Zur Farbenlehre - Johann Wolfgang von Goethe - E-Book

Zur Farbenlehre E-Book

Johann Wolfgang von Goethe

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Beschreibung

Die auf Johann Wolfgang von Goethe zurückgehende Farbenlehre ist in Goethes Werk Zur Farbenlehre enthalten. Er stellte darin die während vieler Jahre gemachten Überlegungen und Versuche über das Wesen der Farbe dar. Goethe versuchte, das Phänomen Farbe in seiner Gesamtheit - das heißt nicht lediglich einseitig physikalisch oder von einem ästhetischen oder anderen Standpunkt aus - zu erfassen und zu beschreiben. Anerkennung erreichte er aber nur mit dem Abschnitt "Physiologische Farben", der die Erkenntnisse zur Farbwahrnehmung enthält. Er irrte speziell im Abschnitt "Physische Farben", der von ihm als Widerlegung der vorwiegend von Isaac Newton stammenden naturwissenschaftlichen Erkenntnisse gedacht war. Goethe selbst schätzte die Ergebnisse seiner Forschungen zur Farbe höher ein als die seines gesamten literarischen Schaffens. (aus wikipedia.de)

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Zur Farbenlehre

Johann Wolfgang Goethe

Inhalt:

Johann Wolfgang von Goethe – Biografie und Bibliografie

Zur Farbenlehre

Anzeige und Übersicht des Goethischen Werkes zur Farbenlehre

Zur Farbenlehre. Didaktischer Teil

Vorwort

Entwurf einer Farbenlehre. Didaktischer Teil

Einleitung

Erste Abteilung – Physiologische Farben

Zweite Abteilung – Physische Farben

Dritte Abteilung – Chemische Farben

Vierte Abteilung - Allgemeine Ansichten nach Innen

Fünfte Abteilung - Nachbarliche Verhältnisse

Sechste Abteilung - Sinnlich-sittliche Wirkung der Farbe

Materialien zur Geschichte der Farbenlehre

Einleitung

Zur Geschichte der Urzeit

Erste Abteilung - Griechen

Zweite Abteilung - Römer

Dritte Abteilung - Zwischenzeit

Vierte Abteilung  - Sechzehntes Jahrhundert

Fünfte Abteilung  - Siebzehntes Jahrhundert

Sechste Abteilung - Achtzehntes Jahrhundert

Zur Farbenlehre, J. W. Goethe

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849616649

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Johann Wolfgang von Goethe – Biografie und Bibliografie

Der größte Dichter deutscher Nation, geb. 28. August 1749 in Frankfurt a. M., starb 22. März 1832 in Weimar.

Goethes Geschlecht.

Die Spuren des Goetheschen Geschlechts weisen bis in die Mitte des 17. Jahrh. und ins sächsisch-thüringische Gebiet zurück (vgl. Düntzer, Goethes Stammbäume, Gotha 1894). Goethes Urgroßvater Hans Christian G. saß als Hufschmied zu Artern an der Unstrut (im Mansfeldischen); dessen Sohn Georg Friedrich, ein tatkräftiger, bewusst vorwärts strebender Mann, ließ sich 1687 in Frankfurt als Schneidermeister nieder und ward infolge seiner zweiten Heirat mit Cornelia Schellhorn, geborenen Walther, Gastwirt im »Weidenhof« (vgl. R. Jung, Georg Friedrich G., in der »Festschrift zu Goethes 150. Geburtstagsfeier, dargebracht vom Freien Deutschen Hochstift«, Frankf. 1899). Seinen jüngeren Sohn, Johann Kaspar (getauft 31. Juli 1710, gest. 27. Mai 1782), ließ er die Rechte studieren, nach der Promotion in Wetzlar und Regensburg seine weitere Ausbildung suchen und nach Italien reisen. Heimgekehrt, bewarb sich Johann Kaspar G. um ein städtisches Amt, wurde aber zurückgewiesen und fasste deshalb den Entschluss, auf jede bürgerliche Anstellung in seiner Vaterstadt zu verzichten. Er wusste sich den Titel eines kaiserlichen Rates zu verschaffen und lebte bei behäbigem Wohlstand in seinem Haus am Frankfurter Hirschgraben (gegenwärtig im Besitz des Freien Deutschen Hochstifts) ehrbar und ernst der Erziehung seiner Kinder und seinen künstlerischen Liebhabereien, erfuhr aber mehr und mehr in kleinlichem Tun die niederdrückenden Einflüsse eines unausgefüllten, berufslosen Daseins (vgl. Felicie Ewart, Goethes Vater, Hamb. 1899). Seine Gattin, Katharina Elisabeth (geb. 19. Febr. 1731, gest. 13. Sept. 1808), die Tochter des hochangesehenen Schultheißen Johann Wolfgang Textor, war 21 Jahre jünger als er und bildete mit ihrer naiven Lebhaftigkeit, ihrer Herzenswärme und unerschütterlichen Frische der Phantasie einen auffälligen Gegensatz zu seiner schwerfälligen Strenge. Sie, die als »Frau Rat« oder als »Frau Aja« (so hieß die Mutter der vier Haimonskinder), des großen Sohnes würdig, fortleben wird im Gedächtnis der Menschen, besaß die wunderbare Gabe, jung und alt durch die Liebenswürdigkeit ihres Herzens und ihre lebhaft-urwüchsige Rede zu fesseln. Die »Briefe von Goethes Mutter an die Herzogin Anna Amalia«, herausgegeben von Burkhardt (»Schriften der Goethe-Gesellschaft«, Bd. 1, Weim. 1885), verraten ihre unbefangene Herzlichkeit gegenüber dieser verständnisvollen Gönnerin ihres Sohnes. Und als ihr »Hätschelhans« Christiane Vulpius ohne das Band der Ehe zu der seinen machte, war sie, die es hasste, jemand zu »bemoralisieren«, ohne lange Bedenken bereit, der »Tochter« Herz und Haus zu öffnen (vgl. »Briefe von Goethes Mutter an ihren Sohn, Christiane und August v. G.«, in den »Schriften der Goethe-Gesellschaft«, Bd. 4, Weim. 1889; ferner Heinemann, Goethes Mutter, 7. Aufl., Leipz. 1904). Der älteste Sohn von Johann Kaspar und Elisabeth G. war unser Dichter; von mehreren nachgebornen Geschwistern blieb nur die Tochter Cornelia Friederike Christiane (geb. 7. Dez. 1750, seit 1773 mit J. Georg Schlosser vermählt, gest. 8. Juni 1777 in Emmendingen) am Leben; sie, dem Dichter äußerlich wie innerlich unähnlich, stand doch seinem Herzen besonders nahe (vgl. Witkowski, Cornelia, die Schwester Goethes, Frankf. 1902).

Goethes Leben bis zur Übersiedelung nach Weimar (1749–75).

Die ersten Jugendeindrücke Goethes trugen viel dazu bei, seine Phantasie anzuregen und seine geistigen Anlagen zu fördern; die Naturbilder der schönen Umgebung, die historischen Erinnerungen der verkehrsreichen Vaterstadt, vor allem aber die Ereignisse des Siebenjährigen Krieges beschäftigten den jugendlichen Geist, und als vollends im Januar 1759 die verräterisch den Franzosen übergebene Stadt unmittelbar in die Kriegsunruhen hineingezogen und jahrelangen Einquartierungen überliefert wurde, fehlte es nicht an mannigfaltigen Schauspielen, die das Kindergemüt bewegten. Im Hause von Goethes Vater war der »Königsleutnant« Graf Thoranc (G. schreibt in »Dichtung und Wahrheit« irrtümlich Thorane) untergebracht, der die höchste Polizeigewalt bei Streitigkeiten zwischen Militär und Zivil besaß (vgl. Schubart, François de Théas Comte de Thoranc, Goethes Königsleutnant, »Dichtung und Wahrheit«, 3. Buch, Münch. 1896; Grotefend, Der Königsleutnant Graf Thoranc in Frankfurt, Frankf. 1904). Reibereien und heftige Auftritte zwischen Thoranc und dem Rat G., vielfache Störungen des Unterrichts, den teils Goethes Vater selbst, teils Privatlehrer erteilten, vermehrten die Unruhe des jugendlichen Geistes. Sein Interesse für Kunst wurde durch die von Thoranc wie von dem Rat G. im Hause beschäftigten Frankfurter und Darmstädter Maler genährt; seine Liebhaberei für Drama und Bühne durch häufigen Besuch des französischen Theaters fast zu früh angeregt. Der vielseitige Unterricht war auf Realien und formale Fertigkeiten gerichtet und nicht einwandfrei, wurde aber trotz zersplitternder Reichhaltigkeit mit überraschender Leichtigkeit bewältigt. Der frühreife Geist übte sich in mannigfaltigen poetischen Versuchen, von denen uns jedoch nur spärliche und nicht viel besagende Reste erhalten sind. Das leidenschaftliche Gemüt des Fünfzehnjährigen wurde durch die Liebe zu »Gretchen« tief erregt, über die wir jedoch nur die poetisch ausgeschmückte Darstellung in »Dichtung und Wahrheit« kennen. Die peinliche Verbindung mit zweifelhaften Jünglingen geringeren Standes, die wegen bedenklicher Handlungen in gerichtliche Untersuchung gezogen wurden, vermehrte den verworrenen Zustand des Jünglings, der infolgedessen auch von den Festlichkeiten bei der Krönung Josephs II. nur schattenhafte Eindrücke gewann.

