Zehn Westernhelden! Glorreiche Western Sammelband 10 Romane - Alfred Bekker - E-Book

Zehn Westernhelden! Glorreiche Western Sammelband 10 Romane E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dramatische Western aus einer beispiellos harten Zeit. Männer im Kampf um Recht und Rache in einer Epoche, deren Gesetz der Colt schrieb. Top-Autoren des Wildwest-Roman-Genres haben diese Geschichten in Szene gesetzt. Aufrechte Männer, hinterhältige Schurken und atemberaubend schöne Frauen spielen hier die Hauptrollen. (999) Dieses Ebook beinhaltet folgende drei Western: Geh zur Hölle, John (von Pete Hackett) Wie ein Rudel Bluthunde (von Pete Hackett) Das Gesetz des Don Turner (von Alfred Bekker) Missouri-Terror (von Glenn Stirling) Ohne uns, Buster Tom (Bill Garrett) Carringo und der Sohn des Killers (Wolf G. Rahn) Carringo und das Wolfskind (Wolf G. Rahn) Carringo und die Blutreiter (Wolf G. Rahn) Carringo und die Kugel für Tabor (Horst Friedrichs) Der lange WEg nach Idaho Falls (R.S.Stone)

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Seitenzahl: 1357

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Alfred Bekker, Pete Hackett, Wolf G. Rahn, Glenn Stirling, Bill Garrett, R.S.Stone, Horst Friedrichs

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Inhaltsverzeichnis

Zehn Westernhelden! Glorreiche Western Sammelband 10 Romane

Copyright

Geh zur Hölle, John

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Das Gesetz des Don Turner

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Missouri – Terror

Ohne uns, Buster Tom

Carringo und der Sohn des Killers

Carringo und das Wolfskind

Carringo und der Blutreiter

Carringo und die Kugel für Tabor

Der lange Weg nach Idaho Falls

Zehn Westernhelden! Glorreiche Western Sammelband 10 Romane

Alfred Bekker, Pete Hackett, Wolf G. Rahn, Glenn Stirling, Bill Garrett, R.S.Stone, Horst Friedrichs

Dramatische Western aus einer beispiellos harten Zeit. Männer im Kampf um Recht und Rache in einer Epoche, deren Gesetz der Colt schrieb. Top-Autoren des Wildwest-Roman-Genres haben diese Geschichten in Szene gesetzt. Aufrechte Männer, hinterhältige Schurken und atemberaubend schöne Frauen spielen hier die Hauptrollen.

Dieses Ebook beinhaltet folgende drei Western:

Geh zur Hölle, John (von Pete Hackett)

Wie ein Rudel Bluthunde (von Pete Hackett)

Das Gesetz des Don Turner (von Alfred Bekker)

Missouri-Terror (von Glenn Stirling)

Ohne uns, Buster Tom (Bill Garrett)

Carringo und der Sohn des Killers (Wolf G. Rahn)

Carringo und das Wolfskind (Wolf G. Rahn)

Carringo und die Blutreiter (Wolf G. Rahn)

Carringo und die Kugel für Tabor (Horst Friedrichs)

Der lange WEg nach Idaho Falls (R.S.Stone)

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfredbooks und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Authors

© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Geh zur Hölle, John

Western von Pete Hackett

1

Die fünf Reiter zerrten ihre Pferde in den Stand. Staub wölkte unter den bremsenden Hufen. Es waren abgerissene, stoppelbärtige Burschen mit entzündeten Augen und rissigen Lippen. Hinter ihnen lag die Felswüste der Maricopa Mountains. Ihre Pferde ließen müde die Köpfe hängen.

Der aufgewirbelte Staub senkte sich auf die Erde zurück. Aus engen Augenschlitzen starrten die fünf verwegenen Kerle auf die Ansammlung von Häusern und Hütten, die sich ihrem Blick bot.

"Casa Grande", kam es staubheiser von einem der Reiter. "Wir sind am Ziel. Endlich ..."

"Ja", knurrte ein anderer. "John Morgan wird die Stunde verfluchen, in der er den Revolver auf Jesse richtete. Wir werden ihn heute noch mit einem Donnerknall zum Satan schicken."

Es war eine düstere Prophezeiung. Das Unheil näherte sich der Stadt mit pochenden Hufen ...

Passanten auf den Gehsteigen blieben stehen und beobachteten das Rudel, das mitten auf der Main Street ritt. Und jeder, der die Männer sah, wusste, dass eine Horde Banditen die Stadt heimgesucht hatte. Lasterhaftigkeit hatte die Gesichtszüge eines jeden der Kerle geprägt. Sie ritten wachsam und ihre Augen waren in ständiger Bewegung.

Die Reiter lenkten ihre Pferde zum Holm vor dem Saloon. Müde zogen die Tiere die Hufe durch den Staub. Ein Pferd stand am Hitchrack. Es spielte mit den Ohren und schlug mit dem Schweif nach den blutsaugenden Bremsen an seinen Flanken.

Es war heiß wie in der Hölle. Erbarmungslos brannte die Sonne hernieder und verwandelte das Land in einen Glutofen. Die Hitze ballte sich auf der Straße.

Irgendwo in der Stadt bellten einige Hunde. Eine Horde Kinder rannte lärmend aus einer Gasse. Vor dem Depot der Overland Mail Company stand eine rotgestrichene Postkutsche. Das Gespann bestand aus sechs Pferden.

Casa Grande vermittelte Ruhe und Frieden. Doch diese Atmosphäre war trügerisch. Der Satan mischte bereits die Karten für ein höllisches Spiel. Noch stand nicht fest, an wen er die Verliererkarten ausgab.

Die fünf Kerle saßen ab und banden ihre Pferde am Querholm fest. Die Tiere stampften und prusteten. Staub rieselte von den Schultern und den Hutkrempen der Reiter. Sie zogen die Revolvergurte in die Höhe und rückten die Holster zurecht. Matt schimmerten die Messingböden der Hülsen in den Schlaufen. Die Knäufe der tiefhängenden Revolver standen griffgerecht vom Körper ab. Aus der Art, wie die Männer die Schießeisen trugen, war ersichtlich, dass sie damit auch umzugehen verstanden.

Sie stiegen nacheinander die wenigen Stufen zum Vorbau hinauf. Die harten Absätze ihrer Stiefel tackten auf den Bohlen. Dann stieß der vorderste der Kerle die Schwingtür auf. Sie betraten den Schankraum. Nur ein Mann saß an einem der Tische. Der Keeper stand hinter der Theke und polierte mit einem trockenen Lappen das Kupferblech der Schanktischplatte. Jetzt hielt er inne und starrte den fünf Männern entgegen.

Hinter ihnen schlugen knarrend und quietschend die Türflügel aus. Die Dielen knarzten unter ihrem Gewicht. Sie gingen bis zum Tresen und bauten sich dort auf.

Der Keeper legte das Tuch, mit dem er die Platte poliert hatte, zur Seite. "Was wünschen die Gentlemen zu trinken? Bier? Whisky?"

"Bier", versetzte einer der Kerle, dann wandte er sich dem Mann am Tisch zu und fragte: "Ist das dein Pferd, das draußen am Holm steht?"

Der Bursche schüttelte den Kopf. "Nein. Der Mann, dem das Tier gehört, hat den Saloon durch die Hintertür verlassen, als er Sie kommen sah. Er sah genauso verschwitzt und verstaubt aus wie Sie."

Der Sprecher des rauen Rudels drehte sich zum Keeper herum. Er sagte: "Mein Name ist Kenneth Brown. Wir folgen seit Tagen einem Burschen, dessen Ziel diese Stadt ist. Er ist ungefähr sechs Fuß zwei Zoll groß, hager wie ein Wüstenwolf und hat blonde Haare. Er trägt den Colt links."

Der Keeper schluckte, dann erwiderte er: "Das könnte der Mann sein, der vorhin den Schankraum verlassen hat. Er fragte mich nach dem Bürgermeister. Es handelt sich um John Morgan, der in Casa Grande den Stern des Town Marshals nehmen will. Die Stadt braucht einen Mann wie ihn. Sie liegt an der Überlandstraße zwischen Tucson und Yuma, und es steigt sehr viel Gesindel hier aus der Postkutsche."

"Casa Grande wird sich einen anderen Town Marshal suchen müssen", knurrte Kenneth Brown. "Denn wir werden dafür sorgen, dass der Totengräber mit Morgan Arbeit bekommt. – Geh auf den Vorbau und gib Acht, James. Morgan hat wahrscheinlich den richtigen Schluss gezogen, als er uns kommen sah. Möglicherweise schleicht er um den Saloon herum wie der Fuchs um den Hühnerstall."

Der Keeper schenkte fünf Krüge voll.

James Tanner nahm seinen Krug und verließ den Schankraum. Draußen setzte er sich in den Schaukelstuhl, der auf dem Vorbau stand, und legte seine Füße auf das Vorbaugeländer. Tanner trank einen Schluck. Dann schwenkte er den Blick nach rechts, nach links, zog sich den Hut tiefer in die Stirn und schloss die Augen.

Er hielt Kenneth Browns Vorsichtsmaßnahme für übertrieben. John Morgan würde sich ihrer Übermacht nicht stellen. Also wendete James Tanner keine besondere Wachsamkeit auf, um der Anordnung Browns gerecht zu werden.

