Zeitgeist oder Geist der Zeit - Richard Kocher - E-Book

Zeitgeist oder Geist der Zeit E-Book

Richard Kocher

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Beschreibung

Als Programmdirektor von radio horeb erfährt Pfarrer Dr. Richard Kocher durch 50 bis 60 Rückmeldungen täglich die Nöte der Menschen unserer Zeit. Die derzeitigen Entwicklungen in Gesellschaft und Kirche verunsichern diese wie selten zuvor. Viele fragen nach dem, was Bestand haben wird. Darauf gibt dieses Buch Antwort, indem es Kriterien zur Unterscheidung von Zeitgeist und (Heiligem) Geist der Zeit an die Hand gibt. Der Autor legt mittels eines reichen Materials biblischer und historischer Untersuchungen dar, dass die Anpassung an den Zeitgeist die christliche Botschaft verfälscht und die Menschen in die Irre führt. Die derzeitige Praxis der Sakramentenspendung wird kritisch hinterfragt und Konturen von Lösungsansätzen werden aufgezeigt. Spirituelle Betrachtungen und persönliche Erlebnisse ermutigen zudem zu einem vertrauensvollen Glauben, der die Angst besiegt und den Lebensweg mit innerer Freude begleitet.

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Seitenzahl: 232

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Richard Kocher

ZEITGEIST ODER GEIST DER ZEIT

Die Bibelzitate stammen aus der revidierten Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift

© Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart 2016.

Die Zitate wurden meist in der ursprünglichen Schreibweise belassen.

Grundlage für die Veröffentlichung dieses Buches sind 16 Ansprachen, welche der Programmdirektor von radio horeb, Pfarrer Dr. Richard Kocher, in den Jahren 2021/2022 gehalten hat, sowie seine Dissertation Herausgeforderter Vorsehungsglaube. Die Lehre von der Vorsehung im Horizont der gegenwärtigen Theologie. Er entsprach damit dem Wunsch vieler Hörerinnen und Hörer, seine Ausführungen in erweiterter Form schriftlich nachlesen zu können.

ZEITGEIST ODER GEIST DER ZEIT

Richard Kocher

© Media Maria Verlag, Illertissen 2022

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-9479314-4-6

eISBN 978-3-9479318-4-2

www.media-maria.de

Den Hörern und Förderern von radio horeb in Dankbarkeit gewidmet

Der Erlös aus dem Verkauf des Buches ist für die Projekte von Radio Maria in Afrika und radio horeb bestimmt.