Auf der Universität Leipzig, die G. im Oktober 1765 als Student der Rechte bezog (er nahm seine Wohnung in dem Hause »Zur Feuerkugel« zwischen der jetzigen Universitätsstraße und dem Neumarkt), wurden diese Zustände leidenschaftlicher Verwirrung im ganzen nur noch gesteigert. Die Stadt machte auf ihn einen bedeutenden Eindruck, die Universität weniger. Gellert war von hypochondrischer Schwäche schon allzu sehr niedergedrückt, um dauernd und tief wirken zu können; der Betrieb der philosophischen Lehren war ungefähr derart, wie ihn Mephisto im »Faust« beschreibt, die verknöcherte Juristerei nicht besser. Der literarische Geschmack in Leipzig stand jedoch verhältnismäßig hoch: in solchem Kreise sah der Dichter ein, dass seine bisherigen Versuche nichts wert seien; er warf den größten Teil seiner Papiere ins Feuer und beherzigte fortan den Grundsatz, nur Selbsterlebtes und dieses in möglichst knapper Form zu gestalten. Freilich blieb er auch jetzt noch in konventionellen Gefühlen befangen. Sein Verkehr war nicht durchaus förderlich für ihn: an erster Stelle zu nennen ist hier der elf Jahre ältere Behrisch (s. d.), ein drolliger Pedant, kenntnisreich, aber in zweckloser Tätigkeit seine Kraft vergeudend und zu albernem Widerspruch allzu sehr geneigt; anregender waren die Stunden im Hause des Buchhändlers Breitkopf, vor allem aber die bei Adam Friedrich Oeser, dem tüchtigen Maler und Direktor der Zeichenakademie; bei ihm nahm G. Unterricht und gewann durch ihn, den Freund und Anhänger Winckelmanns, Einsicht in wahrhaft leben weckende Kunstanschauungen. Doch war sein Geschmack nicht einseitig der Antike zugewendet; bei einem Besuch in Dresden (1767) gewann der junge Dichter nicht minder tiefe Eindrücke durch die in der dortigen Galerie reich vertretenen niederländischen Maler, die doch einem ganz andern Kunstideal gehuldigt hatten. Die heißblütige Natur des Dichters verriet sich in seiner Liebe zu Käthchen Schönkopf, der anmutigen filia hospitalis auf dem Brühl, die sich aber schließlich dem eifersüchtigen Ungestüm des drängenden Jünglings entzog, und die bald nach Goethes Wegzug von Leipzig einem andern, dem Dr. Kanne, Herz und Hand schenkte. Durch das ungeregelte Leben der Leipziger Jahre zog sich der junge Dichter eine schwere Erschütterung seiner Gesundheit zu, die sich durch einen Blutsturz und andre Leiden verriet. Sein poetisches Talent war jedoch gewachsen: es gelangen ihm eine Reihe ansprechender lyrischer Gedichte, die freilich zumeist noch im Geiste der herrschenden Anakreontik gehalten waren (vgl. Strack, Goethes Leipziger Liederbuch, Gießen 1893). Die Erfahrungen mit Käthchen Schönkopf verwertete er für das an Gellert sich anschließende Schäferspiel »Die Laune des Verliebten«, und Zustände des Frankfurter Bürgerlebens spiegeln sich in der (zuerst einaktigen) Komödie »Die Mitschuldigen«, die auch in Leipzig bereits z. T. ausgeführt wurde. Aber als ein Schiffbrüchiger verließ G. im August 1768 die Stadt an der Pleiße, und der nach Frankfurt Heimgekehrte, von den Eltern mit Sorge und Beklommenheit begrüßt, kränkelte noch während des ganzen Jahres 1769. In dieser Zeit gewann er bedeutende Anregungen durch Fräulein Susanne v. Klettenberg, die tieffühlende pietistische Freundin seiner Mutter, deren hinterlassene Papiere er später im 6. Buche von »Wilhelm Meisters Lehrjahren« für die »Bekenntnisse einer schönen Seele« verwertete.

Im Frühling 1770 bezog G. die Universität Straßburg, wo er seine Studien im August 1771 zum Abschluss brachte. Anregender Verkehr mit dem Aktuar Salzmann, dem Senior des Mittagstisches, zu dem G. gehörte, u.a., vor allem aber mit Herder, der als Reisebegleiter des Prinzen von Holstein-Eutin nach Straßburg gekommen war und sich hier einer langwierigen Augenoperation unterzog, gab diesem Straßburger Aufenthalt für Goethes innere Entwickelung entscheidende Bedeutung. Herder erschloss dem jungen Dichter das Verständnis für die Volkspoesie aller Zeiten; er betrachtete die Dichtung als eine Völkergabe, die unter jedem Himmelsstrich und zu jeder Zeit gedeihen könne und insbes. von gelehrter Bildung unabhängig sei; er verstand es, feinfühlend die innersten Geheimnisse der Dichtungen klarzulegen, und er wusste ebenso sehr die Poesie des Alten Testaments wie diejenige Homers, Shakespeares oder Ossians, vor allem aber diejenige des Volksliedes aller Zeiten zu verdeutlichen. Diese Lehren Herders waren epochemachend für Goethes Geist, und die raue ostpreußische Art und der überlegene Spott Herders trugen vollends dazu bei, das Gemüt des jungen Dichters aufzurühren. Er fand sich selbst, und er lernte an den Grenzen Frankreichs deutsche Art und deutsche Kunst inniger begreifen als in dem galanten französierenden Leipzig. Dazu kam die erste, sein Gemüt vertiefende Liebe, die Liebe zu Friederike Brion (s. d.), der Tochter des Pfarrers in Sesenheim, eine Liebe, deren beseligende Kraft sich in mehreren Gedichten (»Kleine Blumen, kleine Blätter«, »Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferd«) wundervoll offenbart. Aber ein Vorgefühl von der Kürze und Vergänglichkeit dieses Glückes trübte die letzten Tage dieser Straßburger Zeit; äußern und inneren Rücksichten folgend, löste G. von Frankfurt aus, wohin er im August 1771 als Lizentiat der Rechte zurückkehrte, das einer Verlobung gleichkommende Liebesverhältnis wieder auf, nicht ohne selbst unter dem Treubruch auf das tiefste zu leiden.

Die nächsten vier Jahre in Frankfurt und Wetzlar sind die ertragreichsten und bedeutendsten in Goethes Leben. Er wurde 28. Aug. 1771 zur Advokatur zugelassen, hatte aber nur wenig zu tun und wurde in dem Wenigen überdies von dem Vater unterstützt. Fast ganz konnte er seine Kraft der Dichtung widmen: vom Oktober bis Dezember 1771 gelang ihm die erste Niederschrift des »Götz von Berlichingen«, den er dann 1773 vollständig umarbeitete und in dieser Fassung veröffentlichte. Dem Shakespeareschen Historienstil folgend, hatte der Dichter hier ein echt deutsches Kulturgemälde von überraschender Lebenswahrheit und Lebensfülle entworfen, ein aller Regeln spottendes Werk von entzückender Frische, durch das eine neue Epoche der deutschen Dichtung eingeleitet wurde (vgl. Minor und Sauer, Studien zur G.-Philologie, Wien 1880; Weißenfels, G. im Sturm und Drang, Halle 1894, Bd. 1).

Vom Mai bis September 1772 weilte G. in Wetzlar als Praktikant bei dem gänzlich verkommenen Reichskammergericht. In einer literarisch angeregten Tischgesellschaft (darunter Gotter, v. Goué, Kestner) verbrachte er genussreiche Stunden. Vor allem aber kam sein rätselhaft tiefes und leidenschaftliches Gemütsleben zur höchsten Entwickelung in der Liebe zu Charlotte Buff, der Braut Kestners; nur dadurch, dass er rechtzeitig, ohne Abschied zu nehmen, Wetzlar verließ, wusste er der heftigen Erregung Herr zu werden (vgl. Herbst, G. in Wetzlar, Gotha 1881). Nach kurzem Aufenthalt zu Ehrenbreitstein in der Familie der Romanschriftstellerin Sophie v. Laroche kehrte G. nach Frankfurt zurück, wo er eine Reihe von Aufsätzen schrieb, weiterhin an der Herausgabe der »Frankfurter Gelehrten Anzeigen« beteiligt war, zahlreiche dramatische und sonstige Pläne entwarf und zu Anfang des Jahres 1774 in wenigen Wochen die »Leiden des jungen Werthers« niederschrieb, in denen er seine Wetzlarer Erfahrungen, die erschütternde Kunde des am 29. Okt. 1772 erfolgten Selbstmordes von Karl Wilhelm Jerusalem (s. d.) und eigne unerfreuliche Erlebnisse mit Peter Anton Brentano, dem Gatten von Maximiliane, geborenen Laroche, seiner Freundin, verwertete. Dieser Roman, der das erste europäische Buch der deutschen Literatur werden sollte und schnell in alle Kultursprachen übersetzt wurde, ist das großartigste literarische Denkmal des empfindsamen, stillen, tiefen Kulturlebens jener Zeit. Die Verfeinerung des Gefühls bei geringer Kultur des aktiven Willens gelangt in keinem andern Werke so wie hier zum Ausdruck; zugleich aber gewinnt man bei aller krankhaften Schwärmerei des Helden doch einen Ausblick auf gesunde und reine Verhältnisse einer gemütvoll sinnigen Wett (vgl. A. Kestner, G. und Werther, 2. Aufl., Stuttg. 1857; J. W. Appell, Werther und seine Zeit, Leipz. 1855; 4. Aufl. 1896; Erich Schmidt, Richardson, Rousseau und G., Jena 1875). Daneben schrieb G. übermütige dramatische Satiren: den »Prolog zu den neuesten Offenbarungen Gottes« (gegen den Aufklärer Bahrdt), das »Jahrmarktsfest zu Plundersweilern« mit mannigfaltiger literarischer Satire (vgl. M. Herrmann, Jahrmarktsfest zu Plündersweilern, Berl. 1900), den »Pater Brey« gegen Leuchsenring, den »Satyros« gegen die Rousseauschen Naturapostel, »Hanswursts Hochzeit«, »Götter, Helden und Wieland« gegen Wielands »Alceste«. Von groß angelegten Arbeiten blieben »Mahomet«, »Prometheus« und der »Ewige Jude« Fragment, jedes in seiner Art, vor allem der »Prometheus«, von höchster Genialität und eigenartigster Weltanschauung zeugend. Auch vom »Faust« entstanden 1774–75 die meisten Abschnitte des ersten Teils, darunter der erste Monolog, die Szene mit dem Erdgeist, die Wagnerszene, die Schülerszene und fast die ganze Gretchentragödie (die Kerkerszene noch in Prosa). Diese ältesten Abschnitte des Werkes, der sogen. »Urfaust«, sind erst 1887 in einer Abschrift des weimarischen Hoffräuleins Luise v. Göchhausen wieder aufgefunden und durch Erich Schmidt veröffentlicht worden (»Goethes. Faust' in ursprünglicher Gestalt«, Weim. 1887, 5. Aufl. 1901; vgl. Collin, Goethes, Faust' in seiner ältesten Gestalt, Frankf. a. M. 1896; Minor, Goethes 'Faust', Stuttg. 1901, 2 Bde.); sie bilden in der gedrängten Fülle tiefsinnigster Gedanken, in dramatisch gehobener Handlung, lyrisch vertieften Situationen und tragisch erschütternder Größe das Gewaltigste, was G. geschaffen hat. Zur Vollendung gelangte in dieser Zeit der »Clavigo« (Leipz. 1774), ein an Beaumarchais' Memoiren eng angelehntes, in acht Tagen flüchtig niedergeschriebenes Werk, das immerhin noch den großen Dichter verrät, aber den Vergleich mit seinen bessern Arbeiten nicht verträgt. Auch »Stella, ein Schauspiel für Liebende« (Berl. 1776), ein nach vielfältigen Modellen gearbeitetes, verwickeltes Stück, ist trotz der entzückenden Schilderung des Seelenlebens der Heldin im ganzen eine verfehlte Arbeit; der damals bereits weit geförderte »Egmont« gelangte in Frankfurt nicht mehr zum Abschluss.

