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Durch die Kombination von Meditation, Philosophie und Lebenskunst bietet Zen eine stabile Orientierung in einer instabilen Welt. Zen ist Aufbruch in eine selbst bestimmte innere Freiheit durch Loslassen und Zuwenden zwei Seiten einer Medaille. Die in diesem Buch vorgestellte Zen-Meditation ist kein Ausstieg aus der Wirklichkeit, keine Konzentration, sondern ein Sich-Öffnen für alles, was kommt, ohne sich darin zu verstricken. Die 5 Schritte des Zen bringen innere Stabilität und Gelassenheit auch im Alltag: (1) Wahrnehmen, (2) Annehmen, (3) Loslassen, (4) Stille, um sich schließlich wieder den Dingen bewusst und in freier Entscheidung (5) Zuwenden zu können. Diese Übung des Loslassens und eine daraus entstehende innere Stille ermöglichen unabhängig von konfessioneller Zugehörigkeit tiefe Seins-Erfahrungen von Einheit und Geborgenheit, mit einer mystisch-religiösen Qualität. Zen kennt keine konkreten Glaubensvorstellungen oder Dogmen, immer geht es um eigene Erkenntnis und Erfahrung. Dieses Buch stellt eine Schatztruhe des Zen dar, in die auch Lebenserfahrungen des Autors mit einfließen, aufgelockert durch Humor und viele Zitate, Sätze der Weisheit aus Ost und West. Mit 26 unabhängig voneinander zu lesenden Kapiteln lädt dieses Werk ein zum Informieren, Schmökern, Entdecken ob Neuling oder alter Hase. Hier wird keine absolute Wahrheit verkündet, nichts, was Sie einfach glauben müssten. Es geht um Anregungen und Impulse für Ihren eigenen Weg! Der Autor, Mugaraito Günter Weber ist Zen-Lehrer mit über 26 Jahren Seminarerfahrung. Von Beruf Bauingenieur, wurde Zen zum integrierten und tragenden Element seines Lebens. Seit 1994 ist er Nachfolger seines Zen-Lehrers Prof. Fritz Hungerleider, Wien (gest. 1998), dem ersten Meditationslehrer des Zen-Buddhismus im deutschsprachigen Raum, langjähriger Präsident der Österreichischen Buddhistischen Gesellschaft. Der japanische Zen-Name Mugaraito, bedeutet wörtlich: Nicht-Ich komme Mensch, sinngemäß: Ohne eine Vorstellung vom Ich, ohne ein Haften am Ich, seine (Mit-) Menschlichkeit verwirklichen.
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Seitenzahl: 297
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Zen im Alltag: Loslassen und Zuwenden - das Geheimnis gelassener Stabilität
Auszug aus dem Gesamtwerk
"Gelebtes Zen - Aufbruch in die Freiheit"
Autor: Mugaraito Günter Weber
In Liebe meiner Frau Gerda gewidmet, die für mich ein Geschenk aus einer Verbindung von Himmel und Erde ist.
Sei du selbst
„Sei du selbst in jedem Augenblick,
leb' im Jetzt, schau' nicht zurück —
mach' dir doch um das Morgen
nicht ständig heut' schon Sorgen!
Nur wenn Du du bist, kannst Du leben,
nur wenn Du stark bist, kannst Du geben —
Harmonie in deinem Sein
wird aus Zwängen dich befrei'n."
(Mugaraito Günter Weber)
Das vorliegende eBook ist eines von sieben Auszügen aus dem Gesamtwerk „Gelebtes Zen - Aufbruch in die Freiheit“
Übersicht lieferbarer eBooks:
Zen als Meditation ohne Konzentration: Ankuft im Hier und Heute
Teil 1- 1.1, 1.2, 1.3, Teil 2- 2.1, 2.2
ISBN 978-3947104-47-5 (eBook 01)
Zen im Alltag: Loslassen und Zuwenden – das Geheimnis gelassener Stabilität
Teil 1- 1.4, 1.5, 1.6, 1.7, 1.8, 1.9, 1.10
ISBN 978-3947104-48-2 (eBook 02)
Zen als mystische Seinserfahrung: Geborgenheit und Urvertrauen
Teil 1- 1.2, Teil 2- 2.2, Teil 3- 3.3, 3.6
ISBN 978-3947104-49-9(eBook 03)
Quellen des Zen – von den Ariern (Veden) nach Kalifornien
Teil 2- 2.1, 2.2, 2.3, 2.4, 2.5, Teil 4- 4.1, 4.2
ISBN 978-3947104-50-5 (eBook 04)
Zen-Philosophie: Bilder im Spiegel deines Geistes
Teil 2- 2.1, Teil 3- 3.1, 3.2, 3.4, 3.5,
ISBN 978-3947104-51-2 (eBook 05)
„Apersonale Wiedergeburt“ als karmischer Impuls: Ein Plädoyer des Zen für ein neues Verständnis von Wiedergeburt
Teil 2- 2.1, 2.2, 2.3, 2.4, Teil 3- 3.3
ISBN 978-3947104-52-9 (eBook 06)
Das „Apokryphe Sûtra des Hung-lei“: Buddha spricht aus Sicht des Zen; humorvoll und fundiert
Teil 5
ISBN 978-3947104-56-6 (eBook 07)
Gesamtwerk „Gelebts Zen – Aufbruch in die Freiheit
ISBN 978-3-947104-46-8 (Gesamtwerk eBook 01 - 07)
www.mugaraito.de
Verlag: FQL Publishing, München
www.fql-publishing.com
München 2019
ISBN 978-3-947104-48-2
© Mugaraito Günter Weber
Die vorliegende Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Grafiken ist nur mit schriftlicher Zustimmung des Verlages gestattet. In diesem Buch werden u.U. eingetragene Warenzeichen, Handelsnamen und Gebrauchsnamen verwendet. Auch wenn diese nicht als solche gekennzeichnet sind, gelten die entsprechenden Schutzbestimmungen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt kontrolliert. Weder Autor noch Verlag können jedoch für Schäden haftbar gemacht werden, die in Zusammenhang mit der Verwendung dieses Buches stehen.
Autor
Mugaraito Günter Weber ist Zen-Lehrer mit über 26 Jahren Seminarerfahrung. Von Beruf Bauingenieur, wurde Zen zum integrierten und tragenden Element seines Lebens. Seit 1994 ist er Nachfolger seines Zen-Lehrers Prof. Fritz Hungerleider, Wien (gest. 1998), dem ersten Meditationslehrer des Zen- Buddhismus im deutschsprachigen Raum und langjähriger Präsident der Österreichischen Buddhistischen Gesellschaft.
