sich in ihr breitmachte.

Sie erkannte die Schatulle sofort wieder.

»Was ist drin?«, flüsterte sie und sah Wendell, den sie schon seit Kindertagen kannte, gefasst an.

Wendell faltete die Hände und legte sie auf seine Aktentasche. »Diese Schatulle hat deinem Vater gehört«, sagte er und runzelte die Stirn. »Ich kann dir nicht sagen, was sich darin befindet, weil ich es nicht weiß. Frank hat mich nur beauftragt, sie für ihn zu verwahren.«

»Wann?«

Er neigte nachdenklich den Kopf. »Tja … Das ist schon über fünf Jahre her, wenn ich mich recht entsinne.«

Rachel lenkte den Blick wieder auf das Kästchen. Gute zwei Jahre vor der Tragödie, die die Welt von Rachel und ihrer Schwester ins Wanken gebracht hatte.

Sie sah zu Wendell. »Seit fünf Jahren hast du diese Schatulle? Warum gibst du sie mir ausgerechnet jetzt?«

Das rote Gesicht des betagten Anwalts wurde noch ein bisschen röter. Er senkte den Blick. »Ich habe sie vergessen, Rachel«, gab er zu und schüttelte den Kopf. »Ehrlich … Ich habe einfach vergessen, dass sich das verdammte Ding in meinem Büro befand.« Er sah sie an, und Traurigkeit stand in seinen feuchten braunen Augen. »Vor drei Jahren herrschte ein solches Chaos. So viel Trauer und Ungläubigkeit. Damals fiel mir wieder ein, dass ich Frank diesen kleinen Dienst versprochen hatte, aber als er dann starb …«

Es hatte zwei Wochen gedauert, bis ihr Vater an den Folgen der Verletzungen gestorben war, die die Kugel verursacht hatte, die in seinem Kopf stecken geblieben war. Rachels Herz zog sich wieder zusammen. Sie empfand eine herzzerreißende Traurigkeit. Zwei Wochen, in denen sie den Tod ihrer Mutter betrauert und gleichzeitig dafür gebetet hatten, dass ihr Vater wieder gesund werden würde. Zwei Wochen. Gefolgt von drei Jahren, in denen sie versucht hatten, diese sinnlose Tragödie zu begreifen.

Und jetzt das. Nachdem der Schmerz endlich ein wenig abgeklungen war, brachte Wendell ihr die alte zerbeulte Schatulle vorbei.

Ein letztes Geschenk ihres Vaters.

Eine letzte Erinnerung an die zerstörerische Kraft der Leidenschaft.

Trauer überschattete Wendells Blick. »Als ich heute Morgen anfing, meine Sachen im Büro zusammenzuräumen, habe ich sie ganz hinten in einem der Aktenschränke gefunden, wo ich sie all die Jahre verwahrt hatte.« Er streckte den Arm über den Tisch und tätschelte ihre Hand. »Es tut mir leid. Erst habe ich meinen alten Freund enttäuscht, und jetzt muss ich eine alte Wunde wieder aufreißen.« Er schluckte. »Doch ich bin dazu verpflichtet, auch wenn ich weiß, welchen Schmerz es dir bereitet. Frank wollte, dass du die Schatulle bekommst.«

Rachel drückte die Hände des alten Familienfreundes. Sie warf Wendell ein dankbares Lächeln zu, ehe sie das kleine Kästchen zu sich heranzog.

Wendell griff wieder in seine Aktentasche und sah Rachel an. Sorge stand ihm im Gesicht geschrieben. »Hast du schon die Zeitung von heute gesehen, Rachel?«, fragte er.

»Nein. Wieso?«

Er nahm die Gazette aus der Tasche und schob sie ihr zu. Sie las die Headline, die in fünf Zentimeter hohen, fett gedruckten Lettern auf der Titelseite prangte.

Der Erbe der Lakemans ist endlich gefunden.

Wie benommen starrte Rachel darauf. Ohne sich zu rühren, ohne etwas zu sagen, ohne zu atmen.

»Wenn ich ehrlich bin, ist mir die Schatulle beim Lesen dieser Headline wieder eingefallen«, sagte Wendell leise. »Als ich erfuhr, dass sie Thadds Erben gefunden haben, kam alles wieder hoch. Wie du wahrscheinlich auch, habe ich geglaubt, dass die Villa, die Sub Rosa, unbewohnt bleiben und ganz langsam verfallen würde.«

Rachel zuckte zusammen, als sie den schmerzhaften Stich in ihrem Herzen wahrnahm. Und es überraschte sie, dass sie noch immer eine so starke Liebe zur Sub Rosa verspürte.

Sie war beinahe so stark wie der Hass auf das Anwesen.

»Dazu wird es nicht kommen«, sagte sie und faltete die Zeitung auseinander. »Wir werden eher Zeugen der Apokalypse, als dass wir sehen werden, wie Frank Fosters Werk sich selbst zerstört. Er hat Gebäude geschaffen, die so lange halten, bis …«

Rachels Stimme erstarb, und ihre Gedanken verflogen wie der Morgentau in den ersten Sonnenstrahlen, als ihr Blick auf das Foto des Mannes unterhalb der Headline fiel.

Er war … faszinierend.

Zuerst fesselten seine strahlenden Augen in dem markanten, sonnengebräunten Gesicht ihre Aufmerksamkeit – dunkel und leicht verengt, weil er das Kind in seinen Armen anblickte und lachte. Mit seinen starken Händen drückte er es an seine nackte, behaarte Brust. Dann fiel ihr Blick auf die breiten Schultern, die durchtrainierten Arme und den flachen Bauch.

Beeindruckend.

