Zwei Alfred Bekker Krimis: Tot und blond / Der Hurenmörder von Berlin - Alfred Bekker - E-Book

Zwei Alfred Bekker Krimis: Tot und blond / Der Hurenmörder von Berlin E-Book

Alfred Bekker

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  • Herausgeber: Alfredbooks
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2018
Beschreibung

Zwei Alfred Bekker Krimis: Tot und blond / Der Hurenmörder von Berlin In Berlin treibt ein unheimlicher Serienmörder mit ganz spezieller Handschrift sein Unwesen. Kommissar Harry Kubinke vom BKA heftet sich an seine Fersen und versucht, den Killer zu stoppen. Schon bald erkennt er, dass der Fall einen ganz anderen Hintergrund hat, als man bisher vermutete... Entlang der A24 zwischen Hamburg und Berlin werden über Jahre hinweg immer wieder Frauen ermordet. Die Opfer scheinen nichts gemeinsam zu haben - außer, dass sie blond sind. Der Berliner BKA-Ermittler Harry Kubinke und sein Team von Spezialisten übernehmen den Fall, als der Täter erneut zuschlägt. Ein psychisch gestörter Einzelgänger scheint in das psychologische Täter-Profil zu passen und gerät in Verdacht. Doch Harry Kubinke ahnt früh, dass der Fall noch eine ganz andere Dimension haben könnte... Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

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Zwei Alfred Bekker Krimis: Tot und blond / Der Hurenmörder von Berlin

Alfred Bekker

Published by Alfred Bekker, 2018.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Zwei Alfred Bekker Krimis: Tot und blond / Der Hurenmörder von Berlin

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Tot und blond

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Der Hurenmörder von Berlin

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Zwei Alfred Bekker Krimis: Tot und blond / Der Hurenmörder von Berlin

In Berlin treibt ein unheimlicher Serienmörder mit ganz spezieller Handschrift sein Unwesen. Kommissar Harry Kubinke vom BKA heftet sich an seine Fersen und versucht, den Killer zu stoppen. Schon bald erkennt er, dass der Fall einen ganz anderen Hintergrund hat, als man bisher vermutete...

Entlang der A24 zwischen Hamburg und Berlin werden über Jahre hinweg immer wieder Frauen ermordet. Die Opfer scheinen nichts gemeinsam zu haben – außer, dass sie blond sind. Der Berliner BKA-Ermittler Harry Kubinke und sein Team von Spezialisten übernehmen den Fall, als der Täter erneut zuschlägt. Ein psychisch gestörter Einzelgänger scheint in das psychologische Täter-Profil zu passen und gerät in Verdacht. Doch Harry Kubinke ahnt früh, dass der Fall noch eine ganz andere Dimension haben könnte...

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ALFRED BEKKER IST EIN bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Tot und blond

Ein Harry Kubinke Krimi

von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 140 Taschenbuchseiten.

Entlang der A24 zwischen Hamburg und Berlin werden über Jahre hinweg immer wieder Frauen ermordet. Die Opfer scheinen nichts gemeinsam zu haben – außer, dass sie blond sind. Der Berliner BKA-Ermittler Harry Kubinke und sein Team von Spezialisten übernehmen den Fall, als der Täter erneut zuschlägt. Ein psychisch gestörter Einzelgänger scheint in das psychologische Täter-Profil zu passen und gerät in Verdacht. Doch Harry Kubinke ahnt früh, dass der Fall noch eine ganz andere Dimension haben könnte...

Ein packender Berlin-Thriller mit Kommissar Harry Kubinke.

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

Mit einem Titelbild von Firuz Askin.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2016 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

1

An der Bundesautobahn A24, zwischen Berlin und Hamburg ...

Es war Nacht. Von der nahen Autobahn drangen Motorengeräusche herüber. Lichter wanderten entlang des Fahrbahnverlaufs durch die Dunkelheit. Alexander Dornbach drehte sich kurz um, griff zum dritten Mal innerhalb von zehn Sekunden zu der Waffe, die er unter dem Jackett des dunkelgrauen Dreiteilers trug.