Inhalt

Vorwort

1. Als die Generalmobilmachung mit Pfingsten verglichen wurde

Zur Vorsehungsliteratur im Ersten Weltkrieg

2. Von braunen Synoden und billiger Gnade

Die Antwort Bonhoeffers in seinem Werk „Nachfolge“

3. Wie man Pfaffen aus der Kirche schafft

Das Programm der Entmythologisierung der Bibel von Strauß und Bultmann

4. Der Dornstrauch wird ein Royal

Als die Israeliten wie alle anderen Völker sein wollten

5. Weg vom Schweinetrog und von „dekadenten Übungen“

Umkehr als Lebenswende im Neuen Testament

6. Glaube an einen Gekreuzigten mit dem Kopf eines Esels

Kreuz und Auferstehung als Ärgernis und Torheit

7. Eunuchen um des Himmelreiches willen

Zur Sexualethik im Neuen Testament

8. Die Konfrontation mit der Vertikalen

Das prophetische Amt in der Kirche

9. Warum das Essen vom Baum der Erkenntnis verboten ist

Von der anthropozentrischen zur theozentrischen Wende

10. Wenn an heiligen Orten und Feiern gelogen wird

Von der Notwendigkeit einer pastoralen Neuausrichtung

11. Wie man Jünger macht

Die Alpha-Kurse

Anstelle eines Nachwortes

Anmerkungen

Literaturverzeichnis

Vorwort

Es war an einem schönen, sommerlich warmen Frühlingstag im Jahr 1989, als ich mit dem Ordinarius für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Augsburg, Professor Dr. Dr. Ziegenaus, in den westlich gelegenen Wäldern von Augsburg einen Spaziergang machte; er hatte mich dazu eingeladen. Nach zwei Kaplansjahren in der Augsburger Innenstadtpfarrei St. Anton war ich Pfarradministrator von Stettenhofen und Langweid geworden. Erzbischof Dr. Josef Stimpfle hatte mich zur Promotion bei ihm freigestellt; jetzt ging es um das Thema. Er schlug mir die schwierige Thematik der göttlichen Vorsehung vor und begründete dies damit, dass nach dem Krieg keine einzige wissenschaftliche Arbeit auf diesem Gebiet erschienen sei, während auf anderen – wie etwa zum Thema der Eucharistie oder des Petrusamts – eine überbordende Fülle von Veröffentlichungen vorliege, die kaum einmal ein Fachmann überblicken könne, und er ergänzte damals: „Ich möchte, dass Sie Ihre Kraft für eine systematische Analyse im Horizont gegenwärtiger Theologie aufwenden. Machen Sie keine Detailstudie wie etwa ‚Die Lehre der Vorsehung bei Kardinal John Henry Newman‘ oder ‚bei Josef Kentenich‘. Arbeiten Sie einen Gesamtüberblick aus. Das ist ein ambitioniertes Projekt, denn Sie müssen sich nicht nur auf wesentliche Strömungen der gegenwärtigen theologischen und philosophischen Denkrichtungen einlassen, sondern auch historisch arbeiten und klären, wie es zum Missbrauch des Begriffs der Vorsehung gekommen ist. Der Missbrauch macht eine Sache immer verdächtig und führt dazu, sich nicht mehr mit ihr zu beschäftigen. Durch die missbräuchliche Verwendung des Begriffs der Vorsehung im Dritten Reich wurde die Lehre von der göttlichen Vorsehung zu einer uninteressanten Provinz in der theologischen Forschung. Dies ist der Hauptgrund neben anderen.“

Neben der Thematik der göttlichen Allmacht bzw. Vorherbestimmung und der menschlichen Freiheit, dem Welthandeln Gottes vor dem Hintergrund des Evolutionsparadigmas, dem Wunderwirken Gottes und dem Bittgebet, ging es besonders um die spirituelle Bedeutsamkeit des Themas. Wenn wir im Vaterunser beten, dass der Wille Gottes geschehen möge, so muss es Kriterien geben, diesen zu erkennen. Welche sind das? Wie kann man unterscheiden, ob etwas von mir, von Gott oder vom Bösen stammt? Die Lehre von der Vorsehung Gottes, die eine Fortführung und gleichsam Ausdehnung des Schöpfungsglaubens ist, ist derart zentral, dass sie und das Wesen Gottes nahezu deckungsgleich sind. Wie kann ich aber glauben, dass Gott mit seiner liebenden Fürsorge mir nahe ist, wenn ich leiden muss und Unglück in meinem Leben und dem anderer Menschen geschieht? Die berühmte Theodizee-Problematik! Die dämonischen Aufgipfelungen des Bösen im 20. Jahrhundert wirkten wie ein mächtiger Hammerschlag auf das zerbrechliche Gefäß der Vorsehung, sodass nur relativ wenige Theologen sich überhaupt noch mit dieser beschäftigten. Und wenn, dann oft in einem Sinn, dass vom biblischen Gott und dessen Macht kaum noch etwas übrig blieb.

Wenn man auf die Vorsehung Gottes zu sprechen kommt, so erzählen nicht wenige Menschen erstaunliche Fügungen und Führungen in ihrem Leben, die sie auf den Einfluss einer höheren Macht bzw. Gottes zurückführen: „Da hatte Gott die Hand im Spiel, als dieses Unglück mich nicht getroffen hat“ oder: „Durch eine glückliche Fügung habe ich den Partner für mein Leben gefunden“. Solche Beispiele sind interessant und für das Glaubensleben stärkend. Meine Aufgabe sollte es sein, diese theologisch auszuwerten, gleichsam ein Destillat des Wirkens Gottes in der Welt und im Leben von Menschen herauszuarbeiten; es ging um Grundprinzipien seines Handelns und damit um eine theologische Auswertung exemplarischer Verdeutlichungen gelebten Vorsehungsglaubens.

Die Weite der Thematik war erschreckend und herausfordernd zugleich. Auf die Frage, wie ich meine Arbeit beginnen sollte, meinte mein Lehrer damals: „Mit Adolf Hitler und dessen Reden!“ Dieser hat in seinen Vorträgen ständig von der Vorsehung Gottes gesprochen, die ihn geführt hätte. Es ging um den Missbrauch in seinen Ausführungen. Das habe ich auch getan und dabei viel gelernt, wie ein wichtiger theologischer Begriff umgedeutet und verfälscht werden kann. Satan ist kein zweiter Gott, der diese Welt einkassieren wird, denn er hat keine schöpferische Macht wie dieser. Aber was er tun kann, ist, alles zu pervertieren und zu verdrehen, indem er Gott nachäfft, wie es Hitler getan hat. Bald habe ich aber gemerkt, dass dies nicht ausreicht, denn der Missbrauch des Begriffs der Vorsehung Gottes geht weiter zurück: Bei der theologischen Literatur zum Ersten Weltkrieg bin ich fündig geworden. Die uns von der Geschichte aufgebürdete Last ist zu berücksichtigen und aufzuarbeiten.