Das Kind war vielleicht vier oder fünf Jahre alt. Es war ein Mädchen mit wilden blonden Haaren und einem Engelsgesicht. Die Kleine hatte ihre Hand an die Wange des Mannes gelegt und erwiderte sein Lachen. Sie trug einen leuchtend pinkfarbenen Badeanzug. Ihre Haut war genauso sonnengebräunt wie die des Mannes. Die beiden befanden sich auf einem Segelboot, das an einem Liegeplatz festgemacht war – dicke Taue, ein Holzdeck, zusammengelegte Segel im Hintergrund. Vielleicht war es ein Schoner.

Rachel las die Bildunterschrift.

Keenan Oakes mit seiner Tochter Mikaela.

Keenan Oakes. Der Erbe von Thaddeus Lakeman.

Es schien, als ob das Anwesen, das hoch auf einer Klippe in der Nähe stand, nach einem drei Jahre andauernden Dornröschenschlaf von einem bösen Geist wieder zum Leben erweckt werden würde. Die Sturmschutzjalousien würden geöffnet werden. Durch die Fenster würde wieder Licht scheinen. Und Leute würden kommen. Der Ort, an dem sich die tödliche Tragödie zwischen Thaddeus und ihren Eltern abgespielt hatte, würde bald erneut von Lebenden eingenommen werden.

»Schwer zu glauben, dass der Mann mit Thadd verwandt sein soll«, bemerkte Wendell und riss Rachel damit aus ihren Gedanken. »Es besteht überhaupt keine Familienähnlichkeit.«

Behutsam legte Rachel die Zeitung zur Seite, nahm die Schatulle in die Hand und sah sie sich genauer an. »Ach, ich weiß nicht. Thadd hatte auch dunkle Augen. Wo ist denn der Schlüssel?«, fragte sie und schob den Gedanken an die Sub Rosa und Keenan Oakes beiseite.

Sie sah auf, als Wendell nicht sofort antwortete.

Stirnrunzelnd blickte er sie an. »Du hast ihn«, sagte er. »Frank hat mir gesagt, dass er dir den Schlüssel schon vor vielen Jahren gegeben hat.«

Jetzt runzelte Rachel fragend die Stirn. »Nein«, entgegnete sie und schüttelte den Kopf. »Er hat dieses Kästchen nie erwähnt, und er hat mir, soweit ich weiß, keinen Schlüssel gegeben.« Sie stellte die Schatulle auf den Tisch zurück und zuckte die Achseln. »Vielleicht hat er ihn Willow gegeben.«

»Das glaube ich nicht, Rachel. Frank hat mir unmissverständlich deutlich gemacht, dass ich die Schatulle ausschließlich dir geben darf. Er wollte, dass allein du entscheidest, was mit dem Inhalt passieren soll.«

Rachel fragte sich, welche Geheimnisse Frank Foster vor seiner jüngsten Tochter Willow hatte geheim halten wollen.

Sie schob den Stuhl zurück und stand etwas unbeholfen auf. Ohne Gehhilfe humpelte sie zur Kochinsel in der Mitte der Küche und drehte sich dann zu Wendell um. Er hatte sich ebenfalls erhoben. Sichtlich besorgt blieb er neben seinem Stuhl stehen.

»Sonst hat er nichts gesagt?«, erkundigte Rachel sich. »Zum Beispiel, warum er nicht wollte, dass Willow etwas von der Schatulle erfährt?«

»Nein, nichts.« Wendell ging auf Rachel zu. »Willow war mit ihrem Jurastudium beschäftigt«, rief er ihr ins Gedächtnis. »Du warst hier an der Seite deines Vaters, hast mit ihm zusammengearbeitet und die Sub Rosa aufgebaut. Du warst etwas Besonderes für ihn.«

»Er hat Willow genauso sehr geliebt wie mich.«

»Ja, das hat er. Aber das Band zwischen Frank und dir war einzigartig, Rachel. Du warst sein ganzer Stolz, warst sein Ebenbild.«

Wendell legte seine Hände liebevoll auf ihre Schultern. »Vergiss nicht, als er mich beauftragt hat, die Schatulle zu verwahren, hätte er niemals ahnen können, welche Tragödie sich eines Tages abspielen würde. Er hat damit gerechnet, dass nach seinem Tod drei Frauen um ihn weinen würden und nicht nur zwei.« Wendell drückte ihre Schultern, um seine Worte zu unterstreichen. »Doch er hat mich ausdrücklich darum gebeten, weder Willow noch Marian von der Schatulle zu erzählen.« Mit einem Kopfnicken wies er auf den Tisch. »Was auch immer darin ist, geht nur dich und deinen Daddy etwas an, Rachel. Und jetzt habe ich meine Pflicht erfüllt.« Er schloss sie mit einem erleichterten Seufzen in seine Arme. »Jetzt umarm mich alten Mann mal. Und versprich mir, nicht zuzulassen, dass dieser Zeitungsartikel den Frieden stört, den du und deine Schwester endlich gefunden habt.«

Rachel schmiegte sich an Wendell, schlang die Arme um ihn und drückte ihn an sich. »Ich werde es nicht zulassen«, schwindelte sie.

»Das ist mein Mädchen«, brummte er über ihren Kopf hinweg. »Die Sub Rosa ist nur ein Gebäude aus Granit und Glas, Rachel. Gib der Villa nicht die Schuld an dem, was sich dort zugetragen hat.« Er löste sich von ihr und sah ihr tief in die Augen. »Das Architekturbüro Foster hat die Sub Rosa entworfen, und nur daran werden die Menschen sich in hundert Jahren noch erinnern.«

Rachel wusste, dass alles, was der alte Anwalt sagte, stimmte, aber sie konnte ihr Herz nicht davon überzeugen. »Ich habe vor drei Jahren dort meine Seele verloren. Und obwohl ich weiß, dass ein Haus keinen Verrat unter Menschen verursachen kann, gibt es in mir einen Teil, der der Sub Rosa immer die Schuld daran geben wird.«

»Das liegt daran, dass die Villa dir und deinem Vater mindestens genauso gehört hat wie Thaddeus«, entgegnete Wendell und drückte wieder ihre Schultern. »Du trauerst nicht nur um drei geliebte Menschen, die du verloren hast, sondern auch um die Sub Rosa. Erklär mir, warum ihr, du und Willow, nicht aus dem Schatten des Hauses verschwunden und weggezogen seid? Warum habt ihr das alles nicht hinter euch gelassen?«

»Wir konnten es nicht. Ich konnte es nicht«, gab Rachel zu. Sosehr sie den Anblick der Villa, in der ihre Eltern gestorben waren, hasste, hasste sie den Gedanken, nicht mehr in der Nähe der Sub Rosa zu leben, noch mehr.