Aber es beruhigte ihn anscheinend nicht wirklich, sie bei sich zu haben.

Seine Bewegungen waren nervös und fahrig.

Der Puls schlug ihm bis zum Hals.

Bevor er die Autobahnraststätte betrat, drehte er sich noch einmal um.

Sein Gesicht wirkte angespannt.

Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Sein Puls raste jetzt noch heftiger.

Er ließ den Blick schweifen.

Keine Spur von IHNEN!, dachte er.

Gut so!

Die Hoffnung, dass SIE ihn inzwischen nicht mehr verfolgten, hatte Dornbach aufgegeben. Im Augenblick musste er damit zufrieden sein, dass er vor seinen Verfolgern einen Vorsprung hatte, der es ihm erlaubte, hier einen Kaffee zu trinken. Es hätte nämlich nicht viel gefehlt und er wäre am Steuer eingeschlafen.

Er löste den ersten Knopf seines Hemdkragens, bevor er die Tür passierte. Lebend bis nach Hamburg gelangen – das erschien ihm im Moment wie ein Ziel, das fast unerreichbar war.

2

Dornbach ließ den Blick schweifen. Hinter dem Tresen stand ein großer, breitschultriger Mann, auf dessen T-Shirt in großen Buchstaben ICH BIN KALLI aufgedruckt war, womit er wohl signalisieren wollte, dass man es bei ihm mit dem Chef von KALLIS AUTOBAHN-RESTAURANT zu tun hatte.

Dornbach bemerkte einen Mann mit hoher Stirn, die so sehr glänzte, dass sich in ihr sich das Licht der Neonröhren spiegelte. Er trug eine Brille mit schwarzem Horngestell, die ihm auf der Nase zu drücken schien, denn er nestelte immer wieder an dem Gestell herum.

Einen Augenblick fragte sich Dornbach, ob er einer von IHNEN war. Dicke Brillen eigneten sich hervorragend zum Verstecken von Ohrhörern und Mikrofonen, wie sie Observationsteams benutzten. Besonders stark schien die Brille auch nicht zu sein. Möglicherweise Fensterglas!, dachte Dornbach.

Wie erstarrt stand er da und konnte sich im letzten Moment bremsen, um nicht einfach instinktiv unter die Jacke zu greifen und die Waffe herauszureißen.

Der Mann mit der dicken Brille schien sich für den Ständer mit Karten und Stadtplänen zu interessieren. Zumindest tat er so.

Er blätterte in einem Reiseführer über Mecklenburg-Vorpommern herum und stellte ihn wieder zu den anderen.

Dann blickte er auf und sah Dornbach für einen Moment an.

Das Gesicht war V-förmig und sehr schmal, was die abstehenden Ohren dafür umso größer wirken ließ.

An dem spitz zulaufenden Kinn befand sich ein deutlich sichtbares Grübchen.

Dornbach schluckte. Er versuchte, sich zu erinnern, ob dieser Mann zu IHNEN gehörte und er ihn schon einmal gesehen hatte. Vielleicht in anderer Kleidung und kosmetisch verändert...

„Ist was?“, fragte der Mann mit Brille.

Der Schweiß auf Dornbachs Stirn fühlte sich jetzt eiskalt an.

Er öffnete halb den Mund und war im ersten Moment vollkommen unfähig, auch nur einen einzigen Ton herauszubringen.

„Geht es Ihnen nicht gut?“, fragte der Mann mit der Brille.

„Alles in Ordnung“, meinte Dornbach, obwohl sein Herz raste und er das Gefühl hatte, als ob jemand einen Spanngurt um seinen Brustkorb gespannt hätte und diesen nun langsam immer fester zurrte.

Dornbach ging weiter Richtung Tresen.