Zu dem vor allem durch den »Werther« schnell berühmt gewordenen Dichter suchten zahlreiche Schriftsteller, teils brieflich, teils persönlich Beziehungen zu gewinnen. Im Sommer 1774 machte er eine Lahn- und Rheinreise mit Lavater und Basedow; 1775 eine Reise nach der Schweiz mit den Grafen Friedrich Leopold und Christian zu Stolberg. Seit 1774 verbanden ihn freundschaftliche Beziehungen mit Fritz Jacobi und dessen Freundin Johanna Fahlmer; 1774 und 1775 kehrte Klopstock in Goethes Haus ein; Mitte Oktober 1774 erschienen Boie, im Februar 1775 Jung-Stilling, später Sulzer, Pestalozzi, Georg Zimmermann u.a. Aber das wichtigste Erlebnis dieser Zeit war Goethes Liebe zu Elisabeth (Lili) Schönemann, der Tochter eines Frankfurter Bankiers, einer ebenso schönen wie klugen 17jährigen Blondine, deren harmlose Koketterie die edelsten Gemüts- und Charakteranlagen nur leise verbarg. Sie, die vielleicht besser als irgend eine andre des Dichters Lebensweg zu schmücken verstanden hätte und seiner würdig gewesen wäre, wurde zwar seine Braut, doch führten einerseits die Ehescheu des jungen Titanen, anderseits die Verschiedenheit der Lebenssphären und Anschauungen beider Familien bald zu einer Lösung der Verlobung (vgl. E. Graf von Dürckheim, Lillis Bild, 2. Aufl., Münch. 1894). So war es denn auch in dieser Hinsicht wünschenswert, dass G. den heimischen Verhältnissen, die ihm zu eng wurden, entfloh: einer Einladung des jungen Herzogs Karl August von Weimar, dessen Bekanntschaft er schon 1774 gemacht hatte, folgend, zog er nach der thüringischen Residenz, wo er 7. Nov. eintraf, ohne zunächst zu glauben, dass er hier dauernd verweilen werde.

Vom Eintritt in Weimar bis zur Rückkehr aus Italien (1775–88).

Der Eintritt in neue Verhältnisse großen Stils und in einen Kreis hochgebildeter vornehmer Personen blieb nicht ohne tiefgehenden Einfluss auf den Dichter. Karl August, eine überschäumende Kraftnatur, hochbegabt, soldatisch derb, rastlos, aber nicht immer zweckbewußt tätig, begegnete dem jungen Dichter mit Bewunderung und größtem Vertrauen. Beide wurden bald nahe befreundet und überboten sich zum Schrecken aller Philister in oft fast bedenklich tollem Treiben. Den Mittelpunkt des Musenhofes bildete noch die Herzogin-Mutter Anna Amalia, der die Huldigungen der Dichter und Komponisten (außer G.: Wieland, Knebel, Bertuch, Herder, Einsiedel, Seckendorf u.a.) in erster Linie galten. Dagegen hielt sich die edle, sittenstrenge Herzogin Luise, von dem haltlosen Treiben peinlich berührt, mit Entschiedenheit zurück (vgl. E. v. Bojanowski, Luise, Großherzogin von Sachsen-Weimar, Stuttg. 1903). Auch von den Staatsbeamten verfolgten manche mit Kopfschütteln die Beweise unbedingter Gunst, die der Fürst des Landes dem jungen Dichter schenkte, vor allem Graf Görtz und der Minister v. Fritsch, der mit seinem Abschied drohte, als Karl August G. ein Amt im Verwaltungsdienst übertragen wollte (vgl. K. von Beaulieu-Marconnay, Karl August und der Minister v. Fritsch, Weim. 1874; Düntzer, G. und Karl August, 2. Aufl., Leipz. 1888). Aber der Herzog ließ sich nicht abhalten, G. 11. Juli mit dem Titel eines Geheimen Legationsrates im geheimen Konseil anzustellen; er übertrug ihm die Geschäfte der Wegebaukommission, der Bergwerks- und Forstverwaltung, der Kriegskommission u.a., Geschäfte, die des Dichters nicht immer würdig sein mochten, ihm aber doch die Weltkenntnis mehrten. 1782 wurde G. auf Anlass Karl Augusts durch den Kaiser geadelt, und im selben Jahr übernahm er das Kammerpräsidium. Er selbst, der acht Jahre älter war als der Herzog, fühlte sich bald durch die zerstreuenden Vergnügungen unbefriedigt und suchte auch seinen ungestümen Herrn zu ernsterer Lebensauffassung zu bewegen.

Zu der tiefen Wandlung, die G. schon in den ersten Jahren erfuhr, trug wesentlich bei seine Liebe zu Frau von Stein, geborenen v. Schardt. Sie, die Gattin des Oberstallmeisters v. Stein, Mutter von sieben Kindern, sieben Jahre älter als G., flößte ihm ein Gefühl ein, das sich von seinen früheren Liebesregungen wesentlich unterschied. Die kränkelnde, nicht eben schöne Frau vereinte mit den edlen Formen der echten Aristokratin ein unendlich tiefes Gemüt, ungewöhnlich reiche Bildung und scharfen Verstand. Ihr Wesen spiegelt sich in den Gestalten von Iphigenie und der Prinzessin im »Tasso«, vor allem in der letzteren, ab. Auch ihr begegnete der Dichter mit leidenschaftlichem Ungestüm, aber sie verstand es, sein heißes Drängen in Schranken zu halten, sein Gemüt zu klären und zu beruhigen, und ihrem Einfluss ist der weihevolle Geist der Dichtungen dieser Zeit in erster Linie zu danken.

Goethes Bemühungen gelang es, Herder dauernd nach Weimar zu ziehen, wo er die Stellung eines Generalsuperintendenten und ersten Predigers an der Stadtkirche übernahm. Andre Freunde unsers Dichters, Lenz und Klinger, machten sich in Weimar, wo sie zu Besuch erschienen, bald unmöglich; der Graf Fritz Stolberg wurde dagegen durch Klopstock, dem übertriebene Gerüchte von dem wilden Treiben der Weimaraner zu Ohren gekommen waren, bewogen, die angebotene Stellung eines Kammerherrn abzulehnen. – Außer einigen tiefgefühlten Gedichten schrieb G. in dieser Periode nur kleine Dramen, die zumeist für die Ausführung auf dem von ihm selbst geleiteten Liebhabertheater bestimmt waren: die entzückenden »Geschwister« (1776), »Lila« (1777), mit Anspielung auf das Verhältnis des Herzogs und der Herzogin, den »Triumph der Empfindsamkeit« (1778), mit starker Satire gegen die herrschende Gefühlsseligkeit, »Jeri und Bätely«, »Die Fischerin«, »Scherz, List und Rache«, vor allem aber »Iphigenie auf Tauris« (1779), welches Stück, damals in Prosa abgefasst, bei der Ausführung sogleich tiefen Eindruck machte. Daneben gelangen dem Dichter die Anfänge des »Wilhelm Meister« und des »Torquato Tasso«, während »Elpenor« und »Die Geheimnisse« leider immer Fragment blieben. Schon seit der zweiten Schweizerreise, die G. in Gemeinschaft mit dem Herzog in den Monaten September 1779 bis Januar 1780 unternahm, war eine Wandlung seines Innern unverkennbar geworden. Der Dreißigjährige befestigte sich mehr und mehr in idealer Lebensauffassung und in dem Vorsatz zu rastloser Tätigkeit. Als dann 1781 das Noviziat seines Verhältnisses zu Frau v. Stein mit einer endgültigen Festsetzung der einzuhaltenden Grenzen abgeschlossen war, steigerte sich sein leidenschaftlicher Bildungseifer, sein tiefes Verlangen nach Veredlung seines gesamten Seins. Indessen fühlte er mehr und mehr die Hindernisse, die ihm die weimarischen Verhältnisse hierbei entgegenstellten; es war eine gewisse Ernüchterung eingetreten, die anfangs empfundene Anregung der Geschäfte war verflogen, das Verhältnis zum Herzog des öfteren getrübt, vor allem aber empfand es der Dichter als schweren Druck, dass ihm die Vollendung seiner poetischen Arbeiten erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht wurde. Alles dies bewog ihn, sich für längere Zeit von den Fesseln des Amtes zu befreien: mit Zustimmung des Herzogs, aber ohne Wissen andrer Personen trat er 3. Sept. 1786 von Karlsbad aus die lang erwünschte Reise nach Italien an.

Während dieser in Italien verbrachten Zeit vollendete sich die innere Wandlung des Dichters (vgl. »Tagebücher und Briefe Goethes aus Italien an Frau v. Stein und Herder« in den »Schriften der Goethe-Gesellschaft«, Bd. 2, Weim. 1886; R. Haarhaus, Auf Goethes Spuren in Italien, Leipz. 1896 bis 1897, 3 Bde.). Es war eine ernst aufgefasste Bildungsreise, während deren die Kunstbetrachtungen im Vordergrund standen, eine Reise, die des Dichters ästhetische Weltanschauung zur Reise brachte. Über München und den Brenner fuhr er nach Verona und Venedig, der durch Palladios Meisterwerke geschmückten Stadt, in der er über 14 Tage verweilte; nach kurzem Aufenthalt in Ferrara und Bologna eilte er nach Rom, wo er 29. Okt. 1786 durch die Porta del popolo einzog. Im Verkehr mit deutschen Künstlern, Bury, Schütz, Dannecker, Lips, Trippel, Reiffenstein, Heinrich Meyer, mit Angelika Kauffmann und dem Dichter Karl Philipp Moritz, unter historischen wie kunsthistorischen Studien, die Schätze des Vatikans emsig würdigend und vor allem Michelangelos Größe tief erfassend, verbrachte er hier bedeutungsvolle Monate. Am 22. Febr. 1787 reiste er nach Neapel weiter, wo statt der Kunst nunmehr das bunte, südlich-bewegte Volkstreiben mit Bewunderung verfolgt wurde. Mit dem Maler Heinrich Kniep, der ihm außer Philipp Hackert hier in Neapel Anregungen bot, fuhr G. 29. März nach Sizilien weiter, dessen Naturwunder, Kunstschätze und Altertümer ihm Eindrücke gaben, die er als »unzerstörlichen Schatz seines Lebens« betrachtete. Auf der Rückkehr verbrachte er die zweite Hälfte des Mai wieder in Neapel, dann die Zeit vom Juni 1787 bis zum April 1788 abermals in Rom, wo Angelika Kauffmann ein Ölbild, Trippel die berühmte Apollobüste des Dichters schuf. Hier in Rom, wo er seine Kräfte wiederum den mit tiefstem Ernst betriebenen Bildungsinteressen widmete, gewann er in Maddalena Riggi, der »schönen Mailänderin«, eine bewundernd zu ihm ausschauende Freundin, in der jugendlichen Faostina Antonini die Geliebte, die neben Christiane Vulpius in den »Römischen Elegien« verewigt wurde (vgl. Carletta, G. a Roma, Rom 1899). Der Gewinn der Reise bestand in einer Vertiefung seiner Kunstanschauungen und in allseitiger Bereicherung seines inneren Lebens; er hatte die Umarbeitung der »Iphigenie«, des »Egmont« und mehrerer Singspiele der früheren Zeit vollendet, die des »Tasso« wesentlich gefördert, die Arbeit am »Faust« fortgeführt und daneben neue bedeutende Pläne, wie den der »Nausikaa«, entworfen.