Es sollte sich als Fehler erweisen – als tödlicher Fehler ...

2

John Morgan befand sich bei Bürgermeister Lacenby in dessen Büro in der City Hall.

Morgan war ein hochgewachsener Mann um die 40 Jahre. Blonde Haare, die bereits erste graue Strähnen aufwiesen, lugten unter seinem Stetson hervor. Tief an seinem linken Oberschenkel war der schwere Colt-Revolver festgebunden. Der Knauf aus Walnussholz sah ziemlich abgegriffen aus. Bekleidet war Morgan mit einem dunklen Anzug, der jedoch vom gelben Staub der Wildnis gepudert war. Über Morgans Leib spannte sich eine silberne Uhrkette.

"Okay, Mister Lacenby, zu den gebotenen Konditionen bin ich bereit, den Stern in Ihrer Stadt zu nehmen. Ich werde für Ruhe und Ordnung hier sorgen. Von einer Bedingung jedoch mache ich es abhängig, ob ich in Casa Grande den Stern trage."

"Was für eine Bedingung?", fragte Tom Lacenby, der Bürgermeister. Er war ein schwergewichtiger Bursche mit rotem Gesicht und einer Halbglatze.

"Dass mir niemand ins Handwerk pfuscht. Niemand macht mir irgendwelche Vorschriften. Ich mache den Job so, wie ich denke, dass er zu machen ist."

Lacenby lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Zwischen ihm und Morgan stand der schwere Schreibtisch. "Die Stadt beschäftigt Sie, Morgan. Ich bin der Bürgermeister dieser Stadt. Es gibt einige Bürgerräte. Sie sind dem Bürgerrat unterstellt. Also werden Sie sich auch an die Anordnungen halten müssen. Anders geht das nicht. Sie ..."

"Sie haben mich vielleicht falsch verstanden, Bürgermeister. Natürlich halte ich mich an das Gesetz, an die Anordnungen und Weisungen. Wenn ich sagte, dass mir niemand ins Handwerk pfuschen dürfte, meinte ich meine Kompetenzen innerhalb des gesetzlichen Rahmens. Und die Revolverarbeit. Ich werde mein Amt ohne Ansehen der Person ausüben. Vor dem Gesetz und vor mir sind alle Menschen gleich."

"Das ist in Ordnung", versetzte Lacenby, zog den Schreibtischschub auf, griff hinein und als seine fleischige Hand wieder zum Vorschein kam, hielt sie einen Stern. "Stecken Sie sich ihn an die Weste, Morgan", gab er zu verstehen. "Und dann sprechen Sie mir den Eid nach ..."

Als John Morgan wenige Minuten später die City Hall verließ, war er Town Marshal von Casa Grande. Langbeinig schritt er die Main Street entlang. Er ahnte, dass die fünf abgerissenen Kerle, die sich im Saloon befanden, seinetwegen gekommen waren. Er, John Morgan, hatte den Saloon durch die Hintertür verlassen, als er die fünf kommen sah. Der Bursche, den er in Kingman niederschoss, drohte mit seinen Freunden, ehe er starb. Morgan vermutete, dass ihm die Freunde Jesse Sheldons nach Casa Grande gefolgt waren.

Er fürchtete die fünf Kerle nicht. Er war bereit, sich ihnen zu stellen. Dies aber wollte er mit dem Stern an der Brust machen. Er hatte den Stern in vielen Städten getragen. Das Symbol des Gesetzes hatte ihn legitimiert, in Kingman gegen den Mörder Jesse Sheldon vorzugehen. Und in Casa Grande sollte es ihn legitimieren, Sheldons Kumpanen in den Weg zu treten.

John Morgan ging am Fahrbahnrand entlang, bis er schräg gegenüber den Saloon sehen konnte. Die abgetriebenen, verstaubten und verschwitzten Pferde der fünf Coltschwinger standen am Holm. Auch sein Tier stand da. Morgan war vor einer halben Stunde erst in die Stadt gekommen. Ehe er sich beim Town Mayor vorstellte, hatte er sich den Staub aus der Kehle spülen wollen.

Dann kreuzten die fünf Hombres auf.

Die Schießerei in Kingman war seine letzte Amtshandlung dort gewesen. Er hatte ein lukratives Angebot des Bürgerrats von Casa Grande erhalten. Nach dem Kampf mit Sheldon hatte Morgan den Stern zurückgegeben und war losgeritten. Dass ihm Sheldons Kumpane so dicht auf den Fersen saßen, ahnte er nicht.

John Morgan sah einen der Kerle in dem Schaukelstuhl auf dem Vorbau des Saloons sitzen. Der Bursche vermittelte den Eindruck, vor sich hinzudösen. Seine Füße lagen überkreuzt auf dem Vorbaugeländer. Er hielt die Arme verschränkt. Sein Kinn war auf die Brust gesunken.

Der frischgebackene Town Marshal gab sich einen Ruck und überquerte die Fahrbahn. Der Staub knirschte unter seinen Schritten. Sein Handgelenk streifte bei jedem Schritt den Knauf des Revolvers. John Morgan bewegte sich pantherhaft geschmeidig.

Dann stand er am Ende des Vorbaus. Durch das Frontfenster war er für die Kerle im Schankraum nicht zu sehen. Der Stern funkelte im gleißenden Sonnenlicht. "Ihr seid sicherlich meinetwegen nach Casa Grande gekommen", sagte John Morgan halblaut.

James Tanner zuckte zusammen. Er schwang die Füße vom Geländer und setzte sich gerade, rückte sich mit einer hastigen Geste den Stetson aus der Stirn und starrte Morgan an wie eine Erscheinung. Die Zeitspanne zwischen Erkennen und Reagieren dauerte bei ihm einige Sekunden. Dann stieß er hervor: "So ist es. Jesse Sheldon war ein guter Freund von uns. Fahr zur Hölle, Morgan!"

Mit dem letzten Wort wuchs seine Gestalt aus dem Schaukelstuhl in die Höhe. Seine Hand zuckte zum Revolver. Es lief blitzschnell ab. Tanner duckte sich, seine Hand mit dem Colt schwang hoch, er spannte den Hahn ...

John Morgan zog. Es war eine glatte Bewegung von Hand, Arm und Schulter. Das Eisen bäumte sich auf in seiner Faust, Feuer, Rauch und Blei stießen aus der Coltmündung. James Tanner kam nicht mehr zum Schuss. Die Wucht der Kugel warf ihn zurück in den Schaukelstuhl. Seine Faust mit dem Eisen sank kraftlos nach unten, die Hand öffnete sich, der Revolver polterte auf die Bohlen.

John Morgan lief in die Gasse, die am Saloon vorbeiführte.

Im Schankraum erklangen schnelle Schritte. Die Pendeltür flog auf. Zwei Kerle drängten heraus. Sie hielten die Revolver in den Fäusten.

"Verdammt!", zischte einer von ihnen, als er die reglose Gestalt im Schaukelstuhl sah und den sich schnell vergrößernden Blutfleck auf der Brust Tanners wahrnahm. Die beiden tauchten unter dem Geländer hindurch und sprangen auf die Straße.

Aus dem Schankraum trieb eine raue Stimme: "Wer hat auf wen geschossen?"

Einer der Kerle auf der Straße rief: "Tanner ist tot, Ken. Morgan ist verschwunden. Er lauert jetzt wohl darauf, dass wir ihm vor die Mündungen laufen."

Die Schwingtür wurde aufgestoßen. Kenneth Brown trat auf den Vorbau. Sein Revolver steckte im Holster. Er sagte: "Wir werden die Stadt nach Morgan durchkämmen. Es steht immer noch vier zu eins. Wir erwischen ihn."

Er verließ den Vorbau und holte seine Winchester, die im Scabbard am Sattel steckte.

Auch McLeon und Mason holte ihre Gewehre. "Wo ist Lane?", fragte McLeon.

"Er hat den Schankraum durch den Hinterausgang verlassen."

Wie zur Bestätigung seiner Worte begannen hinter dem Saloon Revolver zu donnern. Im ineinander verschmelzenden Schussdonner war ein gellender Aufschrei zu vernehmen, dann verebbten die Detonationen.

Jed McLeon und Phil Mason rannten in die Gasse und bogen in den Hof des Saloons ein.

Da lag ihr Kumpan auf dem Gesicht. Sein Revolver lag neben ihm. Lane Wilder rührte sich nicht.

Gehetzt schauten sich McLeon und Mason um. Der Hof wurde zur Gasse hin und auf der der Gasse gegenüberliegenden Seite von einem mannshohen Bretterzaun begrenzt. Zur Main Street hin schloss ihn der Saloon ab, auf der anderen Seite waren ein flacher Schuppen und ein Stall errichtet.

Das Stalltor knarrte.

McLeon und Phil Mason duckten sich unwillkürlich und schlugen die Eisen an. Niemand zeigte sich. Ihre Anspannung ließ nach. McLeon beugte sich über Lane Wilder. "Tot", murmelte er. "Dieser dreckige Bastard hat auch ihn abgeknallt. Ich ziehe ihm die Haut in Streifen ab, wenn ich ihn in die Finger kriege."

"Ich bin hier!", rief eine dunkle Stimme.

Mason, der dem Stalltor wieder den Rücken zuwandte, wirbelte herum.