Eine Frau von Mitte dreißig saß dort vor ihrem Kaffee. Sie trug ein seriös wirkendes Kostüm. Das blonde Haar war leicht gelockt.

„Einen Kaffee“, wandte sich Dornbach an den Mann mit dem Kalli-T-Shirt. „Und ich hoffe, dass er besonders stark ist.“

„Für Sie also einen Leichenwecker!“

„Ja.“

Er grinste.

Aber dieses Grinsen erstarb sofort, als er die Schweißperlen auf Kallis Stirn sah.

„Ist es Ihnen zu warm hier?“

„Nein, nein, ist alles in Ordnung.“

„Sagen Sie, ich kenne Sie doch. Fahren Sie die Strecke nicht öfter?“

„Tut mir Leid, aber mir ist im Moment nicht nach Small Talk“, sagte Dornbach.

„War ja nur 'ne Frage. Ich dachte, ich hätte Sie hier schon mal gesehen.“

Das Telefon klingelte und der Mann mit dem „ICH BIN KALLI“- T-Shirt ging an den Apparat.

„Nehmen Sie das Kalli nicht übel“, sagte die Frau mit den blonden Locken. „Das macht er bei jedem.“

Dornbach lächelte matt.

Immer wieder kehrte sein Blick dabei zu den blonden Haaren zurück, die sich auf ihren schmalen Schultern kräuselten.

Dornbach nippte an seinem Kaffee. „Wenigstens ist sein sogenannter Leichenwecker wirklich das, was er sein sollte – nämlich stark!“

„Ja, hier halten viele Trucker, die viel zu lange auf dem Bock sitzen und glauben, dass sie mit einer Tasse des Gebräus wenigstens noch bis Ludwigslust kommen!“ Sie stutzte. „Ist irgendetwas mit meinen Haaren nicht in Ordnung oder warum starren Sie...“

„Es ist alles in Ordnung. Es ist nur so: Jemand, der mir sehr nahe stand, hatte die Haare genauso wie Sie. Und für einen Moment sind meine Gedanken etwas abgeschweift.“

Sie runzelte die Stirn.

Dann blickte sie auf die Uhr an ihrem Handgelenk und sagte: „Es wird Zeit für mich.“ Sie wirkte plötzlich nervös. Kalli war immer noch am Telefon. Sie holte ihre Kreditkarte aus der Handtasche und tickte damit unruhig auf dem Tresen herum. Als sie stille hielt, konnte Dornbach den Namen lesen, der dort eingetragen war.

Rita Rabulewski.

3

Eine halbe Stunde später ...

Die Limousine holperte über den schmalen, ungepflasterten Weg, der bis zu einem Waldstück führte. In einer Entfernung von einer halben Meile war das nächtliche Lichterband der Autobahn zu sehen.

Bei dem Waldstück hielt der Wagen. Der Motor wurde abgeschaltet.

Der Fahrer stieg aus, umrundete die Motorhaube und öffnete die Beifahrertür. Das Mondlicht fiel auf den von blonden Locken bedeckten Kopf einer Frau.

Dieser Kopf sackte schlaff nach vorn.

Der Fahrer der Limousine griff in die Seitentasche seiner Jacke und holte ein paar Latex-Handschuhe hervor, die er sich jetzt überstreifte. Anschließend fasste er den regungslosen Körper der Frau unter den Armen und hievte ihn vom Beifahrersitz herunter. Ihre Hacken schleiften über den Boden. Sie verlor einen Schuh.

Am Waldrand angekommen, lehnte er sie gegen einen dicken, knorrigen Baum. Sie stöhnte plötzlich auf. Ein unartikulierter Laut kam über ihre Lippen. Der Kopf hob sich kurz, bevor sich das Kinn wieder gegen den Halsansatz presste.

Vielleicht habe ich die K.o.-Tropfen nicht ausreichend dosiert!, ging es dem Fahrer durch den Kopf. Er musste sich also beeilen. Er holte ein Klappmesser hervor. Die Klinge blitzte im Mondlicht.