»Dreizehn Jahre von Frank Fosters großartigster Arbeit stehen dort oben auf der Klippe«, sagte Rachel. »Dreizehn Jahre Ausbildung an der Seite meines Vaters. Und dieses Haus«, fügte sie hinzu und wies mit einer ausholenden Handbewegung auf die Küche, in der sie standen, »ist meine erste eigenständige Arbeit. Wie könnte ich die glücklichsten Jahre meines Lebens so einfach hinter mir lassen?«

Wendell lächelte sie warmherzig und voller Verständnis an. »Ach, Rachel. Du könntest niemals fortziehen, weil du immer die Tochter deines Vaters sein wirst.« Ein Schatten huschte über sein Gesicht. »Franks Seele findet keine Ruhe, Kind. Er macht sich Sorgen, weil du keine Häuser mehr entwirfst. Es ist genug Zeit vergangen, Rachel. Wann fängst du wieder damit an, wunderschöne Häuser für Menschen zu gestalten?«

Rachel lief zurück zum Tisch, nahm Wendells Aktentasche und reichte sie ihm mit einem schiefen Lächeln. »Wenn ich herausgefunden habe, wie man Häuser entwirft, ohne sich in sie zu verlieben.«

»Das ist unmöglich. Es wird dir genauso wenig gelingen, wie es Frank gelungen ist. Seine Leidenschaft hat ihn von anderen abgehoben. Sie begleitet auch dein Tun und macht dich zu etwas Besonderem.«

»Es war die Leidenschaft, die meine Mutter, meinen Vater und Thaddeus Lakeman das Leben gekostet hat«, wandte sie ein und humpelte zur Tür, um dem alten Anwalt ohne Worte zu verstehen zu geben, dass er jetzt gehen durfte. »Nur die Leidenschaft kann einen Mann dazu bringen, seine Frau und seinen Freund zu erschießen, wenn er sie zusammen in flagranti erwischt. Und nur Leidenschaft kann ihn anschließend dazu bringen, die Waffe gegen sich selbst zu richten.«

»Verdammt, Rachel«, knurrte Wendell, die Aktentasche an die Brust gedrückt. »Das ist nicht dasselbe. Franks Verbrechen und die Leidenschaft, mit der du Häuser entwirfst, sind nicht miteinander zu vergleichen.« Endlich ging er zur Tür. »Du bist wie eine Tochter für mich, Rachel Foster. Und es tut mir weh, dass du dich in dieses selbst errichtete Gefängnis einer unbedeutenden Existenz einschließt. Du bist eine genauso gute Architektin, wie dein Vater ein guter Architekt war. Und was hast du in den vergangenen drei Jahren gemacht? Du hast Bücher in der Bibliothek abgestempelt, Überziehungsgebühren in Höhe von zehn Cent kassiert und kleinen Kindern mit laufenden Nasen Geschichten vorgelesen.«

»Es ist eine dankbare Aufgabe.«

»Nein, Rachel. Es ist nur ein sicherer Job. Und es ist eine furchtbare Verschwendung deiner Begabung.«

»Danke, dass du mir die Schatulle gebracht hast.« Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Wir sehen uns.«

Als ihm klar wurde, dass seine Worte auf taube Ohren stießen, trat Wendell widerwillig auf die Veranda hinaus. Doch er blieb noch einmal stehen und drehte sich zu ihr um. »Ich hab dich wirklich gern«, brummte er.

»Ich weiß, Wendell. Ich hab dich auch gern.«

Zögerlich wandte er sich um. »Du lässt dich von den Neuigkeiten nicht aus der Ruhe bringen«, wies er sie mit rauer Stimme erneut an. »Und du wirst Keenan Oakes, wenn er kommt, eine nette Nachbarin sein.«

Rachel warf ihm ein trauriges Lächeln zu. »Hast du Angst, dass ich ein paar Geister herbeiflehen könnte, um ihn zu verjagen?«

Statt ihr Lächeln zu erwidern, kniff Wendell die Augen zusammen. »Die Möglichkeit ist mir tatsächlich schon in den Sinn gekommen«, gab er zu. »Gib dem Mann eine Chance, ja? Verurteil ihn nicht für das fragwürdige Glück, ein Lakeman zu sein. In dem Artikel steht, dass er Thadds Großneffe ist. Damit ist der Apfel schon ganz schön weit vom Stamm gefallen. Keenan Oakes könnte also durchaus einer von den Guten sein.«

Rachel legte die Hand auf ihr Herz. »Ich werde die fleischgewordene Liebenswürdigkeit sein.«

Wendell sah sie streng an. »Solange du dir darüber im Klaren bist, dass es nicht gerade liebenswürdig ist, den Keller des Mannes mit Seewasser zu fluten oder die Elektrik kurzzuschließen …«

»So weit wird es nicht kommen, weil ich gar nicht vorhabe, jemals wieder einen Fuß auf das Grundstück zu setzen.«

»Aber du kannst nicht erwarten, dass er es schafft, die Sub Rosa allein in Betrieb zu nehmen. Du bist die Einzige, die die Funktionsweise des Hauses kennt. Er wird deine Hilfe also brauchen.«

