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Dieser Band enthält folgende Krimis: (399) Kubinke und die tätowierten Frauen (Alfred Bekker) Stadt der Schweinehunde (Alfred Bekker) Verschwörung der Killer (Alfred Bekker) Drei Frauen wurden ermordet und später tätowiert aufgefunden. Doch diese Morde wurden nie aufgeklärt. Jahre später findet man erneut eine Frauenleiche mit der gleichen Tätowierung. Hat der Mörder wieder zugeschlagen? Doch warum diese lange Pause? Das fragen sich die beiden Ermittler Harry Kubinke und Rudi Meier, die diese Morde aufklären und den Mörder überführen wollen.
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Seitenzahl: 431
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Zum vierzehnten Mal 3 klasse Krimis für den Strand
Copyright
Kubinke und die tätowierten Frauen: Kriminalroman
Stadt der Schweinehunde
VERSCHWÖRUNG DER KILLER
Dieser Band enthält folgende Krimis:
Kubinke und die tätowierten Frauen (Alfred Bekker)
Stadt der Schweinehunde (Alfred Bekker)
Verschwörung der Killer (Alfred Bekker)
Drei Frauen wurden ermordet und später tätowiert aufgefunden. Doch diese Morde wurden nie aufgeklärt. Jahre später findet man erneut eine Frauenleiche mit der gleichen Tätowierung.
Hat der Mörder wieder zugeschlagen? Doch warum diese lange Pause?
Das fragen sich die beiden Ermittler Harry Kubinke und Rudi Meier, die diese Morde aufklären und den Mörder überführen wollen.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author /
COVER A.PANADERO
© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Harry Kubinke Roman
Der Umfang dieses Buchs entspricht 119 Taschenbuchseiten.
Drei Frauen wurden ermordet und später tätowiert aufgefunden. Doch diese Morde wurden nie aufgeklärt. Jahre später findet man erneut eine Frauenleiche mit der gleichen Tätowierung.
Hat der Mörder wieder zugeschlagen? Doch warum diese lange Pause?
Das fragen sich die beiden Ermittler Harry Kubinke und Rudi Meier, die diese Morde aufklären und den Mörder überführen wollen.
Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jack Raymond, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.
Ein CassiopeiaPress Buch CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Es war dunkel und hatte zu regnen begonnen. Beate Michels schaltete die Scheibenwischer ihres zweitürigen Honda Civic ein. Die junge Frau folgte der Autobahn Richtung Norden. Der letzte Stopp lag noch keine zehn Meilen zurück. Sie hatte getankt, in der Autobahn-Raststätte einen Kaffee getrunken und ein Sandwich gegessen.
Aber seit diesem Stopp schien irgendetwas mit den Reifen nicht zu stimmen. Die Befürchtung wurde schließlich zur Gewissheit. Hinten links war keine Luft mehr drin.
„So ein Mist!”, schimpfte Beate vor sich hin und fuhr an den Straßenrand. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie gleich einen Pannendienst anrufen oder sich den Schaden erst einmal selbst ansehen sollte.
Beate ließ schließlich das Smartphone in der Handtasche und stieg aus. Eine Fehlentscheidung, denn genau damit hatte ihr Mörder gerechnet …
Der Nieselregen sorgte dafür, dass Beate schon nach kurzer Zeit die Haare an der Stirn klebten. Der Reifen hinten links war platt. Und hinten rechts hatte ebenfalls schon viel Luft verloren. So weiterzufahren war unmöglich.
Wie kann das sein?, fragte sie sich.
Die Reifen waren neu, die letzte Inspektion noch nicht lange her. Vielleicht bin ich in irgendetwas Spitzes hineingefahren, überlegte sie. Aber sie hatte nichts dergleichen bemerkt.
In diesem Augenblick hielt ein weiteres Fahrzeug am Straßenrand. Es war ein Geländewagen mit Kuhfänger vor dem Kühler. Auf der Haube hob sich der Schatten eines geschwungenen Stierhorns ab.
Aber all das konnte Beate im nächsten Moment schon nicht mehr sehen. Der Fahrer des Geländewagens blendete nämlich das Licht auf. Beate wurde so stark geblendet, dass sie für einen Augenblick mehr oder weniger blind war.
Der Fahrer des Geländewagens stieg aus. Den Motor seines Wagens ließ er laufen. Wie ein dunkler Schatten näherte er sich. Beate wich zurück.
„Kann ich Ihnen irgendwie helfen?”, fragte eine schneidend klingende Männerstimme.
„Ich weiß nicht … eigentlich …”
„Ist etwas mit Ihren Reifen?”
„Einer ist platt, der andere wird es bald sein. Ich verstehe das nicht …”
Der schattenhaft sichtbare Mann kam noch näher. Im Gegenlicht der Scheinwerfer seines Geländewagens war er nur als dunkler Schemen zu erkennen. Er zog jetzt irgendetwas unter seiner Kleidung hervor.
Beate konnte es nicht genau sehen. Aber im nächsten Moment blitzt das Mündungsfeuer einer Waffe auf. Es war kein Schussgeräusch zu hören. Nur ein Laut, der an ein leichtes Niesen erinnert.
Die erste Kugel traf Beate genau mitten in der Stirn. Sie stützte sich noch auf den Kotflügel ihres Wagens, ehe sie zusammenbrach und regungslos auf dem regenfeuchten Boden liegen blieb.
Der schemenhafte Killer näherte sich. Er blickte auf sie hinab und ließ die Waffe mit dem langgezogenen Schalldämpfer unter seinem dunklen Mantel verschwinden.
Er trug Latexhandschuhe. Mit einem sehr kräftigen Griff packte er die Tote unter den Armen und schleifte sie grob hinter sich her. Wenig später hob er sie in den Kofferraum seines Geländewagens. Dort war bereits alles mit Plastikfolie ausgelegt, so dass er ihren Körper jetzt leicht darin einwickeln konnte. Als er damit fertig war, stellte er fest, dass er aus der Nase blutete. Mehrere rote Tropfen waren bereits herabgefallen.
„So ein verfluchter Mist”, murmelte er. Er holte ein Taschentuch hervor, um sich die Nase abzuwischen. Es war allerdings gar nicht so einfach, die Blutung zu stoppen. Immer wieder begann die Blutung von Neuem. Immer wieder. Es hörte nicht auf. Er wandte sich zur Seite. Blut tropfte jetzt auf den Boden.
Schweinerei, dachte er.
Eine volle Minute lang musste er das Taschentuch vor die Nasenlöcher pressen, ehe es endlich aufhörte.
Es wird immer schlimmer!, ging es ihm durch den Kopf. Aber damit hatte er insgeheim gerechnet. Die Ärzte hatten es ihm nämlich vorhergesagt. Es gehörte zum normalen Verlauf seiner verfluchten Krankheit und alles in allem war das Nasenbluten noch eher eines der harmloseren Symptome. Die wirklich schlimmen Dinge würden wohl noch kommen.
Der schattenhafte Killer nahm zum Schluss dann noch eine Decke, die er über die Leiche der Frau legte. Dann schloss er den Kofferraum.
Später lag die Leiche auf einem Tisch in einem nur sehr spärlich beleuchteten Kellerraum. Eine Glühbirne an der kahlen Decke war die einzige Lichtquelle. Das sehr leise Surren verstummte, als die Tätowiermaschine nun abgeschaltet wurde. Der Mörder legte jetzt sie zur Seite und betrachtete sein entstandenes Kunstwerk, das er in die zarte Haut der jungen Frau gestochen hatte. Ein Schriftzug aus ziemlich verschnörkelten Fraktur-Lettern zog sich vom Gesäßansatz bis hinauf zum Schulterblatt und bildete dabei dann eine gewundene Schlangenlinie.
Ein mattes Lächeln zeichnete sich jetzt in die blassen Züge seines Gesichts.
Gut sieht das aus, fand der blasse Mann.
Etwas kitzelte in der Nase. Vorsorglich griff er nach einem Papiertaschentuch. Aber entgegen seiner Befürchtung setzte das Nasenbluten nicht wieder ein.
Eine ganze Weile stand er dann da und betrachtete den Rücken der Toten.
Es ist immer so schnell vorbei, dachte er bedauernd. Er hatte es wirklich genossen, jeden einzelnen dieser verschnörkelten Buchstaben in die Haut dieser jungen Frau zu stechen. Jetzt galt seine Aufmerksamkeit vor allem einer Frage. Wo sollte er den Leichnam hinbringen? Es musste ein Ort sein, an dem man sie auf jeden Fall schnell finden würde. Schließlich sollte die Botschaft, die er auf den Rücken dieser Frau gestochen hatte, gesehen werden.
Später fuhr er zum Ortsausgang von Almstedt in Niedersachsen. Eine einzige Straße führte durch den Ort, die Bahnhofsallee. An ihr waren die Häuser und Geschäfte wie an einer Perlenkette aufgereiht. Ein kleines Nest abseits der großen Verkehrswege. Ein Nest, von dem bisher wohl noch nie jemand etwas gehört hatte, der weiter als vierzig Kilometer von Almstedt entfernt lebte.
Aber das sollte sich nun ändern …
Jahre später …
„Beate Michels war wohl das erste Opfer des sogenannten Tattoo-Killers, wie man ihn später nannte”, erläuterte uns Kriminaldirektor Hoch. Der Chef unsrer Abteilung im BKA hatte die Hände in den tiefen Taschen seiner Flanellhose. Die Hemdsärmel waren hochgekrempelt, die Krawatte hing ihm locker um den Hals.