Er ging neben ihr in die Hocke, nahm mit der Linken ihren rechten Arm und setzte ein paar schnelle Schnitte in der Armbeuge und am Handgelenk an. Dasselbe tat er mit dem anderen Arm.

Dann folgte ein ebenso schneller Schnitt durch die Halsschlagader.

Das Blut floss bereits in Strömen, als er mit dem Messer die Bluse und den Bund ihres Rockes öffnete. Die Bauchschlagader war immer am schwierigsten zu finden.

Als er zurück zum Wagen ging, fand er ihre Handtasche auf dem Beifahrersitz.

Er nahm sie und öffnete sie.

Wenig später fand er auch die Brieftasche. Er durchsuchte sie, fand zwei Kreditkarten und eine Mitgliedskarte einer Krankenkasse. Außerdem einen Führerschein.

Alles ausgestellt auf den Namen Rita Rabulewski.

Außerdem war da noch ein Ausweis einer Stadtbibliothek. Er war schon ziemlich alt, aber immer wieder erneuert worden. Das Foto zeigte Rita Rabulewski anstatt mit blonden, gelockten mit glatten dunklen Haaren.

Er verzog das Gesicht.

Hatte ich es mir doch gedacht! Falsch wie die meisten Blondinen!, ging es ihm durch den Kopf, während sein Gesicht einen Ausdruck von spöttischem Zynismus bekam.

Er tat alles wieder zurück in die Tasche und schloss sie sorgfältig. Anschließend schleuderte er sie dorthin, wo er die Frau zurückgelassen hatte.

4

Als mein Kollege Rudi Meier und ich den Tatort an der Autobahn Berlin-Hamburg erreichten, war es ungefähr zehn Uhr morgens. Schon von weitem konnte man die Einsatzfahrzeuge der Schutzpolizei sehen. Unübersehbar auch der Leichenwagen.

Wir waren mit insgesamt drei Fahrzeugen unterwegs. Mein Kollege Rudi Meier und ich fuhren wie üblich mit unserem Dienst-Porsche. Unsere Kollegen Tommy Kronberg und Leonhard Morell folgten uns in einem unscheinbaren Dacia aus den Beständen unserer Fahrbereitschaft, während unsere Erkennungsdienstler Sami Oldenburger und Pascal Horster mit einem Ford Maverick unterwegs waren.

Gleich am Morgen hatte Kriminaldirektor Bock, unser Chef uns alle in seinem Büro versammelt und uns darüber in Kenntnis gesetzt, dass der Fall des sogenannten „A24-Monsters“ jetzt offiziell in der Zuständigkeit des BKA lag. Es ging dabei um eine Serie von Morden an Frauen. Die Tatorte lagen entlang der A24 zwischen Berlin und Hamburg. Sieben Opfer gab es bis jetzt. Frauen zwischen zwanzig und fünfzig, die vor allem durch ein gemeinsames Merkmal auffielen: Sie waren blond.

Der erste dieser Fälle lag fünf Jahre zurück, die letzten drei hatten sich jedoch im Verlauf dieses Jahres ereignet. Dazu kam noch ein Fall aus Lübeck, der einige Ähnlichkeiten mit den Morden des „A24-Monsters“ aufwies und nach Ansicht unserer Experten vom selben Täter begangen worden war, auch wenn der Tatort nicht ins Muster zu passen schien.

Die Jagd nach dem „A24-Monster“ war zu einem Fall geworden, der inzwischen die Öffentlichkeit sehr beschäftigte. Der Druck der Öffentlichkeit hatte bei der Entscheidung, uns vom BKA den Fall zu überlassen, sicherlich auch eine Rolle gespielt. Die letzten drei Morde des „Monsters“ waren innerhalb weniger Wochen begangen worden und so war mancherorts eine regelrechte Hysterie ausgebrochen. Insbesondere natürlich in den kleinen bis mittleren Ortschaften entlang der Autobahn Hamburg-Berlin, auf deren Gemeindegebiet die Morde geschehen waren.