»Er wird sie allerdings nicht bekommen«, versetzte sie. Seine Worte machten ihr Angst. »Er kann mit der Hausverwaltung sprechen, die sich in den letzten drei Jahren um das Anwesen gekümmert hat. Die Leute haben die Pläne.«

»Verflucht, Rachel. Sie haben allein über eine Woche gebraucht, um herauszufinden, wie man die Sturmschutzjalousien schließt. Und weitere drei Wochen, um das Gezeitenreservoir zu entleeren und das Anwesen an das örtliche Stromnetz anzuschließen. Und das war noch der leichte Teil, das Haus sicher zu machen. Die Klimasensoren haben im ersten Jahr mindestens einmal pro Monat Alarm gegeben, ehe eine Firma gefunden wurde, die das Problem beheben konnte. Weißt du eigentlich, wer jedes Mal angerufen wurde, wenn der verdammte Alarm losging? Ich«, sagte Wendell und stieß sich mit dem Daumen gegen die Brust. »Was zum Teufel soll ich über Klimakontrollsysteme wissen?«

»Warum haben sie dich angerufen?«

»Weil ich der einzige Kontakt bin, den Thadds Anwälte hier in Maine haben.«

»Du hast mir nie gesagt, dass die Sub Rosa dir Schwierigkeiten bereitet hat. Warum hast du nicht Bescheid gegeben, als es Ärger gab?«

Wendells Blick wurde sanft, er atmete tief durch, bevor er antwortete. »Weil ich das nicht von dir verlangen konnte«, erwiderte er sacht. »Nicht nach allem, was du in dem Haus gesehen hast, als du zuletzt dort warst.«

Rachels Herz zog sich wieder zusammen. Nein, damals hätte sie ihm nicht geholfen. Vor drei Jahren hätte es ihr nichts ausgemacht, wenn die Sub Rosa bis auf die Grundmauern niedergebrannt wäre.

Inzwischen war es ihr einfach egal. Zumindest hatte sie das gedacht, bis Wendells Erinnerung an die komplizierte technische Ausstattung von Sub Rosa in ihr eine Sehnsucht nach der Villa geweckt hatte. Sie hatte die komplizierten, aber genialen Neuerungen, die sie und ihr Vater zusammen für das Haus geplant hatten, geliebt.

Die Sub Rosa bezog Energie aus Wasserkraft. Das Klimakontrollsystem konnte es mit der Internationalen Raumstation aufnehmen. Und alles – von den Lichtern über die Sturmschutzjalousien und die Rasensprenger bis hin zum Sicherheitssystem – wurde von einem gigantischen Kontrollraum im Kellergeschoss des Anwesens aus gesteuert.

Die Sub Rosa war praktisch eine eigene lebendige Einheit. Die Schöpfung des Architekturbüros Foster.

Rachel vermisste das Haus.

Und sie wollte nie wieder einen Fuß hineinsetzen.

»Ich kann Keenan Oakes nicht helfen«, sagte sie bedrückt. »Die Sub Rosa gehört jetzt ihm. Irgendwann wird er schon herausfinden, wie alles funktioniert.«

»Ich weiß, Rachel. Ich bitte dich nur, nichts zu tun, das … na ja, das seine Eingewöhnung verhindert.«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich gönne dem Mann sein Erbe ja. Es spielt schon lange keine Rolle mehr für mich.« Sie blickte an den Bergkiefern, die auf den Klippen neben ihrem Haus wuchsen, vorbei zu den aufragenden Giebeln der Sub Rosa. »Wir haben unseren Frieden gemacht, das Haus und ich. Wir können nun Seite an Seite leben, und keiner stört den anderen.«

Wendell nickte. »Das ist gut. Ich freue mich für dich.« Er gab Rachel einen Kuss auf die Wange. Dann drehte er sich um, verließ die Veranda und ging zu seinem Auto. Er öffnete die Fahrertür, hielt jedoch noch einmal inne und sah Rachel an. »Jetzt musst du nur noch Frieden mit deinem neuen Nachbarn schließen, Rachel, denn er wird sich sehr wahrscheinlich melden, wenn er sich sein Erbe erst einmal genau angeschaut hat.«

»Warum sollte er?«, fragte sie angriffslustig und funkelte den alten Freund missmutig an.

Wendell grinste. »Wahrscheinlich, weil er mich letzte Woche angerufen hat und ich ihm gesagt habe, er solle seine Fragen zur Sub Rosa an die Architektin des Hauses richten.«

»Wendell!«, rief sie, aber der Anwalt war schon in seinem Wagen und startete den Motor.

Er öffnete das Fenster, streckte den Kopf hinaus und lächelte frech. »Es ist an der Zeit, sich wieder den Lebenden zuzuwenden, Rachel, mein Kind«, rief er ihr zu. »Und ich habe mir gedacht, dass Keenan Oakes der Richtige für diese Aufgabe sein könnte.«

Bevor sie etwas zurückgeben konnte, war er schon in einer Wolke aus aufwirbelndem Staub davongefahren.

Nach Wendells verstörendem Besuch hatte Rachel Stunden damit verbracht, den Schlüssel für die Schatulle ihres Vaters zu suchen. Nun saß sie inmitten des Durcheinanders, das sie dabei angerichtet hatte, auf der Couch in ihrem Wohnzimmer. Das geöffnete Kästchen stand vor ihr auf dem Couchtisch. Ein neunseitiger Brief lag halb zusammengefaltet auf allem anderen. Wie betäubt starrte Rachel auf das Bild, das über dem Kamin hing.