Von der Rückkehr aus Italien bis zu Schillers Tod (1788–1805).

Nach diesen reichen Jahren der italienischen Reise folgte eine schmerzliche Reaktion. Namentlich Frau v. Stein hatte dem Dichter die heimliche Flucht verübelt; nur spärliche und z. T. heftig grollende Briefe hatte sie ihm nach Italien gesandt; auch den am 18. Juni 1788 Heimkehrenden empfing sie mit Zurückhaltung, ja Kälte, und wenn er mit Begeisterung von den herrlichen Eindrücken Italiens erzählte, fühlte sie sich hierdurch verletzt. Dazu kam, dass G. bald nach seiner Rückkehr den Liebesbund mit Christiane Vulpius einging, die ihm als Bittstellerin für ihren Bruder, den Verfasser des »Rinaldo Rinaldini«, im Park zu Weimar begegnet war und seine sinnliche Natur durch ihre Jugendfrische und Schönheit entzückte. Frau v. Stein konnte dem Dichter den Verstoß gegen die Sitte nicht verzeihen, und so kam es im Sommer 1789 zu dem Goethes Seele tief erschütternden Bruch mit der Frau, die ihm für seine geistige Entwickelung mehr geboten hatte als irgend eine andre. Auch der Misserfolg der ersten Sammlung seiner »Schriften«, die 1787–90 bei Göschen in Leipzig erschienen und den Himburgschen Nachdruck beseitigen sollten, verstimmte ihn; vollends aber war ihm die große Erscheinung der französischen Revolution, da er weiter schaute als die andern, von Anfang an peinlich und bedrückend. G., dessen höchstes Streben auf die Steigerung und Vertiefung des individuellen Lebens gerichtet war, besaß geringeres Verständnis für die Bewegungen des Gesamtbewußtseins, die Erhebung der Massen. Im Frühjahr 1790 war er, dem Christiane 25. Dez. 1789 den ersten Sohn geschenkt hatte, zur Begrüßung der Herzogin Anna Amalia abermals nach Italien und zwar nach Venedig gereist, wo er 31. März eintraf. Aber der Zauber der Lagunenstadt und des südlichen Volkes waren für ihn diesmal entschwunden; seine Liebe für Italien hatte einen tödlichen Stoß erfahren. »Ich bin«, so schrieb er, »ein wenig intoleranter gegen das Sauleben dieser Nation als das vorige Mal.« Die »Venezianischen Epigramme« legen Zeugnis von dieser verbitterten Stimmung ab. Im Juli 1790 folgte G. seinem Herzog in das schlesische Lager, wo König Friedrich Wilhelm II eine diplomatisch-militärische Intervention zu unrühmlichem Abschluss brachte. Zwei Jahre später beteiligte sich G., wiederum im Gefolge seines Herzogs, an dem Feldzug nach Frankreich, der freilich noch viel jämmerlicher endete und z. T. von dem Dichter eindrucksvoll beschrieben wurde. Auch 1793 war er bei der Belagerung von Mainz, die er ebenfalls beschrieb, zugegen. In dieser Zeit waren ihm außer den unvergleichlichen »Römischen Elegien« der »Reineke Fuchs« und der Abschluss des »Tasso« gelungen. Im »Reineke Fuchs« lieferte er eine durch den Hexameter besonders glücklich gehobene Neubearbeitung des niederdeutschen Werkes; im »Tasso« schuf er ein Meisterwerk, in dem er die Psychologie des Dichters, das Schwanken zwischen Traum und Wirklichkeit, mit unvergleichlich tiefer Divination erschloss. Daneben suchte er in dem dramatisch wirksamen, aber peinlichen »Groß-Cophta«, dem »Bürgergeneral«, den unvollendeten »Aufgeregten« und der »Reise der Sohne Megaprazons« die Eindrücke des ihm unheimlichen Zeitlebens ohne Erfolg poetisch zu ergründen.

Neuen Inhalt und unerwartet reiche Anregungen erfuhr G. durch die freundschaftliche Verbindung mit Schiller. Am 13. Juni 1794 richtete dieser an G. die Aufforderung, sich an der neuen Zeitschrift »Die Horen« zu beteiligen; am 24. sprach G. seine Zustimmung aus. Im Juli und August kam es zu einer Annäherung, und vollends nach Empfang von Schillers tiefdringendem Briefe vom 22. Aug. 1794 erkannte G., welch unerwarteter Gewinn ihm durch die neue Freundschaft erwuchs. Hatten doch beide zuvor teils abwartend, teils ablehnend einander aus der Ferne beobachtet; jetzt war ihre Entwickelung zu dem Punkte gelangt, wo sie einander ganz nahe gerückt waren und im Innersten verstanden. Der Freundschaftsbund, der allen Intrigen unedler Neider, wie z. B. Kotzebues, zum Trotz ungetrübt fortbestand, ward beiden Männern zum Segen. G. erfuhr von Schiller vielfältigste Anregung zu poetischer Arbeit: soz. B. war es Schillers Verdienst, dass der immer noch fragmentarische »Faust« wieder aufgenommen und zum Abschluss gebracht wurde. Dagegen endete das schon früher mehrmals getrübte Verhältnis zu Herder 1796 durch Herders Schuld mit einer dauernden Entfremdung der einstigen Freunde. Neue Aufgaben waren dem Dichter seit 1791 durch die Begründung des ständigen Hoftheaters, dessen Leitung ihm oblag, erwachsen. Jetzt, unter Schillers Anteil, besonders seit dessen Übersiedelung nach Weimar (1799), gelang es unserm Dichter, den idealistischen Stil des Théâtre Français mit einigen Umbildungen und Vertiefungen auf seiner Bühne heimisch zu machen und sie, unter Schillers Anteil, zu einer viel bewunderten Musteranstalt zu erheben. Daneben nahmen ihn die Verwaltungsgeschäfte für die Universität Jena, die Begründung der »Neuen Jenaer allgemeinen Literaturzeitung«, die immer reger betriebenen tiefdringenden naturwissenschaftlichen Studien und anderes in Anspruch. Unter seinen poetischen Arbeiten ist die Vollendung von »Wilhelm Meisters Lehrjahren« (1794–96, 4 Bde.) in erster Linie zu nennen. In diesem Werke schuf G. den ersten epochemachenden Bildungsroman der deutschen Literatur; ursprünglich beabsichtigte er nur eine Schilderung des Theaterwesens jener Zeit zu geben, später führte er jedoch seinen Helden aus dieser Sphäre in die mit immer wärmerem Anteil geschilderte adlige Welt empor und ließ ihn, von einem Milieu zum andern fortschreitend, eine immer reichere und klarere Bildung des Geistes und Herzens gewinnen. Inhalt wie Darstellung des Werkes wurden von entscheidendem Einfluss auf die Produktion der romantischen Schule. Noch weit höher erhob sich G. in »Hermann und Dorothea« (1797), dem Muster des idyllischen Epos, das durch Plastik der Darstellung, Lebenswahrheit, Tiefe des Gefühls und Vollendung des poetischen Stils unerreicht dasteht und, wie Schiller schrieb, den Gipfel der gesamten neuern Kunst bezeichnet (vgl. W. v. Humboldts »Ästhetische Versuche«, s. Humboldt 1); Cholevius, Ästhetische und historische Einleitung nebst fortlaufender Erläuterung zu »Hermann und Dorothea«, 3. Aufl., Leipz. 1897; V. Hehn, Über Goethes »Hermann und Dorothea«, 2. Aufl., Stuttg. 1898). Ihm gegenüber fällt der Versuch einer engeren Anlehnung an Homer, den G. in der »Achilleis« machte, ab, und die »Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten« sind des Dichters zum großen Teil kaum würdig; nur das entzückende »Märchen«, das den Schluss bildet, verrät die große Fülle seiner Kraft. Während weiterhin eine Reihe vortrefflicher Balladen, die er im Wettkampf mit Schiller, namentlich 1797, schrieb, in weitesten Kreisen beliebt geworden sind, ist dagegen die allzu stark stilisierte »Natürliche Tochter« (1803), in der G. noch einmal die Erscheinungen der französischen Revolution widerspiegelte, wohl wegen der unklaren und unabgeschlossenen Handlung dem Verständnis des Publikums niemals nahe gerückt, obwohl G. in der Heldin Eugenie einen besonders anziehenden und eigenartigen Frauencharakter schilderte. Mit Schiller gemeinsam schrieb er 1796 die ungeheures Aufsehen erregenden »Xenien«, in denen sich beide mit Überlegenheit, Witz und heiligem Ernst gegen die Schäden und Rückständigkeiten des literarischen und wissenschaftlichen Lebens der Zeit wandten (vgl. Boas, Schiller und G. im Xenienkampf, Stuttg. 1851, 2 Tle.; »Xenien 1796«, hrsg. von Erich Schmidt u. Bernh. Suphan, in den »Schriften der Goethe-Gesellschaft«, Bd. 8, Weim. 1893). Mit Eifer förderte G. in dieser Zeit seine kunsttheoretischen und kunsthistorischen Studien: er bearbeitete »Benvenuto Cellinis Leben«, schrieb eine größere Anzahl bedeutender Aufsätze für die Zeitschrift »Propyläen«, die er 1798 bis 1800 herausgab, wandte sich in den Anmerkungen zu Diderots »Versuch über die Malerei« (1799) gegen den Naturalismus in der Kunst und schrieb ein biographisch-kritisches Meisterwerk in seinem »Winckelmann und sein Jahrhundert« (1805). Dabei befestigte er sich ebenso wie in seinen poetischen Werken mehr und mehr in den Tendenzen des klassizistischen Stils.

Goethes Leben und Schaffen seit Schillers Tod (1805–32).