Damals wusste ich noch nichts von meiner späteren Aufgabe, ein christliches Radio katholischer Prägung mit Namen radio horeb in Balderschwang aufzubauen. Ohne die Erkenntnisse meiner Doktorarbeit hätte ich dies nicht leisten können. Schon im ersten Augenblick, als die Anfrage kam, dies zu übernehmen, war mir klar, dass dies die Aufgabe war, die Gott für mich vorgesehen hatte, und nicht die eines Lehrers an der Hochschule, an der ich mittlerweile in Benediktbeuern neben meiner Tätigkeit als Pfarrer in Bad Heilbrunn (1992–1995) tätig war. Drei Jahre intensiver Beschäftigung mit dieser Thematik – das war die Zeit, die hierfür vorgesehen war – hatten mein Sensorium, mein Wahrnehmungsvermögen für das Handeln Gottes geschärft. Dass Gott einen Plan für mein Leben und speziell für meine Aufgabe bei radio horeb hatte, empfand ich als Entlastung. Meine Aufgabe konnte „nur“ noch darin bestehen, diesem Raum zu geben und die Werke auszuführen, „die Gott für uns im Voraus bestimmt hat, damit wir mit ihnen unser Leben gestalten“ (Eph 2,10).

Meine damaligen Forschungsergebnisse waren prägend für mein ganzes weiteres theologisches Denken, vor allem aber auch sehr ernüchternd bezüglich dessen, was mit der Berufung auf Gottes Vorsehung alles gerechtfertigt wurde, auch in unserer Kirche. Sie halfen mir bei der Unterscheidung der Geister, um die es heute wie selten zuvor geht und für die dieses Buch sensibilisieren will. In einer eigenen Wortprägung hat der Gründer der Schönstattbewegung, P. Josef Kentenich, vom Zeitgeist und vom Geist der Zeit gesprochen. Wir sind immer wieder in Gefahr, dem Zeitgeist zu folgen, dem, was gerade in, aber morgen schon wieder out ist. Das entscheidet aber über Gelingen oder Scheitern im Leben. Denn wenn wir am (Heiligen) Geist der Zeit vorbeileben, verfehlen wir den Sinn des Lebens.

Im vorliegenden Buch werde ich in den ersten drei Kapiteln meine Forschungsergebnisse von damals in gekürzter Form wiedergeben, um anschließend die biblischen Grundlagen für den Geist der Zeit zu erörtern. Der Hauptinhalt unseres Glaubens, Tod und Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus, waren mit dem Zeitgeist von damals in keinster Weise kompatibel und haben sich trotzdem durchgesetzt. Sie wurden gegen diesen verkündet. Der alternative Lebensstil der Christen wurde auch in der anderen Einstellung zu Familie, Ehe und Sexualität deutlich. Die Erörterung des prophetischen Auftrags der Kirche führt in die Gegenwart und pastorale Praxis, die für fast alle Menschen, die damit befasst sind, äußerst frustrierend ist, weil trotz besten Bemühens kaum mehr ein Erfolg feststellbar ist. Die Menschen laufen der Kirche in Scharen davon. Abschließend wird erörtert, wie eine „pastorale Umkehr“ (Papst Franziskus) aussehen könnte, konkretisiert in den Alpha-Kursen. Immer wieder habe ich auch persönliche Erlebnisse und Begegnungen einfließen lassen, weil ich überzeugt bin, dass dies zu einer Verlebendigung beiträgt. Im Übrigen erhebe ich keinen Anspruch auf eine umfassende Bearbeitung des Themas. Jedes Kapitel steht für sich und in einer lockeren Verbindung zu den anderen.

Wir leben in einer Zeit großer geistlicher Verwirrung. Als ich 1995 Pfarrer von Balderschwang wurde und die Möglichkeit bekam, radio horeb aufzubauen, habe ich diese Chance ergriffen, weil ich die Bedeutung der Medien erkannte. Sowohl im Radio wie auch in unserer Kirche habe ich viele schwierige Zeiten erlebt. Ich glaube aber behaupten zu können, dass wir noch nie eine solche Verunsicherung bei den Gläubigen erlebt haben wie derzeit. Jeden Tag bekommen wir 50 bis 60 Rückmeldungen durch unsere Zuhörer, die dies belegen. Es bleibt nicht folgenlos, wenn ständig neu bisher Gültiges hinterfragt und mit ebenso großer Regelmäßigkeit von Rom zurückgewiesen wird. Resignation und Frustration breiten sich in bisher nicht gekanntem Ausmaß aus und erfassen auch Personen, die den Glauben praktizieren. Immer wieder taucht die Frage auf, was denn nun noch Gültigkeit habe. Diese wird oft von theologisch nicht Gebildeten gestellt.