Es war ein schönes, offenbar schon sehr altes Kunstwerk, das ein schottisches Schloss zeigte. Es ragte aus dem Nebel auf, der stürmischen See trotzend. Das kleine Gemälde war an dem Tag dort aufgehängt worden, an dem sie eingezogen waren. Ihr Lieblingserbstück aus dem Besitz ihres Vaters. Und laut des Briefes, den sie in der Schatulle gefunden hatte, ein kleines Vermögen wert. In dem Brief stand jedoch auch, dass es mehr als zwanzig Jahre zuvor aus einem Museum in Schottland gestohlen worden war. Die zierlichen Smaragdohrringe und die dazugehörige Halskette, die von ihrer Mutter immer zu besonderen Anlässen getragen worden waren und die nun oben in Willows Zimmer in deren Schmuckkästchen lagen, hatten den unglaublichen Wert von fast einer Million Dollar. Rachel hatte gerade gelesen, dass die Schmuckstücke vor mehr als siebzehn Jahren aus einem Privathaushalt in Frankreich entwendet worden waren. Die asiatische Statue aus Bronze, die im Bücherregal neben dem Kamin stand, war weit über tausend Jahre alt, zweihunderttausend Dollar wert und fast zehn Jahre zuvor aus einem Haus in Oregon gestohlen worden. Der silberne Krug, der Becher für die Weinverkostung und die Schnupftabakdose auf dem Piano waren vor acht Jahren aus einer Privatsammlung in Deutschland geraubt worden. Das alles hatte sie dem Brief entnommen.

Gestohlen.

Und nun in ihrem Besitz.

Der goldene Ring mit dem Rubin, den sie am rechten Mittelfinger trug und den ihr Vater ihr zu ihrem einundzwanzigsten Geburtstag geschenkt hatte, war nur zwei Monate, bevor Frank Foster ihn ihr überreicht hatte, in London gestohlen worden. Zum Zeitpunkt des Diebstahls hatte der Ring einen geschätzten Wert von knapp hunderttausend Dollar gehabt.

Ganz vorsichtig nahm Rachel den Ring ab und legte ihn in die Schatulle. Erneut nahm sie den Brief in die Hand, faltete ihn auseinander und zwang ihre zitternden Hände zur Ruhe, damit sie den letzten Absatz noch einmal lesen konnte.

Geh nicht zu hart mit mir ins Gericht, Rachel. Ich bin kein Dieb. Aber ich bin schuldig, mich durch die Schönheit, die kunstvolle Verarbeitung und die Zeitlosigkeit von Thadds Geschenken verführt haben zu lassen. Wenn du das hier liest, gehört alles dir, Willow und Marian. Wie du damit umgehst, bleibt allein dir überlassen. Du kannst die Objekte behalten, diskret verkaufen oder sie ins Meer werfen, falls du die Vorstellung, sie zu besitzen, nicht ertragen kannst. Du kannst sie natürlich auch Thadd zurückgeben, wenn du möchtest. Vielleicht wird er im ersten Moment ein bisschen diskutieren, doch er wird es verstehen.

Thadd respektiert dich, Rachel. Genau wie ich dich immer respektiert habe. Du bist eine kluge Frau mit einem unglaublichen Talent und einem großen, liebenden Herzen. Bitte, erzähl den anderen nicht, was ich getan habe. Sie sollen nicht mit dieser befleckten Erinnerung an mich weiterleben. Es ist schon schwer genug zu wissen, wie tief ich dich mit meinem Geheimnis verletzen werde.

Ich liebe dich. An jedem Tag seit deiner Geburt habe ich mich gefreut, eine so wundervolle Tochter geschenkt bekommen zu haben. Du und deine Schwester, ihr seid die Frucht der unermesslichen Liebe zwischen eurer Mutter und mir. Vergiss das nie. Die Leidenschaft, die ich für Marian empfinde, wird noch durch die Liebe verstärkt, die ich für meine Töchter empfinde. Statt also schlecht von mir zu denken, erinnere dich nur an das starke Band, das mich mit euch dreien verbindet.

Die gestohlene Kunst geschenkt zu bekommen und dann selbstsüchtig zu behalten, ist allein mein Fehler, Rachel. Nicht deiner oder Marians oder Willows. Und es ist ein Fehler, eine Sünde, die meine Familie nicht für mich tragen sollte. Marian könnte den Schmerz, der ihr zugefügt würde, wenn es ans Licht käme, nicht aushalten. Und Willow hat Aussichten, Karriere in der Politik zu machen, bis sie vielleicht eines Tages Gouverneurin wird. Du, mein liebes Kind, wirst wissen, was du tun musst, doch hör nie auf, Häuser für anständige Familien zu entwerfen.

Bitte, Rachel, schütze dich und Marian und Willow. Sorge dafür, dass ihr befreit werdet von meiner Schuld, und vergiss nie, mich zu lieben.

Rachel wischte die Tränen von dem Brief, bevor sie ihn behutsam zusammenfaltete und auf den Tisch legte. Wieder starrte sie das Bild über dem Kamin an.

Thaddeus Lakeman hatte Kunst gesammelt. Jeder hatte das gewusst. Er hatte Frank Foster engagiert, um die Sub Rosa zu bauen – einen opulenten, beeindruckenden Ort, an dem er seine wertvolle Sammlung präsentieren konnte. Es hatte ihren Vater fünf Jahre gekostet, um das Anwesen zu entwerfen, und weitere acht Jahre, in denen er den Bau überwacht hatte.

Seit ihrer Jugend hatte Rachel ihren Vater bei der Arbeit begleitet. Sie hatte ihre eigenen Ideen und ausgefallenen Einfälle in den Entwurf der Villa einfließen lassen. Auf der Abschlussfeier des Colleges hatte ihr Vater ihr, während sie noch das Abschlusszeugnis an sich gedrückt hielt, eine volle Teilhaberschaft an seiner neu gegründeten Architekturfirma angeboten. Das war einer der besten Tage ihres Lebens gewesen. Und ihr Vater hatte es genauso empfunden.

Aber nun schien es, als hätte sie nicht nur geholfen, ein Haus zu bauen, um eine weltberühmte Privatsammlung präsentieren zu können, sondern eine raffinierte Schatzkammer, in der sich gestohlene Kunstgegenstände befanden.