Mein Kollege Rudi Meier und ich saßen ihm in seinem Büro gegenüber. Es ging um einen so genannten Cold Case, eine kalten Fall, der nach vielen Jahren plötzlich wieder verdammt heiß geworden war. Ein Serienkiller, dessen Mordserie vor Jahren aus einem nicht ermittelbaren Grund abgebrochen hatte und jetzt mit zwei neuen Taten nach dem alten Muster wieder aktiv geworden war. Zwei grausame Morde innerhalb sehr, sehr kurzer Zeit. Und es stand zu befürchten, dass er damit noch keineswegs genug hatte.
Ein Fall, der klassischerweise wohl in unsere Zuständigkeit fiel. Schon deshalb, weil die Taten ja in unterschiedlichen Bundesländern begangen worden waren.
Mörder halten sich leider ungern an Zuständigkeitsgrenzen.
Ist eben so.
Kriminaldirektor Hoch deutete auf das Bild auf dem Flachbildschirm. Es zeigte eine junge Frau, so Ende zwanzig.
„Beate Michels stammt, genau wie alle anderen Opfer der ersten Serie aus Almstedt, Niedersachsen beziehungsweise der näheren Umgebung dieses Ortes”, erläuterte Kriminaldirektor Hoch. „Aufgefunden wurden die Frauen allerdings an sehr unterschiedlichen Orten in mehreren Bundesländern. Und eines der Opfer war zwei Monate vor seiner Ermordung nach Börneburg gezogen.” Kriminaldirektor Hoch machte eine Pause und wandte sich uns zu. „Jetzt hat es zwei neue Fälle innerhalb kürzester Zeit gegeben. Die Art und Weise der Tatbegehung stimmt exakt mit den Almstedt-Morden überein, dass es eigentlich kaum einen Zweifel darüber geben kann, dass es sich um denselben Täter handelt.”
„Aber die Frauen aus den zwei neuen Fällen stammen nicht aus diesem Nest in Niedersachsen?”, vergewisserte ich mich.
Kriminaldirektor Hoch schüttelte den Kopf.
„Nein, das ist richtig. Allerdings legen die bisherigen Ermittlungen nahe, dass die Herkunft der Frauen auch nicht das entscheidende Kriterium war, das zu ihrer Auswahl führte. Aber lassen Sie mich zu Beate Michels zurückkommen. Sie ist das erste Opfer gewesen und alle Elemente, die bei den späteren Taten eine Rolle spielten, sind bei diesem Verbrechen bereits vorhanden.” Kriminaldirektor Hoch betätigte eine Fernbedienung, woraufhin wir ein weiteres Bild gezeigt bekamen. Es zeigte einen am Fahrbahnrand abgestellten Honda Civic. Es war deutlich zu sehen, dass mit den Reifen etwas nicht stimmte. Einer war vollkommen platt, der andere hatte auch bei weitem zu wenig Luft, um sich damit noch in den Verkehr trauen zu können.
„Die damaligen Ermittler nehmen folgenden Tathergang an: Der Täter hat seinem Opfer aufgelauert und es beobachtet. Vermutlich an einer nahegelegenen Tankstelle mit Raststätte hat er einen unbeobachteten Moment genutzt, um dafür zu sorgen, dass die Reifen Luft verlieren. Nach ein paar Kilometern muss Beate Michels bemerkt haben, dass mit dem Reifendruck etwas nicht in Ordnung war und fuhr an den Fahrbahnrand. Wenig später muss der Täter aufgetaucht sein. Er hat sein Opfer mit einer kleinkalibrigen Waffe getötet. Er verwendete ein Teilmantelgeschoss, das den Körper nicht durchdringt. Und das hatte seinen makaberen Grund.” Kriminaldirektor Hoch zeigte uns eine weitere Aufnahme. Sie zeigte den Rücken von Beate Michels, wie auf der Bildunterschrift zu sehen war und war offenbar im Sektionsraum der Gerichtsmedizin aufgenommen worden.
„Vom Satan gezeichnet”, las Rudi den Satz, der sich in Fraktur-Buchstaben vom Gesäß-Ansatz bis zum Schulterblatt hinaufzog.
„Die Leiche von Beate Michels wurde am Ortseingang von Almstedt abgelegt”, berichtete Kriminaldirektor Hoch. „Sie war bekleidet und war sitzend an ein Straßenschild gelehnt worden. Das war zwei Tage nachdem ihr Wagen am Rand der Autobahn gefunden wurde.”
„In der Zwischenzeit hat der Täter ihr die Tätowierung beigebracht”, murmelte ich.
Kriminaldirektor Hoch nickte.
„Jedes Opfer bekam diesen Spruch auf den Rücken. Die Gestaltung wich manchmal etwas voneinander ab. Aber es gibt ein paar Eigenarten, die diesen Schriftzug unverwechselbar machen.” Kriminaldirektor Hoch zoomte den Schriftzug näher heran. Ein A nahm jetzt den gesamten Bildschirm ein. „Sehen sie die zusätzlichen Schwünge, an deren Enden ein kleiner Schlangenkopf zu sehen ist?”
„Ja”, nickte ich.
„Dieses Detail wurde in den Medien nie erwähnt. Es wäre explizites Täter-Wissen und hätte eventuell helfen können, den Täter zu überführen. Die neuen Fälle haben dieselben Schwünge, die nach Ansicht unserer Sachverständigen wirklich sehr individuell sind.”
„So besteht kein Zweifel daran, dass die zwei neuen Fälle vom selben Täter begangen wurden?”, hakte ich nach.
„Sie haben die Einzelheiten natürlich in den Dossiers. Und unser Ermittlungsteam Erkennungsdienst in Quardenburg wird jeden Stein noch einmal umdrehen, da können Sie sicher sein. Und was die neuen Fälle angeht, sind die Untersuchungen natürlich noch nicht vollkommen abgeschlossen.” Kriminaldirektor Hoch atmete tief durch und fuhr dann fort: „Aber wenn Sie mich fragen, dann kann es eigentlich keinen Zweifel daran geben, dass es derselbe Täter war.”
„Was ist mit der Waffe und den Projektilen?”, fragte Rudi.
„Tja, der Tattoo-Mörder scheint eine vorsichtige Person zu sein. Er hat für jede Tat eine neue Waffe benutzt. Auch dazu finden Sie Einzelheiten in den Unterlagen. Immer dasselbe Kaliber, immer ein Teilmantelgeschoss, damit auf dem Rücken keine Austrittswunde entsteht, die es ihm sein Tattoo-Kunstwerk wohl verdorben hätte und immer mit Schalldämpfer. Das haben die Untersuchungen an den Projektilen eindeutig ergeben.”
„Immer derselbe Schalldämpfer?”, fragte Rudi.
Ebenso wie ein Pistolenlauf hinterlässt auch ein Schalldämpfer am Projektil ganz charakteristische, quasi individuelle Veränderungen, die wie ein Fingerabdruck verwendet werden können. Ein Schalldämpfer ist genauso eindeutig identifizierbar wie eine Waffe - und natürlich eine bestimmte Kombination aus Schalldämpfer und Waffe.
Kriminaldirektor Hoch schüttelte den Kopf.
„Wie ich schon sagte, dieser Täter war sehr vorsichtig. Er hat jedes Mal einen anderen Schalldämpfer verwendet.”
„So leicht ist es aber nicht, in Deutschland Waffen zu kaufen. Da wundert es mich ehrlich gesagt, warum der Täter eine Waffe nicht mehrfach benutzt”, sagte ich.
„Vermutlich deshalb, weil die Täter die Möglichkeiten, die unsere Labors inzwischen zur Identifikation und Zuordnung von Waffen und Projektilen haben, nicht unterschätzen”, vermutete Kriminaldirektor Hoch. „Wie auch immer, der Täter macht es uns nicht leicht. Schon bei den bisherigen Ermittlungen gingen die hinzugezogenen Polizeipsychologen davon aus, dass es sich um eine sehr vorsichtige Person handelt. Möglicherweise wirkt der Täter nach außen sehr unscheinbar, was es ihm erleichtert, sich seinen Opfern zu nähern, da er von niemandem als Bedrohung wahrgenommen wird.”
„Was könnte der Grund dafür sein, dass seine Serie eine Unterbrechung erfuhr?”, fragte ich.
Kriminaldirektor Hoch hob die Augenbrauen.
„Da kommen eben die üblichen Dinge infrage: Gefängnisaufenthalt, ein Aufenthalt im Ausland, veränderte Lebensumstände, die dafür gesorgt haben, dass kein subjektiver Auslöser für die Taten mehr vorhanden war.”
„Und was könnte ein solcher Auslöser in diesem Fall gewesen sein?”, fragte ich. „Ich meine, wer seinen Opfern ‘gezeichnet vom Satan’ auf den Rücken sticht, scheint wohl von einer Art morbider Mission erfüllt zu sein.”
„Ein wahnhaft veränderter Charakter liegt bei diesen Tatumständen wohl nahe”, sagte Kriminaldirektor Hoch. „Die Ermittler gingen zuerst von einem satanistischen Hintergrund aus. Jemand, der sich für auserwählt hält, im Auftrag des Satans irgendwelche Dinge zu tun, die dann ein neues Zeitalter einleiten sollen oder etwas in der Art. Mir liegt allerdings jetzt ein Gutachten eines Profilers aus Quardenburg vor, der zu einem abweichenden Urteil kommt.”
