Zwanzig/11 - Pierre Emme - E-Book

Zwanzig/11 E-Book

Pierre Emme

4,6

Beschreibung

Wien, im November 2011. Max Petrark wacht am Krankenbett seines Bruders Maurice. Dieser hat einen schweren Autounfall nur knapp überlebt und liegt im Koma. Während die Polizei von einem Selbstmordversuch ausgeht, macht sich Max auf die Suche nach der Wahrheit. Doch diese scheint unbequem, ja sogar tödlich zu sein. Und allmählich begreift er das ganze Ausmaß der Ereignisse: Zehn Jahre nach den Terroranschlägen von New York zeichnet sich eine neue Tragödie von weltpolitischer Bedeutung ab - in einem Zug zwischen Salzburg und Wien.

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Seitenzahl: 358

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Pierre Emme

Zwanzig/11

Kriminalroman

Impressum

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet:

www.gmeiner-verlag.de

© 2015 – Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

Herstellung: Julia Franze

E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © Claireliot - Fotolia.com

ISBN 978-3-8392-3736-6

Vorwort des Verlags

Pierre Emme verstarb am 8. Juli 2008. Obwohl er eine erstaunliche Weitsicht besaß, was politische und historische Entwicklungen betraf, sei es auf europäischer oder auf globaler Ebene, konnte er beispielsweise den Sieg Barack Obamas bei den internen Ausscheidungswahlkämpfen der Demokraten gegen Hillary Clinton und folglich seinen späteren Einzug ins Weiße Haus, als er den republikanischen Herausforderer John McCain klar hinter sich ließ, kaum vorhersehen.

Der Aktualität der geschilderten Ereignisse sowie dem Lesevergnügen tut dies jedoch keinen Abbruch. Ich bitte daher, Unstimmigkeiten gegenüber den aktuellen, realen Bezügen vor diesem Kontext zu betrachten.

Aus Respekt gegenüber dem Autor und seinem Werk wurde von tiefgreifenden Änderungen im Manuskript abgesehen.

Claudia Senghaas

Lektoratsleitung

Gmeiner-Verlag

0. Kapitel

Max Petrark war freier Autor mit Wohnsitz in Wien. Er hasste es, Anzug mit Krawatte zu tragen, sein ansehnliches Übergewicht auf einem dieser zierlichen, fragil wirkenden Barocksessel zu balancieren und warten zu müssen.

Heute musste er alle drei Inkommoditäten auf einmal über sich ergehen lassen und war in entsprechender Laune. Im Moment konnte er sich eigentlich nur eine einzige Situation vorstellen, die noch unangenehmer gewesen wäre: Wenn er bei all dem hätte stehen müssen.

Nein, das stimmte nicht ganz. Viel schlimmer wäre es, wenn sich das alles stehend im Freien abgespielt und es dazu noch geregnet hätte.

Eine offensichtlich seit Jahrhunderten gelangweilte Putte lächelte ihn milde von der reich verzierten Decke des riesigen Raumes an. Es sah fast so aus, als ob sich das Gfrast da oben über ihn lustig machte. Missmutig senkte Max wieder den Blick.

Dabei hatte das Jahr 2012 für ihn ganz gut begonnen. Die Ereignisse im Spätherbst davor hatten ihm einen gewissen Bekanntheitsgrad gebracht, der sich derzeit … toi, toi, toi … recht gut auf den Verkauf seiner Bücher auswirkte. Wenn das so weiter ging, konnte er die eine Hypothek auf das Haus doch noch heuer bezahlen.

Wovon sprach der Kerl da vorn eigentlich die ganze Zeit? Der Mann hatte doch keine Ahnung, wie sich die Dinge wirklich abgespielt hatten. Am besten, er sandte ihm eine Ausgabe seines neuen Buches, sobald es erschienen sein würde.

Wenn der Gute bloß bald mit dem Gequatsche aufhörte, damit Max wieder zum Schreiben kam. Das tat er nämlich am liebsten.