Und einige geraubte Objekte befanden sich sogar in ihrem eigenen Haus.

Rachel starrte an die Decke. Was hatte in dem Brief gestanden? Es existierte ein versteckter Raum im oberen Stockwerk? Sie nahm die Seiten noch einmal in die Hand und überflog sie, bis sie fand, wonach sie suchte.

Du wirst mir vergeben müssen, Rachel, weil ich an deinem wundervollen Entwurf herumgepfuscht habe. Doch an dem reizenden Haus, das du für deine Familie gebaut hast, fehlte noch ein kleines Detail. Als du mit Willow und Marian in jenem Sommer in Paris warst, habe ich deine Pläne noch einmal überarbeitet. Du kannst eigentlich stolz auf mein Talent sein, Mauern ein Stückchen versetzen und Rohrleitungen verlegen zu können, ohne dass es jemandem auffallen würde – vor allem dir nicht.

Wenn du dir die Zeit nimmst, die obere Etage neu zu vermessen, wirst du herausfinden, dass sie nicht hundertprozentig deinen Originalplänen entspricht. Ich brauchte einen kleinen Raum, um dort Dinge zu lagern.

Finde diesen Raum. Sieh es als unsere letzte gemeinsame Schatzsuche an, Rachel – so wie wir uns in der Sub Rosa immer auf die Suche nach möglichen geheimen Winkeln gemacht haben, während die Villa gebaut wurde. Wenn du das hier liest, hast du die Schlüssel zur Schatulle gefunden. Dann wirst du auch den geheimen Raum finden. Und wenn du ihn irgendwann betrittst, dann lächle ob meiner Gerissenheit und erinnere dich an die schönen Zeiten, in denen wir zusammengearbeitet haben.

Ach, und merk dir, wie ich den Raum angelegt habe, Rachel. Du wirst in der Sub Rosa einen ähnlichen Raum finden. Sag Thadd nur nicht, dass ich es dir verraten habe.

Sie hatte den Schlüssel gefunden, als sie ihre hektische Suche danach lange genug unterbrochen hatte, um einmal ihre linke Hirnhälfte anzustrengen. Das Einzige, was ihr Vater ihr fünf Jahre zuvor gegeben hatte, war eine silberne Haarspange mit vielen kleinen Anhängern gewesen – winzigen Werkzeugen, wie Architekten sie benutzten – und einem kleinen silbernen Schlüssel.

Rachel versuchte ihre Tränen zurückzuhalten. Ihr Daddy hatte an ihrem Entwurf herumgepfuscht.

Er hatte Wände versetzt.

Er hatte einen versteckten Raum mauern lassen.

Und er hatte ein furchtbares Geheimnis für sich behalten.

Kapitel 2

Rachel stellte zwei Teller mit Rührei und Toast auf den Tisch und nahm Willow gegenüber Platz.

»Iss«, sagte sie und versuchte, die Aufmerksamkeit ihrer Schwester von der Zeitung abzulenken. »Bevor die Eier kalt werden.«

Willow ignorierte ihre Bitte. Sie ließ die Zeitung sinken und starrte ihre Schwester entsetzt an. »Sie haben ihn gefunden?«, flüsterte sie ungläubig. »Nach all der Zeit?« Rachel nickte. »Er wird in das Haus ziehen, oder?«

Wieder nickte sie.

Willow warf einen letzten Blick auf das Foto neben dem Zeitungsartikel, nahm dann ihre Gabel und fing an, ihr Frühstück auf dem Teller hin- und herzuschieben.

»Es musste ja irgendwann passieren«, sagte Rachel in die Stille hinein. »Ein Anwesen, das gut und gern eine Milliarde Dollar wert ist, bleibt nicht lange leer stehen – natürlich meldet früher oder später jemand einen Anspruch darauf an.«

Willow sah sie mit gequältem Blick an. Rachel wollte sie in die Arme schließen und nie wieder loslassen, aber sie entschied, ihre Schwester nur anzulächeln. »Eine Milliarde Dollar in Vermögenswerten und auf Konten, minus die fünf Millionen Dollar, die Thadd jeder von uns hinterlassen hat. Ob Keenan Oakes unseren Anteil vermissen wird?«

»Ich werde das Geld nicht anfassen«, sagte Willow. Wut überschattete ihr Gesicht. »Ich werde es spenden an diese Stiftung, die todgeweihten Kindern ihren letzten Wunsch erfüllt.«

»Das hast du schon einmal gesagt.«

Willow ließ die Gabel fallen, schob den Stuhl zurück und stand auf. Sie ging zur Kochinsel, drehte sich um und sah Rachel an.

»Heute werde ich es tun. Und dann verkaufe ich meine Anteile an der Lakeman Werft und spende das Geld dem College of the Atlantic.«

»Mach das. Du wirst dich anschließend unendlich erleichtert und fünf Jahre jünger fühlen«, versprach Rachel, die aus eigener Erfahrung sprach. Sie hatte ihr anonymes Geschenk von Thadd schon vor zwei Jahren an die Entwicklungshilfe gespendet.