McLeon, der noch über seinen Kumpan gebeugt war, richtete sich mit einem Ruck auf. Die beiden Banditen rissen die Colts hoch.

Breitbeinig stand John Morgan in der Tür des Schuppens. In seiner Linken lag wie hineingeschmiedet der Colt. Als Mason und McLeon die Gewehre auf ihn anschlugen, feuerte er. Und mit dem Brechen seines Schusses glitt er zur Seite.

Die Waffen wummerten. Der Knall stieß durch die Stadt wie eine Botschaft des Verderbens. McLeon ließ das Gewehr fallen und griff sich mit beiden Händen an die Brust. Im nächsten Moment brach er zusammen. Phil Mason lag auf den Knien. Er hielt das Gewehr an der Hüfte im Anschlag. Von John Morgan konnte er nichts mehr sehen. Er war hinter der Wand neben der Tür des Schuppens verschwunden. Mason jagte zwei Kugeln durch die Bretter der Schuppenwand. Er wollte sich hochdrücken ...

Da trat John Morgan noch einmal in die Tür. Sein Eisen brüllte auf. Phil Mason brach zusammen wie vom Blitz getroffen. Staub schlug unter seinem aufprallenden Körper auseinander. Er begrub seine Winchester unter sich.

Drückende Stille senkte sich wie ein Leichentuch zwischen die Häuser.

John Morgan betrat den Saloon durch den Hintereingang. Der Keeper und der einzelne Gast waren hinter dem Tresen auf Tauchstation gegangen.

Der Town Marshal durchschritt den Schankraum und baute sich an der Wand neben der Schwingtür auf. Er hielt den Colt neben seinem Gesicht in die Höhe. Die Mündung deutete zur Decke hinauf. Draußen drängten sich die Pferde nervös zusammen. Das Peitschen der Schüsse hatte sie erregt.

Eine Minute verstrich. Dann trat Morgan von der Wand weg, drückte mit seinem Körper die Schwingtür auf und trat hinaus auf den Vorbau. Jeder seiner Sinne war aktiv, jeder Muskel angespannt. Er war darauf eingestellt, gedankenschnell zu reagieren, falls es krachte.

Und da trat auch schon auf der anderen Straßenseite Kenneth Brown hinter einer Hausecke hervor. Er feuerte aus der Hüfte. John Morgan stieß sich ab und die Kugel zerfetzte die Lamellen eines der Türflügel, der wild zu schlagen begann.

John Morgan hetzte schon über den Vorbau, flankte über das Geländer und warf sich sofort zu Boden. Er lag im Schutz des Vorbaus. Er biss die Zähne zusammen. Dem Gewehr gegenüber hatte er mit dem Revolver einen gewaltigen Nachteil. Der Colt war nur im Nahkampf gut.

Kenneth Brown war wieder hinter dem Gebäude verschwunden.

John Morgan erhob sich vorsichtig. Rückwärtsgehend zog er sich zurück, bis ihm der Saloon ausreichend Schutz bot. Er warf sich herum und hetzte los, rannte ein Stück hinter den Häusern entlang und kam zurück zur Main Street. Ihm gegenüber war eine Gasse. Sie führte zwischen zwei Gebäuden und einigen Schuppen hindurch zum Stadtrand, wo die Ödnis begann. Die Gasse war leer. Geduckt spurtete der Town Marshal über die Fahrbahn. Ein Gewehr peitschte. Das Geschoss verfehlte Morgan. Dann war er in der Gasse und in Deckung.

Sein Gegner befand sich ebenfalls auf dieser Seite der Main Street. Das hatte der letzte Schuss gezeigt.

Morgan lief bis zum Ende der Gasse und wandte sich nach links ...

3

Zur selben Zeit etwa 120 Meilen weiter östlich

Dave Tucker stand am Fenster des Ranchhauses und hielt das Gewehr mit beiden Händen schräg vor seiner Brust.

Am anderen Fenster stand Alice Morgan. Auch sie hielt eine Winchester in den Händen. Die Frau rief mit Entschiedenheit im Tonfall: "Bestell Big Amos, dass ich nicht freiwillig diesen Platz hier räumen werde, Hendrik. Er muss uns schon vertreiben, wenn er Steeple Rock-Rinder auf das Weideland der Morgan-Ranch treiben will. Er wird aber ganz schön Federn lassen müssen, denn wir werden bis zum letzten Atemzug kämpfen. Bestelle es ihm, Hendrik."

"Du machst einen Fehler, Alice", rief Walt Hendrik, der Vormann der Steeple Rock Ranch. "Du hast es versäumt, das Land, das du für dich beanspruchst, ordnungsgemäß zu erwerben. Du hast es nicht mal katastermäßig beim Büro für die Landvergabe erfassen lassen. Es ist also völlig legitim, wenn Big Amos das Land zwischen dem Gila River im Süden und dem Sacaton Creek im Norden für sich beansprucht."

"Du lässt das Gewohnheitsrecht außer Acht, Hendrik. Wir leben seit 13 Jahren hier am Blue Creek. Mit der Steeple Rock Ranch gab es nie Probleme. Es bestand immer ein gutes, nachbarschaftliches Verhältnis. Seit zwei Monaten nun setzt mir Big Amos zu. Ich frage mich, warum?"

"Weil die Herden der Ranch immer größer werden und Platz brauchen. Amos Billinger hat das Land auf seinen Namen katastermäßig erfassen lassen. Du und dein Anhang – ihr lebt auf dem Grund und Boden der Steeple Rock Ranch. Und Old Amos hat das Recht, euch zu verjagen."

"Ich werde mich an den Sheriff und an den Friedensrichter wenden. Old Amos kann Land, das seit 13 Jahren von uns genutzt wird, nicht einfach auf seinen Namen eintragen lassen. Auch wenn es sich um freigegebenes Regierungsland handelt, hatte er nicht das Recht."

"Du bist auf dem Holzweg, Alice. Aber ich werde Big Amos gerne deine Antwort vermitteln. Ich schätze, es ist dein letztes Wort."

"Mein allerletztes. Ich lasse mich und meine Kinder nicht vertreiben. Das hier ist unser Platz. Und den werden wir verteidigen. Wenn es sein muss, mit der Waffe in der Faust."

Wortlos zog der Vormann der Steeple Rock Ranch sein Pferd herum, spornte es an und gab ihm den Kopf frei. Die Mannschaft, die Hendrik begleitete – es waren vier Reiter –, folgte ihm.

Als der Pulk über einer Bodenwelle verschwunden war, ließ Alice das Gewehr sinken.

Auch Dave Tucker entspannte sich.

Alice ging zum Tisch und ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen. Sie war eine hübsche, reife Frau mit dunklen Haaren, die zu einem Knoten aufgesteckt waren. In ihren Mundwinkeln hatte sich ein herber Zug festgesetzt, der verriet, dass diese Frau die Höhen und Tiefen des Lebens durchgemacht hatte. Sie sagte schleppend: "Hendrik und die anderen Sattelwölfe kommen wieder, Dave. Und dann, denke ich, werden die Waffen das letzte Wort sprechen. Was ist bloß in Amos Billinger gefahren, weil er uns plötzlich so zusetzt?"

"Du sitzt mit deiner Ranch an der Quelle des Blue Creek, Alice", versetzte Dave Tucker. "Es geht um die Wasserrechte. Big Amos befürchtet, dass du eines Tages seine Rinder nicht mehr zur Tränke an den Creek lassen könntest. Darum hat er das gesamte Land um den Blue Creek auf seinen Namen eintragen lassen, um sich das Wasserrecht zu sichern."

"Ich werde mich an Sheriff Winfield in Redrock wenden", murmelte Alice Morgan. "Er muss mir helfen. Weder er, noch Big Amos, noch der Beauftragte der Regierung können das Gewohnheitsrecht, das wir uns erworben haben, ignorieren."

Dave Tucker schaute skeptisch.

Eine Tür, die in einen Nebenraum führte, wurde geöffnet. Ein Junge von etwa 13 Jahren und ein Mädchen, das nicht älter war als sechs, kamen in die Küche. Der Junge war blondhaarig und blauäugig, das Mädchen hatte dunkle Haare wie die Mutter und braune Augen.

Der Junge fragte: "Wird uns Big Amos von Grund und Boden vertreiben, Ma?"

"Er wird es versuchen", versetzte Alice Morgan. "Aber wir werden ihm die Zähne zeigen."

"Aber er ist viel stärker als wir", murmelte der Junge. Sein Name war John. Genannt wurde er nur Johnny. "Ich will nicht, dass dir von Big Amos' Mannschaft ein Leid zugefügt wird, Ma."

Alice erhob sich, ging zu den beiden Kindern hin und nahm sie in die Arme. Ihre Augen wurden feucht. Mit bebender Stimme sagte sie: "Wir haben das Gesetz auf unserer Seite. Sheriff Winfield wird uns helfen."

Dave Tucker verzog verächtlich den Mund. Winfield ist ein Mann Big Amos', dachte er bitter. Er vertritt das Gesetz der Steeple Rock Ranch. Winfield wird Big Amos höchstens helfen, uns aus dem Land zu jagen.

4

John Morgan ging bei einem Schuppen auf das linke Knie nieder. Er spähte um die Schuppenecke, konnte aber von seinem Gegner nichts sehen. Morgan richtete sich auf. Er ersetzte die verschossenen Patronen in der Revolvertrommel durch scharfe Munition aus den Schlaufen seines Gurts.