Waren es bei Jesus nicht gerade die einfachen Leute, Ungebildete und Bedeutungslose, Kranke und Sünder sowie Menschen am Rand der Gesellschaft, die offen waren für Jesus und auf das Kommen des Reiches Gottes hofften?1 Gerade sie schützt der Herr, die keine religiösen Spezialisten sind. Spitzfindigen Argumentationen mit der Heiligen Schrift waren sie nicht gewachsen. Wer solchen Menschen ein Ärgernis bietet, dem führt der Herr ein furchtbares Bild vor Augen: den Mühlstein, mit dem dieser im See Gennesaret versenkt wird. Diese heidnische Art der Hinrichtung war in Israel verboten, weil der Exekutierte nicht begraben werden konnte. Die sachgerechte Übersetzung der Stelle bei Lukas (Lk 17,1f.) müsste in sinngemäßer Umschreibung lauten: Wer solche Menschen zu Fall bringt, ihnen zum Skandal wird, der käme noch gut dabei weg, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde.

Es würde mich freuen, wenn meine Ausführungen eine Hilfe zur Unterscheidung der Geister sein könnten, denn Fehler der Vergangenheit müssen nicht wiederholt werden. Für die Kirchenväter war diese Gabe des Heiligen Geistes den anderen geradezu übergeordnet, denn wenn kein Unterscheidungsvermögen vorhanden ist, ist auch ein spirituelles Leben im Sinn des Evangeliums nicht möglich. Sie ist somit den anderen Tugenden vorgelagert. Kirche und Theologie machten sich unglaubwürdig, wenn sie nicht auf den Geist Gottes, sondern auf den Zeitgeist gehört haben. Trotz vieler Herausforderungen bin ich zuversichtlich, denn die Beschäftigung mit dem Thema der Vorsehung Gottes hat gezeigt, dass sich seine Wege trotz großer Widrigkeiten letztlich immer durchsetzen.

1.

Als die Generalmobilmachung mit Pfingsten verglichen wurde

Zur Vorsehungsliteratur im Ersten Weltkrieg

Bei der damals eingesehenen Vorsehungsliteratur zum Ersten Weltkrieg und später auch zum Zweiten handelt es sich meist um die im Deutschen Bücherverzeichnis ausgewiesenen Veröffentlichungen, die während der Weltkriege zum Thema der Vorsehung geschrieben wurden.2

Schon ein erster Überblick über das Schrifttum zur Vorsehung im Ersten Weltkrieg – man hat es ausnahmslos mit Kleinschriften zu tun, die den Umfang von 40 Seiten selten überschreiten – liefert interessante Informationen.3 Es zeigt sich, dass

1. nahezu alle Schichten und Stände der katholischen Hierarchie, angefangen vom Kaplan über den Professor bis zum Erzbischof, sich zur Vorsehung geäußert haben, die Professoren sich aber besonders stark herausgefordert fühlten (immerhin 4 von 10!),

2. die katholischen Stellungnahmen (8) im Vergleich zu den evangelischen (2) überwiegen,

3. je länger der Krieg gedauert hat, desto weniger zum Thema „Vorsehung“ geschrieben wurde (Becks Gespräch über den Weltkrieg und die Vorsehung ist eine Größe eigener Art, darauf muss gesondert eingegangen werden).

Der Einstieg in das Thema ist bei allen fast gleich: Anhand der Schilderung der Not des Krieges für die Soldaten an der Front und der enormen Zerstörungen drängt sich von selbst die Sinnfrage bzw. die Vereinbarkeit mit einer gütigen Vorsehung auf.4 Freilich werden hier schon Unterschiede deutlich. Mit zunehmender Länge des Krieges wurden die Fragen immer quälender und bohrender gestellt. Jemand, der 1914 oder am Anfang des Jahres 1915 schrieb in der Hoffnung auf einen baldigen Sieg der deutschen Waffen, tat dies anders als jemand, der 1916 schon auf fünf Millionen Kriegstote zurückblicken musste.5 Die Bereitschaft, den Krieg zu rechtfertigen, verging spürbar. Offensichtlich war man sich an dessen Beginn noch nicht genügend bewusst, es mit einem modernen Waffengang zu tun zu haben mit einem bislang nicht bekannten Potenzial an Zerstörung.