Kapitelübersicht
„Auf strebt der Geist! Wie schwer sind doch die Füße. Und doch: Was wären wir ohne dieses „Schritt für Schritt"?"
(M.G.W. beim Aufstieg zum Kloster Tsemo / Ladakh)
Zu Beginn
Teil 1 - Zen im Alltag
1.4 Verändern durch Annehmen
1.5 Weder Optimist noch Pessimist
1.6 Wie Ratten im Labyrinth? „Richtig Handeln"
1.7 Kann denn Mitleid Sünde sein?
1.8 Die Liebesfalle
1.9 „GenießZen"— Freude am Leben!
1.10 Wer sich in der Quelle der Natur erneuert ...
Und zum Schluss ...
Anmerkungen
Textnachweis
Bildnachweis
Von mir über mich
Danke!
Inhaltsverzeichnis
Zu Beginn
Aufbruch in die Freiheit
Zen ist radikal anders
Zum Aufbau dieses Buches
Teil 1 Zen im Alltag
1.4 Verändern durch Annehmen
Geschehen ist geschehen
Warum Loslassen besser ist als Vergeben
Im Sog der Vergangenheit
Es ist so wie es ist
Die „Klassischen fünf Stufen"
Frei werden von Vorstellungen
Schicksal — Fügung — „Durch Leid zum Licht"?
Annehmen als wertfreie Ausgangsposition
Verändern durch Annehmen
Ungerechte Verdächtigungen einfach annehmen?
Aufhören, ständig zu urteilen
Zuhören ohne sofort zu werten
Die Rahmenbedingungen unseres Seins annehmen
Freiheit heißt: Annehmen meiner Grenzen
Kann ich mich selbst akzeptieren?
Ich akzeptiere (Swami Dayananda Saraswati)
Das Annehmen des Anderen verändert alles
1.5 Weder Optimist noch Pessimist!
Der Optimist und der Pessimist
Nasse Füße auf dem neuen Bahnsteig!
Das wars dann: „Therapieresistent!"
Optimist bin ich nicht — Pessimist erst recht nicht!
Humor als Kraftquelle
Das war's dann doch noch nicht!
Positives Denken wirkt — und das ist das Problem!
Tun, was im Augenblick getan werden kann „Der Retter" (William M. Harg)
1.6 Wie Ratten im Labyrinth? „Richtig Handeln"
Von Menschen und Ratten
„Der vierfache Trost" des Buddha
In der Einsamkeit unseres Gewissens
„Was würdest Du tun, wenn ...?" (Joan Baez)
„Gewissensgründe? Das kann jeder behaupten!"
Das Gewissen als Maßstab für unser Handeln?
„Erhalt von Leben" contra „Verurteilung zum Leiden"
„Richtig Handeln" aus Sicht des Zen
„Richtet Euch nicht ..."
„Wu wei — „Nicht-tun": Handeln aus der Einheit
Intuition — weder rationales Denken, noch Emotion
1.7 Kann denn Mitleid Sünde sein?
Geteiltes Leid ist doppeltes Leid
Die „Güte-Meditation"
„Mitfreude"— Gönnen wir anderen ihr Glück?
Mitgefühl statt Mitleid — nur Wortklauberei?
„Karunä" — Mitfühlen ohne mit zu leiden
Mitgefühl praktizieren
Das größte Glück: Für sich selbst sorgen können
1.8 Die Liebesfalle
Was ist „Liebe"?
Die Liebesfalle: Unsere Vorstellungen von Liebe
Liebe + Gleichmut; die buddhistische Sicht
Liebe in der Partnerschaft
Verliebt-Sein ist toll! Umgang mit Gefühlen
Seinen Nächsten „lieben"?
Das Potential der Liebe
1.9 „Genie ßZen" — Freude am Leben!
Genießen hat viele Aspekte
Ja, wenn ich Zeit hätte ...
Ja, wenn ich reich wär...
Genießen und Glück im Buddhismus
Ich will glücklich sein!
Genießen-Können als Lebenskunst
Verlangen zerstört das Genießen
Einfach zufrieden sein
Das Leben genießen durch Selbstironie und Humor
1.10 Wer sich in der Quelle der Natur erneuert
„Gib dein Selbst auf!"
Natur mit allen Sinnen erleben
Naturwesen
Kraftplätze
Löwenzahn, Bäume und Berge
Natur als Zugang zur höchsten Wirklichkeit
Natur als Ursprung aller Religionen
Begegnung mit einem „Kami"-Baum
Staunen und Demut
Naturerfahrung im Heiku
IV. Anmerkungen des Herausgebers
V. Nachwort
VI. Abkürzungen
Und zum Schluss ...
Nachweis der Textquellen
Anmerkungen
Bildnachweise
Von mir über mich
Danke!
Zen ist radikal anders!
„Erst wenn jeder Halt an einem Konzept aufhört, ist frisches Verstehen möglich. Es entstehen Gedanken und Einsichten, die nie zuvor gedacht oder gesehen wurden."
Avadhuta Gita (hinduistisches philosophisches Werk, um 400 v.J.)
„Radikal anders" bedeutet, sich auf die Begegnung mit einem Weltund Menschenbild einzulassen, das in seinen Ursprüngen 3500 Jahre alt ist (Arier/ Veden), jedoch für viele eine Herausforderung darstellt: sowohl für unser Selbstverständnis als Person (Seele), wie auch für unsere religiöse Prägung (Gott) und unseren physikalischen Wirklichkeitsbegriff (mit Ausnahme der Quantenphysik, deren Aussagen denen des Zen weitgehend entsprechen).
Nachfolgend eine Übersicht zu Grundaussagen des Zen, wie ich sie aus meinen Erfahrungen und meinem Zen-Verständnis heraus darstelle. Manches ist hierbei auch gegenüber anderen Darstellungen des Zen und des Buddhismus „radikal anders"!
Entscheidend für mich ist: „Glauben Sie mir kein Wort"! Übernehmen Sie nichts, was Sie letztlich nicht nachvollziehen können. Maßgebend ist Ihre eigene Seins-Erfahrung, wenn Sie Zen in Ihren Alltag integrieren.