Wir begrüßten Tommy und Leonhard.

Tommy wirkte ziemlich mitgenommen. Der ehemalige Streifenpolizist im Dienst des Landes Berlin unterdrückte mehrfach ein Gähnen.

„Wir hatten gestern bis spät in die Nacht eine Observation“, entschuldigte ihn Leonhard. „Darum sind wir noch ziemlich müde.“

„Aber dieses „A24-Monster“ hat plötzlich Priorität und deswegen hat man uns nun diesem Fall zugeteilt“, ergänzte Tommy Kronberg und seufzte hörbar. „Dass man nicht einfach einen Fall in Ruhe zu Ende machen kann.“

„Ich schätze, da haben wir einfach den falschen Job!“, meinte Rudi.

Tommy hob die Schultern. „Mag sein. Aber Wünsche wird man ja wohl noch äußern dürfen.“

„Nur leider richten sich die Gangster im Allgemeinen nach allem Möglichen – nur nicht nach den Wünschen von Polizei-Beamten“, meinte Leonhard.

„Lasst uns keine Zeit verlieren“, mahnte ich. Es lag mit Sicherheit jede Menge Arbeit rund um den Tatort und in der weiteren Umgebung vor uns.

Einer der Beamten der örtlichen Polizei ein gewisser Herr Markowitz, begrüßte uns und brachte uns zum Einsatzleiter, der gerade in ein Gespräch mit einer Frau vertieft war. Sie war schätzungsweise Anfang dreißig, hatte blondes, leicht gelocktes Haar und strahlend blaue Augen. Ihre Garderobe war schlicht und stilvoll und ließ die aufregende Figur, die sich darunter zweifellos verbarg, erahnen.

„Harry Kubinke, BKA“, stellte ich mich vor und hielt meine ID-Card hoch. „Dies sind meine Kollegen Meier, Kronberg und Morell. Außerdem sind noch die Erkennungsdienstler Sami Oldenburger und Pascal Horster dabei.“

„Das ist gut“, nickte der Einsatzleiter. „In dieser Hinsicht überfordert dieser Fall nämlich unsere Kapazitäten. Mein Name ist übrigens Hans-Peter Fastendonk, ich bin der örtliche Dienstellenleiter.“

„Angenehm“, sagte ich.

Fastendonk deutete auf die Blondine. „Das ist Frau Frederike Glasmacher, früher Polizeipsychologin bei der Hamburger Kripo, jetzt freiberuflich tätig.“

Ich nickte Frederike Glasmacher freundlich zu.

„Freut mich, Sie kennenzulernen.“

„Ganz meinerseits, Kommissar Kubinke.“

„Wenn Sie in den letzten Jahren für die Hamburger Kripo tätig waren, haben Sie wahrscheinlich den Fall des A24-Monsters von Anfang an mit bearbeitet“, vermutete Rudi.

„Das ist richtig. Es war mein erster Fall, an dem ich mitarbeiten durfte, als ich bei der Kripo anfing. Leider einer, der bis heute nicht gelöst ist, was mich ehrlich gesagt auch nie wirklich losgelassen hat.“

„Vielleicht haben wir jetzt die Gelegenheit, den Täter endlich zu überführen“, sagte ich.

„Ich werde jedenfalls mein Bestes dazu tun“, versprach Frederike Glasmacher.

Ein Erkennungsdienstler wandte sich an Fastendonk und wies darauf hin, dass die mit Markierungen abgegrenzten Areale auf keinen Fall betreten werden durften. „Wir haben ein paar Fuß- und Reifenabdrücke“, erklärte er. „Näheres kann ich natürlich noch nicht sagen.“

Fastendonk brachte uns zu der Stelle, an der die Tote aufgefunden worden war. Sie saß aufrecht gegen einen Baum gelehnt.