Eine betont nationale, gelegentlich sogar eine nationalistische Einstellung ist bei allen Veröffentlichungen vorzufinden. Wiederholte Male wurde die These des deutschen Kaisers aufgegriffen, wonach dem Deutschen Reich der Krieg aufgedrängt wurde und die Schuld bei den anderen Nationen zu suchen sei. Dederichs: „Unser Volk – an der Spitze sein Friedenskaiser – wollte stets nur den Frieden … Nur notgedrungen, schmählichst hintergangen und meuchlings wie von Wegelagerern überfallen, hat der Kaiser zum Schwerte gegriffen. Nun aber, sagte er selber, ‚wollen wir sie auch gründlich dreschen’!“6 Kardinal Hartmann: „Der Ruf unseres Kaisers, mit dem er sein Volk aufrief zu einem Kampfe gegen eine Welt von Feinden – zu einem Kampfe, in den er reinen Gewissens zog, der Gerechtigkeit unserer Sache vor Gott gewiss: War dieser Ruf nicht ein Ruf der göttlichen Vorsehung für uns alle? … Mit Gott in den aufgezwungenen Kampf.“7 Horbach: „Denn ist je ein Krieg in der Welt geführt worden, den ein Volk und sein Fürst vor Gott verantworten konnten, so ist es dieser Notwehrkrieg, den wir Deutsche führen müssen.“8 Gspann: „Der gegenwärtige Krieg ist für uns Österreicher und Deutsche eine heilige Mission, für unsere Gegner ein ganz schauerliches Strafgericht.“9 Aber auch dort gibt es Unterschiede und Stufungen. Während Eßer mit seinen kritischen Äußerungen sich positiv abhebt,10 fallen die beiden evangelischen Pastoren Delbrück und Horbach, Kaplan Dederichs und Professor Gspann negativ mit ihren überzogenen Feindbildern auf. Bei Dederichs klingen rassistische Untertöne an: Bei einem deutschen Sieg sei mit einer „Verdrängung der unchristlichen wilden Turkos, Zuaven, Japaner, Indier usw.“11 zu rechnen. Der Soldat müsse sich zwar jeglichen persönlichen Hasses gegen den Feind enthalten, trotzdem gilt aber für Horbach: „Nicht scharf genug kann Englands Treulosigkeit, Hinterlist und Heuchelei verurteilt und verabscheut werden.“12 Ganz und gar nicht unchristlich sei das „deutsche Ungestüm“, der furor teutonicus: „Das ungestüm-wilde und todesmutige ‚Hurra!‘ beim deutschen Bajonettangriff lässt den Feind so erzittern und beben, dass er nicht standhalten kann.“ Beim „pflichtmäßigen Töten, das als Notwehr erfolgt“, hätten die tapferen Krieger machtvoll den Gesang „Deutschland, Deutschland über alles“13 ertönen lassen. Delbrück macht die Einkreisungspolitik des englischen Königs Eduard, „die politischen Schachzüge Greys, die Habsucht Englands, die Rachegedanken Frankreichs … die Ausdehnungsgelüste Russlands“14 für den Ausbruch des Krieges verantwortlich. Kaum mehr überbietbar ist Gspann: „Der Engländer von heute ist wortkarg, mürrisch, materialistisch … England ist, als Nation betrachtet, das perfideste Volk der Erde … Frankreich ist das Land der Revolutionen, der Riesenskandale und der Sittenlosigkeit … Russland und tyrannischer Despotismus sind ein und dasselbe.“15

Die radikalen Umdeutungen und Verfälschungen des christlichen Glaubens hat W. Pressel in seinem Buch „Die Kriegspredigt 1914–1918 in der evangelischen Kirche Deutschlands“ aufgezeigt. Es gab so gut wie keine theologische Aussage, die nicht auf den Krieg hin „aktualisiert“ wurde: Der Enthusiasmus des Kriegsbeginns wurde als neues pfingstliches Ereignis, als Mobilmachung durch den Heiligen Geist verstanden, der Erwählungsgedanke in säkularisierter Weise auf das deutsche Volk angewandt, die paulinische Gegenüberstellung von „Geist“ und „Fleisch“ als Überlegenheit des deutschen Geistes und fleischliche Gesinnung des militärischen Gegners ausgelegt, der Glaube als psychische Energie, als rückhaltlose Bereitschaft für Kraftleistungen und Opfer interpretiert und die Lehre von den Letzten Dingen einer radikalen Verfälschung unterzogen. Der Missbrauch der Kanzel zur politischen Propaganda war so offensichtlich, dass er sogar in Versailles von den alliierten Politikern zur Sprache gebracht wurde. Wie brisant die Forschungsergebnisse Pressels sind, zeigt sich darin, dass der evangelische Bischof O. Dibelius in einem Brief vom 29. August 1962 Pressel das Recht absprach, die Kriegspredigten jener Zeit zu kritisieren.16 Dieser ließ sich dadurch jedoch nicht beirren und veröffentlichte sie. Der Missbrauch der kirchlichen Verkündigung für politische Agitation blieb für die evangelische Kirche, wie Wischmann in seinen Lebenserinnerungen darlegt, nicht folgenlos. Nach dem Krieg lichteten sich selbst auf dem Land die Reihen der Gottesdienstbesucher beträchtlich. Die Menschen spürten, dass man sie in die Irre geführt hatte; das rächte sich nun.17 In der Theologie entwickelte Karl Barth (1886–1968) als Gegenreaktion auf die Vereinnahmung Gottes durch fragwürdige Identifizierungen seines Willens mit konkreten Geschichtsereignissen einen Transzendenztheismus, bei dem Gott als radikal vom Weltgeschehen abgehoben gedacht wurde. Allgemein kann gesagt werden, dass der Krieg als ein Straf- und Läuterungsmittel Gottes gesehen wurde für die Sünden der Menschen,18 besonders den sittlichen Verfall in der Vorkriegszeit. Die militärische Auseinandersetzung ist nicht nur negativ besetzt; sie setzt Kräfte des Guten frei: Geduld im Ertragen von Widerwärtigkeiten, Opferbereitschaft, Kameradschaftlichkeit, nationales Ehrgefühl, Rückgang sittenloser Ausschweifung und Weckung der Glaubenskräfte („Not lehrt beten“).19