„Inwiefern?”, fragte ich.
„Die Analyse ist Ihrem Datenmaterial beigefügt”, sagte Kriminaldirektor Hoch. „Im Wesentlichen geht es darum, dass die Zeichnungen auf dem Rücken der Frauen beurteilt und interpretiert werden. Das Gutachten kommt zu dem gut begründeten Schluss, dass es sich um einen Täter mit sehr ausgeprägter Zwangsstörung handelt. Es könnte sein, dass er beispielsweise Büroklammern und Bleistifte abzählt, oder zwanghaft den Linien der Fugen auf dem Bürgersteig folgt oder sich zwanghaft wäscht. Seine Taten gehören demnach zu einem zwanghaften Ritual.”
„Und was haben dann die Tätowierungen damit zu tun?”, fragte Rudi.
„Die große Exaktheit, mit der die Details ausgearbeitet wurden, ginge weit über gewöhnliche Pedanterie hinaus.” Kriminaldirektor Hoch zuckte ratlos mit den Schultern. „Sie können davon halten, was Sie wollen, es ist eben nur ein Gutachten. Der Profiler, der es angefertigt hat, ist noch ziemlich jung und gilt als aufsteigender Stern seiner Zunft. Er lehrt jetzt in Quardenburg, und die Arbeit war seine Promotion.”
„Vielleicht sollten wir uns mal mit ihm unterhalten”, meinte Rudi.
Den Rest des Tages verbrachten Rudi und ich in erster Linie in unseren Büros im Hauptpräsidium. Wir telefonierten viel. Mit den Kollegen in Hannover, zu dessen Zuständigkeitsbereich Almstedt gehörte, ebenso wie mit den Kollegen aus Reichenberg, wo das letzte Opfer dieser Serie gefunden worden war.
Die Frau war auf einem Spielplatz gefunden worden. Der Täter hatte sie auf eine Bank gesetzt. Ein vorbeikommender Jogger hatte sie entdeckt. Man konnte nur froh sein, dass um die Zeit noch keine Kinder dort gewesen waren. Ich fragte mich, wie krank man sein musste, um so etwas zu tun.
Ansonsten machten Rudi und ich uns mit den Einzelheiten dieser Mordserie vertraut, soweit dazu Erkenntnisse vorlagen.
Es gab einen ziemlich umfangreichen Berg an Material dazu: Beweismittel, Fotos, Analysen, ballistische Berichte, gerichtsmedizinische Berichte … Bei Cold Cases ist das nichts Ungewöhnliches. Meistens liegt jede Menge Datenmaterial vor, nur hatte in diesem Fall all diese gesammelten Informationen nicht dazu geführt, dass man dem Täter auf die Spur gekommen war. Es gab noch nicht einmal einen Tatverdächtigen. Ein Lastwagenfahrer, der im Nebenjob ein schmuddeliges Tattoo-Studio in einem Außenbereich von Hannover betrieb, war kurzzeitig verhaftet worden. Aber der Verdacht gegen ihn hatte sich nicht einmal ansatzweise erhärtet. Vor allem hatte er für die in Bezug auf den Mord Nummer drei der Serie, mit dem man ihn in Verbindung gebracht hatte, ein wasserdichtes Alibi. Er war nach einem Unfall mehrere Monate im Krankenhaus gewesen. Er hatte einfach keine Gelegenheit, um die Tat zu begehen.
Und wenn man nach dem ausführlichen Gutachten des jungen Profiler-Kollegen aus Quardenburg ging, dann hätte er ohnehin wohl nicht ins Profil gepasst.
Am nächsten Tag fuhren wir nach Quardenburg.
Rudi und ich fuhren mit meinem Dienst-Porsche, der eigentlich ein Hybrid aus der Karosserie eines Dienst-Porsches und dem Innenleben einer Dodge Viper war.
Dr. Gerold M. Wildenbacher, der Gerichtsmediziner des Wissenschaftlichen Forschungsteams, auf dessen Dienste wir bei unseren Ermittlungen seit unserer Beförderung zu Kriminalinspektoren in Berlin zurückgreifen konnten, hatte inzwischen die letzten beiden Opfer auf dem Seziertisch gehabt. Man hatte sie nach nach Quardenburg gebracht, weil Wildenbacher darauf bestanden hatte, die Obduktionen eigenhändig durchzuführen.
Wildenbacher empfing uns an seinem Arbeitsplatz. Sein Kittel war mit reichlich Blut befleckt. Bei ihm war Dr. Friedrich G. Förnheim, der Naturwissenschaftler des Teams, dessen hamburgisch gefärbter Akzent immer leicht ein bisschen arrogant wirkte. Wildenbacher und Förnheim - von uns allen oft nur einfach FGF genannt - waren so etwas wie das größtmögliche Gegensatzpaar. Der hemdsärmelige Bayer und der kultivierte Norddeutsche lieferten sich oft Wortgefechte und waren auch keineswegs immer einer Meinung. Aber jeder respektierte die Fähigkeiten des anderen und wusste, dass er sie nötig brauchte.
„Guten Morgen”, begrüßte uns Wildenbacher. „Auf lange Vorreden können wir sicher verzichten. Die grundlegenden Fakten dürften Ihnen ja schon bekannt sein.”
„Uns liegt umfangreiches Material vor”, nickte ich.
Wildenbacher wischte sich die Latexhandschuhe an der blutbefleckten Plastikschürze ab.
„Ich habe versucht, die Tätowierungen unbeschädigt zu lassen - was bei dem Job, den ich zu machen habe, nicht ganz einfach ist.”
„Die Betonung dürfte wohl auf dem Wort ,versucht‘ liegen”, mischte sich Förnheim ein. „Aber wir haben ja zahlreiche Fotos von dem eintätowierten Schriftzug gemacht und verfügen über eine Software, die in der Lage ist, anhand dieser Aufnahmen jedwede Vermessung virtuell durchzuführen. Zum Glück!”
Wildenbacher wirkte wohl etwas genervt und verdrehte die Augen.
„Unser Fischkopp will einfach nicht wahrhaben, dass Tote sich nun mal verändern - selbst wenn ihnen kein neugieriger Pathologe die Organe etwas derangiert”, sagte Wildenbacher und warf Förnheim dann einen spöttischen Blick zu und äffte dessen Akzent nach. „Derangiert - so pflegt sich Ihresgleichen doch auszudrücken, oder Eure Exillenz?”
„Ich denke, den Herren ist klar geworden, was Sie zu sagen versucht haben”, sagte Förnheim etwas pikiert.
„Es entstehen unmittelbar nach Eintritt des Todes Gase im Körper. Und es kommt zu Ansammlungen von Flüssigkeiten. Nichts bleibt, wie es ist. Nicht einmal eine Tätowierung!”
„Es scheint ein paar sehr individuelle Merkmale an diesen eintätowierten Buchstaben zu geben”, stellte ich fest. „Und möglicherweise …”
„… können uns die zum Täter führen”, nahm mir Förnheim das Wort aus dem Mund. „Oder zumindest zum Tätowierer. Es ist ja noch nicht gesagt, dass das unbedingt dieselbe Person gewesen sein muss.”
„In dem psychologischen Gutachten steht, dass der Täter jemand ist, der auf gar keinen Fall so etwas aus der Hand geben würde”, erklärte Rudi.
„Meinen Sie das Gutachten von diesem begabten Nachwuchs-Profiler?”, fragte Förnheim und verzog etwas das Gesicht. „Dr. Johannes Pascal - begabt, aber wohl doch in erster Linie Nachwuchs, auch wenn seine Arbeit über die ersten Morde des Almstedt-Killers als Promotion angenommen und sehr gut bewertet wurde.”
„Man sollte allen, die offiziell mit der Untersuchung dieser Morde zu tun haben, hochoffiziell verbieten, die Serie als die Almstedt-Morde zu bezeichnen!”, war jetzt eine Frauenstimme zu hören.
Wir drehten uns um und bemerkten, dass Dr. Lin-Tai Gansenbrink soeben in den Obduktionsraum getreten war. Lin-Tai war die Mathematikerin und IT-Spezialistin des Teams. Und da bildverarbeitende und statistische Verfahren in der Ermittlungsarbeit immer wichtiger werden und auch in der klassischen Forensik eine nicht mehr wegzudenkende Rolle spielen, war sie vermutlich schon längst dabei, die Aufnahmen der tätowierten Frauenrücken mit Spezialprogrammen zu analysieren.
„Wie man die Morde nennt, ist mir ehrlich gesagt vollkommen egal”, sagte Wildenbacher. „Hauptsache, diese furchtbare Serie wird aufgeklärt und der Täter daran gehindert, so etwas noch mal zutun.”
„Und um genau das zu gewährleisten, sollte man sich einen unabhängigen Blick bewahren”, sagte Lin-Tai.
Wildenbacher verzog das Gesicht.
„Dass Sie manchmal ihr IT-Fachchinesisch reden, daran habe ich mich gewöhnt”, erklärte er dann. „Aber wenn Sie jetzt auch noch anfangen, so geschwollen daherzureden wie unser geschätzter Kollege FGF, dann lass ich mich versetzen. Einer von der Sorte reicht mir nämlich. Mehr halte ich nicht aus.”
„Und ich hätte gedacht, dass man in Bayern etwas härter im Nehmen ist”, mischte sich Förnheim ein.