Nach Schillers frühem Tod, der G. auf das tiefste erschütterte, vereinsamte er mehr und mehr. Unter den Kriegsunruhen, die nach der Schlacht bei Jena (14. Okt. 1806) auch die Stadt Weimar bedrückten, litt G. schwer. Christiane Vulpius, die sich in den Tagen schwerster Not und Aufregung tapfer bewährt hatte, führte er 19. Okt. 1806 vor den Traualtar. In eben diesem Jahre begann die erste Cottaische Ausgabe seiner Werke zu erscheinen, in die auch der vollendete erste Teil des »Faust« aufgenommen war, den der Dichter unter Schillers regem Anteil in den Jahren 1797–1800 abgeschlossen hatte, und der nunmehr von einer neuen, nach nationaler Erhebung sich sehnenden Zeit als ein Wunderwerk deutscher Geisteskraft gepriesen wurde, während die fragmentarische Veröffentlichung vom Jahre 1790 fast unbeachtet vorübergegangen war. Im Winter 1807/08, den G. größtenteils in Jena verbrachte, gewann er einen tiefen Eindruck von der jungfräulichen Anmut Minna Herzliebs, der Pflegetochter des Buchhändlers Frommann (vgl. Gaedertz, Goethes Minchen, 2. Aufl., Brem. 1889), und er hielt ihr Charakterbild in der Ottilie der »Wahlverwandtschaften« fest, dem tiefsinnigen, kunstvoll komponierten Roman, den er 1809 niederschrieb und 1810 veröffentlichte. Das große Problem der Ehescheidung wird hier von G. in gedankenreicher Darstellung an vier von vielseitigem und tiefstem Innenleben erfüllten Personen geistvoll und durchaus mit der Forderung sittlicher Entsagung behandelt. In der Zeit der Napoleonischen Vorherrschaft zeigte sich G. in nationalen Dingen kleingläubig und als ein entschiedener Bewunderer des französischen Kaisers, der im Oktober 1808 auf der Erfurter Konferenz den Dichter mit großer Auszeichnung behandelte (vgl. Andreas Fischer, G. und Napoleon, 2. Aufl., Frauens. 1900). Auch 1813 war G. von der großen Volksbewegung nur schwach berührt, 1814 durch neue Erfolge Napoleons, 1815 durch seine Rückkehr von Elba peinlich bewegt. Den individuellen Bildungsinteressen ganz und gar sich hingebend, suchte er mit erstaunlicher Kraft immer weitere Bildungskreise zu eröffnen, immer höhere Ideale auszubilden. Sein Streben, auch das geistige Leben in seiner organischen Entwickelung wie einen Naturprozeß aufzufassen, bewährte sich glänzend in »Dichtung und Wahrheit«, der ungemein gedankenreichen, anschaulichen und ansprechenden Lebensgeschichte, deren erste drei Bände 1811–14 erschienen und vor allem die Entwickelung von Goethes Weltanschauung und seinem künstlerischen Vermögen deutlich vergegenwärtigen; der vierte, schwächere Band kam erst 1832, nach Goethes Tode, heraus (vgl. Alt, Studien zur Entstehungsgeschichte von Goethes »Dichtung und Wahrheit«, Berl. 1898). Das »Vorspiel 1807« verrät den gleichen Eifer nach Vertiefung der individuellen Bildung, die »Pandora« in mächtig antikisierender Darstellung die Hoffnung auf die Wiederkehr der Schönheit und des Glücks.

Eine neue Wendung wurde dem Schaffen des Dichters gegeben, nachdem ihm durch die Hafis-Übersetzung J. v. Hammers die Poesie des Orients eröffnet worden war; das Erlernte unmittelbar zu bedeutsamster Produktion verwertend, schrieb G. die wunderbar tiefgedachten und tiefgefühlten Gedichte des »Westöstlichen Diwan« (1819), in denen eine resolute Lebensauffassung, poetische Hingabe an Liebe und Wein, insbes. aber tiefsinnige Religiosität zum Ausdruck gelangt sind. Wichtigste Lebensanregungen boten ihm zu den wundervollen Liebesliedern des Suleika-Zyklus die glücklichen Stunden, die er in Frankfurt 1814 und 1815 mit der anmutigen und talentvollen Marianne v. Willemer und ihrem Gatten verbrachte (vgl. »Briefwechsel zwischen G. und Marianne v. Willemer«, Stuttg. 1877, 2. Aufl. 1878). 1816 wurde der Dichter durch den Tod seiner Frau tief ergriffen. 1817 legte er die Leitung des weimarischen Hoftheaters, die ihm schon lange keine Freude mehr bereitet hatte, nieder, da er unter den Intrigen der Jagemann (Frau v. Heygendorf), der Geliebten des Herzogs, viel zu leiden gehabt hatte; schließlich gab eine Äußerlichkeit den Ausschlag: der Großherzog hatte gegen Goethes Anordnung befohlen, dass ein Effektstück, »Der Hund des Aubry«, in dem ein dressierter Pudel mitwirken sollte, gespielt werde. Hierauf nahm G. grollend seine Entlassung und schied aus einer Stellung, in der er mit großem Erfolg 26 Jahre lang gewirkt hatte. Noch einmal wurde er von tiefer Liebesleidenschaft ergriffen zu der jugendlichen Ulrike v. Levetzow, mit der er 1822 und 1823 in Marienbad und Karlsbad glückliche Stunden verbrachte, und der er in seiner berühmten »Trilogie der Leidenschaft« ergreifende Verse voll jugendlicher Glut widmete. Doch mehr und mehr machte sich nun das Alter bemerklich. Die fünfzigste Wiederkehr des Tages, an dem er zuerst Weimar betreten hatte, der 7. Nov. 1825, wurde feierlich begangen, wie denn der greise Dichter vom Inland und Ausland wie ein Fürst verehrt und als der größte Mann seiner Zeit anerkannt wurde. Schwere Schicksalsschläge bewegten seine letzten Jahre: 1828 starb sein fürstlicher Freund Karl August, 1829 die edle Großherzogin Luise, 1830 Goethes Sohn August, der ihm freilich infolge seines ungeregelten Lebens viel Kummer bereitet hatte. In rastloser, immer mehr sich ausbreitender Tätigkeit suchte er der niederdrückenden Schmerzen Herr zu werden. Viel beschäftigte ihn der Gedanke der Weltliteratur, d.h. eines internationalen Austausches literarischer Meisterwerke, und wie er selbst alles Gute aus der Fremde mit Dank und Gewinn aufnahm, so übten seine Dichtungen immer gewaltigere Nachwirkung in allen Kulturländern. Die letzten Lebensjahre waren der Vollendung von »Wilhelm Meisters Wanderjahren« und des zweiten Teiles vom »Faust« gewidmet: in den ersteren bot G. ein Werk von zumeist nur wenig ansprechender Darstellung, aber außerordentlich tiefem Gehalt; einige der eingestreuten Novellen, namentlich »Der Mann von fünfzig Jahren«, sind zwar auch durch die poetische Form anziehend, aber mehr als die konkrete Darstellung wirken die gewaltigen theoretischen Erörterungen über Erziehung, Wirtschafts- und Staatsleben. Im zweiten Teile des »Faust«, der erst nach dem Tode des Dichters, 1832, erschien, wird der Held aus der kleinen in die große Welt des Staatslebens eingeführt, dann in dem 3. Akt, der Helena-Tragödie, mit der Welt der Schönheit und des klassischen Geistes vermählt, um schließlich in den letzten Akten zu rastloser, gemeinnütziger Tätigkeit glorreich fortzuschreiten. In hier und da schwer verständlichen Symbolen und Allegorien, häufig aber auch in unmittelbar tiefergreifender Darstellung führte der Dichter sein vor 60 Jahren begonnenes Meisterwerk zu glücklichstem Abschluss. Wenige Monate darauf, 22. März 1832, schied er sanft und schmerzlos aus dem Leben.

Goethes Gesamtbild.

Ausgestattet mit dem ungewöhnlichsten anschaulich gegenständlichen Denken und lebendigster Regsamkeit des Gefühls, gelangte G. zu der Größe und Neuheit seines Schaffens, insbes. durch den mit Inbrunst erfassten Gedanken von der in allen Erscheinungen der Welt lebendig wirkenden Kraft der Natur oder Gottes. Frühzeitig, durch Rousseau, mehr aber noch durch Spinoza, dessen »Ethik« er 1773 kennen lernte, angeregt, suchte er die Natur als ein Ganzes zu begreifen und nicht nur das einzelne Erschaffene, sondern die in allem wirkende Kraft, die lebendige Bewegung, das rastlose Werden und Wachsen zu würdigen. Von früher Jugend an tiefbewegt durch die Geheimnisse des religiösen Glaubens, mit denen er bis an sein Ende immer weiter gerungen hat, gelangte er doch schon in jungen Jahren zu der Erkenntnis von der Überlegenheit der pantheistischen Anschauungsweise. Gott und die Welt sind ihm eins; mit poetischer Andacht erkennt er in den einzelnen Erscheinungen Manifestationen »jenes Urlichts droben, das unsichtbar alle Welt erleuchtet«. Selten ist daher ein so törichtes Wort ausgesprochen, wie das von dem »großen Heiden« G. Er war in Wahrheit ein tief religiöser Mann, wenn freilich dem orthodoxen Bekenntnis beider christlicher Konfessionen oft grollend abgeneigt (vgl. Filtsch, Goethes religiöse Entwickelung, Gotha 1894; Keuchel, Goethes Religion u. Goethes »Faust«, Riga 1899; Vogel, Goethes Selbstzeugnisse über seine Stellung zur Religion, 3. Aufl., Leipz. 1903).

Im inneren Zusammenhang mit diesen Grundanschauungen steht Goethes Beschäftigung mit den Naturwissenschaften (vgl. Steiner, Goethes Weltanschauung, Weim. 1897); sein Streben ging dahin, das Geheimnis der wirkenden göttlichen Kraft allseitig zu erschließen. Das zeigen schon seine hymnenartig begeisterten Aufsätze »Die Natur« und »Der Granit«; mehr aber kommt es zum Ausdruck in den Arbeiten zur Naturwissenschaft im allgemeinen und in den Spezialuntersuchungen auf dem Gebiete der Botanik, der Morphologie, Mineralogie, Meteorologie und insbes. der Farbenlehre. In den Arbeiten zur Naturwissenschaft überhaupt hat G. als ein Vorläufer Darwins den Gedanken einer organischen Entwickelung der Natur von einfachen zu immer vollkommeneren Gebilden mit Klarheit ausgesprochen und verteidigt. Ihm ist der einheitliche Zusammenhang alles Erschaffenen deutlich geworden, wenn freilich er die Darwinschen Erklärungsgründe und Gesetze von der Zuchtwahl, Anpassung und dem Kampf ums Dasein nicht herangezogen und erschlossen hat. Von diesem Standpunkt aus erblickte er in dem Blatte das ursprünglichste Organ der Gewächse und entwickelte die durchaus anschauliche Idee einer Urpflanze (vgl. Bliedner, G. und die Urpflanze, Frankf a. M. 1901); von diesem Standpunkt aus machte er die Entdeckung, dass der Schädel als Fortbildung der Wirbelsäule aufzufassen sei, und indem er die regelmäßig sich fortsetzende Entwickelung von den niederen Tieren zum Menschen im Auge behielt, erkannte er, dass der Zwischenknochen (os intermaxillare), den man bisher beim Menschen nicht beobachtet hatte, auch bei diesem in Resten sich erhalten habe, und dass also die von früheren Anatomen aufgestellte Behauptung, in dem Fehlen dieses Knochens zeige sich der Unterschied zwischen Mensch und Tier, zu Unrecht gemacht worden sei. Wenig Anerkennung hat Goethes umfangreiches Werk über die Farbenlehre (1810) erfahren, in dem er die von Newton aufgestellte Theorie bekämpfte. Dagegen zeugen die geologischen und auch die, namentlich von G. in seinem Greisenalter gepflegten, meteorologischen Studien wiederum von der Lebendigkeit seiner fruchtbringend selbständigen Betrachtung.