Andeutungen, etwa im Anschluss an Jes 55,8f., wonach die Vorsehung Gottes menschlicher Einsichtnahme nicht ohne Weiteres offensteht, oder im Hinblick auf die Torheit des Kreuzes sind selten;20 aber auch euphorische Aussagen wie die folgende sind singulär: „Wahrlich: Krieg und Vorsehung, das Problem ist gelöst. Die Frage quält nicht mehr.“21

Da nahezu alle (!) eingesehenen Schriften von der Gerechtigkeit der deutschen Sache überzeugt sind, wurde die Frage des Bittgebetes relativ einfach gelöst: Man muss sich selbst von Sünden reinhalten und Gott nur intensiv genug um den Sieg bitten, dann wird er zweifellos dem deutschen Volk geschenkt werden. Delbrück: „In der Gewissheit der Gerechtigkeit unserer Sache bauen wir in Bitte und Gebet darauf, dass Gott in seiner Vorsehung uns helfen werde.“22 Auf die Frage, ob es nicht angemessener sei, um den allgemeinen Frieden zu beten, antwortet Dederichs so: „Gewiss! Aber auch zugleich um unseren Sieg.“23 Ähnlich Horbach, der mit dem Gebet des Soldaten für den Sieg überhaupt keine Schwierigkeiten hat, sofern sich der Soldat nur um ein sittlich gutes Leben müht.24 Selbst wenn alles zunächst natürliche Ursachen habe, so ist es doch Gott, der diese aneinanderfügt. Deshalb ist es letztlich sein Wille, wer Sieger oder Verlierer ist. Huber: „Darum beten wir zu ihm um den Sieg unserer Waffen.“25 Genuin theologische Ansatzpunkte sind in dieser auf Breitenwirksamkeit bedachten Literatur nur wenig zu erwarten; dass sie aber beim Bittgebet nur bei Schreiber anzutreffen sind, überrascht in dieser Spärlichkeit dann doch.26

Sowohl vom Zeitpunkt der Abfassung (1918) wie vom literarischen Genus (gewählt wird die Form des Gesprächs zwischen einem Studenten, der im Krieg den Glauben verloren hat, und seinem alten Pfarrer) hebt sich Becks Schrift „Weltkrieg und Vorsehung“ von den übrigen ab. Die blutige Saat der Gewalt und Zerstörung war nun nicht mehr zu übersehen: „Ganze Bataillone wurden weggemäht von den Maschinengewehren.“27 In der Sprache und im Ausdruck des Studenten schwingt die ganze Bitterkeit des erlebten Leids mit.28 Der Pfarrer verweist in seiner Entgegnung auf ein falsches Gottesbild,29 das sündhafte Begehren nach Ruhm und Vorrang als eigentlichen Grund des Krieges, die Fortschritte einer gottentfremdeten Naturwissenschaft, die nun auf den Menschen selbst im „‚Triumph‘ der Kultur zum Vernichtungskampfe“30 zurückschlagen, den Geheimnischarakter der Vorsehung sowie auf die Liebe Gottes als Motiv von Schöpfung und Erlösung und den Ausgleich im Jenseits. Auch wenn der gute Ausgang des Gesprächs etwas gekünstelt erscheint,31 so dürfte doch Becks „Weltkrieg und Vorsehung“ das Beste sein, was zum Thema der Vorsehung im Ersten Weltkrieg geschrieben wurde.

Wenn aus heutiger Sicht auf die Vorsehungsliteratur im Ersten Weltkrieg zurückgeblickt wird, ist darauf zu achten, keinem Anachronismus zu verfallen. Die Kriegsbegeisterung war 1914 allgemein. Im Vergleich zu dem damals üblichen übertriebenen Nationalismus sind die eingesehenen theologischen Aufsätze sogar noch moderat im Ton. Trotzdem kann damit nicht alles entschuldigt werden. Es ist bedrückend, wenn sich keine einzige (!) kritische Anmerkung zu der aggressiven Hochrüstungspolitik und dem unverantwortlichen „Säbelrasseln“ des Wilhelminischen Deutschland findet und die Kriegsschuld allein den anderen Staaten angelastet wird.