Zen ist radikal anders — und kann gerade dadurch Ergänzung und Bereicherung unseres Weltbildes sein! Zen kennt beispielsweise:
►kein unveränderliches, beständiges Selbst (Seele); das „Ich" ist eine Konstruktion unseres Bewusstseins, ►die „Wirklichkeit" nur als subjektive Erscheinung (individuell und menschentypisch), auch in der Naturwissenschaft, ►eine absolut monistische Weltsicht: „Das Transzendente ist Wesensbestandteil des Physikalischen" ►eine Meditation ohne Konzentration ►eine rein selbstverantwortete Ethik „nach bestem Wissen und Gewissen" (mit dem Ziel, Leid und Unheil zu vermeiden) ►ein Verändern durch Annehmen ►Loslassen, Gelassenheit, dann aber auch bewusstes Zuwenden als zentrale Elemente der Lebenskunst (ob Leid, Tod, Mitgefühl, Liebe oder Genießen) ►ein Selbstverständnis als Religion ohne konkretisierte Glaubensvorstellungen (jedoch mit Urvertrauen und Dankbarkeit). „Wenn es eine letzte Wirklichkeit gibt, dann kann das nur eine sein."
Die Glaubensvorstellungen aller Religionen (und auch die Aussagen des Zen) können deshalb nur „der Finger sein", der auf diese letzte Wirklichkeit, Urgrund und Basis unseres Seins, hinweist.
Wirklichkeit: „Wirklichkeit" wird definiert als erfahrbarer, individueller, subjektiver, dynamischer Prozess. „Die Art und Weise, wie wir die Welt wahrnehmen und erleben, ist ein Produkt unseres Gehirns, unseres Bewusstseins." (M.G.W.) Alles sind subjektive bzw. menschentypische Erscheinungen (vgl. Phänomenologie Husserl, Heidegger) die in einer Wechselbeziehung zu uns stehen; auch unser eigenes Ich.
Über das Wesen einer dahinter stehenden, „objektiven" Realität kann aus Sicht des Zen nur ausgesagt werden dass sie die Möglichkeitsbedingungen, das Potential für alles Seiende, für alle Erscheinungen darstellt. Augustinus hat sinngemäß gesagt: „Wo das Erkenntnisvermögen endet, fängt der Glaube an." Zen sagt: „da können wir nichts darüber aussagen". Aussagen im Zen sind immer nur „der Finger, der auf eine Höhere Wirklichkeit hinweist":
Religion: Zen ist genau das Gegenteil von „etwas glauben". So kennt Zen keine konkretisierten Glaubensvorstellungen, wie „Gott", „Seele", „Ewiges Leben"; sie werden aber auch nicht explizit negiert. Zen meint nur, dass wir uns sehr leicht in Glaubensvorstellungen verstricken, sie - in unserer eigenen Interpretation - als objektive „Wahrheit" und „Wirklichkeit" ansehen. Diese Gefahr gilt auch für den Buddhismus, z.B. in Bezug auf „Wiedergeburt". Deshalb heißt es im Zen: „Jenseits der Gedanken (Bilder, Konzepte, Vorstellungen) liegt die große Wirklichkeit".
Durch meditative Erfahrung erlebt sich der Einzelne verwoben mit dem Urgrund des Seins und es entwickelt sich ein Urvertrauen, das unabhängig ist von konfessioneller Zugehörigkeit. Zen ist „das Akzeptieren des gewöhnlichen Seins mit dem ganzen Herzen, mit dem ganzen Wesen" (Osho)
„Zen ist Religion ohne eigene Konfession. Es ist Religion durch die mystische Erfahrung des Verbunden-Seins mit dem Urgrund unseres Seins, der Nicht-Zweiheit mit der Natur, mit allem Sein, einem Gefühl von Geborgenheit und einem daraus resultierenden Urvertrauen." (w.G.VV.)
Weltbild: Einheit der Wirklichkeit im Zen (Monismus): „Das Transzendente ist Wesensbestandteil des Physikalischen" (m.G.vv.). Das Sein manifestiert sich in allem Leben, in allen Dingen (wie Gott bei Meister Eckhart). Im Zen ist es apersonale letzte Wirklichkeit.
Das Sein als Urgrund des Seienden wird im Zen mit „Leerheit" bezeichnet, frei von Strukturen und Erscheinungen der physikalischen Welt; „leer" aber auch, weil man nichts darüber aussagen kann, außer, dass es ein Potential darstellt, Möglichkeitsbedingungen für alles Existierende. „Das unvorstellbare Mysterium, das Wunder des Kosmos und unserer Existenz, reduzieren wir durch unsere Vorstellungen auf das uns gerade noch Vorstellbare." (M.G.W.)
Zyklisches Weltbild: Aus Nichts kann nichts entstehen; „das Sein ist" (Heidegger). Alles ist in ständigem Wandel von Werden, Bestehen und Vergehen, also „Leben"; so wie ein Kreis ohne Anfang, ohne Ende. Zwar gibt es einen Beginn („Big Bang") unseres Universums, jedoch keinen Beginn des Seins, keinen „Schöpfungsmythos". Im „(Welt)All" als Gesamtheit alles Existierenden könnten Universen (auch Parallel- Universen) entstehen und vergehen — Zen lässt dies einfach offen.
Schein: Die Art und Weise, wie wir die Welt individuell und menschentypisch (auch wissenschaftlich!) wahrnehmen und erleben, ist ein Produkt unseres Gehirns, unseres Bewusstseins. Unsere Wahrnehmungen und Gedanken sind „Bilder im Spiegel unseres Geistes".
Alles „erscheint" uns nur in gewisser Weise; Aussagen über eine „dahinter liegende", „objektive" Wirklichkeit nicht möglich („Maya” als „Zauberkraft", die uns etwas vorgaukelt, in den arisch-indischen Veden, ab ca. 1200 v.J.; entsprechend auch in der Quantenphysik). Damit etwas „Wirklichkeit" wird, ist ein wahrnehmendes Subjekt unabdingbar erforderlich; „objektiv" existieren nur Möglichkeitsbedingungen der Quantenphysik, letztlich im Transzendenten gründend.
Wirklichkeit ist im Verständnis des Zen ein erfahrbarer, individueller, subjektiver, dynamischer Prozess.