»Verdammt, Rachel«, presste Willow zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und wies auf die Zeitung auf dem Tisch. »Wir haben unser Leben gerade auf die Reihe bekommen. Ich will nicht, dass er hierherkommt. Ich will nicht, dass jemand in die Sub Rosa zieht.«

Rachel erhob sich ebenfalls, humpelte um den Tisch herum und umarmte ihre Schwester. »Lass los«, sagte sie, Wendells Worte wiederholend. »Es spielt keine Rolle mehr, Willow. Du und ich haben uns weiterentwickelt und haben unser Leben wieder in den Griff bekommen. Jetzt ist die Sub Rosa dran.« Sie löste sich von Willow und lächelte ihrer Schwester zu, der Tränen über die Wangen rannen. Sanft drückte Rachel Willows Schultern. »Du hast anderes zu tun – dich zum Beispiel auf die Jagd nach einer Wohnung in Augusta zu machen und auf dem Schreibtisch der neuen stellvertretenden Generalstaatsanwältin wichtige Fälle anzuhäufen.«

»Ich kann dich hier nicht einfach allein lassen. Nicht jetzt.« Unvermittelt drehte Willow den Spieß um und packte Rachel bei den Armen. »Komm mit mir. Verkauf das Haus und zieh mit mir nach Augusta.«

Rachel wich zurück und trat an den Herd. Sie nahm die abgekühlte Pfanne, trug sie zur Spüle und wusch sie unter fließendem Wasser ab. »Nein«, entgegnete sie. »Ich liebe dieses Haus und Puffin Harbor viel zu sehr. Ich würde den Ozean, das Kajakfahren, die Spaziergänge zum Pier und das Hummeressen schrecklich vermissen.«

Willow kam zu ihr, die Zeitung in der Hand. Sie betrachtete das Foto von Keenan Oakes.

»Er ist gefährlich«, sagte Willow leise. »Und er bedeutet Ärger.«

Rachel zog die Augenbrauen hoch. »Das siehst du alles anhand des Fotos?«

Willow hielt Rachel die Zeitung unter die Nase. »Sieh ihn dir an, Rae. Ich meine, sieh ihn dir genau an. Keenan Oakes ist teils Heide, teils Halbgott und unglaublich männlich.« Um ihre Worte zu unterstreichen, schüttelte sie die Zeitung. »Es gibt zwei Sorten Männer auf der Welt«, fuhr sie fort, »die süßen, netten Kerle, die völlig ungefährlich sind und uns um Erlaubnis bitten, wenn sie uns einen Gutenachtkuss geben wollen, und dann die Typen, die uns einfach in die Arme schließen und uns schwindlig küssen. Dieser Mann«, sagte sie, »ist nicht süß und nett. Und ganz sicher ist er nicht ungefährlich.«

Rachel schlug die Zeitung weg. Sie wollte sich nicht anmerken lassen, wie sehr Willows Einschätzung von Keenan Oakes sie verunsicherte. »Es spielt keine Rolle, was er ist«, sagte sie und schrubbte die Pfanne sauber, »denn ich habe nicht vor, auch nur ein Wort mit ihm zu wechseln.«

Willow starrte wieder das Foto an. »Es wird keine zwei Tage dauern, dann steht er vor deiner Tür«, prophezeite sie, warf die Zeitung auf die Anrichte und blickte aus dem Fenster über der Spüle. »Du musst dich von ihm fernhalten, Rae«, flüsterte sie. »Du warst in den letzten drei Jahren so vorsichtig, so sicher.« Sie berührte Rachels Arm und zwang sie dazu, sie anzusehen. »Wenn Keenan Oakes beschließt, dich für die Wiedereröffnung der Sub Rosa einzuspannen, wird es dir kaum gelingen, dich vor ihm zu verschanzen.« Rachel bearbeitete die bereits blitzsaubere Pfanne verbissen weiter mit der Spülbürste. »Wie kannst du dabei zusehen, wie er in das Haus zieht?«, fragte Willow eindringlich.

Rachel lächelte traurig. »Es wird leichter sein, als es so still und verlassen dastehen zu sehen wie in den letzten Jahren«, erwiderte sie wahrheitsgetreu, stellte das Wasser ab und wandte sich Willow zu. »Ich weiß, dass du das nicht verstehen wirst, doch die Sub Rosa ist genauso ein Teil von mir, wie du es bist und wie Dad und Mom es waren. Es tut weh, das Haus so leblos sehen zu müssen. Bitte verurteil die Sub Rosa nicht, sie ist nur eines der Opfer.«

»Ich habe als Kind dort gespielt«, sagte Willow, und Tränen schimmerten in ihren braunen Augen. »Wenn ich wieder Lichter in den Fenstern sehe, werde ich mir bestimmt wünschen, Dad den Weg entlangkommen zu sehen, um mit uns etwas zu essen.«

»Und wenn er dann nicht kommt, wirst du auch damit zurechtkommen«, entgegnete Rachel behutsam. »Es ist sein Vermächtnis an die Welt, Willow. Solange die Sub Rosa lebt, lebt auch er. Hier«, sagte sie und legte ihre Hand auf Willows Herz. »Frank Foster wird immer bei uns sein, in unseren Herzen. Genau wie Mom. Und Thadd.«

»Thaddeus Lakeman soll in der Hölle schmoren.«

Rachel packte ihre Schwester an den Schultern, ehe die sich abwenden konnte. »Nein, das tut er nicht. Thadd hat uns wie seine eigenen Kinder geliebt.«

»Er hat unsere Mutter verführt«, versetzte Willow, befreite sich aus Rachels Griff und machte einen Schritt zurück. Sie ballte die Hände zu Fäusten. Ihre Wangen waren gerötet, und ihr Blick verhärtete sich. »Er hat die Frau seines besten Freundes verführt.«

»Ja. Thadd hat unrecht getan. Aber Mom auch. Und Dad, weil er die beiden und sich selbst umgebracht hat.« Rachel machte einen Schritt auf Willow zu. Sie versuchte, ihrer Schwester ihren Standpunkt zu verdeutlichen. Seit drei Jahren war das zwischen ihnen beiden ein Streitpunkt. »Sie tragen alle Schuld, doch keiner von ihnen hat verdient, was geschehen ist. Es war eine furchtbare Tragödie, Willow.«

Willow schlug die Hände vors Gesicht und schüttelte den Kopf. Rachel steckte ihr eine braune Strähne hinters Ohr. In diesem Moment erblickte sie einen der Smaragdohrringe und erstarrte.