Dann äugte er noch einmal um die Ecke und als er festgestellt hatte, dass keine Gefahr drohte, lief er – dicht bei den Wänden der Schuppen und Scheunen, die hier errichtet waren –, zur Main Street.

Vom Saloon war Morgan jetzt etwa 50 Yards entfernt. Er sah zwischen den Pferden einen Mann, der einen hellen Hut auf dem Kopf sitzen hatte. Der Bursche machte sich am Holm zu schaffen. Im nächsten Moment schwang er sich in den Sattel. Er dirigierte das Pferd aus dem Pulk der anderen Pferde, zerrte es herum und hämmerte ihm die Sporen in die Seiten. Gleichzeitig ließ er die Zügel schießen. Im gestreckten Galopp jagte das Tier die Main Street hinunter. Tatenlos musste John Morgan zusehen, wie sein letzter Gegner floh.

Er trat auf die Main Street und ging in Richtung Saloon. Wenig später befand er sich im Hof des Saloons. Hier lagen drei der Banditen. Zwei waren tot, Jed McLeon röchelte. John Morgan ging bei ihm auf das Knie nieder. "Warum seid ihr mir gefolgt?"

"Es – es war wegen Jesse Sheldon", ächzte der Verwundete. "Er war ein guter Freund Ken Browns. Brown hat Rache geschworen. Gütiger Gott, es – es war ein Trail in – den – Tod ..."

Die Stimme brach. Der Kopf McLeons rollte zur Seite. In seine Augen trat die absolute Leere des Todes.

John Morgan richtete sich auf und holsterte den Colt. Er kehrte auf die Straße zurück. Menschen kamen aus ihren Häusern, nachdem die Gefahr gebannt war.

Eine kalte Hand aus der jüngsten Vergangenheit griff nach John Morgan. Seine Gedanken schweiften einige Wochen zurück. Er hatte den Stern in Kingman getragen. Jesse Sheldon war von einem Rancher am Sacramento Wash angeheuert worden, um die Heimstätter am Fluss zu vertreiben. Nachdem der Killer in der Stadt einen der Siedler erschoss, trat er, John Morgan, in Aktion. Für ihn war es ein eiskalter Mord gewesen. Er wollte den Gunslinger verhaften. Es kam zum Kampf, und Jesse Sheldon starb.

John Morgan verdrängte den Gedanken an die Vergangenheit. Viele Männer waren auf seinem Weg zurückgeblieben. Es erfüllte ihn jedesmal mit Verbitterung. Auch heute hatte er wieder töten müssen. Er tötete zwar mit dem Stern an der Brust, und er war überzeugt, dass er richtig gehandelt hatte, aber dennoch blieb ein galliger Beigeschmack zurück.

Menschen umringten ihn. Manche musterten ihn mit einer Mischung aus Abneigung, kühler Reserviertheit und vielleicht sogar Abscheu. An seinen Händen klebte Blut. Männer seines Schlages waren nicht besonders angesehen. Man brauchte sie. Aber man hatte nichts mit ihnen gemein. Man mochte nichts mit ihnen zu tun haben.

John Morgan kannte das.

Der Bürgermeister kam. Auf seinem Kopf saß eine graue Melone mit abgegriffener Krempe. Schweiß rann ihm über die feisten Wangen. Er keuchte asthmatisch. "Was waren das für Kerle?", stieß er hervor und blinzelte John Morgan an.

"Sie sind mir von Kingman herunter gefolgt", erwiderte John Morgan. "Einer von ihnen heißt Ken Brown. Ich weiß nicht, ob er unter den Toten ist. Einem der Kerle gelang die Flucht. Vielleicht handelt es sich bei ihm um diesen Brown."

"Wir müssen also damit rechnen, dass er wahrscheinlich mit einer neuen Bande wieder in Casa Grande auftaucht", schnappte der Town Mayor. "Warum wollten die Kerle Sie umbringen, Morgan?"

"Ich habe einen Freund Browns in Kingman erschossen. Er war ein Mörder. Ich trug den Stern."

"Wahrscheinlich haben Sie eine Menge Männer erschossen, die Freunde, Brüder und Väter haben, die sich rächen möchten, Morgan", kam es von Lacenby. Er knetete seine feisten Hände und vermied es, John Morgan anzusehen. "Als wir Sie als Town Mayor engagierten, gingen wir davon aus, dass allein die Nennung Ihres Namens das lichtscheue Gesindel von der Stadt fernhält. Es scheint aber eher so zu sein, dass Sie Banditen und Schnellschießer anlocken. Ja, es ist wohl so, dass Sie dieses Gelichter anlocken wie das Licht die Motten."

"Ich verstehe", knurrte John Morgan. "Sie bereuen es, mir den Stern angeboten und schließlich auch gegeben zu haben." Er lachte bitter auf. "Und dieser Stadt wegen habe ich meinen guten Job in Kingman hingeworfen. Aber das wird Sie schätzungsweise nicht interessieren." Voll Verachtung maß John Morgan den Town Mayor. Er nahm das Abzeichen von seiner Jacke und hielt es Lacenby auf der flachen Hand hin. "Ich verzichte darauf, den Stern in dieser Stadt zu tragen, Lacenby. Stecken Sie ihn an, wen Sie wollen. Ich verlasse die Stadt."

Der Bürgermeister trat von einem Fuß auf den anderen. Die Betretenheit stand ihm ins Gesicht geschrieben. "Verstehen Sie mich nicht falsch, Morgan", begann er. "Es ist nur, dass..."

John Morgan drehte die Hand ein wenig. Das Abzeichen fiel in den Staub. "Sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen, Bürgermeister", presste Morgan hervor. "Im Übrigen habe ich Sie nicht falsch verstanden. Was Sie zum Ausdruck bringen wollten, ist angekommen."

Mit dem letzten Wort wandte sich Morgan ab. Er schritt zu seinem Pferd, das noch am Holm vor dem Saloon stand, löste den Zügel vom Haltebalken und stieg in den Sattel. Er zog das Pferd herum und trieb es an.

"Wir brauchen keinen Revolverhelden als Marshal", rief ein Mann. "Einen aufrechten und tapferen Mann – sicher. Aber keinen, der nur den Revolver schwingt."

John Morgan achtete auf nichts und niemand. Das Pferd trug ihn aus der Stadt. Er drehte sich nicht um. Casa Grande war lediglich eine kurze Station in seinem unsteten Leben gewesen. Er verschwendete keinen Gedanken an die Stadt. Seit fast 12 Jahren trieb es ihn unruhig durchs Land. Er wusste selbst nicht, was er suchte. Er gehörte zu der Sorte, die immer wissen wollte, was sich hinter dem nächsten Hügel zutrug. Es hielt ihn nicht an einem Platz.

John Morgan ritt nach Osten. Er wusste nicht, was ihn trieb. Er dachte nicht darüber nach. Vielleicht war es das Schicksal, das ihn lenkte. Möglicherweise war es auch der Drang, nach 12 langen Jahren nach Hause zurückzukehren.

John Morgan behielt die Richtung bei. Die Meilen schmolzen unter den Hufen seines Pferdes ...

5

"Sie müssen Billinger zur Raison rufen, Sheriff", stieß Alice Morgan wütend hervor. "Er bricht ansonsten einen Weidekrieg vom Zaun. Big Amos lässt nicht mit sich reden. Er hat mir ein Ultimatum gesetzt. Von heute an gerechnet in drei Tagen soll ich das Land am Blue Creek räumen."

Der Sheriff saß hinter seinem Schreibtisch. Er hatte sich auf dem Stuhl zurückgelehnt und die Beine weit von sich gestreckt. Gedankenvoll spielte er mit einem Tintenstift. Er leckte sich über die Lippen und sagte: "Big Amos hat das Land ordnungsgemäß erworben, Alice. Sie haben es versäumt, Ihre Ansprüche geltend zu machen. Sie können sich auch nicht auf das Gewohnheitsrecht berufen. Solange es sich um Regierungsland handelte – sicher. Aber jetzt befindet es sich in Privatbesitz. Und da haben Sie die schlechteren Karten in der Hand."

"Warum hat man mich nicht verständigt, als Billinger das Land erwarb? Das wäre das Mindeste gewesen, was ich erwarten hätte können. Jeder – auch Sie, Winfield, und auch der Regierungsbeauftragte –, weiß, dass ich seit 13 Jahren am Blue Creek eine Ranch bewirtschafte und dass ich ein entsprechendes Stück Land beanspruche. Wenn Sie mich fragen, dann war es eine abgekartete Sache. Ich möchte nicht wissen, wieviel Geld Big Amos dem Regierungsbeauftragten für die Landvergabe bezahlte."

"Das ist eine Unterstellung, Alice. Lassen Sie so etwas Big Amos nicht hören. – Nun, ich kann Ihnen nicht helfen, Alice. Billinger hat das Land auf seinen Namen in das Kataster eintragen lassen, und er hat mit der Regierung einen Vertrag geschlossen. Das Gewohnheitsrecht zählt in einem solchen Fall nicht. Sie werden das Land räumen müssen. Andernfalls würden Sie mich zwingen, gegen Sie vorzugehen."