Wir haben immer wieder die freie Wahl, wie wir die Welt erleben:
- als analysierende Beobachter (in einer Subjekt-Objekt-Trennung)
oder
- als integriert Erlebende in einer Einheit mit den Dingen (z.B. Natur, Musik). „Die Einheitserfahrung ist kein außergewöhnlicher Sonderzustand, sondern das ganz gewöhnliche, einfache Sein, im Umgang mit den Dingen als Phänomene, denen wir kein bestimmtes Seinsverständnis aufzwingen." (Martin Heidegger)
„Dharma": Umfassende naturwissenschaftlich-ethische Gesetzmäßigkeiten („Weltgesetz") der Veden; eine letztlich von den um 1500 v.J. nach Indien eingewanderten Ariern stammende Überzeugung, dass es eine umfassende apersonale „Höhere Ordnung" gibt, um 500 v.J. durch Buddha ergänzt (im Buddhismus wird auch seine Lehre mit „Dharma" bezeichnet; das insofern eine doppelte Bedeutung hat):
1) Alles ist im Wandel; es gibt Schöpferisches (als aktive Kreativität, im Hinduismus personifiziert als „Brahma"), Erhaltendes ("Vishnu") und Zerstörerisches (als Basis für Neues, „Shiva"). Der Hinduismus hat die verschiedenen Aspekte des Weltgesetzes als „Gottheiten"personifiziert; für die meisten wurden es „reate"Götter.
2) „Karma" — das Gesetz von Ursache und Wirkung: Alles, was getan oder gedacht wird, wirkt sich aus; insbesondere auch Wohlwollen oder Übelwollen. Im Zen bedeutet „Karma" nicht Schicksal oder gar „Kismet". Wir haben Rahmenbedingungen, innerhalb derer wir unser Leben frei gestalten können.
3) „Maya", „Form": Alles Existierende sind „nur" Erscheinungen, Phänomene, die aber die erleb- und wahrnehmbare Wirklichkeit unserer Existenz ausmachen. Unsere Existenz wird bestimmt durch die von uns in bestimmter Weise wahrgenommenen Phänomene, unabhängig von deren Objektivierbarkeit.
4) Diese „Erscheinungen" sind aber nicht vom Sein getrennt; sie sind unmittelbare Realisierung eines Potentials, von Möglichkeitsbedingungen durch ein wahrnehmendes Subjekt. Im Hinduismus heißt es: „Maya ist identisch mit Brahman"; im Zen: „Form ist Leerheit, Leerheit ist Form". (Monismus)
5) Auch unser menschliches „Ich" als Person ist „nur" ein Bild, eine Struktur, die mit unserem Ich-Bewusstsein entsteht und sich stets verändert so sind auch wir „nur" Erscheinung, zugleich aber psychisch und physisch integriert und untrennbar verbunden mit der Quelle unserer Existenz. „Ich denke ein Ich, das denkt, das bin ich". (M.G.W.) Die Idee eines eigenständigen, unveränderlichen Ichs existiert nicht, es wird keine „Seele" bzw. im Hinduismus „Atman" postuliert; der Buddha wird deshalb als Verkünder des „Nicht-Ichs" („Anatman") bezeichnet.
6) Gemäß der Lehre des Buddha gibt es „Wiedergeburt". Zugleich jedoch gibt es kein unveränderliches, beständiges „Ich" (z, „Seele"), das von einer Existenz in die andere geht. „Ich wurde wiedergeboren" bzw. „Ich werde wiedergeboren" ist nach diesen Lehraussagen somit falsch, auch, wenn es Allgemeingut ist.[4]
zu 6): Zen lässt üblicherweise die beiden Aussagen Buddhas „es gibt kein Ich, nichts, was von einer Existenz in die andere geht", und „es gibt Wiedergeburt" als Antionomien (logischer Widerspruch zweier „fich-tigern Aussagen) nebeneinander stehen. Es heißt nur „Lass es dabei bewenden und grüble nicht"
Da jedoch aus meiner Sicht die allgemein verbreiteten Vorstellungen einer „persönlichen Wiedergeburt" ein „Haften am Ich" eher fördern (und dann für den Zen-Weg kontraproduktiv sind), und um Buddhas Lehre logisch möglichst treffend beschreiben zu können, habe ich deshalb den Begriff „apersonale Wiedergeburt" als karmische Auswirkung jeder Existenz eingeführt.
Anmerkung:Im Tibetischen Buddhismus [5] allerdings geht das „Reine Bewusstsein" von einer Existenz in die andere über.
Tod: Auch, wenn aus meiner Sicht Buddhas Lehre mit dem Begriff „apersonale Wiedergeburt" (s.o.) in etwa treffend beschrieben sein sollte, spielen Vorstellungen von „Wiedergeburt" in meinem Zen- Verständnis keine Rolle. Es geht vor allem um das Annehmen und verantwortliche Gestalten dieser Existenz im Hier und Heute: „Gibt es ein Leben vor dem Tode?". Dem Thema „Wiedergeburt" konnte ich mich allerdings nicht entziehen. Das Folgende jedenfalls entspricht voll und ganz meiner eigenen Einstellung zum Tod.
Im „Vierfachen Trost" fordert Buddha auf, sich unabhängig von allen Vorstellungen zu machen, was uns nach dem Tode erwartet.
„Für alle, die von Begierde und Übelwollen frei sind, unbeschwert, erfüllt von Güte, Mitgefühl, Mitfreude und Gleichmut gibt es noch bei Lebzeiten vierfachen Trost:
• Wenn es eine andere Welt gibt und einen Zustand, in dem Frucht und Vergeltung guter und böser Taten sich einstellen, so werde ich nach dem Tode in einem glücklichen Dasein, in einer höheren Seinsebene wiedererscheinen.
• Wenn es aber keine andere Welt gibt und keine Frucht und Vergeltung guter und böser Taten, so halte ich mich eben hier in dieser Welt frei von Hass und Übelwollen, schuldlos und glücklich.
• Wenn einem Übeltäter nach seinem Tode Übles widerfahren sollte, ich aber gegen niemanden Übles im Sinn habe, wie sollte da wohl mir, der ich nichts Übles tue, Unheil widerfahren?
• Wenn aber einem Übeltäter nach seinem Tode nichts Übles widerfährt, so bewahre ich mir in jedem Falle ein reines Herz."
(Päli-Kanon, Anguttara-Nikäya III, 66)
Ethik: Buddha hat eine hohe Meinung vom Menschen, den er zu selbstverantwortlichem Handeln aufruft:
„Wenn ihr selbst erkennt, dass das, was ihr vorhabt, zu Unheil und Leiden führt, so sollt ihr dies nicht tun."