1. Kapitel

Der Anruf hatte Max am Donnerstag, dem 3. November so gegen 16.30 Uhr erreicht. Kurz vor München. Ja, genau, der ICE war eben in den Ostbahnhof eingefahren, als sich sein Handy mit dem üblichen schwachsinnigen Tidelidü Tidelida bemerkbar gemacht hatte.

Es war Anne gewesen, die ihn mit der schlimmen Nachricht konfrontiert hatte. »Die Polizei hat hier angerufen«, hatte sie zögernd begonnen, »nachdem sie sonst niemanden erreichen hatte können. Maurice ist…, hat heute am frühen Morgen auf der Autobahn zwischen Seewalchen und Sankt Georgen einen schweren Unfall gehabt.« Sie hatte gestockt. »Er ist…«

»Ja, gut, und?«, war es Max entfahren. Und dann als erste substanzielle Frage: »Lebt er noch?«

»Ja, ja, er lebt, aber er ist sehr schwer verletzt«, Max konnte hören, wie seine Frau leise weinte. »Entschuldige, die Sache macht mir mehr zu schaffen als ich dachte.«

O Gott, ging es Max durch den Kopf, das war wieder typisch. Da wurden täglich in aller Welt Menschen geschlagen, geschändet und getötet und seine Frau brach schon bei einem simplen Verkehrsunfall in Tränen aus. Gut, das Opfer zählte zu ihrer angeheirateten Verwandschaft, aber trotzdem.

»Und wohin hat man ihn gebracht?«, er ging nicht weiter auf die Befindlichkeit Annes ein. Dazu war jetzt keine Zeit. Schließlich ging auch ihm die Sache an die Nieren, und wie. Hatte er doch nicht die geringste Ahnung, wie er sich jetzt verhalten sollte. Was wurde von einem in so einer Situation erwartet?

»Ich meine, in welchem Krankenhaus liegt Maurice?«

Sein Bruder hieß eigentlich Moritz, der Vorname war ihm aber immer zu bieder gewesen. Max und Moritz, Maurice hatte nie verstanden, was sich die Eltern eigentlich dabei gedacht hatten.

Also hatte sich Moritz Maurice genannt, das hatte etwas, und Max tat ihm seither den Gefallen, ihn so zu nennen. Meistens, wenn er den Kleinen nicht gerade ärgern wollte.

»Im Landeskrankenhaus in Vöcklabruck, auf der Intensivstation.« Max hatte Anne schon wieder schniefen gehört. »Er ist noch immer ohne Bewusstsein.«

»Was ist mit Katharina?«, das war Maurice’ zweite Frau, eine gebürtige Weißrussin, die aber bereits seit mehr als 15 Jahren in Österreich lebte und die Staatsbürgerschaft besaß.

Natürlich hatte Anne ebenso wenig Ahnung über den aktuellen Aufenthaltsort seiner Schwägerin wie er. Zwar war bekannt, dass sie sich mit ihrer Tochter Nadja seit mehr als einer Woche bei Verwandten in Minsk befand. Wie diese Leute hießen und wie man sie erreichen konnte, war allerdings ein großes Geheimnis. Und würde es möglicherweise auch bleiben, denn er konnte sich nicht an Katharinas früheren Namen erinnern. Der klang wie ›Bstralovschinsky‹ oder so ähnlich, war ihm jedoch nicht mit der für Nachforschungen nötigen phonetischen Exaktheit in Erinnerung. Und selbst wenn: Wie transkribierte man das ins Kyrillische?

»Du könntest ja Katharinas Mädchennamen über das Standesamt im 3. Bezirk in Erfahrung bringen«, hatte Max angeregt. Dort hatten die beiden vor etwa zwei Jahren geheiratet. »Außerdem wird sich ihre Handynummer wahrscheinlich in Maurice’ Sachen finden.«

Anne hatte gerade noch gemeint, sich darum kümmern zu wollen, als ein gnädiges Funkloch dem Gespräch brutal ein Ende bereitet hatte.

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