Wie Goethes naturwissenschaftliches Denken mit seinem religiös-philosophischen zusammenhängt, so hat es auch auf sein poetisches Schaffen ebenso stark wie bedeutsam zurückgewirkt. Ihm schien es die höchste Aufgabe, die menschliche Seele in ihren mannigfaltigen Typen nach den in der Wirklichkeit geltenden Gesetzen, gleichsam im Sinne der schaffenden Natur, von innen heraus neu erstehen zu lassen; er will dem Erdgeist das Gesetz seines Schaffens ablauschen und im Sinn und Auftrag der natura naturans eine neue Welt bilden, gleich seinem Prometheus. Aber nicht das Gewordene, sondern das Werdende ist ihm immer der vorzüglichste Gegenstand seines Interesses. Indem er die treibenden Kräfte erkennt und erfasst, hält er sich frei von aller Unsicherheit der die Natur bloß nachahmenden Künstler; er baut eine neue Welt auf, aber nach dem Gesetz der wirklichen. Hiermit ist auch bereits angedeutet, dass G. mit innerer Notwendigkeit sich von der naturalistischen und realistischen Darstellungsweise schließlich abwenden und der idealistischen Kunst zuwenden musste, die nicht die zufälligen Einzelheiten des Gewordenen, sondern die wesentlichen, treibenden Ideen in ihren Darstellungen festzuhalten sich bemüht.

Und mit diesen ästhetischen Anschauungen sind weiterhin auch die ethischen Überzeugungen Goethes eng verknüpft. Wenn in dem Werden, in der lebendigen Betätigung der Kräfte, der göttliche Kern zu suchen ist, so ist es auch des Menschen höchste Aufgabe, die in ihm wirkende Kraft zu höchster Betätigung zu entfesseln. Alles dasjenige ist daher von Übel, was die Triebkräfte einschränken und hemmen kann; man soll sie nicht hindern, sondern anregen, beleben und nur auf den rechten Weg weisen. Dasjenige, was die Gottheit als Keim in uns angelegt hat, soll zur höchsten Entwickelung gelangen: nur so bildet sich der Einzelne zu einer Persönlichkeit aus, und darin, eine Persönlichkeit zu werden, liegt das »höchste Glück der Erdenkinder«. In diesem Sinne durfte sich G. mit Recht als den Befreier der Deutschen bezeichnen. Nichts war ihm so zuwider wie stockende Untätigkeit und zweckloses Treiben; er war der Überzeugung, dass der Mensch göttlicher werde, je lebendiger die Tätigkeit in ihm angeregt sei, aber diese Tätigkeit dürfe sich nicht im Zerstören und Verneinen offenbaren, sondern nur in positiver Förderung, im Aufbauen und Erschaffen. Goethes gesamtes Wirken besteht in einem Kampf gegen die Hemmnisse, die von innen und außen an uns heranstürmen; er ergreift dankbar alles, was die innere Bewegung fordert, und er weist alles zurück, was uns niederdrückt und erschlafft. Und so wird er, der der größte moderne Dichter nicht nur Deutschlands, sondern aller Völker genannt werden darf, zugleich ein leben weckender Heros eines neuen Weltideals, dessen Durchführung in der Wirklichkeit vielleicht erst im Laufe von Generationen erwartet werden darf. Da aber das Neue seiner Lebensanschauung so groß und mannigfaltig ist, war es zu begreifen, dass manche der Zeitgenossen (z. B. Börne und Menzel), aber auch der späteren Geschlechter die Hoheit seines Strebens und die fruchtbringende Kraft seiner Weltanschauung gröblich verkannt haben; unter den neuern hat der Jesuit A. Baumgartner in seiner Schrift »G., sein Leben und seine Werke« (2. Aufl., Freiburg 1885–86, 3 Bde.) die verhängnisvollsten Irrtümer über den Dichter verbreitet.

Goethes äußere Erscheinung, Bildnisse, Statuen.

(Hierzu Tafel »Goethe-Bildnisse«.)

Die Zeugnisse der Zeitgenossen sind einstimmig in der Bewunderung von Goethes stattlicher, eindrucksvoller Erscheinung, namentlich seines großen, leuchtenden und sprechenden Auges. Malerei und Plastik haben denn auch gewetteifert, sein Äußeres in Gemälden, Kupferstichen, Lithographien, Medaillen, Büsten und Statuen darzustellen. Über die Bildnisse hat vor allen Fr. Zarncke eingehende Forschungen angestellt, der in seiner Schrift »Kurzgefaßtes Verzeichnis der Originalaufnahmen von Goethes Bildnis« (Leipz. 1888) 124 hierher gehörige Kunstwerke aufzählt. Als die bedeutendsten sind zu nennen: das Brustbild von Kraus (1776), das Ölgemälde von May (1779, s. Tafel), die Büste von Trippel (Rom 1787, s. Tafel), das große Ölgemälde Tischbeins (G. unter antiken Steintrümmern, Rom 1787), der große Stich von Lips (nach einer Zeichnung, 1791), das Aquarell von Heinr. Meyer (G. im Reisekleid, 1797), die Büsten von Fr. Tieck (1801 u. 1820), die Bildnisse von Jagemann (1806 u. 1817, s. Tafel), das Ölgemälde von G. Kügelgen (1808), die Büste und das Medaillon von Schadow (1816 u. 1817), die Büste und Statuette von Rauch (1820, s. Tafel, u. 1825), die Zeichnungen von Schwerdtgeburth (1822 u. 1832), die Bildnisse von Kolbe (1822, s. Tafel) und Vogel v. Vogelstein (1824 u. 1826), das Porzellangemälde von Sebbers (1826), das Ölgemälde von Stieler (1828, s. Tafel), der Stich von Barth (mit Benutzung des Stielerschen Bildes, 1829), die wunderliche Kolossalbüste Davids (Weimarer Bibliothek, 1829), die Zeichnungen von Schmeller (1830) und Preller (am Tag nach Goethes Tod, 1832). Eine Erzstatue Goethes von Schwanthaler ist seit 1849 in Frankfurt a. M., eine Marmorstatue von Marchesi ebenda seit 1840, eine Doppelstatue Goethes und Schillers von E. Rietschel seit 1857 in Weimar (Abguss davon seit 1901 im Golden Gate Parc zu San Francisco), eine Goethestatue von Widnmann seit 1869 in München, eine solche von F. Schaper (s. Tafel »Bildhauerkunst XVII«, Fig. 8) seit 1880 in Berlin, von E. Hellmer seit 1900 in Wien aufgestellt; Statuen des jungen G. wurden 1903 von K. Seffner für Leipzig, 1904 von E. Wägener für Straßburg geschaffen, und 23. Juni 1904 fand auch die Enthüllung der von Kaiser Wilhelm II. der Stadt Rom geschenkten Goethestatue Eberleins in Villa Borghese statt. Von Abgüssen viel verbreitet sind die charakteristische Statuette und die Büste Rauchs sowie diejenige Trippels. Die von Zarncke zusammengebrachte reichhaltige Sammlung von Goethe-Bildnissen befindet sich gegenwärtig auf der Leipziger Stadtbibliothek.

Ausgaben von Goethes Werken.

Die erste vom Dichter selbst besorgte Ausgabe waren »Goethes Schriften« in 8 Bänden (Leipz., bei Göschen, 1787–90), an die sich »Goethes neue Schriften« (Berl., bei Unger, 1792–1800, 7 Bde.), die seit 1790 erschienenen Werke enthaltend, anschlossen. Dann erschienen im Verlag der J. G. Cottaschen Buchhandlung zu Goethes Lebzeiten drei Ausgaben. »Goethes Werke« in 13 Bänden (Tübing. 1806–10), »Goethes Werke« in 20 Bänden (das. 815–19, im wesentlichen identisch mit einer von 1816–22 in Wien veröffentlichten authentischen Ausgabe in 26 Bänden) und »Goethes Werke, vollständige Ausgabe letzter Hand« (Tübing. 1827–31, 40 Bde., Taschenformat), ergänzt durch »Goethes nachgelassene Werke« (das. 1833–42, 20 Bde.); ein Druck der Ausgabe letzter Hand in Oktav, gleichfalls in 60 Bänden, erschien von 1827–42 (dazu »Inhalts- u. Namensverzeichnisse« zu Bd. 1–55 von Musculus u. Riemer, 1835). Für den gesamten Inhalt der letzten Ausgabe, bei deren Redaktion er durch Eckermann, Riemer und den Philologen Göttling unterstützt wurde, verschaffte sich G. vom Bundestag ein Privilegium gegen Nachdruck. Auf der Ausgabe letzter Hand beruhen: »Goethes poetische und prosaische Werke«, in 2 Bänden (sogen. Quart-Ausgabe, Tübing. 1836–37); »Goethes sämtliche Werke«, vollständige, neugeordnete Ausgabe (das. 1840, 40 Bde.); »Goethes sämtliche Werke« (das. 1850–51 u. 1858, 30 Bde.); »Goethes sämtliche Werke« (mit Einleitungen von Goedeke, das. 1866–68, in 3 Ausgaben: Großoktav und Miniatur [36 Bde.], Taschenformat [40 Bde.]). Von den zahlreichen Ausgaben, die nach dem Erlöschen der Cottaschen Privilegien erschienen, verdienen die des Hempelschen Verlags, von Loeper u.a. besorgt (Berl. 1868 ff., 36 Bde.), und die aus Kürschners »Deutscher Nationalliteratur«, von Düntzer, Schröer u.a. (Stuttg. 1882 ff., 32 Bde.), mit Auszeichnung genannt zu werden; jetzt sind sie überholt durch die Cottasche Jubiläumsausgabe, besorgt von E. v. d. Hellen u.a. (das. 1902 ff., 40 Bde.), namentlich aber durch die einheitlich redigierte, mit reichem Kommentar versehene Ausgabe des Bibliographischen Instituts, von K. Heinemann u.a. (Leipz. 1899 ff., 30 Bde.). Die wissenschaftlich wertvollste ist die alles umfassende kritische Ausgabe der Goetheschen Werke, die im Auftrage der Großherzogin von Sachsen veranstaltet wird (s. unten: Goethe-Gesellschaft, S. 167); sie ist bisher ebenso wenig wie die zuvor genannten zwei Ausgaben ganz zum Abschluss gelangt; sie besteht aus vier Abteilungen, von denen die erste die poetischen, die zweite die naturwissenschaftlichen Werke, die dritte die Tagebücher, die vierte die Briefe Goethes enthält. Die Dichtungen und Briefe Goethes aus den Jahren 1764–76 auf Grund der ersten Ausgaben gab Salomon Hirzel im Verein mit M. Bernays heraus u. d. T.: »Der junge G.« (mit einer Einleitung von Bernays, Leipz. 1875, 3 Bde.).