(Päli-Kanon, Anguttara-Nikäya III, 66)
Der Mensch wird aus seinen Glaubensvorstellungen, Vorschriften und gesellschaftlichen Normen zurückgeführt in die „Einsamkeit seines Gewissens" (Santos Parilla). Obwohl sowohl „Erkennen" als auch „Gewissen" aus Sicht des Zen immer subjektiv geprägt sind, gilt:
„Jede Entscheidung des Gewissens, sei sie richtig oder falsch, ist verpflichtend, so dass es immer Sünde ist, gegen sein Gewissen zu handeln." (Thomas von Aquin (1224 - 1274), III. Quodlibet, 27)
Vier Grundhaltungen gegen ü ber„allen fühlenden Wesen":
► Wohlwollen, liebende Güte, auch für jene, die uns übel wollen,
► tätiges Mitgefühl („Karunä"[6]), sich nicht in Mitleid verstricken,
► Mitfreude, nicht nur kein Neid, sondern sich mit anderen freuen,
► Gelassenheit, Gleichmut (nicht Gleichgültigkeit), innere Stabilität.
Die zwei Ebenen der „Shikantaza"[7]Zen-Meditation:
„Zen" bedeutet „Meditation"[9]. Diese Zen-Meditation ist jedoch keine Konzentration, sondern ein Sich-Öffnen; kein Rückzug aus der Welt, kein Versinken in andere Bewusstseinsebenen, keine Suche nach „Erleuchtung"[13], sondern ein Übungsweg für den Alltag.
1. Es gibt eine „pragmatische Ebene", in der achtsame Wahrnehmung und Loslassen zugleich geübt wird. Wir öffnen uns allen Gedanken, Gefühlen und Wahrnehmungen in völliger Ruhe und Gelassenheit. Wir nehmen sie wahr ohne bewerten und urteilen, ohne Suche nach Lösungen, bleiben nicht in ihnen hängen wie in einem Spinnennetz. Wir sind einfach da, sitzen stabil, atmen, leben.
2. Diese tiefe innere Stille in völliger Offenheit (man bleibt immer bewusst, ohne es sich bewusst zu machen) ist Voraussetzung, dass sich eine Ebene „mystischer Erfahrung"[15]öffnen kann. Es geht um
ein absichtsloses Geschehenlassen, eine „Entgrenzung des Ichs", Erfahrung des „Nicht-Getrennt-Seins" vom Urgrund unseres Seins, eine „Einheitserfahrung" („Unio mystica") mit religiöser Qualität. Die Äste bekommen wieder Verbindung mit ihren Wurzeln, mit der Quelle allen Seins, ohne konkretisierte Glaubensvorstellungen.
„Die Zen-Meditation ist kein Ausstieg aus der Wirklichkeit, sondern ein Ankommen in der Wirklichkeit unserer Existenz." (M. G. W.)
Lebenskunst: Buddha propagiert einen „mittleren Weg" zwischen „selbstquälerischer Askese" und „Hingabe an die Lust der Sinnesfreuden". Im Zen geht es um Loslassen und Zuwenden; dankbares Genießen ohne Gier und Haben-Wollen.
Alle fühlenden Wesen erleben Leid in vielfältigster Form, Krankheit, Behinderungen, Verluste, Tod. Wir aber verstärken es darüber hinaus durch Gier („Haben-Wollen") und Hass („Übelwollen`) und unsere Unwissenheit (über unser subjektives Erleben und die Verbundenheit mit dem Urgrund unserer Existenz).
Die Aussagen des Buddha lassen sich so zusammenfassen:
„Je mehr ich festhalten will, haben will, erfüllt von Gier, verstrickt in Triebe, desto mehr leide ich, je mehr ich loslassen kann, Abstand zu den Dingen gewinne, desto weniger leide ich.”
Wir leiden nicht nur durch tatsächliche Geschehnisse, sondern allein schon durch die Angst vor Verlust (Gesundheit, Partner, Vermögen, Leben). Es geht darum, sich den Dingen innerlich stabil und gelassen zuwenden zu können. Gelassenheit bedeutet nicht Gleichgültigkeit: Immer wieder geht es um Loslassen und Zuwenden; ob es eigenes Leid betrifft (ohne in Selbstmitleid zu verfallen) oder das Leid anderer (tätiges Mitgefühl statt mitzuleiden). Auch Genießen bekommt erst dann Qualität, wenn kein gieriges „immer wieder Haben-Wollen" dahinter steht, sondern ein bewusstes, dankbares, intensives Erleben des gegenwärtigen Augenblicks.
Loslassen und Zuwenden: Aus der stabilen Gelassenheit innerer Ruhe heraus sind Loslassen und Zuwenden zwei Seiten einer Medaille!
Wohlwollen, Güte: Bewusste wohlwollende Zuwendung gerade auch gegenüber Menschen, mit denen wir Probleme haben, die nicht wertet und urteilt, sondern den anderen annimmt; zugleich verbunden mit innerer Stabilität und Festigkeit. Wie bei Gandhi wird unterschieden zwischen dem Menschen als solchen und seinem Verhalten, der Rolle, die er spielt. Wohlwollen ist keine Belohnung, sondern eine Grundhaltung.
Loslassen statt vergeben: Wenn wir durch andere Leid und Unheil erfahren haben, sollen wir ihnen vergeben, heißt es im Christentum. Natürlich ist vergeben besser als Rache. Es macht aus uns jedoch Opfer und Richter zugleich: Wir sprechen zunächst den anderen schuldig, um ihm dann zu vergeben. Wenn wir aufhören zu (ver)urteilen, bleibt nur eine Tatsachenfeststellung: Wir haben offenbar unter dem anderen oder der Situation gelitten. Wenn wir einfach nur loslassen, befreien wir uns von einer unnützen Last.
Mitgefühl statt Mitleid: „Geteiltes Leid ist doppeltes Leid", Selbst auch mit zu leiden, hilft niemandem, so wenig wie blinder Aktionismus. Nur wer stark ist, und auch sich selbst wichtig nimmt, kann andere unterstützen und wirklich gezielt helfen.
Liebe: Die Übung des Loslassens gibt einer Liebe die nötige Selbstdistanzierungsfähigkeit, die den anderen als eigenständige Persönlichkeit wahrnimmt. Achtung und bewusste Zuwendung ohne Erwartung; dankbares Annehmen ohne Haben- und Festhalten-Wollen; Liebe als Potential, dem man sich öffnen kann.
Fürsorge: „Wer etwas für andere tut, was diese für sich selbst tun können, handelt unsozial. Er zerstört in den Menschen das Gefühl des Selbstwertes und der Selbstwirksamkeit." (VVamfried Dettling). Dies gilt nicht nur für Alte und Behinderte, für die jeder noch so kleine Bereich, in dem sie für sich selbst sorgen können, ein Geschenk ist, sondern auch für Kinder. Achtsame Wahrnehmung ermöglicht gezielte Fürsorge.