Alice musterte den Sheriff geringschätzig. In ihren dunklen Augen flackerte der Zorn. Unter ihrem linken Auge zuckte ein Nerv. "Um Big Amos einen Gefallen zu tun, würden Sie wohl sogar die Seele Ihrer Großmutter dem Teufel verkaufen, Winfield, wie?"

Der Sheriff sprang auf. Sein Stuhl rutschte zurück. Er stemmte sich mit beiden Armen auf den Schreibtisch. Die Zornesader an seiner Schläfe schwoll an. "Was wollen Sie damit sagen?", polterte er wütend. "Was unterstellen Sie mir? Raus! Verlassen Sie mein Büro. Ich muss mich von Ihnen nicht beleidigen lassen. Ausgerechnet Sie, die in wilder Ehe lebt und ein Kind von ihrem Liebhaber hat! Die Leute in der Stadt zeigen mit dem Finger auf Sie. Sie sollten demütig sein. Stattdessen sind Sie frech und anmaßend."

"Beruhigen Sie sich, Sheriff", sagte Alice. "Sie sehen aus, als stünden Sie kurz vor einem Schlaganfall. Ich werde mir selbst helfen. Dass Dave Tucker und ich zusammen ein Kind haben, geht weder Sie noch die Heuchler in dieser Stadt etwas an. Dass ich Dave nicht heiraten kann, wissen Sie, denn ich bin bereits verheiratet. Aber nur der Satan weiß, wo sich mein angetrauter Ehegatte herumtreibt. Die Pest an seinen Hals!"

Alice schwang mit dem letzten Wort herum und schritt stolz erhobenen Hauptes aus dem Sheriff's Office. Sie ging zu dem Buggy, in dessen Geschirr ein Pferd stand, kletterte auf den Sitz, nahm die Zügel und trieb das Tier an.

Enttäuscht verließ sie die Stadt.

Du hättest es wissen müssen, durchrieselte es ihren Verstand. Matt Winfield würde sich niemals gegen Amos Billinger wenden. Die Stadt fristet ihr Dasein im Schatten der Steeple Rock Ranch. Man lebt hier nach den Gesetzen, die Amos Billinger aufgestellt hat. Es war das Gesetz des Stärkeren, das Recht des Mächtigen, der vor nichts und niemand Respekt hat.

Der Buggy holperte über die Bodenunebenheiten. Das Fett in den Naben hatte sich mit Staub vermischt und ließ die Achsen quietschen. Alice hatte das Verdeck zurückgeschlagen. Ein Hut mit schmaler Krempe schützte ihren Kopf vor den sengenden Sonnenstrahlen. Die Frau war verbittert. Sie stand allein in ihrem Kampf ums Überleben. Von Seiten des Gesetzes wurde ihr keine Hilfe zuteil. Darüber hatte Matt Winfield keinen Zweifel aufkommen lassen.

"Ich werde kämpfen", murmelte Alice im Selbstgespräch. "Ich bin es mir und meinen Kindern schuldig. Ich wüsste nicht wohin mit meinem Hab und Gut. Wie sollte ich 3000 Rinder wegtreiben? Ich müsste sie zurücklassen, und Big Amos würde mein Vieh seinen Herden einverleiben. Wir würden als Bettler das Land verlassen."

Gedankenvoll fuhr Alice Morgan nach Westen, wo am Blue Creek die Ranch lag, die sie vor 13 Jahren mit ihrem Mann aufgebaut hatte.

Alice war voll Hass, wenn sie an John Morgan dachte. Er war damals weggeritten und nie wieder aufgetaucht. Er hatte sie und den kleinen Johnny schnöde im Stich gelassen. John Morgan hatte sich nicht dazu berufen gefühlt, Vieh zu züchten und für eine Familie zu sorgen.

Sie hatte sich durchgebissen und die Ranch behalten. Doch jetzt, nach 13 Jahren, sollte damit Schluss sein. Das Herz der Frau schlug höher, wenn sie nur daran dachte, und ihre Atmung beschleunigte sich.

Sie trieb das Pferd in eine schnellere Gangart. Die Räder ratterten. Alice benutzt den Reit- und Fahrweg, der von der Ranch zur Stadt führte. Es waren zwei ausgefahrene Spuren, zwischen denen Gras wuchs. Zu beiden Seiten der Frau erstreckte sich Weideland. Wenn sie nach Süden blickte, konnte sie in einiger Entfernung das Ufergebüsch des Gila River sehen und die hohen, alten Pappeln, die ihn säumten.

Alice nahm alle Eindrücke in sich auf, die sich ihr boten. Das Land hier war ihr zur Heimat geworden. Sie hatte etwas geschaffen, das ihren und den Lebensunterhalt ihrer Kinder sicherstellte. Eher wollte sie sterben, als das alles aufzugeben.

Als vier Reiter über eine Hügelkuppe stoben, hielt Alice das Gespann an. In ihrem Gesicht arbeitete es. Sie befand sich auf dem Weideland Amos Billingers. Und bei den vier Kerlen handelte es sich wahrscheinlich um Cowboys der Steeple Rock Ranch.

Voll gemischter Gefühle blickte Alice den Reitern entgegen.

Sie kamen schnell heran und zerrten ihre Pferde in den Stand.

"Aaah", rief einer, "die stolze Rancherin vom Blue Creek." Seine Stimme wurde höhnisch. "Habe die Ehre, Ma'am." Er griff an die Krempe seines Hutes und grinste hämisch.

"Was wollt ihr?", stieß Alice hervor.

Das Grinsen um die Lippen des Reiters gefror. Er erwiderte: "Das Betreten der Steeple Rock-Weide ist Unbefugten verboten. Wir haben überall an den Weidegrenzen Schilder aufgestellt, die darauf hinweisen. Wieso ignorierst du diese Schilder, Lady?"

Die Pferde tänzelten. Mit harter Hand bändigten sie die Cowboys.

"Ich habe kein Schild gesehen", antwortete Alice. "Außerdem benutzen wir diesen Weg seit 13 Jahren ..."

"Die Zeiten haben sich geändert", knurrte der Weidereiter. "Du sitzt mit deinem Anhang widerrechtlich auf Steeple Rock-Land."

"Ich habe noch drei Tage Zeit, das Land zu räumen", versetzte Alice. Ihre Brauen hatten sich zusammengeschoben. Sie erwiderte fast trotzig den Blick des Cowboys. "Also gebt den Weg frei, damit ich weiterfahren kann."

Einer der Burschen verschränkte die Hände über dem Sattelknauf und sagte grinsend: "Dafür, dass du auf die 40 zugehst, bist du noch verdammt attraktiv, Lady. Wirklich. Du kannst ziemlich sündhafte Gedanken in einem Mann entfachen."

Alice ließ die Zügel auf den Rücken des Pferdes klatschen. Das Tier zog an, der Buggy setzte sich in Bewegung. Einer der Cowboys ritt neben das Pferd und packte es mit der Linken am Kopfgeschirr. Das Tier blieb wieder stehen.

Alice griff nach der Peitsche, die in der Halterung neben dem Sitz steckte. "Finger weg von dem Pferd!", stieg es drohend aus ihrem Hals. Sie schlug mit der Peitsche nach der Hand des Burschen und traf ihn. Der Weidereiter zog die Hand zurück, klemmte sie sich unter die rechte Achsel und fluchte lauthals.

Alice ließ das Peitschenleder knallen und peitschte das Pferd mit den Zügeln. Das Tier begann zu laufen. Die Cowboys drängten ihre Pferde zur Seite, ehe das Gespannpferd sie rammte.

"Lauf! Hüh! Lauf!", feuerte Alice das Tier an. Der Peitschenriemen knallte in der Luft wie ein Revolverschuss. Der Buggy holperte und schlingerte.

Die Cowboys gaben ihren Pferden die Sporen und stoben hinter dem Buggy her. Es dauerte nicht lange, dann hatten sie ihn eingeholt. Sie brachten das Gespannpferd zum Stehen. Alice schlug mit der Peitsche nach den Weidereitern. Einen traf sie im Gesicht. Das Leder zog ihm einen roten Striemen über die Wange.

Doch dann erwischte einer das Handgelenk der Frau und schleuderte sie vom Wagen. Alice schrie auf. Sie fiel auf die Knie. Die Peitsche entglitt ihr. Die Cowboys sprangen von den Pferden. Einer griff ihr in die Haare und zog sie in die Höhe, schlang ihr von hinten den Arm um den Hals. Alice trat um sich, wand sich in dem unerbittlichen Griff, kreischte und zeterte.

Der Bursche, der sie hielt, riss sie herum und schleuderte sie von sich. Alice stolperte und stürzte. Sie wollte hoch, doch einer der Kerle warf sich auf sie und drückte sie mit seinem Gewicht zu Boden. Zwei der Cowboys packten ihre Arme. Sie lag auf dem Rücken. Entsetzen und Verzweiflung prägten ihr Gesicht. Sie kämpfte mit stummer Verbissenheit. Aber sie musste unterliegen. Das Kräfteverhältnis war viel zu unausgeglichen, als dass sie eine Chance gehabt hätte. Ihre Kraft erlahmte.

Doch da peitschte ein Schuss. Einer der Cowboys brach zusammen. Ein zweiter Schuss krachte, ein weiterer Cowboy bäumte sich auf, griff sich an die Brust und brach zusammen. Und dann erklang eine brechende Stimme: "Die Finger weg von der Frau! Und die Hände hoch. Was seid ihr bloß für dreckige Schweine?"