„Ich meine es völlig ernst”, sagte Lin-Tai. „Die Tatsache, dass die ersten Opfer mit Almstedt, Niedersachsen zu tun hatten …”
„… dort aufgewachsen sind”, korrigierte Rudi.
„Meinetwegen - dort aufgewachsen sind”, fuhr Lin-Tai zu. „Das könnte reiner Zufall sein.”
„Ich dachte, so etwas wie Zufall gibt es in Ihrem absolut berechenbaren Universum nicht, Lin-Tai”, meinte Wildenbacher.
„Es gibt ihn viel öfter, als es unsereinem lieb ist”, sagte sie. „Man nennt das eine Scheinrelation. Dinge, die in einem scheinbaren quantitativen oder zeitlichen Zusammenhang stehen.”
„Wenn Sie das sagen, klingt das jedenfalls sehr klug”, sagte Wildenbacher.
„Die bekannteste Scheinrelation dürfte die zwischen der gerade modisch angesagten Rocklänge und der konjunkturellen Entwicklung der Wirtschaft sein”, sagte Lin-Tai. „Je kürzer die Röcke, desto höher das wirtschaftliche Wachstum.”
„Jeder weiß, dass das Unsinn ist”, meinte Wildenbacher. „Sonst hätte man im Kommunismus doch einfach nur die Rocklänge in der Mode verordnen können und hätte eine blühende Wirtschaft gehabt.”
„Ja, bei diesem Beispiel erkennt es jeder, aber wenn mehrere Opfer einer Mordserie aus Almstedt in Niedersachsen kommen, muss das nicht zwangsläufig etwas mit den Hintergründen des Mordes zu tun haben.”
„Obwohl ich das jetzt weit weniger hergeholt finde, als die Sache mit der Rocklänge”, meinte ich. xxx
Lin-Tai drehte sich zu mir um.
„Das hat damit zu tun, wie unser Gehirn arbeitet, Harry. Wir sehen immer einen Sinn, einen Zusammenhang, selbst dann, wenn keiner vorhanden ist. So entstehen Verschwörungstheorien. Es fällt schwer zu akzeptieren, dass etwas einfach nur zufällig zur selben Zeit geschieht oder die Opfer in demselben Ort geboren wurden. Das ertragen wir nicht - und dadurch werden wir dazu verleitet, jede Erklärung zu glauben, die sich scheinbar anbietet. Hauptsache, sie stellt irgendeinen Zusammenhang her. Hauptsache, es gibt ein großes Ganzes.”
„Den Plan Gottes”, sagte Wildenbacher.
„Oder den Plan eines Kriminellen”, sagte Lin-Tai. „Besser natürlich einer mächtigen Organisation.”
„Sie glauben also nicht, dass die Tatsache, dass die ersten Opfer aus Almstedt kommen, irgendetwas bedeutet?”, vergewisserte ich mich.
„Das will ich damit nicht gesagt haben”, schränkte Lin-Tai ein.
„Das ist typisch!”, spottete Wildenbacher. „Erst klug daherquatschen, sich aber dann nicht festlegen wollen …”
„Also genau genommen …”, begann Lin-Tai, aber Wildenbacher unterbrach sie.
„Wir müssen uns leider festlegen, Lin-Tai. Auf die eine oder andere Weise. Schließlich müssen wir am Ende jemanden verhaften.”
„Genau genommen würde ich Folgendes sagen”, nahm Lin-Tai dann ihren Gesprächsfaden in der ihr eigenen Unbeirrbarkeit wieder auf. „Ich denke, dass die Tatsache, dass die ersten Opfer aus Almstedt in Niedersachsen stammen zunächst mal gegenüber anderen Faktoren vernachlässigt werden kann.”
„Und welche Faktoren meinen Sie da genau?”, fragte ich.
„Haben Sie die Ergebnisse meiner Untersuchungen zu den Tätowierungen nicht gelesen, Harry?”
„Doch, doch …”
„Die sind wie ein Fingerabdruck. Wir haben es mit einem sehr speziellen Täter zu tun, der auf ganz bestimmte Elemente immer wieder besonderen Wert zu legen scheint. Damit meine ich nicht nur die kleinen Schlangenköpfe. Das ist eher ein spielerisches Element. Der letzte Buchstabe des Schriftzuges ist genau um den Faktor sechs größer als der erste Buchstabe. Die beiden Endbuchstaben der Aufschrift ‘Vom Satan gezeichnet’ bilden zusammen mit einem winzigen Punkt auf dem linken Schulterblatt ein rechtwinkliges Dreieck …”
„Was für ein Punkt?”, fragte Rudi.
Er erntete daraufhin einen tadelnden Blick von Lin-Tai. Normalerweise hatte sie ihre Mimik sehr gut unter Kontrolle, aber in diesem kurzem Augenblick waren ihre Gedanken ein offenes Buch.
Lin-Tai ging zu einem der Seziertische, auf dem eines der beiden letzten Opfer lag. Praktischerweise hatte Wildenbacher sie auf den Bauch gedreht, so dass die Tätowierungen gut zu sehen war. Lin-Tai deutete auf einen Punkt auf dem linken Schulterblatt.
„Sieht auf Fotos leicht aus wie ein Leberfleck”, erklärte sie. „Und selbst jetzt könnte man es leicht für einen halten. Aber es ist keiner. Sehen Sie mal genau hin, Rudi!”
Ich sah es auch erst auf den zweiten Blick. Es war ein kleines, hämisch lachendes Gesicht. Das eintätowierte Emoticon eines irren Killers.
„Wir hatten noch keine Zeit, uns wirklich mit allen Einzelheiten vertraut zu machen”, sagte ich. Lin-Tai ließ durch keinerlei Regung erkennen, ob diese Entschuldigung für sie in irgendeiner Weise akzeptabel klang. „Aber andererseits sind wir ja genau deswegen hier”, fügte ich noch hinzu.
„Der Killer, den wir suchen, ist ein exzellenter Tätowierer”, sagte Lin-Tai. „Ich halte es für völlig ausgeschlossen, dass er diese Kunst bislang nur benutzt hat, um seine wie auch immer gearteten dunklen Triebe zu befriedigen.”
„Sie meinen, er hat in einem Tattoo-Studio gearbeitet”, schloss ich.
„Er muss das irgendwo gelernt haben”, sagte Lin-Tai. „Und vor allem muss er Erfahrung haben. Man sieht, wie geschickt er die jeweiligen körperlichen Gegebenheiten des Opfers mit einbezieht. Ich bin gerade dabei, eines unserer Bilderkennungsprogramme so zu modifizieren, dass es die mathematisch Eigenheiten dieser Tattoos identifizieren kann und mit Bildern abgleicht, die ins Netz gestellt wurden.” Lin-Tai zuckte mit den Schultern. „Sie glauben ja nicht, wie viele Bilder von ihren Tattoos im Netz posten - und falls es da mathematisch relevante Übereinstimmungen gibt, kommen wir vielleicht ein entscheidendes Stück weiter.”
„Wenn Sie das sagen”, meinte Rudi zweifelnd.
„Ich glaube eher, dass wir durch eine chemische Farbanalyse weiterkommen”, meldete sich Förnheim zu Wort. „Aber leider habe ich bislang noch keine Gewebeprobe bekommen, die für eine umfassende Analyse ausreichend gewesen wären.”
„Weil das die Tattoos zerstört hätte”, wandte Lin-Tai ein.
„Können Sie verstehen, dass ich mir manchmal wie in einem Irrenhaus vorkomme?”, meinte Wildenbacher unterdessen an mich gewandt. „Die eine Seite sagt: Schneid ein Stück heraus! Die andere will das auf gar keinen Fall.”
„Ich würde sagen: Eins nach dem anderen”, sagte ich.
„Die Reihenfolge ist nicht nur in diesem Fall aber durchaus entscheidend”, meinte Lin-Tai. „Die Sicherung der einen Spur kann die andere zerstören.”
„Ein bekanntes Problem”, meinte Förnheim. „Manchmal muss man sich eben entscheiden: Ist der Fingerabdruck wichtiger oder die DNA?”
„Im Augenblick suchen wir eigentlich einen Anhaltspunkt, wo wir die Ermittlungen beginnen können”, meinte ich. „Soweit wir die alten Protokolle und Ermittlungsunterlagen schon durchgearbeitet haben, sind die Kollegen, die sich bisher mit dem Fall beschäftigt haben, mehr oder minder vollständig gescheitert. Und ich gehe mal davon aus, dass die ebenfalls darauf gekommen sind, dass der Killer etwas von Tätowierungen verstanden hat.”
„Kann ich bestätigen”, meinte Rudi. „Schon nach dem ersten Fall wurden sämtliche Tattoo-Studios unter die Lupe genommen, die in irgendeinem Zusammenhang mit dem Fall hätten stehen können.”
„Ja, die Betonung liegt auf irgendeinem”, meinte Lin-Tai. „Wahrscheinlich hat man einfach unter der falschen Prämisse gesucht.”
„Ich will ganz ehrlich sein”, meinte Wildenbacher. „Der Täter war äußerst geschickt. Die Opfer wurden erschossen. An der Todesursache ist nichts besonderes, die Waffe wurde jedes Mal beseitigt und bei der nächsten Tat gegen eine neue ersetzt. Ich fürchte, wir stehen am Ende mit genauso leeren Händen da wie die Kollegen.”