Im Hier und Heute leben: In der Gegenwart werden wir — bewusst oder unbewusst — ständig beunruhigt durch Gedanken an Vergangenes oder an Zukünftiges. Durch die Übung des Loslassens in der Meditation bekommen wir einen gewissen Abstand zu den Dingen, sind nicht mehr verstrickt, sondern erhalten eine innere Freiheit. Unsere Gedanken, Gefühle und Reaktionen werden nicht mehr von außen „fremdbestimmt", sondern wir sind „Herr im eigenen Haus".
Aus innerer Ruhe heraus können wir uns nach Belieben
- dem gegenwärtigen Augenblick öffnen, die aktuellen Rahmenbedingungen unserer Existenz annehmen, die Gegenwart gestalten und ggf. dankbar genießen,
- der Vergangenheit zuwenden, das Geschehene annehmen ohne Urteilen und „Warum?"; die eigene Unvollkommenheit annehmen - der Zukunft zuwenden, planen oder vorsorgen; dann aber alles offen lassen, „weder Optimist noch Pessimist", sondern die Gegenwart gestalten in einem „trotzigen Dennoch"; sich unabhängig machen von dem, was morgen sein könnte. Auch Hoffnungen und Erwartungen können eine Belastung sein.
„Und wenn morgen die Welt unterginge, so wollen wir heute unser Apfelbäumchen pflanzen." (Karl Lotz, früher Luther zugeschrieben)
Gelebtes Zen
Dankbarkeit ist unsere elementare Energiequelle:
- Nackt und bloß kommen wir in diese Welt und es gibt nichts, worauf wir
- Anspruch hätten. Alles, was wir haben ist Grund zu Dankbarkeit.
Humor ist unsere wichtigste Eigenschaft:
- Humor ist die Kraft zu einem „trotzigen Dennoch", verbunden mit der Fähigkeit zu Selbstironie.
Liebe ist unsere große Chance:
- Das Potential der Liebe in sich selbst und anderen zu erwecken, um es dann wirklich, das heißt: wirksam werden zu lassen.
„Die fünf Schritte des Zen"- werden in der Meditation geübt, um sie dann im Alltag (er)leben zu können:
1. Wahrnehmen 2. Annehmen 3. Loslassen
4. Völlige Ruhe, Innere Stille 5. Zuwenden
Zum Aufbau dieses Buches
Da Zen Mystik[15]ist, kennt es kein Dogma, an das man glauben müsste; es geht um die eigene Erfahrung. Und nur von meiner ganz individuellen eigenen Erfahrung, und von meinem Verständnis des Zen kann ich hier in diesem Buch authentisch Zeugnis ablegen; daher gibt es erläuternde autobiographische Berichte und Elemente, die seinen Charakter prägen.
Zwar ist „Gelebtes Zen" vorrangig als Informations- und Nachschlagewerk zu Meditation, Lebenspraxis und Philosophie des Zen konzipiert — es geht jedoch nicht um objektives „Lexikon- Wissen". Zen ist eine Lehre, die „von Herz zu Herz" weitergegeben werden sollte, und daher immer subjektiv gefärbt ist.
Entscheidend für das von Humor und Selbstironie geprägte Zen- Verständnis war mein Zen-Lehrer Prof. Hungerleider, Wien, von dem ich 1989 die Erlaubnis erhielt, als „Mugaraito" selbst Zen- Seminare abzuhalten. Dieses Buch legt davon Zeugnis ab.
Vor Ihnen liegt eine „Schatztruhe des Zen", die einlädt zum Informieren, Schmökern, Entdecken — ob Neuling oder „alter Hase". Voraussetzung ist lediglich Offenheit und Akzeptanz auch für Positionen und Ansichten, die den ihren nicht entsprechen — seien Sie neugierig! Hier wird keine „absolute Wahrheit" verkündet, nichts, was Sie einfach glauben müssten. Es geht um Anregungen und Impulse für Ihren eigenen Weg!
Sie können aus dem gesamten Angebot spontan frei wählen; je nachdem, was sie gerade interessiert und anspricht. Jedes Kapitel kann beliebig ausgewählt und unabhängig von anderen (ggf lediglich in Verbindung mit Anmerkungen) gelesen und durchgearbeitet werden. Wenn Sie sich darauf einlassen, öffnet sich eine neue Welt. Es liegt nur an Ihnen, wie weitgehend Sie Zen in Ihr Leben integrieren wollen oder können. Das Buch bietet Ihnen mehr Informationen, als Sie dafür brauchen.
In Teil 1, „Zen im Alltag", geht es vor allem um die Übung des Loslassens in Meditation und Alltag. „Loslassen und Zuwenden" — für mich fast eine Zauberformel für ein bewusstes Gestalten des Lebens, wie ich aus Erfahrung berichten kann. Durch Gelassenheit zu innerer Stille als Zugang zur eigenen Seinswirklichkeit (Einheitserfahrungen), nicht nur in der Meditation.
Teil 2, „Grundelemente des Zen", stellt die Frage: „Was ist Zen?", erläutert Philosophie und religiöse Qualität des Zen, führt zurück zu den Quellen, von den Ariern zum Buddhismus und Daoismus.
Teil 3, „Wahrnehmung ist Wirklichkeit", frägt „Wer bin Ich?", vertieft die Idee der „Erscheinungen" im Weltbild des Zen, und weist hin auf analoge Aussagen in der (Quanten-) Physik, der westlichen Philosophie und vergleicht mit der christlichen Mystik.
Teil 4, „Ausgewählte Texte", enthält traditionelle Zen-Texte, eigene Gedanken, sowie Texte aus Ost und West, die meinem Zen- Verständnis entsprechen.
Teil 5, „Das Apokryphe Sütra des Hung Lei"15meines Zen- Lehrers Prof. Fritz Hungerleider, Wien (V' 1998), gibt Gelegenheit zu fundierter und zugleich humorvoller Vertiefung des Zen- Buddhismus.
Teil 1, Zen im Alltag
1.4 Verändern durch Annehmen
„Der kluge Meister des Lebens widersetzt sich nicht den Dingen, sondern verändert sie durch Annehmen" (Lin Yutang)
Der Titel könnte uns westlich erzogene Menschen irritieren: Entweder nehme ich etwas an, akzeptiere es (geduldig, schicksalsergeben) so, wie es ist — oder ich will etwas verändern, lehne mich auf, kämpfe dagegen an. Dies kann sich auf vermeintlich oder tatsächlich ungerechte Behandlung ebenso beziehen, wie auf schwerere Krankheiten mit nur geringen Heilungschancen. Es ist eine immer wiederkehrende Grundsituation unseres Lebens, ob am Arbeitsplatz oder in der Familie.