Goethes Briefwechsel, Unterhaltungen etc.

Die Literatur über G. ist zu einer kaum noch übersehbaren Masse angeschwollen und ist großenteils von geringem Werte. Die einzelnen Sammlungen von Goethes Briefen sind jetzt meist durch den Druck in der Weimarischen Ausgabe ersetzt worden; daneben sind empfehlenswert die Ausgaben ausgewählter Briefe, besorgt von Ph. Stein (Berlin 1901 ff., bisher 4 Bde.) und von v. d. Hellen (Stuttgart 1901 ff.). Noch verdienen erwähnt zu werden: »Goethes Jugendbriefe« von Fielitz (Berl. 1880), »Goethes naturwissenschaftliche Korrespondenz 1812–1832« von Bratranek (Leipz. 1874, 2 Bde), die aus Leipzig geschriebenen Briefe Goethes an seine Schwester Cornelia und an Behrisch (»Goethe-Jahrbuch«, Bd. 7), die »Briefe an Leipziger Freunde« (hrsg. von O. Jahn, Leipz. 1849; 2. Aufl. 1867), die Briefe an Herder (»Aus Herders Nachlass«, Bd. 1, Frankf. 1856), an Lotte und Kestner (»G. und Werther«, 2. Aufl., Stuttg. 1855), an Merck (in den drei Wagnerschen Sammlungen, Darmst. 1835 u. 1838 und Leipz. 1847), an Lavater 1774–85 (»G. und Lavater«, hrsg. von H. Funck. »Schriften der Goethe-Gesellschaft«, Bd. 16, Weim. 1901), an die Gräfin Auguste von Stolberg (Leipz. 1839, neue Ausg. von W. Arndt 1881), an Johanna Fahlmer (hrsg. von Urlichs, das. 1874), an Frau v. Stein, 1776–1828 (hrsg. von Schöll, Weim. 1848–51, 3 Bde.; neue Ausg. von Wahle, Frankf. 1899–1900, 2 Bde.); ferner »Briefe und Aufsätze aus den Jahren 1766–1786« (hrsg. v. A. Schöll, Leipz. 1846); »Briefwechsel mit F. H. Jacobi« (das. 1847); »Briefwechsel zwischen G. und Knebel 1774–1832« (hrsg. von Guhrauer, das. 1851, 2 Bde.); »Briefwechsel des Großherzogs Karl August mit G. 1775–1828« (Weim. 1863, 2 Bde.); »Goethes Briefe an Chr. Gottl. v. Voigt« (hauptsächlich auf amtliche Angelegenheiten bezüglich, hrsg. von O. Jahn, Leipz. 1868); »Goethes Briefe an F. A. Wolf« (den Philologen, hrsg. von M. Bernays, Berl. 1868); »Goethes Briefe an Eichstädt« (den Herausgeber der Jenaer Literaturzeitung, hrsg. von W. v. Biedermann, das. 1872); »Briefwechsel zwischen Schiller und G. in den Jahren 1794–1805« (Stuttg. 1828–29, 6 Bde.; 4 vermehrte Ausg. 1881, 2 Bde., u. ö.); »Briefwechsel zwischen G. und Zelter 1796–1832« (hrsg. von Riemer, Berl. 1833–34, 6 Bde.); »Freundschaftliche Briefe von G. und seiner Frau an Nikolaus Meyer« (Leipz. 1856; die Briefe Christianens, die für das Verständnis von deren Charakter von großem Interesse sind, wurden besonders hrsg. Straßb. 1887); »Briefwechsel Goethes mit einem Kinde« (Bettina v. Arnim; Berl. 1835, 3 Tle.; 4. Aufl., mit einer orientierenden Einleitung von H. Grimm, das. 1890); »Briefe Goethes an Sophie v. Laroche und Bettina Brentano« (hrsg. von G. v. Loeper, das. 1879); »Briefwechsel zwischen G. und (Graf v.) Reinhard 1807–1832« (Stuttg. 1850); »G. und Gräfin O'Donell« (Hofdame der Kaiserin von Österreich, die er 1810 in Teplitz kennen lernte, hrsg. von R. M. Werner, Berl. 1884); »Briefwechsel zwischen G. und Staatsrat Schultz« (einem Anhänger seiner Farbenlehre, hrsg. von Düntzer, Leipz. 1853); »Goethes Briefe an Rauch« (hrsg. von Eggers, das. 1880); »Goethes Briefwechsel mit den Gebrüdern Humboldt« (hrsg. von Bratranek, das. 1876); »Goethe-Briefe aus Fritz Schlossers (s. Schlosser, Johann Friedrich Heinrich) Nachlass« (hrsg. von Frese, Stuttg. 1877); »Goethes Briefe an Soret« (der die »Metamorphose der Pflanzen« ins Französische übertrug, hrsg. von Uhde, das. 1877); »Briefwechsel zwischen G. und Marianne v. Willemer« (hrsg. von Th. Creize- nach, das. 1877; 2. Aufl. 1878); »Briefwechsel zwischen G. und Kaspar Graf v. Sternberg 1820–1832« (einem Mineralogen, den er in Böhmen persönlich kennen lernte, hrsg. von Bratranek, Wien 1866; besser von A. Sauer, Prag 1902); »Briefwechsel und mündlicher Verkehr zwischen G. und dem Rat Grüner« (Polizeirat in Eger, den er 1820 auf der Reise nach Karlsbad kennen lernte, Stuttg. 1853); »Briefwechsel zwischen G. und Göttling« (hauptsächlich auf die Ausgabe letzter Hand bezüglich, hrsg. von Kuno Fischer, Münch. 1880); »Goethes und Carlyles Briefwechsel« (engl. hrsg. von Norton, Lond. 1887; deutsche Ausg., Berl. 1887); »Briefwechsel mit Freunden und Kunstgenossen in Italien« (in den »Schriften der Goethe-Gesellschaft«, Bd. 5, 1890). Unter den Werken, in denen Gespräche Goethes ausgezeichnet sind, verdienen besondere Beachtung: Falk, G. aus näherem persönlichen Umgang dargestellt (3. Aufl., Leipz. 1856); Riemer, Mitteilungen über G. (Berl. 1841, 2 Bde.); »Goethes Unterhaltungen mit dem Kanzler Friedrich v. Müller« (weimarischer Staatsbeamter, Stuttg. 1870, 2. Aufl. 1898), und vor allem Eckermanns »Gespräche mit G. in den letzten Jahren seines Lebens« (Leipz. 1837, 2 Bde.; 6. Aufl. von Düntzer, das. 1884, 3 Bde., u. ö.). Eine Sammlung der Gespräche veranstaltete W. von Biedermann. »Goethes Gespräche« (Leipz. 1889–96, 10 Bde.).

Biographische Literatur. Charakteristik.

Einzelne Abschnitte seines Lebens hat G. selber behandelt: die Zeit bis zur Übersiedelung nach Weimar (1775) in »Dichtung und Wahrheit«, die Herbstreise in die Schweiz (1779), mit Verhüllung der Namen der Reisenden, später als Anhang zu den »Leiden des jungen Werther« hinzugefügt; ferner die »Italienische Reise« (1786–88), die »Campagne in Frankreich« (1792), die »Belagerung von Mainz« (1793), »Aus einer Reise in die Schweiz im Jahre 1797«, »Aus einer Reise am Rhein, Main und Neckar in den Jahren 1814 und 1815«. Außerdem enthalten die »Tag- u. Jahreshefte als Ergänzung meiner sonstigen Bekenntnisse von 1749–1822« eine mehr summarische Übersicht über den angegebenen Zeitraum, während in den »Biographischen Einzelnheiten« noch eine Reihe merkwürdiger Ereignisse aus Goethes Leben, z. B. die Anknüpfung näherer Beziehungen zu Schiller (1794), die Unterredung mit Napoleon (1808), besprochen wird. Zu diesen autobiographischen Bekenntnissen, die beinahe den fünften Teil von Goethes gesamter schriftstellerischer Wirksamkeit ausmachen, kommen noch für die Zeit von 1775 an die Tagebücher (mitgeteilt in der 4. Abteilung der Weimarer Ausgabe; vgl. ferner »Goethes Tagebücher der sechs ersten Weimarischen Jahre 1776–1782«, in lesbarer Gestalt hrsg. und sachlich erläutert von Düntzer, Leipz. 1889). Außerdem haben sich noch aus den Straßburger Jugendjahren tagebuchartige Aufzeichnungen erhalten: »Ephemerides« (hrsg. von Schöll in den obenerwähnten »Briefen und Aufsätzen von G. aus den Jahren 1766 bis 1786«, und von Martin, Heilbr. 1883).

Eine völlig erschöpfende, der Bedeutung und Größe des Dichters entsprechende Biographie Goethes ist noch nicht vorhanden: die Werke von Viehoff (5. Aufl., Stuttg. 1887, 4 Tle.), Schäfer (3. Aufl., Brem. 1877, 2 Bde.), auch das gut geschriebene, seiner Zeit brauchbare Werk von Lewes: »Life and works of G.« (Lond. 1855, 2 Bde.; deutsch von Frese, 18. Aufl., Leipz. 1903, 2 Bde.), ferner Goedeke, Goethes Leben und Schriften (2. Aufl., Stuttg. 1877) sind veraltet. Noch vielfach anregend ist H. Grimm, Goethe (Vorlesungen, Berl. 1877; 7. Aufl. 1903); von neueren verdienen Hervorhebung: Heinemann, Goethe (3. Aufl., Leipz. 1903), R. M. Meyer, Goethe (2. Aufl., Berl. 1898), G. Witkowski, Goethe (Leipz. 1899) und vor allem Bielschowsky, Goethe (Münch. 1895–1903, 2 Bde., wiederholt aufgelegt).