Es bleibt der bittere Nachgeschmack, dass die Vorsehung zur Rechtfertigung des Krieges herangezogen wurde. Trotz andersartiger verbaler Beteuerungen wurde das wahnwitzige Töten an der Front bei Weitem nicht in voller Schärfe erkannt. Dementsprechend oberflächlich und seicht wurde die Frage nach dem Leid angegangen. Aufgrund der Voreingenommenheit für die deutsche Kriegsführung ist es beschämend, was zum Bittgebet gesagt wurde. Der Geheimnischarakter der Vorsehung wurde nicht zur Genüge erkannt und betont. Es blieb nicht ungestraft, wenn man vorschnell davon ausging, Gott auf seiner Seite zu haben. Insofern hat die Kritik Wiecherts32, dass die Kirche zu den Opfern nicht immer das Richtige gesagt habe, tatsächlich eine gewisse Berechtigung, wenngleich auch hier nicht in unguter Weise verallgemeinert werden darf.

Meine beiden Großväter kämpften im Ersten Weltkrieg an der Front. Mein Vater wurde als 16-Jähriger noch in den letzten Kriegsmonaten zur Wehrmacht und dem Dienst mit der Waffe eingezogen. Die zu erörternden Zeiten sind vergangen. Sie liegen durch das persönliche Erleben und Berichten aber noch in Reichweite.

Das Eiserne Kreuz

Eine begehrte Auszeichnung im Krieg war das Eiserne Kreuz. Ich habe ein solches beim Aufräumen auf dem Speicher des Dachbodens meines Elternhauses gefunden. Darauf war eingeprägt: 1914/1915. Angeblich wurde das meinem Großvater väterlicherseits verliehen. Auf einem weiteren kleinen Eisernen Kreuz, das ich zusammen mit diesem fand, war außer den Jahreszahlen 1914/15 noch zu lesen Gott mit uns! Das heißt auf Hebräisch Immanuel, auf Lateinisch Emmanuel (Jes 7,14). Auch auf den Koppelschnallen der deutschen Soldaten war dies eingraviert. War Gott mit den Soldaten des Kaiserreiches im Ersten Weltkrieg? Kann man das so einfach sagen? Ist das nicht höchst problematisch und eine Übertretung des zweiten Gebotes, Gottes heiligen Namen nicht zu missbrauchen? War Gott mehr mit den Deutschen als mit den Franzosen und den Engländern – und das bei einem „Handwerk“, in dem es darum ging, andere Menschen zu töten, Landschaften und Häuser zu zerstören und andere Nationen zu überfallen?

Wenn die Kreuzritter mit dem Schlachtruf Deus lo vult – „Gott will es“ in den Kampf gezogen sind, bestärkt in dem Wissen, dass Papst und Kirche hinter ihnen standen, dann kommt uns das heute sehr fragwürdig vor. Hat Gott das wirklich gewollt, was bei den Kreuzzügen alles an Unheil, Schrecken und Mord angerichtet worden ist? Fragwürdige Identifizierungen des Willens Gottes mit geschichtlichen Ereignissen und eigenen Willensäußerungen hat es in der Geschichte immer gegeben. Sie sollten uns nachdenklich stimmen, zumal wenn sie gegen die dezidierte Lehre und Verkündigung Jesu stehen.

Der Mann aus Nazaret hat genau das Gegenteil dessen gesagt, was hier gerechtfertigt wurde: „Selig, die Frieden stiften“ (Mt 5,9). Das konnte man jedoch in keiner einzigen Schrift lesen, auch nicht: „Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen“ (Mt 5,44). Das war nirgends zu lesen. Petrus forderte er auf, sein Schwert wegzustecken, „denn alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen“ (Mt 26,52). Eine einseitige und interessengeleitete Exegese liest aus der Bibel das heraus, was sie will, und missbraucht sie so. Mit intellektueller Redlichkeit hat das nichts mehr zu tun.

Es gab damals – im Unterschied zum Dritten Reich – keine Berufs-, Schreib- oder Redeverbote oder sonstige Repressalien, mit denen man rechnen musste, allenfalls eine gesellschaftliche Erwartungshaltung, der man nicht entsprach. Deshalb ist das angepasste Verhalten der Theologen umso verwerflicher. Wer meint, dass es nicht noch schlimmer hätte kommen können, sollte sich täuschen. Es kam noch schlimmer, und zwar in einem kaum mehr zu überbietenden Ausmaß bei der sogenannten Bewegung der „Deutschen Christen“ und das nur wenige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts. Das zu zeigen, ist die nächste Aufgabe.

2.