»Äh … warum trägst du heute Moms Ohrringe?«, wollte sie wissen. Sie sah nach der Halskette, die trug Willow jedoch nicht. »Du solltest die Ohrringe doch eigentlich nur zu besonderen Anlässen anlegen.«

Willow atmete tief durch. »Ich lerne heute Nachmittag mein neues Team kennen«, sagte sie, riss ein Blatt von der Küchenrolle ab und tupfte sich die Augen trocken. »Ich will gut aussehen. Und die Smaragde geben mir Sicherheit.«

Verstohlen wischte Rachel sich ihre Hände, die mit einem Mal schweißnass waren, an der Hose ab. Verdammt. Und jetzt? Sie musste ihrer Schwester die Smaragde irgendwie abnehmen. Ganz sicher durfte sie nicht zulassen, dass sie sie mit nach Augusta nahm.

»Sie sind zu elegant, findest du nicht?«, gab sie zu bedenken. »Ein bisschen zu protzig für eine neue stellvertretende Generalstaatsanwältin, oder?«

Willow hob die Hand und berührte einen der Ohrringe. »Meinst du?«

Rachel nickte. »Definitiv. Warum trägst du nicht deine Perlen?«, schlug sie stattdessen vor.

Die Perlen hatten ebenfalls ihrer Mutter gehört, aber sie waren schon seit drei Generationen in Familienbesitz. »Sie würden viel professioneller aussehen. Viel unaufgeregter und offizieller.«

Willow warf ihr ein schiefes Lächeln zu, während sie die Ohrringe abnahm. »Und das muss ich mir von jemandem anhören, der Haarspangen schon für Schmuck hält. Trotzdem hast du recht. Danke, dass du mich davor bewahrst, wie eine Idiotin dazustehen. Ich werde gar keinen Schmuck tragen. Hey«, sagte sie und sah auf die rechte Hand ihrer Schwester, wo sie das einzige echte Schmuckstück vermutete, das Rachel trug. »Wo ist denn der Ring, den Dad dir geschenkt hat?«

Rachel strich mit dem Daumen über ihren Mittelfinger. Verdammt. Das hier war noch komplizierter als das Geflecht von Tunneln, die sich durch die Sub Rosa zogen. Was sollte sie Willow erzählen, wenn die Hälfte ihrer geliebten Besitztümer plötzlich fehlte?

»Ich habe ihn zum Juwelier gebracht, um ihn reinigen zu lassen«, erklärte sie ausweichend.

»Ach«, sagte Willow und reichte ihr die Ohrgehänge. »Dann kannst du die hier vielleicht mitnehmen, wenn du deinen Ring abholst? Und auch die Halskette? Der Juwelier sollte mal die Fassungen der Steine prüfen. Ich würde ungern einen der Smaragde verlieren.«

Innerlich zuckte Rachel zusammen, als sie die Ohrringe entgegennahm. Nein, das würde sie auch nicht wollen. Da die Smaragde doch so wertvoll waren.

Willow gab Rachel einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Ich muss jetzt los, wenn ich heute Mittag in Augusta sein will. Kommst du ein paar Tage allein zurecht? Ich meine, obwohl Keenan Oakes hierher unterwegs ist?«

Rachel steckte die Ohrringe in ihre Hosentasche und nahm den Gehstock vom Handtuchhalter neben der Anrichte. Sie ging mit ihrer Schwester zur Tür, um sie hinauszubegleiten. »Ich komme schon klar«, erklärte sie. »Und im Artikel steht, dass er erst in ein paar Tagen hier aufkreuzen soll. Dann bist du längst wieder zurück, um den Rest deiner Sachen zu packen.« Erst draußen auf der Veranda blieb sie stehen. Willow, die ihr mit dem Koffer in der Hand gefolgt war, wirkte noch immer besorgt. »Außerdem werde ich viel zu beschäftigt sein, um auch nur einen Gedanken an die Sub Rosa zu verschwenden«, versicherte Rachel ihr. »Ich werde nach geeigneten Möbeln für deine neue Wohnung suchen.«

»Aber nichts Schweres heben.«

»Versprochen«, entgegnete Rachel und hielt die Hand zum Schwur hoch. »Ich werde einige Jungs aus der Stadt bitten, die Möbelstücke auf die Veranda zu schleppen.«

»Bist du dir sicher, dass alles gut ist, Rachel? Ist dein Bein einigermaßen in Ordnung?«

»Ja. Warum?«

Mit einem Kopfnicken wies Willow in Richtung Küche. »Das Haus sah ganz schön unordentlich aus, als ich gestern Abend ankam. Und du bist ungewöhnlich früh ins Bett gegangen.«

Nicht dass ich geschlafen hätte, dachte Rachel. Sie hatte fast die ganze Nacht wach gelegen und über den Brief, den verborgenen Raum im Obergeschoss und die überraschende Beichte ihres Vaters nachgedacht.

»Mir geht es gut.« Sie umarmte Willow, ehe sie sie sanft in Richtung Treppe schob. »Jetzt geh. Viel Spaß. Ruf mich an, sobald du an deinem neuen Schreibtisch sitzt, und sieh zu, dass du eine Wohnung mit netten Nachbarn findest. Vergiss nicht, ein Gästezimmer einzuplanen«, sagte sie, während Willow ihren Koffer auf die Rückbank ihres Wagens hievte. »Ich werde nicht auf deiner Couch schlafen, wenn ich dich besuchen komme.« Willow lächelte. »Ich bin stolz auf dich, Willow«, fuhr Rachel fort, als sie merkte, dass ihre Schwester zögerte einzusteigen. Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme zitterte. »Du weißt, was du willst, und du setzt all deine Kraft ein, um das Ziel zu erreichen. Und jetzt wirst du Maines jüngste, klügste und fleißigste stellvertretende Generalstaatsanwältin.«

ENDE DER LESEPROBE