"Dave!", entrang es sich Alice.

Die Cowboys ließen sie los. Sie richteten sich auf und hoben die Hände in Schulterhöhe.

Etwa 20 Schritte von ihnen entfernt stand Dave Tucker. Sie waren derart mit Alice beschäftigt gewesen, dass sie ihn nicht hatten kommen hören. Tucker hielt die Winchester im Hüftanschlag.

Alice Morgan rappelte sich hoch, richtete ihren knöchellangen Rock und wischte sich mit fahriger Geste eine Haarsträhne aus der Stirn. "Dich schickt der Himmel, Dave. Wärst du nicht gekommen, hätten diese Schufte mich ..." Ihr Stimme versagte.

"Schnallt eure Revolvergurte ab!", kommandierte Dave Tucker. "Macht schon. Und keine Tricks. Sonst lege ich euch neben eure Kumpane."

Die beiden Weidereiter öffneten die Schließen ihrer Revolvergurte. Die Gürtel fielen zu Boden. Als Tucker mit dem Gewehr winkte, traten sie einige Schritte zurück.

Tucker kam näher. Er stellte sich neben Alice.

Einer der Kerle am Boden stöhnte. Er schlug die Augen auf und schaute verständnislos. Dann schien sich bei ihm die Erinnerung einzustellen, denn er knirschte: "O verdammt. Du hast mir die Schulter zerschossen, Tucker. Dafür wird dich Big Amos vierteilen."

"Ihr seid zu viert über eine wehrlose Frau hergefallen wie wilde Tiere", gab Tucker zu verstehen. "Sei dankbar, dass du die Kugel nur in die Schulter bekommen hast." Tuckers Mundwinkel sanken nach unten. Er schaute die beiden Kerle an, die mit erhobenen Händen wenige Schritte vor ihm standen. "Hebt die beiden auf ihre Pferde und verschwindet", stieß er hervor.

"Das wirst du bereuen, Tucker", knurrte einer der Weidereiter. "Dexter ist tot. Will hat eine Kugel in die Schulter bekommen und ist in den nächsten Wochen nicht einsatzfähig. Das wird Big Amos nicht schlucken. Ich schätze, er wartet die drei Tage nicht ab, die er euch gelassen hat, um die Ranch zu räumen. An eurer Stelle würde ich noch heute meinen Krempel zusammenpacken und verschwinden."

"Zieht Leine", grollte Dave Tucker, ging zu ihren Pferden hin und zog nacheinander die Gewehre aus den Scabbards. Er schleuderte sie weit von sich.

Dann schauten er und Alice zu, wie die beiden Cowboys den Toten quer über den Rücken seines Pferdes legten und festbanden. Sie halfen auch dem Verwundeten in den Sattel. Er presste die rechte Hand auf die Wunde. Zwischen seinen Fingern quoll Blut hervor. Sein Gesicht war bleich. Aus unterlaufenen Augen starrte er Dave Tucker tückisch und voll Hass an.

Die beiden unverletzten Cowboys schwangen sich auf ihre Pferde. Einer griff nach den Zügeln des Pferdes mit dem Toten. Dann ritten sie davon.

Dave Tucker ließ, als die Weidereiter über einem Hügel aus seinem Blickfeld verschwunden waren, das Gewehr sinken und legte seinen Arm um die Schultern der Frau. "Es war wie eine Eingebung", murmelte er. "Irgendein Gefühl sagte mir, dass du mich brauchst."

"Danke, Dave", erwiderte Alice mit belegter Stimme.

"Was hast du beim Sheriff erreicht?"

"Nichts. Ihm zufolge hat Billinger das Gesetz auf seiner Seite." Alice holte Luft. "Wir haben nur zwei Alternativen, Dave. Die eine ist aus dem Land zu verschwinden, die andere ist zu kämpfen."

"Nein", entgegnete Dave Tucker. "Nach dem, was heute geschehen ist, bleibt uns nur eine Alternative, nämlich der Kampf. Wie der Cowboy es sagte: Billinger wird es nicht schlucken, dass ich einen seiner Männer getötet und den anderen verwundet habe. Spätestens morgen kommt er zum Blue Creek, um Rechenschaft zu fordern."

Der Ton, der sich Alice entrang, hörte sich an wie trockenes Schluchzen ...

6

"Dafür wird diese Hure büßen", stieß Big Amos Billinger zornentbrannt hervor. Soeben waren seine Cowboys von der Südweide auf die Ranch gekommen. Sie hatten ihm einen Toten vor die Füße gelegt. Ein zweiter Mann hatte eine Kugel in die Schulter bekommen.

Aber das alleine war es nicht, was den Ranchboss so maßlos erregte. Es war vor allem die Tatsache, dass es Alice Morgan und Dave Tucker wagten, ihm die Stirn zu bieten. Das erzürnte diesen unduldsamen Burschen. Er war ein Mann wie ein Schrank. Mit einem Schlag konnte er ein Longhorn von den Beinen holen. Seine Männer respektierten ihn – jeder im Land respektierte und fürchtete ihn. Nur bei Alice Morgan und Dave Tucker war das anders.

"Sattelt eure Pferde, Männer", grollte Big Amos. Seine Hände hatten sich am Vorbaugeländer verkrallt. Seine pulvergrauen Augen blitzten energisch. Er verströmte natürliche Autorität.

Im Ranchhof hatten sich acht Männer versammelt. Es waren Ranchhelfer und Cowboys. In der Tür des Küchenanbaus stand der Ranchkoch. Big Amos rief ihm zu: "Curly, du kümmerst dich um den Verwundeten. Ihr beide –" der Rancher widmete seine Aufmerksamkeit den Kerlen, die mit dem Toten und dem Verwundeten auf die Ranch gekommen waren, " – kommt mit. Wir werden es dem Gelichter auf der Morgan-Ranch zeigen. Heute bleibt kein Auge dort trocken."

Die Männer hetzten zum Corral, in dem etwa zwei Dutzend Pferde standen.

Walt Hendrik, der Vormann, wandte sich seinem Boss zu. "Wie es aussieht, sind Alice und ihr Liebhaber wild entschlossen, uns die Zähne zu zeigen. Sie werden uns mit den Waffen in den Händen gegenübertreten."

"Das wäre ihr Todesurteil", knurrte Big Amos.

"Da sind auch noch die beiden Kinder", gab Hendrik zu bedenken.

Amos Billinger winkte unwirsch ab. "Die landen dann eben irgendwo in einem dieser Waisenhäuser. Sie können sich dafür bei ihrer Mutter und deren Liebhaber bedanken." Es klang mitleidlos und schrecklich in seiner brutalen Unmissverständlichkeit.

Nein, Amos Billinger kannte keine Gnade und kein Erbarmen. Er schien nur aus Gnadenlosigkeit, Unduldsamkeit und allem, was grausam und unmenschlich macht, zusammengesetzt zu sein.

Eine Viertelstunde später stob der Pulk vom Ranchhof. Die Männer hatten auch für Big Amos und Walt Hendrik Pferde gesattelt. Die beiden führten das hartbeinige Rudel an.

Sie mussten fast zwei Stunden reiten, dann lag vor ihnen der Blue Creek. Sie folgten ihm ein Stück nach Süden, und schließlich schälten sich die Gebäude der Morgan-Ranch aus der flirrenden Luft. Amos Billinger befahl anzuhalten. Es waren zehn Reiter. Die Pferde traten auf der Stelle. Gebissketten klirrten, Sattelleder knarrte.

"Verteilt euch rund um die Ranch!", kommandierte Billinger. "Ich warte genau eine Viertelstunde, dann muss jeder auf seinem Platz sein. Zunächst werde ich Alice Morgan und Tucker auffordern, sich zu ergeben. Sollten sie sich weigern, feuere ich einen Schuss ab. Es ist für euch das Zeichen zum Angriff. Dann räuchern wir das Pack aus."

Die meisten der Männer schauten wenig begeistert drein. Zum einen fürchteten sie sich vor den Kugeln Alice Morgans und Dave Tuckers, zum anderen bedrückte sie die Tatsache, dass sich auf der Ranch auch zwei Kinder befanden.

Aber Big Amos duldete keinen Widerspruch.

Darum fügten sie sich.

Der Rancher war wütend und vom Gedanken nach Rache besessen, und das machte ihn ausgesprochen unberechenbar. Keiner wollte sich seiner üblen Stimmung aussetzen.

Die Männer ritten auseinander.

Big Amos hatte seine Uhr aus der Westentasche gezogen und einen Blick darauf geworfen. Er schob sie wieder ein, zog seine Winchester aus dem Scabbard und repetierte. Das metallische Knacken schien sekundenlang in der Luft zu stehen.

Walt Hendrik schoss seinem Boss einen schnellen Seitenblick zu. Das Gesicht Billingers war verschlossen, wie aus Granit gemeißelt. Es verriet nicht die Spur einer Regung.

Dann war die Viertelstunde um.

Big Amos trieb sein Pferd an. Walt Hendrik folgte ihm. Sie ritten auf Rufweite an die Ranch heran. Der Vormann fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Sie präsentierten sich Alice Morgan und Dave Tucker wie auf einem Tablett. Aber Big Amos vertraute darauf, dass weder Alice noch Dave es wagten, auf ihn zu feuern.