Der Gerichtsmediziner hatte seine Untersuchungen gerade abgeschlossen.

Es war Dr. Bernd Claus von der Ermittlungsgruppe Erkennungsdienst Berlin.

„Tag, Harry“, begrüßte mich Dr. Claus, mit dem wir schon häufig zusammengearbeitet hatten.

Eigentlich lag der Tatort gar nicht mehr im Zuständigkeitsbereich der Ermittlungsgruppe Erkennungsdienst. Aber hier auf dem platten Lande besaß man natürlich kein eigenes gerichtsmedizinisches Institut.

„Können Sie schon etwas sagen?“, fragte Rudi.

„Jemand hat sie mit ein paar sehr exakt angesetzten Schnitten so verletzt, dass sie innerhalb einer Viertelstunde vollständig ausgeblutet sein dürfte. Ich kann keinerlei Anzeichen für Gegenwehr erkennen. Und die Schleifspuren auf dem Boden sprechen eine relativ eindeutige Sprache.“

„Sie meinen, sie wurde betäubt“, mischte sich Frederike Glasmacher ein.

Dr. Claus nickte. „Ja, davon würde ich ausgehen. Genaues kann ich natürlich erst nach einer Autopsie sagen. Wir werden auf diesen Punkt besonderen Augenmerk legen.“

Frederike Glasmacher wandte sich an mich. „Das entspricht exakt der Vorgehensweise, die der Kerl bei den bisherigen Taten an den Tag gelegt hat.“

„Sie sind sich bereits sicher, dass es ein Mann ist?“, fragte ich.

„Die meisten Taten dieser Art werden von Männern begangen“, erwiderte sie.

„Es ist noch gar nicht solange her, da hatten wir es in Berlin mit einem weiblichen Serientäter zu tun.“

„Ich habe davon gehört. Der sogenannte ‚Frisör’. Der Fall hat in der Fachpresse einiges Aufsehen erregt. Sie haben an dem Fall gearbeitet?“

„Ja“, nickte ich.

„Dann kennen Sie sicher Dr. Gary Schmitt.“

„Er war unser Profiler...“

„...und mein Dozent in Quantico.“

Ich hob die Augenbrauen. „Sie waren an der FBI-Akademie?“

„Ja.“

„Die USA scheinen ja das Mekka dieser Art von Forschung zu sein.“

„Da haben Sie zweifellos Recht. Man ist uns da meilenweit voraus.“

„Und Dr. Schmitt war Ihr Dozent in Quantico?“

„Ja, genau.“

„Und Sie? Hätte Sie sowas nicht gereizt?“

„Ich habe niemals mit dem Gedanken gespielt, dort zu bleiben – genauso, wie ich eine Bewerbung beim Bundeskriminalamt nie in Erwägung gezogen habe.“

„Warum nicht?

„Ich war im Rahmen einer Fortbildung in Quantico, die ich auf mein Psychologiestudium draufgesetzt habe.“

„Und doch haben Sie sich später bei der Hamburger Kripo anstellen lassen.“

„Wissen Sie, das Erstellen von Täterprofilen hat mich immer interessiert, aber nie so sehr, dass ich nur noch dieser Tätigkeit nachgehen wollte. Ich bin in erster Linie Psychologin geworden, um Menschen zu heilen, nicht um Verbrecher zu überführen.“

„Verstehe.“

„Außerdem habe ich Schwierigkeiten, mich in eine Hierarchie einzuordnen, was die Aufstiegschancen doch ganz erheblich minimiert – gleichgültig ob beim BKA oder der Hamburger Kripo.“

„Wem sagen Sie das...“

„Also habe ich mich selbstständig gemacht, nachdem ich durch meine Tätigkeit bei der Polizei in Hamburg genug verdient hatte. Jetzt arbeite ich allenfalls noch auf Honorarbasis für die Behörden – und ich sage Ihnen, es ist sehr viel angenehmer, mit dem Gefühl zu arbeiten, jederzeit die Brocken hinwerfen zu können, wenn einem etwas gegen den Strich geht.“

„Konnte die Tote schon identifiziert werden?“, fragte Rudi an Polizeiobermeister Fastendonk gewandt.