So wenig optimistisch hatte ich Wildenbacher selten gesehen.
„Haben Sie die alten Obduktionsberichte schon gecheckt?”, fragte Rudi.
Wildenbacher nickte.
„Habe ich. Aber, was diesen Aspekt des Falles angeht, konnten die Kollegen nicht viel falsch machen. Und das haben sie auch nicht. Also von der Seite dürfen Sie diesmal nicht mit irgendeinem Wunder rechnen.”
„Aber es gibt da eine Sache an den chemischen Analysen, die man nochmal aufgreifen könnte”, meinte Förnheim.
Die anderen sahen ihn erwartungsvoll an.
„Ich meine die Blutspur, die bei Opfer Nummer 1 in die Kleidung eingezogen war.”
„Opfer Nummer 1 hieß Beate Michels”, sagte Wildenbacher. „So viel Respekt sollte sein, FGF. Sonst nehmen Sie die Förmlichkeiten doch immer so wichtig.”
Förnheim hob die Augenbrauen.
„In den Berichten steht, dass nicht sicher ist, ob diese Spur tatsächlich mit dem Verbrechen in Verbindung steht”, sagte Rudi. „Zumal bei keinem der anderen Verbrechen dieser Serie DNA gesichert werden konnte, die mit dieser Blutspur übereinstimmt.”
„Das ist richtig”, sagte Förnheim. „Es könnte aber auch eine Spur des Täters sein.”
In den Ermittlungsakten war nachzulesen, was alles angestellt worden war, um die DNA dieser Blutflecken mit irgendetwas vergleichen zu können. „Das Rätselhafte daran ist, dass es keine Kampfspuren gibt”, sagte Wildenbacher. „FGF und ich haben die Angelegenheit bereits eingehend diskutiert.”
„Leider bislang ergebnislos”, erklärte Förnheim. „Wenn es zwischen Beate Michels und dem Täter einen Kampf gegeben hätte, dann hätte der Spuren hinterlassen müssen - aber der Gerichtsmediziner, der die Obduktion durchführte, hat davon nichts bemerkt. Nicht einmal Hämatome - abgesehen von denen, die dadurch entstanden sind, dass die Leiche über den Boden geschleift wurde und der Täter sie offenbar unter den Achseln gefasst hast.”
Wildenbacher führte uns zu einem Computerbildschirm. Nachdem seine Finger etwas über die Tastatur gewandert waren, erschien eine schematische Darstellung, die veranschaulichte, wo an der Leiche die Blutspur gefunden worden war.
„Sehen Sie hier”, sagte Wildenbacher. „Das Blut war am Rücken und am linken Oberschenkel auf der Rückseite.”
„Verstehen Sie jetzt, was ich meine?”, mischte sich Förnheim ein. „Zu einem Kampf passt das nicht.”
„Davon abgesehen war der Schuss, den der Täter abgegeben hat, ganz sicher letal”, erklärte Wildenbacher. „Es ist auszuschließen, dass Beate Michels ihm daraufhin zum Beispiel noch einen Faustschlag auf die Nase versetzen konnte ...”
„… was die Blutspritzer erklären könnte”, ergänzte Förnheim. „Übrigens war nur einer davon für einen DNA-Test geeignet. Bei den anderen markierten Stellen wissen wir streng genommen nicht, ob es sich um Blut derselben Person handelt, aber die Wahrscheinlichkeit ist natürlich angesichts der Gesamtumstände ausgesprochen groß.”
„Und wenn sie sich vor dem Schuss gewehrt hätte?”, fragte Rudi.
„Wir könnten das mal simulieren”, meinte Lin-Tai. „Entsprechende Programme haben wir ja.”
„Tatsache ist, dass es für das Problem bisher keine stimmige Lösung gibt”, sagte Förnheim.
Wir sprachen noch mit Johannes Pascal. Er war der junge Profiler, der über die Persönlichkeit des Tattoo-Killers promoviert hatte, und es war sowohl Rudi als auch mir sehr wichtig, auch seine Meinung zu dem Fall aus erster Hand zu hören.
Optisch wirkte Pascals wie jemand, der kaum alt genug war, um am College zu studieren. Seine Schultern waren nicht einmal breit genug, um sein Jackett zu füllen. Er hatte strähniges Haar und einen blasses, glattes Gesicht mit unruhigen Augen.
„Ich bin Kriminalinspektor Harry Kubinke, dies ist mein Kollege Kriminalinspektor Meier”, stellte ich uns vor, als wir sein Büro betraten.
„Man hat Sie mir bereits angekündigt”, sagte Pascal. „Ich hoffe, das Sie etwas mehr Glück haben, als die Ermittler, die sich vor Ihnen mit dem Fall beschäftigt haben.”
„Glauben Sie, dass das eine Frage von mangelndem Glück war?”, fragte ich etwas erstaunt.
„Nein”, sagte Pascal, der zwar keinen hamburgischen Akzent hatte, aber dennoch um einiges eingebildeter klang, als ich es jemals bei Förnheim zugemutet bekommen hatte. „Das ist nur die freundliche Art der Formulierung für einen Sachverhalt, den man auch ganz anders beschreiben könnte.”
„Und wie ist die unfreundliche Variante?”, fragte ich.
„Nun, ich würde sagen, dass die bisher mit der Materie betrauten Ermittler schlicht und ergreifend nach dem falschen Tätertyp gesucht haben. Und sie haben einfach nicht verstanden, was für eine Intention diese Morde haben.”
„Und was ist Ihrer Meinung die Intention?”
„Sie hätten sich viele Fragen erspart, wenn Sie meine Arbeiten dazu gelesen hätten”, sagte Pascal.
„Wir bearbeiten den Fall erst seit kurzem”, gab ich zu bedenken.
„Gut, Sie wollen die Kurzfassung. Suchen Sie nach jemandem, der glaubt, dass von seinen Taten etwas abhängt. Wenn er nicht mordet und diese krude Botschaft in den Rücken irgendeiner Frau sticht, dann wird seiner Meinung nach irgendetwas geschehen, was er verhindern will. Das funktioniert wie die Erweiterung eines Zwangsrituals.”
„Können Sie mir das mal erläutern?”
„Wenn jemand beispielsweise unter einem Waschzwang leidet, dann glaubt der Betreffende, dass er sich infizieren wird, wenn er sich nicht nach bestimmten Ereignissen, zum Beispiel dem Handschlag mit einer fremden Person, die Hände wäscht. Bei diesen Waschungen müssen bestimmte, jeweils individuell verschiedene Handlungen durchgeführt oder vermieden werden, sonst muss das Reinigungsritual von vorne begonnen werden.”
„Klingt kompliziert.”
„Das ist kompliziert - und zwar sowohl für den Betroffenen als für seine Angehörigen. Eine solche Person wird sich zum Beispiel nicht direkt vor das Waschbecken stellen, weil dort schon jemand anderes gestanden haben könnte. Es gibt Betroffene, die verschiedene Wannen mit Desinfektionsmitteln durchschreiten, ehe sie sich ins Bett legen.”
„Ich sehe ein, dass das für das tägliche Leben unpraktisch ist, aber diese Leute bringen niemanden um.”
„Richtig”, sagte Pascals. „Aber der Hintergrund ist ähnlich: Dieser Täter lebt in dem Wahn, dass etwas Schreckliches eintritt, wenn er nicht tut, was er getan hat. Er hat kein sexuelles Motiv, er ist auch niemand, der vielleicht in seiner Kindheit durch Frauen gedemütigt oder misshandelt wurde und sich dafür rächen will und ich glaube auch ehrlich gesagt nicht, dass er ein Satanist ist.”
„Die Ermittler, die zuerst an dem Fall arbeiteten, haben genau das vermutet.”
„Richtig, Kriminalinspektor Kubinke. Die haben nicht auf mich gehört.”
„Aber liegt es denn nicht nahe, dass jemand, der seinen Satz ‘Vom Satan gezeichnet’ in den Rücken tätowiert …”
„… glaubt, im Auftrag des Satans zu handeln? Ja, vielleicht”, unterbrach mich Pascal auf die ihm eigene selbstgefällige Art. „Er scheint davon überzeugt zu sein, dass es Satan gibt und dass er Einfluss auf sein persönliches Leben hat.”
„Ja, eben!”, mischte sich Rudi ein.
„Ja, aber nicht im Sinne von satanistischen oder okkultistischen Lehren”, schränkte Pascal ein. „Der Killer will niemanden missionieren. Er vertritt keine Pseudo-Religion, sondern wird nur von einem persönlichen Aberglauben beherrscht. Vielleicht hat er schizophrene Schübe und hört Stimmen, die ihn bedrängen. Aber der Kernpunkt ist, es gibt etwas in seinem persönlichen Leben, das er nur vermeiden kann, wenn er mordet.”
„Was könnte das sein?”
Pascal zuckte die Achseln.
„Ich tippe auf ein gesundheitliches Problem, ohne genauer sagen zu können, was es ist. Unser Killer ist ein Mann in den mittleren Jahren, mindestens 35 höchstens 50. Er hat einen Beruf, in dem er klaren Vorgaben folgen muss und wenig Kontakt mit Menschen hat. Ein Verwaltungsbeamter, ein Buchhalter, ein Sachbearbeiter in einer Bank oder bei einer Versicherung ohne Kundenkontakt. Wahrscheinlich hat er irgendwann eine schwere Krankheit gehabt, von der er unerwarteterweise genesen ist. Er fürchtet vielleicht, dass sie wieder ausbrechen könnte.”