„Sein oder Nicht-Sein — das ist hier die Frage:
Ob's edler im Gemüt, die Pfeil' und Schleudem
Des wütenden Geschicks erdulden, oder
Sich waffnend gegen eine See von Plagen,
Durch Widerstand sie enden." (Willam Shakespeare, Hamlet)
Eine differenziertere Betrachtungsweise ergibt sich, wenn ich mich nicht nur frage „Will ich etwas verändern?" sondern auch „Kann ich etwas verändern?" In diesem Fall stehe ich vor dem Problem, dass ich die erforderlichen Fakten zur Beantwortung dieser Frage oft nicht habe bzw. nicht kenne und aus dieser Unsicherheit heraus auch eigentlich mögliche Veränderungen unterbleiben, sei es in Partnerschaftsbeziehungen oder im sozialen Umfeld, in der Gesellschaft. Im Zen bekomme ich durch Meditation eine innere Distanz zu den Dingen, die mir bei der Beantwortung dieser Fragen weiterhelfen kann.
„Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann; den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden." (Reinhold Niebuhr, wurde auch Friedrich Christoph Oetinger zugeschrieben)
Diese Analyse, die gleichzeitig durch die Bitte in Form eines Gebetes die Grenzen unserer menschlichen Fähigkeiten und Erkenntnismöglichkeiten anspricht, kommt der Einstellung des Zen schon näher.
Gelassenheit, Gleichmut, hat ja im Buddhismus eine ganz zentrale Stellung und das gelassene Akzeptieren von Dingen, die wir ganz offensichtlich nicht ändern können, ist gelebtes Zen.
Als ich mir im Februar 1999 in der Sauna mein Schienbein an einer Liege gestoßen hatte, war dies für mich nichts Besonderes. Nur eine kleine Hautabschürfung, die nicht einmal blutete, und eine Schwellung, die allmählich größer wurde, obwohl ich sie mit Eiswürfeln kühlte.
Die Schwellung ging innerhalb von 3 Wochen zurück (ich war immer schon sehr empfindlich auf Schläge gegen das Schienbein und musste deshalb Judo aufgeben, den „sanften Weg" zur Selbstverteidigung). Was blieb, war eine etwa 10-Cent große Wunde, die auch nach 4 Monaten einfach nicht heilen wollte. Mein Hausarzt schickte mich in die Ambulanz der Hautklinik, die immer neue Salben versuchte — nichts half. Im Juli war ich wieder einmal bei meinem Hausarzt, der sich so nebenbei nach meinem Schienbein erkundigte. Er stellte fest, dass neben der (immer noch offenen) Wunde meine Haut in einem handtellergroßen Bereich verschieblich war, sich von Knochen und Fleisch gelöst hatte. Dennoch sah sie völlig normal aus.
Er überwies mich sofort stationär in die Hautklinik. Dort wurde ein Kontrastmittel unter die Haut eingebracht, und ich war ein medizinisches Phänomen. Ausgehend von der kleinen Wunde, die mittlerweile bis auf den Knochen ging, war ein Hohlraum entstanden; die Haut darüber hatte keinerlei Verbindung mehr zum Untergrund und war offenbar trotzdem immer noch ausreichend versorgt.
Niemand wusste, was tun. Die Venenspezialisten fanden alles altersgemäß in Ordnung, die Chirurgen wollten gleich eine Hauttransplantation, gegen die ich mich mit einem ausführlichen Schreiben vehement wehrte. Wenn die bestehende Haut an dieser Stelle vom Untergrund abgestoßen wurde, erginge es einer transplantierten wohl auch nicht besser. Die Ärzte fanden diese „Einmischung" gar nicht so lustig.
Von da an durfte ich das Bett nicht mehr verlassen, weder zum Aufnehmen von Nahrung, noch für das Gegenteilige! Der Unterschenkel war extrem hochgelagert, die Wunde und die durch Einspritzen eines Kontrastmittels gut sichtbare „Höhle" waren mit stärksten Mitteln gereinigt und desinfiziert worden (auch wenn man irgendwelche Erreger als Ursache darin nicht gefunden hatte), auf die Wunde kam ein Folienverband und der Unterschenkel wurde mit einer elastischen Binde fest verbunden. Für mich war „Annehmen" nun plötzlich keine abstrakte Idee mehr: Von heute auf morgen mussten meine Baustellen von Kollegen übernommen werden. Ich durfte nur noch im Bett liegen und niemand wusste, wie es mit meinem Schienbein weitergehen würde und wie lange ich voraussichtlich im Krankenhaus würde bleiben müssen (Kassenpatient, Dreibettzimmer). Es wurden sieben Wochen.
Mir ging es gut. Rundumversorgung, nette Ärzte und Schwestern, keine Schmerzen, regelmäßiges Atemtraining und die Verbandswechsel. Ich erlebte, wie andere Patienten ihren Krankenhausaufenthalt zu einer einzigen Qual werden ließen — nicht, weil es ihnen so schlecht gegangen wäre, sondern weil sie einfach nicht im Krankenhaus sein wollten, selbst, wenn es nur für eine Woche war. Sie waren überhaupt nicht bereit, ihre Situation einfach anzunehmen. Nichts konnte man ihnen recht machen.
Ich hatte aus Gesprächen des Personals mitbekommen, dass diese einen abgetrennten Bereich des Gartens für ihre (ihnen theoretisch zustehenden) Erholungspausen hatten, in dem sich Liegen mit hochgestelltem Fußteil befanden. Nachdem es Sommer war, bestes Wetter, und mein Bein gut verbunden, fragte ich den Arzt, ob ich vielleicht ausnahmsweise nachmittags auf so eine Liege gebracht werden könnte, im Halbschatten der Bäume? Erstaunlicherweise wurde mir das erlaubt, und ich kam nach diesen 7 Wochen mit beneidenswerter Urlaubsbräune zurück ins Büro! Ich konnte diese Zeit, in die auch mein Geburtstag fiel, wirklich genießen, und hatte auch Gelegenheit vom Garten aus die damalige Sonnenfinsternis zu beobachten (gerade dort war ein wolkenfreier Bereich!).
Ich war guter Laune und das wirkte sich auch im Umgang mit dem Personal aus. Bei einem Besuch meinte meine Frau, mit einem etwas sarkastischen Unterton: „Dir gefällt es wohl hier?"