Dieser schüttelte den Kopf.

„Nein. Meine Leute haben gleich die Umgebung abgesucht, in der Hoffnung, irgendetwas zu finden, das uns einen Hinweis geben könnte. Sie hatte keine Handtasche und keine Papiere dabei – und in dem Bereich, den wir absuchen konnten, fand sich auch nichts dergleichen.“

Ich ging in die Hocke und sah mir die Tote genauer an. Ihre Augen waren geschlossen. Die Züge wirkten beinahe entspannt, friedlich. Auch das sprach dafür, dass sie betäubt worden war.

„Selbstmord ist definitiv auszuschließen“, sagte Dr. Claus. „Die Schnitte an den Armbeugen und den Handgelenken hätte sie sich natürlich auch selbst beibringen können – aber bei dem Bauchschnitt halte ich das für vollkommen ausgeschlossen.“

„Wir hätten dann auch die Tatwaffe finden müssen“, stellte der Kollege Fastendonk klar.

„Mit was für einen Täter haben wir es Ihrer Meinung nach zu tun?“, fragte ich an Frederike Glasmacher gerichtet.

„Er ist männlich, wahrscheinlich zwischen fünfundzwanzig und fünfundvierzig Jahre alt. Er dürfte von eher zurückhaltendem, introvertiertem Charakter sein und war vielleicht wegen einer Psychose in ärztlicher Behandlung. Vielleicht nimmt er bis heute Psychopharmaka, die ihn stabilisieren. Ich könnte mir vorstellen, dass er ein ziemlich unauffälliges Leben führt, einen Job gewissenhaft erfüllt. Kein Beruf, der Kreativität erfordert, sondern eher etwas... wie soll ich mich da ausdrücken?“

„Langweiliges?“, hakte ich nach.

Frederike Glasmacher nickte. „Buchhalter, Handelsvertreter, Prokurist. Vielleicht war er in der Schulzeit ein gewissenhafter Streber mit sehr guten Beurteilungen in den schriftlichen Fächern – und vor allem bei Tests im Multiple Choice Verfahren. Aber spätestens auf der Uni, wo mehr Selbstständigkeit gefragt ist, dürfte er ins Mittelfeld abgerutscht sein.“

„Sie reden über den Täter, als wäre er Ihnen persönlich bekannt“, staunte der Kollege Fastendonk.

„In gewisser Weise ist er das auch. Seit Jahren sehe ich mir die Tatorte an, die er hinterlassen hat und versuche mich in seine Situation hineinzudenken. In die Situation, die ihn dazu gebracht hat, so grässliche Dinge zu tun und Frauen wie geschächtete Tiere ausbluten zu lassen...“

„Handelsvertreter ist vielleicht gar kein schlechter Gedanke“, meinte Rudi. „Schließlich sind doch alle Taten an einer der wichtigsten Verkehrsadern zwischen Hamburg und Berlin verübt worden, die unser Mann offenbar regelmäßig benutzt.“

„Ein Trucker scheidet aus?“, fragte Fastendonk. „Ich meine, diese Strecke ist eine der vielbefahrensten Verkehrsrouten, auf der die großen Trucks manchmal Schlange stehen. Alles, was vom Hamburger Hafen rauf Richtung Polen und Osteuropa geschafft wird, geht diesen Weg...“

„Ich nehme an, Abiturienten und Uni-Absolventen werden nicht unbedingt Trucker“, meinte ich. „Und Frau Glasmacher sprach ja davon, dass sie ihn als einen solchen vor sich sieht.“

„Trotzdem würde ich die Trucker nicht von vorn herein ausschließen“, sagte Frederike Glasmacher. „Wir suchen schließlich jemanden, der wahrscheinlich beruflich unter seinen Möglichkeiten geblieben ist, weil er zu zurückhaltend war und sich nicht gut genug verkaufen konnte.“

„Und das alles erkennen Sie aus diesem Tatort“, wunderte sich Tommy Kronberg.