„Und Satan bewahrt ihn davor, wenn er für ihn Frauen auf diese schreckliche Art zeichnet?”, fragte ich.
Pascal hob die Augenbrauen.
„Ich denke, Sie haben jetzt verstanden, was ich gemeint habe, Herr Kubinke.” Er beugte sich etwas vor. Sein Tonfall veränderte sich. „Diese ganze Pedanterie, die unglaubliche Sorgfalt, mit der er seine Taten geplant hat, diese Akribie in den Kleinigkeiten und die absolute Vermeidung irgendwelcher Spuren - das alles schließt meines Erachtens einen Täter aus, der einfach nur irgendwelchen dunklen Trieben folgt. Dieser Täter ist planvoll, akkurat und berechnend, dass …”
„Und wie passt dann damit zusammen, dass DNA an der Kleidung des ersten Opfers gefunden wurde?”, unterbrach ich ihn. „Ich meine, Sie haben recht. Der Täter überlässt nichts dem Zufall, aber da muss ihm doch irgendein Missgeschick passiert sein. Den gerichtsmedizinischen Erkenntnissen nach gab es keine Spuren, die auf einen Kampf hindeuten, bei dem der Täter verletzt worden wäre.”
„Ja, ich erinnere mich an diesen Punkt”, sagte Pascal. „Und ich muss zugeben, dass er mich auch sehr beschäftigt hat.”
„Und - welche Lösung hätten Sie anzubieten?”
Pascal lächelte dünn.
„Sind nicht eigentlich Leute wie Sie dazu da, die richtigen Lösungen zu finden?”
„Wir verhaften doch nur, wen Sie uns empfehlen, Herr Pascal!”
„Jetzt machen Sie Witze!”
„Wenn Sie irgendeine Vermutung zu den Blutflecken an der Kleidung des Opfers haben, dann sollten Sie uns die jetzt mitteilen - egal, ob darüber schon etwas in Ihrer Arbeit steht oder nicht!”, mischte sich Rudi ein.
Pascal atmete tief durch.
„In meiner Arbeit steht darüber nichts. Das war auch nicht das Thema. Aber ich habe meine Vermutung damals den Ermittlern vor Ort gegenüber geäußert. Nur wollte niemand darauf hören.”
„Ach, ja?”
„Es gibt aus meiner Sicht nur zwei Möglichkeiten. Die eine ist sehr unwahrscheinlich.”
„Sie meinen, dass das Blut von jemand anderem als dem Täter stammt?”, hakte ich nach.
Pascal nickte.
„Es war im Verlauf der Ermittlungen immer mal wieder davon die Rede, dass er einen Komplizen haben könnte. Demnach hätte ein Täter die Morde begangen, der andere die Tätowierungen in die Haut gestochen. Und das Blut wäre dann vielleicht bei irgendeiner Art Unfall beim Tätowieren an die Kleidung des Opfers gekommen. Aber das ist absurd.”
„Warum?”
„Weil es nicht zur psychischen Struktur des Täters passt. Er würde niemals mit jemandem zusammenarbeiten. Er hält Distanz zu anderen Menschen. Ich glaube nicht, dass er verheiratet ist, er arbeitet in einem Job, in dem er den Kontakt zu Menschen vermeiden kann …” Pascal schüttelte den Kopf. „Ich bin mir sicher, dass er ein Einzelgänger ist.”
„Und was ist die andere Möglichkeit?”, fragte ich.
„Ein Kampf ist ja ausgeschlossen. Dann bleibt nur noch eine Lösung übrig: Er hatte Nasenbluten, was eventuell mit einem gesundheitlichen Problem zu tun haben könnte. Es gibt zahllose Ursachen für plötzliches Nasenbluten: Eine Entzündung der Nasennebenhöhlen, Leukämie, eine Gerinnungsstörung des Blutes … Selbst exzessives Nasebohren wäre denkbar! Aber diese Ursachen haben alle eines gemeinsam: Sie passen zu dem Persönlichkeitsbild, das ich von dem Täter entworfen habe.”
„Haben Sie mit Förnheim darüber gesprochen?”
„Mit Förnheim? Nein. Aber ich habe damals bei den Ermittlungen zum Fall Beate Michels bereits den Ermittlern gesagt: Suchen Sie jemanden, der unter häufigem Nasenbluten leidet! Aber ich fürchte, das hat niemanden wirklich interessiert. Die Prioritäten werden manchmal eben anders gesetzt, als man sich das wünscht.”
Rudis Handy klingelte in diesem Augenblick.
„Hier Kriminalinspektor Meier”, nahm er den Anruf entgegen. Er schwieg eine Weile. Und da er das Gespräch schließlich mit den Worten „Ja!” beendete, hatte ich eine Vermutung, wen er da am Apparat gehabt hatte.
„Das war Kriminaldirektor Hoch”, eröffnete er. „Es gibt ein weiteres Opfer dieses Täters.”
Eine halbe Stunde später waren wir bereits nach Nördendorf unterwegs.
Wir hatten Zeit genug, um ausführlich mit Herr Hoch zu telefonieren. Anschließend sprachen wir auch mit dem Chef der Polizei in Nördendorf. Das war zurzeit Dienststellenleiter Antonia Plattner.
„Die Leiche wurde in einem Park hier in Nördendorf gefunden”, berichtete uns Dienststellenleiter Plattner. Wir benutzten die Freisprechanlage, so dass Rudi und ich beide mithören konnten. „Die Tätowierungen sind in der Gerichtsmedizin aufgefallen, und da vor kurzem erst die Meldungen über die beiden anderen neuen Opfer des Tattoo-Killers verbreitet wurden, hat der zuständige Pathologe gleich die richtigen Schlüsse gezogen.”
„Wo ist die Leiche jetzt?”, fragte ich.
„Immer noch in der Gerichtsmedizin”, berichtete Plattner.
„Ihr Pathologe soll sie nicht anrühren. Ich möchte, dass die Tote so schnell wie möglich nach Quardenburg zu unserem Kollegen Dr. Wildenbacher gebracht wird.”
„Das kann ich veranlassen. Allerdings fürchte ich, es ist bereits zu spät, um die Leiche unversehrt nach Quardenburg zu schicken.”
„Wieso?”
„Weil unser Pathologe die Obduktion bereits vorgenommen hat. Wir mussten die Kugel aus dem Körper holen, um einen ballistischen Befund zu bekommen.”
„Der in diesem Fall nichts bringen wird”, sagte ich. „Aber das konnten Sie nicht wissen.”
„Es liegt bereits alles vor.”
„Ich hoffe nur, dass die Tätowierungen ausreichend fotografisch dokumentiert wurden”, sagte ich.
„Da können Sie ganz unbesorgt sein, Kriminalinspektor Kubinke. Das ist geschehen. Ich sende Ihnen gerne ein paar Bilder zu.”
„Tun Sie das! Und schicken sie die auch umgehend unserem Chef in Berlin sowie unserem Ermittlungsteam Erkennungsdienst in Quardenburg!”
„Gut.”
„Außerdem brauchen wir alles, was Sie bisher an Daten über die Tote zusammentragen konnten.”
„Auch das ist bereits veranlasst. Wir haben das verlassene Fahrzeug des Opfers auf einem Autobahn-Parkplatz zehn Kilometer südlich von Nördendorf gefunden. Unsere Leute sind noch dort.”
„Dann werden wir direkt dorthin fahren”, sagte ich.
„Kommissar Oberender leitet den Einsatz dort und wird Sie über die Einzelheiten informieren”, versprach uns Plattner.
Wir beendeten das Gespräch.
„Wieso hat der Kerl für ein paar Jahre aufgehört und danach wieder angefangen?”, meinte Rudi.
„Wir brauchen alle Personen, die innerhalb des Zeitraums, in dem der Tattoo-Killer nicht aktiv war, im Gefängnis gesessen haben”, meinte ich.
„Weißt du, wie viele das sind?”, fragte Rudi. „Ich meine, kannst du dir die Größenordnung vorstellen?”
„Wir suchen sowieso die Nadel im Heuhaufen, Rudi. Abgesehen davon, wäre das doch eine Aufgabe für Lin-Tai.”
„Ich hoffe, sie ist derselben Ansicht.”
„Durch ein paar geeignete Filter dürfte sich die große Zahl schnell reduzieren lassen. Zum Beispiel könnten wir die Suche auf den Norden reduzieren. Oder noch besser: Auf die Gegenden, in denen bisher Morde vorgekommen sind. Außerdem könnte man Pascals Annahmen über das Alter des Täters einbeziehen.”
„Ich kann Lin-Tai deswegen gleich mal anrufen”, sagte Rudi. „Allerdings …” Er zögerte. Irgendetwas ging ihm durch den Kopf, und es war ganz sicher besser, wenn er mich daran teilhaben ließ.
„Spuck’s schon aus, Rudi! Was stört dich?”
„Es passt nicht zu dem Persönlichkeitsprofil, das dieser Pascal entwickelt hat.”
„Das muss ja nicht stimmen!”
„Nein, aber es hörte sich für mich einleuchtend an. Aber wenn der Tattoo-Killer tatsächlich ein so zurückgezogen lebender, vorsichtiger, menschenscheuer Mensch ist, dann ist er eigentlich nicht der Typ, vom dem man einen Gefängnisaufenthalt erwarten würde.”