Bei einem der üblichen Verbandswechsel (mittlerweile waren schon über 5 Wochen vergangen) besah sich der Arzt die Wunde, zuckte zusammen und lief davon, ohne jede Erklärung. Er kam aber gleich wieder zurück, hatte ein starkes Vergrößerungsglas und forderte mich begeistert auf, mir die Wunde anzusehen. „Da, schauen sie, erste neue Hautzellen am Boden der Wunde!" Schön, wenn ein Arzt sich so freuen kann!
Nach einer Woche hatte sich die Wunde geschlossen, musste nur mit etwas Cortisonpuder daran gehindert werden, über die Hautoberfläche hinaus weiter zu wachsen. Ohne medikamentöse Therapie, Salben oder Tinkturen hatte mein Organismus selbst eine Lösung gefunden; auch die umgebende Haut war wieder fest angewachsen. Das einzige, was der Mensch getan hatte, war, dafür entsprechende physische und psychische Rahmenbedingungen herzustellen; dazu gehörte auch meine Bereitschaft, die Einlieferung ins Krankenhaus als unumgänglich anzunehmen und dadurch für mich positiv zu verändern.
Geschehen ist geschehen
Zu den Dingen, die wir ganz offensichtlich nicht ändern können, gehört insbesondere die Vergangenheit, und liege sie nur Sekundenbruchteile zurück. Meine Großtante hat mir für meine Ehe eindringlich geraten „Gebt Euch nie beleidigende, verletzende Namen; einmal ausgesprochen bleiben sie wie ein Stachel im Partner stecken."
Auch, wenn wir es sofort bedauern und zurücknehmen — wie schwer ist es, loszulassen und gelassen zu bleiben, wenn man sich verletzt fühlt. Unser Selbstbewusstsein, unser Ego, ist unwahrscheinlich empfindlich und verletzlich, auch wenn wir es uns selbst nicht eingestehen wollen.
Aus meiner Erfahrung ist die Zen-Meditation besonders geeignet, um sich klar zu werden, wer oder was ist eigentlich dieses „Ich", das sich verletzt fühlt? Ist es nicht nur eine Fiktion, die Vorstellung, die wir von uns selbst haben? Aber gerade von dieser Vorstellung von uns selbst werden wir beherrscht.
Wie schwer fällt es uns, Vergangenheit in ihrer Auswirkung auf unser gegenwärtiges Sein überhaupt zu akzeptieren, und dann sollten wir dabei auch noch gelassen bleiben? Hierbei spielt natürlich nicht nur das Annehmen, sondern auch das Loslassen-Können eine zentrale Rolle.
Meine Mutter stammt aus Wien und hatte mir schon früh die typisch wienerische Charaktereigenschaft weitergegeben, Vergangenes gelassen anzunehmen: „G'scheng is' g'scheng" (Was geschehen ist, ist geschehen und so ist es eben jetzt). Da hilft kein rumlamentieren und sich selbst bemitleiden.
Warum Loslassen besser ist als Vergeben
Wenn Menschen uns Leid angetan haben oder wir durch sie gelitten haben, dann bleibt mir aus Sicht des Zen nur die Übung des Loslassens. Jede Wut, Hass oder Enttäuschung, erst recht jeder Gedanke an Rache (das zahl' ich ihm heim) schadet zunächst einmal mir selbst mehr als dem Anderen. Ich verstricke mich immer mehr in Dingen der Vergangenheit, die ich nicht mehr ändern kann, hole das in der Vergangenheit erlebte Leid in meine Gegenwart herein und kultiviere es, bemitleide mich selbst, auch, wenn ich jetzt, in der Gegenwart, eigentlich gar keinen Grund mehr dazu hätte.
Besonders häufig geschieht dies nach dem Zerbrechen einer Partnerschaft oder Liebesbeziehung. Wir wollen nicht wahrhaben, dass wir uns damit nur selbst zerstören — dem Anderen ist es wahrscheinlich eher egal, ob wir ihm alles wünschen, nur nichts Gutes und in einem Reigen aus Wut und Selbstmitleid rotieren.
Als ich einmal einer sich in dieser Situation befindlichen Seminarteilnehmerin sagte, es bleibt nur, alle Gedanken und Gefühle (die oft auch zwischen Liebe und Hass schwanken und spontan umkippen können) mit Hilfe der Meditation allmählich vollständig loszulassen, antwortete sie mir „Dieser Kerl ist es gar nicht wert, dass ich loslasse."
Loslassen ist kein „Gnadenakt" gegenüber anderen; zuallererst geht es um meine eigene Lebensqualität. Ich werde dann aber auch fähig, dem Anderen Güte und Wohlwollen entgegenzubringen. (im Sinne der buddhistischen Güte-Meditation).
Geprägt durch unsere christliche Erziehung bemühen wir uns in einem solchen Fall vielleicht darum, dem anderen vergeben zu können. Machen wir uns eigentlich klar, dass „Vergeben" immer ein Verurteilen, einen Schuldspruch voraussetzt? Wir sagen zu uns sozusagen: „Du bist zwar an mir schuldig geworden, aber in meiner unendlichen Güte vergebe ich Dir."
Ich bin der Meinung, als Christ sollte man das (Ver-)Urteilen und Vergeben einem Höheren überlassen. Steht wirklich immer eindeutig fest, wer schuld ist? Aus Sicht des Zen bleibt uns statt „vergeben" nur die Übung des Loslassens, wertungsfrei, doch wohlwollend.
Sowohl durch mein Handeln als auch durch mein Nicht-Handeln kann ich in einem konkreten Fall bei anderen Leid verursacht haben. Ob ich in einem ethisch-moralischen oder religiösen Sinn dadurch auch schuldig geworden bin, ist keine für Zen relevante Frage. Ein nachträgliches Bereuen und unter eigener Schuld leiden, bringt niemandem etwas. Vielleicht aber kann ich etwas wieder gut machen?
Auch meine eigene Vergangenheit kann ich zunächst nur Annehmen und Loslassen, Abstand bekommen. Dann kann ich das Vergangene wieder vergegenwärtigen, ihm mich wieder zuwenden, daraus lernen und in der Gegenwart erneut versuchen, stets alles zu vermeiden, was zu Leid und Unheil führt.
Im Rahmen der Zen-Meditation üben wir, nicht ständig zu bewerten, zu urteilen, zu verurteilen. Wir müssen lernen, die Dinge (zunächst einmal) so anzunehmen, wie sie sich uns darstellen. (Hierzu gibt es im Abschnitt „Aufhören, ständig zu urteilen" auch eine kleine Geschichte aus China zu lesen!)