Unter den zahlreichen Schriften, die einzelne Abschnitte aus Goethes Leben behandeln, sind außer den früher genannten hervorzuheben: v. Biedermann: G. und Leipzig (Leipz. 1865, 2 Bde.), G. und Dresden (Berl. 1875) und G. und das sächsische Erzgebirge (Stuttg. 1877); Scherer, Aus Goethes Frühzeit (Straßb. 1879); Diezmann, G. und die lustige Zeit in Weimar (Leipz. 1857; Neudruck, Weim. 1903); Stahr, Weimar und Jena (3. Aufl., Oldenb. 1892); H. Grimm, G. in Italien (das. 1861); Wentzel, G. in Schlesien 1790 (Oppeln 1867); Hlawaček, G. in Karlsbad (2. Aufl., Karlsbad 1883); Prökl, G. in Eger (Wien 1879); Keil, G., Weimar und Jena im Jahre 1806 (Leipz. 1882); Brahm, G. und Berlin (Berl. 1880); Sckell, G. in Dornburg (Jena 1864); Erich Schmidt, G. und Frankfurt (Frankf. a. M. 1899); Geiger, G. in Frankfurt a. M. 1797 (das. 1899); Pasig, G. und Ilmenau (Weim. 1902); Stieda, Ilmenau und Stützerbach. Eine Erinnerung an die Goethezeit (Leipz. 1902); J. Vogel, Goethes Leipziger Studentenjahre. Bilderbuch zu »Dichtung und Wahrheit« (das. 1899); Herzfelder, G. in der Schweiz (das. 1891); die »Festschrift zu Goethes 150. Geburtstag« (Frankf. a. M. 1899), mit wichtigen Mitteilungen von Heuer, Pallmann u. E. Mentzel über Goethes Beziehungen zu seiner Vaterstadt, sowie »Weimars Festgrüße zum 28. August 1899« (Weim. 1899) mit Auszügen aus dem italienisch geschriebenen Tagebuch von Goethes Vater über seine italienische Reise, mitgeteilt von Bojanowski, und desselben Haushaltungsbuch, mitgeteilt von Ruland etc.

Auch die Beziehungen Goethes zu seinen Zeitgenossen sind in zahlreichen Monographien dargestellt worden. Hier seien erwähnt die Veröffentlichungen von Düntzer: Freundesbilder aus Goethes Leben (Leipz. 1853), Aus Goethes Freundeskreis (Braunschw. 1868), G. und Karl August (Leipz. 1861–65, 2 Bde.; 2. Aufl. 1888), Schiller und G. (Stuttg. 1859), Frauenbilder aus Goethes Jugendzeit (das. 1852), Charlotte v. Stein (das. 1874, 2 Bde.) und Ch. v. Stein und Corona Schröter (das. 1876); Lyon, Goethes Verhältnis zu Klopstock (Leipz. 1882); Burkhardt, G. und der Komponist Ph. Chr. Kayser (das. 1879); Bratranek, Zwei Polen (Mickiewicz und Odyniec) in Weimar (Wien 1870).

Zur Charakteristik Goethes ist ferner zu vergleichen: Braun, G. im Urteil seiner Zeitgenossen 1773–1812 (Berl. 1882–85, 3 Bde.); Gräf, G. über seine Dichtungen (Frankf. a. M. 1900–03, 3 Bde.); Gutzkow, Über G. im Wendepunkt zweier Jahrhunderte (Berl. 1836); Rosenkranz, G. und seine Werke (2. Aufl., Königsb. 1856); O. Vilmar, Zum Verständnis Goethes (4. Aufl., Marb. 1879); Fr. v. Müller, Goethes Persönlichkeit. Drei Reden, gehalten in den Jahren 1830 und 1832, hrsg. von W. Bode (Berl. 1901); Gerland, Über Goethes historische Stellung (Nordhaus. 1865); Henkel, Das Goethesche Gleichnis (Halle 1886); ferner in bezug auf seine amtliche Tätigkeit: Vogel, G. in amtlichen Verhältnissen (Jena 1834); Kriegk, G. als Rechtsanwalt (in den »Deutschen Kulturbildern«, Leipz. 1874); Meisner, G. als Jurist (Berl. 1885); Pasqué, Goethes Theaterleitung (Leipz. 1863, 2 Bde.); Burkhardt, Das Repertoire des Weimarischen Theaters unter Goethes Leitung (Hamb. 1891); Wahle, Das Weimarer Hoftheater unter Goethes Leitung (Schriften der Goethe-Gesellschaft, Bd. 6, Weim. 1892); in bezug auf seine Stellung zur Religion (s. oben, S. 163) und Philosophie: O. Harnack, G. in der Epoche seiner Vollendung (Leipz. 1887, 2. Aufl. 1901); Danzel, Über Goethes Spinozismus (das. 1843); Jellinek, Die Beziehungen Goethes zu Spinoza (Wien 1878); Caro, La philosophie de G. (2. Aufl., Par. 1880); Langguth, Goethes Pädagogik historisch-kritisch dargestellt (Halle 1886); Pietsch, G. als Freimaurer (Leipz. 1880), in bezug auf seine Stellung zur Geschichtswissenschaft und Politik: Wegele, G. als Historiker (Würzb. 1876); Tardy, Goethes Verhältnis zu Vaterland und Staat (Bresl. 1874); A. Schäfer, Goethes Stellung zur deutschen Nation (Heidelb. 1880); Lorenz, Goethes politische Lehrjahre (Berl. 1893); in bezug auf seine naturwissenschaftlichen Studien (s. oben, S. 163): Virchow, G. als Naturforscher (Berl. 1861); Helmholtz, Über Goethes naturwissenschaftliche Arbeiten (in den »Vorträgen«, Bd. 1) und Goethes Vorahnungen kommender naturwissenschaftlicher Ideen (Berl. 1892); Cohn, G. als Botaniker (in der »Deutschen Rundschau«, 1881, Bd. 28); Haeckel, Die Naturanschauung von Darwin, G. und Lamarck (Jena 1882) etc.; über Goethes Verhältnis zu bildender Kunst und Musik: Hettner, G. und die bildende Kunst (in den »Kleinen Schriften«, Braunschw. 1884); Volbehr, G. und die bildende Kunst (Leipz. 1895); W. v. Bock, G. in seinem Verhältnis zur Musik (Berl. 1871); v. Wasiliewski, Goethes Verhältnis zur Musik (Leipz.1880); Jullien, G. et la musique (Par. 1880); Hiller, Goethes musikalisches Leben (Köln 1883).Als Sammlungen von Aufsätzen über G. seien erwähnt: Schöll, G. in Hauptzügen seines Lebens und Wirkens (Berl. 1882); Düntzer, Abhandlungen zu Goethes Leben und Werken (Leipz. 1885, 2 Bde.); Scherer, Aufsätze über G. (Berl. 1886) und besonders: Hehn, Gedanken über G. (4. Aufl., das. 1900). Ferner sind zu nennen: W. Bode, Goethes Lebenskunst (2. Aufl., Berl. 1902) u. Goethes Ästhetik (das. 1901); Siebeck, G. als Denker (Stuttg. 1902); Litzmann, Goethes Lyrik (Berl. 1904); Riemann, Goethes Romantechnik (Leipz. 1902); Boucke, Wort und Bedeutung in Goethes Sprache (Berl. 1901); K. Weitbrecht, Diesseits von Weimar (Stuttg. 1895).

Kommentare, Bibliographie etc.

In Düntzers Sammelwerk »Erläuterungen zu den deutschen Klassikern« sind Kommentare zu den meisten Werken Goethes enthalten. Ferner lieferten Ausgaben und Erläuterungsschriften, außer den obenerwähnten, zu den »Gedichten«: Viehoff (»Goethes Gedichte erläutert«, 3. Aufl., Stuttg. 1876) und v. Loeper (»Goethes Gedichte mit Einleitung und Anmerkungen«, Berl. 1882–84, 3 Bde.); zu »Götz von Berlichingen«: Wustmann (Leipz. 1871), die Franzosen Chuquet (neue Ausg., Par. 1885) und E. Lichtenberger (das. 1885); zu »Egmont«: Bratranek (»Goethes Egmont und Schillers Wallenstein«, Stuttgart 1862); zu »Iphigenie«: O. Jahn (Vortrag, Greifsw. 1843), Kuno Fischer (»Goetheschriften«, Bd. 1); zu »Tasso«: Vilmar (»Über Goethes Tasso«, Frankf. 1869), Kern (»Beitrag zur Erklärung des Dramas«, Berl. 1884; »Goethes Tasso, mit Einleitung und Anmerkungen herausgegeben«, das. 1893), Kuno Fischer (»Goetheschriften«, Bd. 3). Am zahlreichsten sind die Erläuterungsschriften zum »Faust«; Kommentare und Kritiken lieferten unter andern: Chr. H. Weiße (Leipz. 1837), Düntzer (2. Aufl., das. 1857), K. Köstlin (Tübing. 1860); ferner Vischer (»Kritische Gänge«, Bd. 2, das. 1844; neue Folge, Heft 3, Stuttg. 1861; »Kritische Bemerkungen über den ersten Teil von Goethes Faust«, Zürich 1857; »Goethes Faust; neue Beiträge zur Kritik des Gedichts«, Stuttg. 1875), Kuno Fischer (»Goethes Faust«, 1878–1903, 4 Bde., z. T. in mehreren Auflagen). Schreyer (»Goethes Faust als einheitliche Dichtung erläutert und verteidigt«, Halle 1881), Baumgart (»Goethes Faust als einheitliche Dichtung«, Königsb. 1893–1903, 2 Bde.) und Valentin (»Goethes Faust-Dichtung in ihrer künstlerischen Einheit dargestellt«, Berl. 1894) richten sich gegen die namentlich bei K. Fischer hervortretende Tendenz, die Bedeutung der während der Arbeit erfolgten Änderungen des Plans der Dichtung hervorzuheben. Kommentierte Ausgaben des Gedichts liegen vor von Carrière (Leipz. 1869), v. Loeper (2. Ausg., Berl. 1879), A. v. Öttingen (Auszug, Erlang. 1880), Schröer (4. Aufl., Heilbr. 1898, 2 Bde.), B. Taylor (deutsch, Berl. 1882), C. Thomas (Boston 1892–1901, 2 Bde.). Über »Wilhelm Meister« schrieben Gregorovius (»Goethes W. Meister in seinen sozialistischen Elementen entwickelt«, Königsb. 1849), A. Jung (»Goethes Wanderjahre und die wichtigsten Fragen des 19. Jahrhunderts«, Mainz 1854).

Einen Mittelpunkt der gesamten Goethe-Forschung bildet das »Goethe-Jahrbuch«, das seit 1880 in Frankfurt a. M. erscheint und auch zum Organ der »Goethe-Gesellschaft« (s. unten) erhoben wurde. Es bringt auch Jahresberichte über die Goethe-Literatur. Das reichhaltigste Gesamtverzeichnis der Goethe-Literatur gab Koch in Goedekes »Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung« (2. Aufl., Bd. 4, Dresd. 1891). Hirzels »Neuestes Verzeichnis einer Goethe-Bibliothek« (Privatdruck 1874) enthält ein chronologisches Verzeichnis aller Drucke von Werken Goethes.