Ich zuckte mit den Schultern.
„Er mag nicht gerade der Typ sein, der irgendwem eine Flasche über den Schädel zieht oder Überfälle begeht, aber es gibt auch Delikte, die sich mit seiner Persönlichkeitsstruktur in sehr gute Übereinstimmung bringen ließen.”
„Und was meinst du da?”
„Betrug, Steuerhinterziehung oder etwas anderes in der Art. Pascal sprach von jemandem, der Buchhalter sein könnte. Da liegt das doch nahe.”
„Eins zu Null für dich”, gestand Rudi zu.
„Aber wir sollten trotzdem nicht nur an einen Gefängnisaufenthalt denken”, sagte ich.
„Woran noch?”
„Ein Krankenhausaufenthalt”, kam es mir spontan in den Sinn, nachdem mir das Gespräch mit Pascal nochmal durch den Kopf gegangen war.
„Pascal hat erwähnt, dass der Tattoo-Killer gesundheitliche Probleme haben könnte”, gab Rudi zu.
„Falls das Nasenbluten …”
„… das noch nicht bewiesen ist, Harry!”, fiel mein Kollege mir ins Wort.
„… falls also dieses Nasenbluten die Begleiterscheinung einer schweren Krankheit gewesen ist, die ihn wirklich über mehrere Jahre außer Gefecht gesetzt hat, dann käme Leukämie infrage.”
Rudi hob die Augenbrauen.
„Jemand, der Leukämie hatte, geheilt wurde und danach von der Zwangsvorstellung besessen war, dem Satan Frauen zu ‘zeichnen’?”
„Es ist nur eine Theorie, Rudi.”
„Dann muss er vorher schon einmal erkrankt gewesen sein - und die Krankheit brach dann wieder aus und setzte ihn für eine gewisse Zeit außer Gefecht.”
Ich blieb skeptisch. Schließlich hatte der Tattoo-Killer bei seinem ersten Mord möglicherweise aus der Nase geblutet - nicht aber bei den folgenden. Das bedeute auch, dass er bei seinem ersten Mord krank gewesen war. Und falls er zuvor schon einmal von der Krankheit geheilt worden war, konnten ihm auch die Symptome nicht unbekannt gewesen sein.
„So ganz passt das noch nicht zusammen, Rudi.”
„Aber vielleicht ein Anfang, um dieses Knäuel zu entwirren, Harry.”
„Es würde auf jeden Fall die Suche nach der Identität des Tattoo-Killers deutlich erleichtern”, meinte ich. „So viele Personen, die vielleicht schon mehrfach an Leukämie erkrankten und überlebten, dürfte es nicht geben.”
„Mich beschäftigt noch eine andere Frage, Harry.”
„Und die wäre?”
„Wieso hat dieser ach so vorsichtige Täter, der nicht einmal das Risiko eingeht, seine Waffe zweimal zu benutzen, dem Opfer die befleckte Kleidung wieder angezogen?”
„Die Flecken waren kaum zu bemerken”, gab ich zu bedenken.
„Aber er ist ein Pedant, Harry! Dem fällt jede Kleinigkeit auf. Und für Flecken an der Kleidung dürfte das ganz besonders gelten, zumal er doch wissen musste, dass das sein Blut sein könnte.”
„Aber vielleicht hat Pascal recht, und er musste einfach zwanghaft ein ganz bestimmtes Ritual wiederholen, von dem er unmöglich abweichen konnte.”
Wir trafen schließlich bei dem Autobahn-Parkplatz ein, auf dem man den Wagen von Jessica Pötter, dem bislang letzten Opfer dieser furchtbareren Mordserie gefunden hatte.
Der Parkplatz war nicht viel mehr als eine etwas großzügig anlegte Parkbucht. Man konnte dort kurz mal anhalten. Mehrere Einsatzfahrzeuge und Wagen der Autobahn-Polizei standen dort. Erkennungsdienstler in Schutzoveralls waren mit ihrer Arbeit beschäftigt.
Ich stellte den Dienst-Porsche ab, und wir stiegen aus.
So gerne ich auch hinter dem Steuer meines Dienst-Porsches sitze, aber nach der langen Fahrt war es ziemlich angenehm, mal wieder aufrecht stehen und sich strecken zu können.
Einem der uniformierten Kollegen, die uns entgegenkamen, hielt ich meinen Ausweis entgegen.
„Kriminalinspektor Harry Kubinke”, stellte ich mich vor. „Mein Kollege und ich werden von Kommissar Oberender erwartet.”
„Da drüben”, sagte der Uniformierte und deutete auf einen gedrungen wirkenden Mann mit dunklen, leicht gelockten Haaren.
„Danke.”
„Wir gingen zu dem Mann, den man uns als Kommissar Oberender beschrieben hatte. Er hielt sich neben einem viertürigen Mitsubishi auf, bei dem es sich wohl um das Fahrzeug des Opfers handelte.
„Dienststellenleiter Plattner hat Sie uns schon angekündigt”, sagte Kommissar Oberender. „Und sie hat mir auch berichtet, dass Sie offenbar nicht so ganz damit einverstanden waren, wo die Leiche gelandet ist.”
„Das ist geklärt”, sagte ich.
Kommissar Oberender trug Latexhandschuhe. Deshalb hatte er auch darauf verzichtet, uns die Hand zu geben. Er deutete jetzt auf den Mitsubishi.
„Das ist der Wagen von Jessica Pötter, 32 Jahre, verheiratet, keine Kinder. Sie wohnt in Butterfeld, einem kleinen Nest ein paar Kilometer entfernt und arbeitete als Anwältin in der Kanzlei Jessen & Partner in Nördendorf. Die Kanzlei hat sich auf Steuerrecht spezialisiert. Frau Pötter pendelte jeden Tag von ihrem Wohnort nach Nördendorf.”
„Ihre Leiche wurde in einem Park in der Stadt gefunden?”
„Ja. Und zwar heute. Dass der Tod von Frau Pötter etwas mit Ihrem Tattoo-Killer zu tun hat, war nicht sofort offensichtlich, sondern wurde erst vom Gerichtsmediziner festgestellt. Aber der Wagen wurde dann relativ schnell gefunden.” Kommissar Oberender deutete auf einen der Uniformierten. „Von den Kollegen der Autobahn-Polizei.”
„Wenn die Tote heute gefunden wurde, dann ist doch anzunehmen, dass die Tat selbst gestern geschah.”
„Es muss gestern Abend gewesen sein”, sagte Kommissar Oberender. „Frau Pötter kam von der Arbeit. Es war schon relativ spät. Wir wissen, dass sie um halb neun Abends aufgebrochen ist, um nach Hause zu fahren.”
„Hat Sie unterwegs einen Stopp eingelegt? Wir sind an einer Raststätte mit Tankstelle vorbeigefahren.”
„Sie hat einen Kaffee getrunken und getankt. Außerdem hat sie ein Sandwich verzehrt, weil sie den Tag über offenbar keine Gelegenheit zum Essen hatte.”
Rudi deutete auf die Hinterreifen des Mitsubishi. Beide waren platt.
„Es ist dieselbe Masche wie bei den anderen Opfern”, stellte er fest.
„Was mich noch interessieren würde: Hat sich der Ehemann des Opfers nicht gewundert, dass seine Frau die Nacht über nicht nach Hause gekommen ist?”
„Herr Guido Pötter ist für eine Sportartikelfirma tätig und häufig auf Reisen. Er ist erst heute Morgen aus Tokio zurückgekehrt und hat als Erstes in der Kanzlei angerufen, als er seine Frau vermisst hat.”
„Ich nehme an, er weiß inzwischen Bescheid”, sagte ich.
Gottfried Oberender nickte. „Ein Kollege war bei ihm.”
„Wir werden auch noch mit ihm sprechen müssen.”
Rudi deutete auf den Bereich hinter dem Mitsubishi. Zwei Erkennungsdienstler aus Nördendorf waren dort gerade intensiv mit der Sicherung und fototechnischen Dokumentation einer Reifenspur beschäftigt.
„Weiß man schon, was da für ein Wagen gestanden hat?”, fragte Rudi.
„An so einem Parkplatz gibt es so viele verschiedene Reifenspuren, Herr Meier. Wie sollen wir wissen, ob die wirklich etwas mit dem Verbrechen zu tun haben?”
„Der Täter wird seinem Opfer kaum zu Fuß gefolgt sein.”
„Da haben Sie natürlich recht. Wir dokumentieren alles sorgfältig und wenn Sie Glück haben, gibt es eine Übereinstimmung mit einer Spur, die bei den vorangegangenen Fällen dieser Serie gesichtet wurden”, antwortete Kommissar Oberender.
„Was ist mit den Überwachungskameras in der Raststätte?”, fragte ich.
Kommissar Oberender verzog das Gesicht.
„Sie gehen davon aus, dass es welche gibt, Kriminalinspektor!”
„Trifft das etwa nicht zu?”
„Doch. Aber die Anlage ist … Wie soll ich mich da höflich ausdrücken? Renovierungsbedürftig und nicht auf dem neuesten Stand. Allerdings gibt es an der dazugehörigen Tankstelle eine Überwachungskamera, deren Bildqualität hervorragend ist. Meine Kollegen sind bereits dabei, das Bildmaterial zu sichten.”
„Ich möchte, dass das gesamte Material umgehend auch nach Quardenburg überspielt wird.”