Der Rancher legte die Hände wie einen Trichter vor den Mund und rief: "Alice Morgan, hörst du mich?"

Sekundenlang war es still, dann ertönte die Stimme der Frau: "Sehr gut, Billinger. Sag, was du zu sagen hast, dann drehe dein Pferd um und verschwinde samt deinem Anhang. Oder muss ich dir erst heißes Blei servieren, damit du von meinem Grund und Boden verschwindest?"

"Die Ranch ist umstellt, Alice", schrie Billinger. "Wenn ich den Befehl gebe, zu stürmen, werden meine Männer sie dem Erdboden gleich machen. Du und Tucker – ihr werdet dann auf diesem Land bleiben. Allerdings sechs Fuß unter der Erde. Denk an deine Kinder, Alice. Willst du, dass sie ohne ihre Mutter aufwachsen müssen?"

"Du hast mir drei Tage Zeit gegeben, Billinger."

"Nachdem Tucker einen meiner Männer getötet und einen anderen schwer verwundet hat, gibt es keinen Grund mehr für mich, dir eine Schonzeit zu gewähren."

"Die Schweine wollten mich vergewaltigen."

"Wäre es darauf bei dir noch angekommen? Du lebst hier auf der Ranch zusammen mit Dave Tucker in Sünde! Der Padre hat dir verboten, die Kirche zu betreten. Du bist nichts weiter als eine billige Hure, Alice. Jeder in diesem Landstrich verachtet dich."

Ein Schuss krachte. Die Kugel pflügte zwischen den Vorderhufen des Pferdes, auf dem Amos Billinger saß, den Boden. Der Knall wurde über den Rancher und seinen Vormann hinweg geschleuert.

"Verschwinde, Billinger!", rief Dave Tucker. "Die nächste Kugel pflanze ich dir in den Schädel. Du hast kein Recht ..."

Die Männer, die Billinger mitgebracht hatte, hielten den Schuss für das Angriffssignal. Hufgetrappel erfüllte plötzlich die Luft. Die Meute, die von allen Seiten auf die Ranch zudonnerte, vermittelte einen erschreckenden Eindruck von Wucht und Stärke. Ein unsichtbarer Strom von Härte und tödlicher Entschlossenheit ging von ihr aus.

Gewehre fingen an zu knattern.

Amos Billinger und Walt Hendrik hatten ihre Pferde herumgerissen und in den Schutz eines Schuppens getrieben.

Der Lärm steigerte sich zu einem höllischen Crescendo. Das Dröhnen der Schüsse vermischte sich mit dem Trommeln der Hufe, dem Gewieher der Pferde und dem Gebrüll der Männer. Es klirrte, schepperte und krachte.

Zwei Pferde brachen zusammen. Einer der Reiter blieb liegen. Der andere schnellte hoch und griff zu Fuß an. Ein Sattel wurde von einer Kugel leergefegt. Der Reiter überschlug sich einige Male am Boden und rührte sich nicht mehr. Die anderen Männer von der Steeple Rock Ranch sprangen von den Pferden und rannten in die Deckung von Schuppen und Scheunen.

Pulverdampf trieb über den Ranchhof. Das Donnern der Schüsse ließ etwas nach. Nur noch vereinzelte Schüsse fielen. Amos Billinger brüllte: "Ihr habe keine Chance, Alice. Willst du wirklich, dass wir euch ausräuchern? Willst du es wirklich darauf ankommen lassen?"

Ein Schuss fiel. Er war aber nicht auf der Ranch abgegeben worden, sondern auf einem Hügel westlich der Ranch. Ein Reiter zeichnete sich deutlich vor dem seidigen Blau des Himmels ab. Es war ein dunkel gekleideter Mann, der einen Rotfuchs ritt. Jetzt schoss er erneut. Die Kugel pfiff über die Gebäude der Ranch hinweg. Dann trieb der Reiter das Pferd an und verschwand vom Hügelkamm.

"Wer war das?", entrang es sich Amos Billinger. Der Reiter hätte ihn jederzeit treffen können. Der Rancher schluckte trocken.

"Keine Ahnung", knurrte Walt Hendrik. "Er hat sich jedenfalls nicht so verhalten, als wäre er unser Freund."

"Er hat zwei Warnschüsse abgegeben", murmelte Amos Billinger.

"Ja. Und seine nächsten Kugeln werden sicherlich treffen."

Wieder peitschte das Gewehr. Der Fremde war zu Fuß auf die Hügelkuppe zurückgekehrt. Er schoss aus der Deckung eines Felsens. Einer der Steeple Rock Reiter brüllte auf. Dann schrie er: "Goddam! Eine Handbreit tiefer und er hätte mir das Hirn aus dem Schädel gepustet."

Wieder krachte es. Das Geschoss strich dicht über Amos Billinger hinweg. Der Schussdonner rollte auseinander und zerflatterte. Mit einem rasselnden Atemzug des lähmenden Entsetzens schrie der Rancher: "Wir verschwinden, Leute. Der Hurensohn ist im Vorteil. Zieht euch zurück. – Alice Morgan! Heh, hör mir zu: Denk nur nicht, dass du gewonnen hast. Wir kommen wieder. Und dann wirst du heulen und mit den Zähnen knirschen. Mein Wort drauf."

Billinger und Hendrik zogen ihre Pferde herum und gaben ihnen die Sporen. Sie ritten so, dass sie der Schuppen vor Blicken aus dem Ranchhaus schützte. Dann verschwanden sie über eine Bodenwelle und warteten.

Nach und nach trafen auch ihre Reiter ein. In den Gesichtern zuckten die Nerven. Die Anspannung legte sich nur langsam. "Es hat Cole und Yul erwischt", rief einer der Männer. "O verdammt! Es war Irrsinn, blindlings in das Gewehrfeuer von der Ranch zu rennen."

"Halt die Klappe, Lorimer!", knirschte Big Amos zornig. "Wir hätten die Brut auf der Ranch überrannt, wenn nicht plötzlich der Fremde mitgemischt hätte."

"Cole und Yul gehen auf das Konto Alice Morgans und Dave Tuckers", blaffte der Reiter. "Und sie hätten noch weitere Männer erschossen, wenn wir diesen Irrsinn nicht abgebrochen hätten."

"Du sollst die Schnauze halten, Lorimer!", hechelte Amos Billinger. Seine Stimme sank herab zu einem unheilvollen Grollen, als er fortfuhr: "Ich dulde keine Kritik. Von niemandem. Wenn wir auf der Ranch sind, kannst du deinen Restlohn abholen, Lorimer. Und dann verschwindest du aus dem Land. Sollte sich dein Weg noch einmal mit dem meinen kreuzen, jage ich dich mit der Peitsche zum Teufel. – Wir reiten zurück."

Er trieb mit dem letzten Wort sein Pferd an. Der Pulk folgte ihm. Lance Lorimer, der Mann, den Big Amos soeben gefeuert hatte, weil er es wagte, Kritik zu üben, schwieg. Aber der Bursche, der neben ihm ritt, sagte: "Ich gehe mit dir, Lance. Es ist nicht meine Art, gegen Frauen und Kinder zu kämpfen. Ich schmeiße Big Amos den Krempel vor die Füße. Wir verschwinden gemeinsam."

"Ein guter Entschluss, Bill", meinte Lance Lorimer. "Wie es scheint, ist Billinger in seiner Machtbesessenheit nichts mehr heilig. Jeder, in dem noch ein Funke Charakter ist, sollte den Sattel der Steeple Rock Ranch verlassen."

7

John Morgan folgte zwischen den Hügeln der Steeple Rock Mannschaft, bis er sicher sein konnte, dass sie tatsächlich nicht mehr umkehrte.

Der Mann spürte ein seltsames Gefühl in sich. Er war nach 12 Jahren nach Hause zurückgekehrt. Und wie es schien, platzte er mitten in einen Weidekrieg hinein.

Er fragte sich, wie wohl Alice auf seine Heimkehr reagieren würde. Johnny, sein Sohn, musste 13 Jahre alt sein. Wenn Alice ihn fragte, weshalb er vor 12 Jahren sang- und klanglos verschwunden sei, würde er ihr nicht mal eine vernünftige Antwort geben können.

Ihre Interessen waren einfach viel zu unterschiedlicher Art gewesen. Alice wollte sesshaft sein, einen Platz einnehmen und ihn behaupten. Er hingegen ...

Der Magen zog sich John Morgan zusammen, als er daran dachte, dass er gleich der Frau gegenüber treten würde, die er vor 12 Jahren schmählich im Stich ließ. Wie es schien, hatte sie sich behauptet. Nun, Alice war immer schon eine starke Frau, durchfuhr es ihn. Du warst nicht stark genug, John. Du bist vor der Verantwortung geflohen. Ja, geflohen. Anders kann man es nicht ausdrücken. Aber ist das eine Rechtfertigung? Nein!

Dem eisigen Wind seiner Gedanken ausgesetzt kehrte John Morgan um. Mit jedem Schritt des Pferdes, den er der Ranch näher kam, nahm sein Unbehagen zu. Dann ritt er zwischen die Gebäude. Beim Brunnen in der Hofmitte hielt er an. Er hob das rechte Bein über das Sattelhorn und ließ sich vom Pferd gleiten.

Alice kam aus dem Wohnhaus.

Ihr folgte Dave Tucker.