Von braunen Synoden und billiger Gnade

Die Antwort Bonhoeffers in seinem Werk „Nachfolge“

Es wäre ein Skandal, wenn ein bekannter Influencer vor Pfingsten auf den heute üblichen Social-Media-Kanälen schreiben würde: „Wir feiern bald Pfingsten, die Herabkunft des Heiligen Geistes. Ein anderes pfingstliches Ereignis fand im August 1914 statt, denn die Generalmobilmachung Deutschlands und Österreich-Ungarns war auch ein Pfingstereignis. Begründung: Alle Kräfte wurden damals eingesetzt und mobilisiert, um das Ziel einer heiligen Mission zu erreichen.“ Eine solche Aussage würde empörte Reaktionen hervorrufen, denn beim Pfingstereignis in Jerusalem ging es darum, mit dem Geist Gottes ausgerüstet zu werden, um das Evangelium des Friedens in die ganze Welt hinauszutragen, während es sich bei der Mobilmachung darum handelte, gegen andere Nationen in den Krieg zu ziehen und zu töten. Die Regierenden haben diesen Krieg als Kräftemessen verstanden. Jeder glaubte, dem anderen überlegen zu sein, und das sollte auch militärisch unter Beweis gestellt werden. Von vielen Theologen und Hirten der Kirche wurde dies abgesegnet als „pflichtgemäßes Töten“ aus Notwehr. Man würde meinen, dass zumindest die evangelische Kirche daraus gelernt hätte, denn wie schon dargelegt wurde, hatte sich die Zahl der Gottesdienstbesucher selbst auf dem Land erheblich reduziert, weil in den Kriegspredigten das Wort Gottes massiv missbraucht wurde. Massentötung, Gewalt und Nationalismus wurden mit Berufung auf Gott gerechtfertigt. Die Menschen quittierten dies, indem sie sich von ihrer Kirche distanzierten.

Alexander Garth, der protestantische Pfarrer von Wittenberg, schrieb in Bezug auf seine Kirche, dass damals das Gedankengut des Nationalsozialismus „die ganze Kirche total mit diesem braunen Ungeist kontaminierte, pervertierte und schließlich paralysierte … Leuchtende Ausnahme: Dietrich Bonhoeffer.“33

Um diese harte Anklage Garths zu verstehen, ist es wichtig, sich den geradezu religiösen Anspruch der damaligen Machthaber zu vergegenwärtigen. Anschließend werde ich auf die „leuchtende Ausnahme: Dietrich Bonhoeffer“ und dessen Kampfschrift „Nachfolge“ eingehen, die uns Grundsätzliches zum Thema Zeitgeist und Geist der Zeit zu sagen hat.

Ein theologischer Ausdruck hatte es Hitler und der braunen Bewegung besonders angetan: die Vorsehung Gottes. „Selbst Christen waren gerührt, wenn sie am Schlusse seiner Reden sein übliches Finale auf die göttliche Vorsehung hörten.“34 In seinen Reden ist über die Vorsehung oft mehr zu finden als in vielen Katechismen und theologischen Werken! In einem Buch, das die Reden Hitlers in der Kriegszeit dokumentiert, ist im Stichwortverzeichnis zur Vorsehung folgende Auflistung zu finden: „Glaube a. d. V., Eingreifen d. V., Beistand d. V., Segen d. V., Prüfungen durch d. V., Bitten a. d. V., Dank a. d. V.“35 Nur von dieser Aufstellung her muss jemand, der vom Verfasser nichts weiß, annehmen, ein theologisches Werk vor sich zu haben! Was Hitler der Vorsehung im Einzelnen alles zuschreibt, ist erstaunlich:36 Sie hat ihn dazu bestimmt, seinen konkreten Weg zu gehen. Es war ihr Wille, dass dem deutschen Volk der Kampf nicht erspart blieb; trotz grausamer Prüfung wird sie ihm in Zukunft weiterhin beistehen und schließlich den Siegespreis verleihen. Beachtlich ist die pseudoreligiöse Aufladung in den folgenden Sätzen: Für den Heldenmut an der Front „wird auch – das können wir als Menschen, die an eine Vorsehung glauben, annehmen – auch ein unvergänglicher Lohn kommen“.37 Er erbittet sich von der Vorsehung, „dass sie den Weg unserer Soldaten behütet und segnet wie bisher!“38 Sie hat überhaupt den Kampf der Nationalsozialisten gesegnet. Die Vorsehung des himmlischen Vaters in seiner Güte und Liebe wurde abgelöst durch eine Es-Macht: das düstere, unpersönliche, gesichtslose fatum, das Schicksal.

Mit der Vorsehung generell eng zusammenhängend ist der Gedanke der Erwählung durch Gott, dem seitens des Menschen ein Sendungsbewusstsein korrespondieren kann. Bei großen Gestalten der Geschichte ist dies oft feststellbar.39 Hitlers Missionsbewusstsein scheint sehr stark entwickelt gewesen zu sein. Seinem Vertrauten der Jahre 1929 bis 1933, Wegener, sagte er mit hellen Augen und in die Weite blickend: „Auch ich bin vielleicht nur dazu bestimmt, mit der Fahne der Erkenntnis vor euch herzugehen. Ihr müsst hinter mir das Werk vollbringen. Ich muss meiner Eingebung, meinem Auftrag folgen. Ihr