„Ja, in Ordnung. Aber versprechen Sie sich nicht zu viel davon.”
Ich hob die Augenbrauen.
„Wieso?”
„Nun, wir wissen ja bereits, dass Frau Pötter getankt hat. Aber der Täter dürfte kaum so dumm gewesen sein, das auch zu tun und damit eine Spur zu hinterlassen. Entweder durch eine Aufnahme mit der Überwachungskamera oder durch eine Kreditkartenabrechnung.”
„Da hat er recht, Harry”, meinte Rudi.
„Ich will trotzdem, dass überprüft wird, wer dort zum fraglichen Zeitpunkt getankt hat. Mit ganz besonderem Augenmerk auf die wenigen Kunden, die das bar beglichen haben.”
„Gut, kann ich veranlassen”, sagte Kommissar Oberender.
„Ich weiß, das ist, als ob man eine Nadel im Heuhaufen sucht”, sagte ich. „Aber glücklicherweise haben wir in Quardenburg jemanden, der auf solche Suchaktionen spezialisiert ist.”
„Na, wenn Sie meinen.”
„Und was die juristischen Bedenken angeht, bin ich überzeugt davon, dass unser Chef in Berlin jeden Staatsanwalt und jeden Richter davon überzeugen kann, dass so eine Aktion in diesem Fall durchaus gerechtfertigt ist. Sowohl juristisch als auch, was den Aufwand betrifft.”
Eine Viertelstunde später telefonierte ich mit Lin-Tai, um sie darauf vorzubereiten, dass Sie in Kürze mit einer Datenflut rechnen musste.
„Ach, ich habe übrigens Neuigkeiten für Sie, Harry”, sagte mir unsere IT-Spezialistin.
„Und die wären?”
„Der Mörder von Beate Michels hatte starkes Nasenbluten. Er hat die Tote in den Kofferraum seines Wagens geladen und sich dabei über sie gebeugt. Anders macht die Verteilung der Flecken keinen Sinn. Ich habe das mit FGF zusammen zu simulieren versucht, und ich kann Ihnen zwar nicht garantieren, dass es wirklich so war, aber andererseits muss erst mal jemand kommen und eine Erklärung abliefern, die auch nur annähernd so plausibel ist und vor allem mit den bisherigen Ermittlungsergebnissen übereinstimmt.”
„Na, das klingt zumindest mal wie ein Fortschritt in dem Fall”, meinte ich. „Ich habe da im Übrigen noch ein paar andere Dinge, die ich mit Ihnen besprechen muss …”
„Das klingt nach viel Arbeit, Harry.”
„Es ist viel Arbeit.”
Der blassgesichtige Mann hielt einige Kilometer nördlich von Nördendorf am Flussufer an. Auf dem Beifahrersitz seines Wagens lag der Koffer, in dem sich die Tätowiermaschine und sein Vorrat an Farben befanden. Ein einzigartiges Stück, diese Maschine.
Viel besser, als die modernen Varianten, die man für ein paar Euro im Internet bestellen konnte.
Er atmete tief durch und nahm dann die 22er unter seiner Kleidung hervor.
Eigentlich viel zu schade, diese Waffe wegzuwerfen, ging es ihm durch den Kopf. Aber es musste sein. Einmal benutzen und dann weg damit. Wie die Einweghandschuhe, mit denen er sich beim Tätowieren vor Infektionen schützte.
Alles hatte geklappt, wie es seinem Plan entsprochen hatte. Und trotzdem wirkte sein Gesicht nicht entspannt. Seine Lippen zuckten leicht. Er stieg aus und ging zum Flussufer.
Bevor er die Waffe dann in den Fluss schleuderte, nahm er erst noch die restlichen Patronen heraus.
Er hasste Verschwendung. Und es war schon schlimm genug, dass er diese Waffe nicht noch einmal benutzen konnte. Die Waffe versank im dunklen Flusswasser. Der Fluss war hier ziemlich breit. Hier, kurz vor der Mündung war die Strömung enorm. Sie würde die Waffe ins Meer befördern.
Der Mann griff in die Seitentasche seiner Jacke und holte auch noch den Schalldämpfer heraus.
Auch der musste entsorgt werden. Ihm war bewusst, dass ballistische Tests auch Schalldämpfer identifizieren konnten, auch wenn das in diesem speziellen Fall eigentlich extrem unwahrscheinlich war.
Keine Abweichung vom Schema. So lautete seine Devise. Nicht die kleinste Abweichung.
Er schleuderte nach kurzem Zögern auch den Schalldämpfer von sich. Es war in diesem Land nicht gerade leicht, sich eine neue Waffe zu besorgen, aber er hatte ja seine Quellen.
„Alles erledigt”, murmelte er leise vor sich hin. Dann griff er zu seinem Handy.
Rudi und ich fuhren zu Guido Pötter, dem Ehemann des Opfers. Er wohnte in einem Bungalow in Butterfeld. Wir klingelten an der Tür und eine Frau öffnete uns.
Ich zeigte meinen Ausweis.
„Harry Kubinke, BKA”, sagte ich. „Mein Kollege Kriminalinspektor Meier und ich würden gerne mit Herrn Guido Pötter sprechen.”
„Ich bin Rita Pötter, Guidos Schwester”, erklärte die Frau. Sie war Mitte dreißig und hatte brünettes, schulterlanges Haar. „Ihre Kollegen waren ja schon hier, und Guido ist im Moment nicht in einer besonders guten Verfassung. Deshalb bin ich auch hier.”
„Es wird nicht lange dauern”, versprach ich, ohne zu wissen, ob ich dieses Versprechen auch halten konnte. „Sehen Sie, wer immer Jessica Pötter auf dem Gewissen hat, wird sehr wahrscheinlich noch weitere Morde begehen. Und das können wir nur verhindern, wenn wir den Täter möglichst bald schnappen.”
„Ich wüsste nicht, wie Guido Ihnen dabei helfen könnte. Er war in Tokio, als es passierte.”
„Das wissen wir.”
„Kommen Sie herein!”, rief eine Stimme aus dem Inneren des Hauses.
Rita Pötter atmete tief durch.
„Tun Sie mir einen Gefallen: Machen Sie es nicht noch schwerer für mich”, flüsterte sie mir zu. „Ich werde heute Nacht hierbleiben, weil ich mir Sorgen um meinen Bruder mache.”
„Es ist schön, dass Sie sich so um ihn kümmern”, sagte ich.
„Seien Sie behutsam!”
„Ich verspreche es.”
„Mein Bruder hat Jessica sehr geliebt.”
Rita Pötter führte uns ins Wohnzimmer. Ein in sich zusammengesunkener Mann saß in einem Ledersessel und starrte vor sich hin. Er sah auf, als wir den Raum betraten.
„Setzen Sie sich”, sagte er. „Ich bin Guido Pötter. Wer Sie sind, habe ich mitgehört. Lassen Sie Ihre Ausweise ruhig stecken! Ich weiß, dass Sie sich alle Mühe geben werden, dieses sinnlose Verbrechen aufzuklären, aber das bringt mir Jessica nicht wieder.”
„Das ist uns wohl bewusst”, sagte ich. „Aber jede Stunde, die jetzt ungenutzt vergeht, nützt nur einem: dem Täter. Und der wird wieder zuschlagen und eine Frau heimsuchen.”
Guido Pötter sah zuerst mich und dann Rudi stirnrunzelnd an.
„Ist das so ein wahnsinniger Serientäter?”
„Davon gehen wir aus”, nickte ich.
„Dann wird man ihn am Ende auch noch für krank und unzurechnungsfähig erklären. Wollen Sie mir das etwa jetzt schon mal schonend beibringen?”
„Herr Pötter, darüber werden Gerichte zu entscheiden haben. Und ganz ehrlich, ich habe von diesen Dingen nicht genügend Ahnung, um das beurteilen zu können.”
„Ach, nein?”
„Ich werde alles tun, um den Täter zu kriegen, Herr Pötter. Um Ihrer Frau willen, aber auch um der Opfer willen, die er sich vielleicht in Zukunft suchen wird. Aber dazu brauchen wir Ihre Hilfe.”
„Meine Hilfe?” Er lachte heiser. „Ich fürchte, Sie überschätzen mich.”
„Nein, das glaube ich nicht. Sie kannten Ihre Frau doch am besten. Wir wissen nicht, weshalb der Täter sie ausgewählt hat. Vielleicht war es Zufall, vielleicht war sie nur zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort, vielleicht war es nur die Haarfarbe … wir haben keine Ahnung. Aber je mehr Sie uns über die Frau erzählen, mit der Sie verheiratet waren, desto größer könnte unsere Chance sein, dem Täter auf die Spur zu kommen.”
Pötter seufzte. Es klang, als lasteten da ein paar sehr schwere Gewichte auf seiner verwundeten Seele.
„Stellen Sie einfach Ihre Fragen!”, sagte er. „Aber vorher erklären Sie mir genau, was Ihren Erkenntnissen nach genau passiert ist. Ich will jede Einzelheit wissen. Sie brauchen mich nicht zu schonen. So wie die Kollegen von Ihnen, die bereits hier waren.”
„Ich bin überzeugt davon, dass die Ihnen nichts verschweigen wollten”, mischte sich Rudi ein.
„Nein, die wollten nur Rücksicht nehmen.”
„Das vielleicht auch”, gestand ich zu. „Aber die wussten vielleicht auch noch nicht genug.”