Während sich die Frau dem Brunnen näherte, ging Tucker zu einer der reglosen Gestalten, die außerhalb des Ranchhofes im braunverbrannten Gras lagen.

John Morgan ließ den Ledereimer in die Tiefe sausen. Er hörte ihn auf dem Wasser aufschlagen. Hinter sich hörte Morgan die Schritte Alices. Dann erklang ihre Stimme: "Wir sind Ihnen Dank schuldig, Fremder. Wenn Sie nicht aufgetaucht wären, hätte uns Big Amos mit seinen Leuten wahrscheinlich überrannt.

John Morgan drehte sich um.

Alice hielt an, als wäre sie gegen eine unsichtbare Wand gelaufen. Sie prallte regelrecht zurück. "Du?!", brach es über ihre Lippen. "Großer Gott ..."

Sie starrte ihn an wie eine übernatürliche Erscheinung.

"Ja, ich", sagte John Morgan. "Ich bin nach Hause zurückgekehrt, Alice. Ich ..."

Ihre Augen versprühten Blitze. "Hier ist nicht dein Zuhause, John. Es wird nie wieder dein Zuhause sein. Verschwinde, so wie du vor 12 Jahren verschwunden bist. Und kehre nie wieder hierher zurück. Geh zur Hölle, John!"

Dave Tucker näherte sich ihnen. Abrupt hielt er an, als er den Fremden erkannte. Er presste die Lippen zusammen. Hart traten die Backenknochen aus seinem Gesicht hervor. Dann aber gab er sich einen Ruck und schritt weiter.

"Hallo, Dave", empfing ihn John Morgan. Er hievte einen Eimer voll Wasser in die Höhe. Die Winde quietschte. Er nahm ihn und stellte ihn vor das Pferd hin. Das Tier senkte seine Nase in das Wasser und begann zu saufen.

"Was willst du hier?", stieß Dave Tucker hervor. Seine Brauen hatten sich zusammengeschoben und bildeten einen durchgehenden Strich über seiner Nasenwurzel. Eine steile Falte zerfurchte seine Stirn. Er musterte John Morgan ohne die Spur von Freude oder Freundschaft.

"Ich bin heimgekehrt", murmelte Morgan. "Ganz einfach. Es hat mich heimgetrieben."

"Wir sind 12 Jahre ohne dich ausgekommen, John", grollte Tucker. "Wir brauchen dich auch künftig nicht. Reite weiter. Verschwinde wieder aus unserem Leben. Wir wollen dich hier nicht."

John Morgan wurde abgelenkt, denn aus dem Haus traten zwei Kinder. Sie musterten ihn neugierig. In John Morgans Augen flackerte es. Dann presste er hervor: "Du – du hast zwei Kinder, Alice?"

"Ja. Das Mädchen ist Daves Tochter. Für dich gibt es hier keinen Platz mehr. Wenn du dein Pferd getränkt hast, will ich, dass du die Ranch verlässt."

"Der Junge ..."

"Er kennt dich nicht. Und ich will auch gar nicht, dass er dich kennenlernt. Ich habe ihm erzählt, dass Dave sein Dad sei. Und er redet Dave auch mit Dad an. Du spielst keine Rolle mehr, John. Weder in meinem Leben, noch im Leben Johnnys."

John Morgan nickte. Mit harten Augen fixierten ihn Alice und Dave Tucker. Er und Tucker waren mal gute Freunde gewesen. Er und Alice hatten sich geliebt. Nun musterten ihn die beiden geradezu feindselig.

O verdammt!, durchflutete es ihn. Was hast du denn erwartet, John? Dass dich Alice mit offenen Armen aufnimmt? Du bist mit einer Illusion im Herzen zum Blue Creek geritten. Du warst ein Narr ...

"Wer setzt dir zu, Alice?", fragte er. "Ist es Billinger?"

"Ja. Er ist groß und mächtig geworden. Wir könnten seine Stellung in diesem Landstrich einnehmen, wenn du ... Ach, was rede ich. Billinger hat sich zum ungekrönten König in diesem Landstrich aufgeschwungen. Sein Wort ist Gesetz. Jetzt hat er es auf die Morgan-Ranch abgesehen. Es ist nur eine Frage der Zeit ..."

Alice verstummte bitter. Sekundenlang schien sich ihr Blick nach innen verkehrt zu haben. Jetzt aber hatte er wieder die Härte von Stahl angenommen.

"Ich kann es verstehen", murmelte John Morgan. Er nickte wie zur Bestätigung seiner Worte. Dann griff er nach dem Sattelhorn, stellte seinen Fuß in den Steigbügel und schwang sich aufs Pferd. Er angelte sich die Zügel. Der Rotfuchs prustete. Ohne noch ein Wort zu verlieren ritt John Morgan an. Er schaute zu dem Jungen hinüber, der neben dem Mädchen vor dem Ranchhaus stand. Es war sein Sohn. Auch ihn hatte er schmählich im Stich gelassen damals ...

John Morgan ritt nach Redrock. Östlich der Stadt begann die Felswildnis der Burro Mountains. Gewaltige Berge beherrschten das Blickfeld.

John Morgan brachte sein Pferd in den Mietstall. Der Stallmann nahm ihm das Tier ab und sagte: "An dem Tier klebt der Staub vieler, vieler Meilen. Werden Sie verfolgt?"

"Nein", versetzte Morgan, schnallte die Satteltaschen ab und legte sie sich über die Schulter, dann zog er sein Gewehr aus dem Scabbard. "Ich suche einen Job. Habe ich in diesem Landstrich eine Chance?"

"Was können Sie denn?"

John Morgan zuckte mit den Schultern. "Ich kann das Lasso schwingen, ich kann reiten und schießen. Es gibt eine Reihe von Dingen, die ich beherrsche."

"Versuchen Sie es auf der Steeple Rock Ranch", sagte der Stallbursche. "Big Amos kann Kerle von Ihrem Schlag sicherlich gebrauchen."

"Als was beschäftigt er Kerle meines Schlages?", fragte John Morgan. "Als Cowboys?"

"Es gibt Verdruss in diesem Landstrich", murmelte der Stallmann. "Billinger hat sämtliches Land zwischen dem Gila River im Süden, dem Sacaton Creek im Norden, der Grenze nach Arizona im Westen und dem Mangas Valley im Osten auf seinen Namen ins Landregister eintragen lassen. Jetzt ist er drauf und dran, alle Smallrancher und Siedler, die sich irgendwann mal auf dem Land niedergelassen haben, zu vertreiben. Bei einigen ist es ihm schon gelungen. Am meisten Verdruss bereitet ihm meines Wissens die Morgan-Ranch am Blue Creek. Die Besitzerin lebt dort mit einem Burschen zusammen, der auch der Vater ihrer Tochter ist." Der Tonfall des Stallburschen wurde verschwörerisch. "Der Padre hat Alice Morgan wegen ihres sündhaften Verhältnisses mit Dave Tucker aus der Kirchengemeinde ausgeschlossen."

"Wie interessant", knurrte John Morgan. "Ist Matt Winfield noch Sheriff hier?"

"Sicher. Kennen Sie Matt? Waren Sie schon mal in der Gegend?"

"Ja, ich kenne Winfield", erwiderte John Morgan, dann verließ er den Stall.

Er mietete sich im Hotel ein Zimmer, hinterlegte sein Gewehr und die Satteltaschen und suchte das Sheriff's Office auf.

Matt Winfield saß hinter seinem Schreibtisch und machte Eintragungen in eine Kladde. Er blickte kurz auf, als Morgan das Büro betrat, dann leckte er über die Spitze des Tintenstifts und sagte: "Einen Augenblick noch. Setzen Sie sich einstweilen. Ich schreibe nur noch diesen Satz zu Ende."

Er wollte sich wieder der Kladde zuwenden, doch jetzt erkannte er den Ankömmling. Sein Gesicht zuckte noch einmal hoch, seine Augen wurden eng. "John Morgan!", entrang es sich ihm. "Du bist also wieder auf die Heimatweide zurückgekehrt."

"Sieht ganz so aus, Matt", erwiderte Morgan und ließ sich auf einen Stuhl nieder, der vor dem Schreibtisch stand. "Was ist los in der Gegend, Matt? Ich kam gerade rechtzeitig, als Amos Billinger mit seiner Mannschaft Alice einheizen wollte. Ich konnte die Bande vertreiben. Warum sitzt du tatenlos hier herum, während es auf der Weide am Blue Creek brennt?"

Matt Winfield beugte sich etwas nach vorn. Trotzig schob er das Kinn vor. "Ja, am Blue Creek brennt es", blaffte er. "Aber nicht Billinger hat den Krieg angefangen. Es waren Alice und ihr Geliebter. Sie sitzen auf Land, das Big Amos gehört. Sie begehen Landfriedensbruch. Billinger hat das Recht auf seiner Seite."

"Das Recht des Stärkeren, das Faustrecht? Von welchem Recht sprichst du, Matt? Alice züchtet seit 13 Jahren auf dem Land am Blue Creek Rinder. Kein Gesetz der Welt kann ihr nach diesen vielen Jahren den Anspruch auf das Land streitig machen. Wenn Billinger es erworben hat, dann widerrechtlich. Und wenn er gewaltsam gegen Alice vorgeht, musst du einschreiten. Du vertrittst schließlich das Gesetz."