Sie schüttelte den Kopf. „Nicht aus diesem Tatort allein. Aber wenn man alle Tatorte dieser Serie zusammen betrachtet, ergibt sich dieses Bild.“ Frederike Glasmacher atmete tief durch. Ihre Augen verengten sich ein wenig. Sie hatte bis dahin einen sehr kontrollierten Eindruck auf mich gemacht, aber in diesem kurzen Moment konnte man erkennen, wie sehr sie dieser Fall beschäftigte und wie wenig sie es verwinden konnte, dass der Killer noch immer frei herumlief.

Aber das war nicht verwunderlich.

Dies war schließlich kein Fall wie jeder andere.

„Der Mann, den wir suchen, hat kein sexuelles Motiv“, war sie plötzlich überzeugt.

„Auch nicht in sublimierter Form?“

„Nein. Es ging dem Täter auch nicht darum, Macht und Dominanz auszuüben oder um das Ausleben sadistischer Triebe. Im Gegenteil, er war sehr rücksichtsvoll. Schließlich hat er das Opfer vorher betäubt und sie getötet, bevor sie erwachte.“

„Andernfalls würde sie wohl nicht so friedlich daliegen“, stimmte ich ihr zu. „Trotzdem. Der Begriff Rücksicht im Zusammenhang mit einem Gewaltverbrechen...“ Ich schüttelte den Kopf. „Tut mir Leid, das passt für mich nicht so richtig zusammen, wenn Sie verstehen, was ich meine!“

„Das verstehe ich durchaus – und genau so widersprüchlich sieht es in der Psyche des Täters aus. Er wollte diese Frauen töten...“

„Sie bestrafen?“

„Nein, sich ihrer entledigen. Das trifft es besser. Aber er hat sie dabei sehr schonend behandelt, was mich zu folgender Theorie geführt hat: Die Frauen starben stellvertretend für eine Person, die ihm sehr nahe stand.“

„Die Mutter?“

„Es kann auch eine Geliebte oder Ehefrau gewesen sein. Jedenfalls sind seine Gefühle dieser Person gegenüber sehr ambivalent. Er liebt sie – daher die Rücksicht. Aber sie muss etwas getan haben, was ihn zutiefst verletzt hat und daher der Hass und die Notwendigkeit, sie zu töten.“ Ein Ruck durchlief ihren Körper. Sie drehte das Gesicht in meine Richtung und sah mich an. „Ich bin überzeugt davon, dass auf den Täter genau diese Merkmale zutreffen.“

„Nur hat diese Einsicht bisher nicht dazu geführt, den Kerl zu fassen“, gab ich zu bedenken.

Sie nickte. „Aber das liegt daran, dass er – abgesehen davon, dass er Frauen umbringt – vermutlich ein sehr unauffälliges Leben führt.“

„Könnte er verheiratet sein und Familie haben?“

„Das ist zumindest nicht ausgeschlossen.“ Frederike Glasmacher wandte sich an Dr. Claus. „Könnten Sie mir die Einschnitte noch einmal zeigen?“

„Wenn Sie sich das unbedingt antun wollen – bitte!“, antwortete der Gerichtsmediziner, der seine Arbeit am Tatort erledigt hatte. Alles Weitere würde in den Obduktionsräumen der Ermittlungsgruppe Erkennungsdienst in Berlin geschehen.

„Ist ihnen irgendetwas besonders aufgefallen?“, fragte Rudi.

Frederike Glasmacher zuckte mit den schmalen Schultern. „Ich weiß noch nicht“, murmelte sie.

5

Ich ging unterdessen mit Polizeiobermeister Hans-Peter Fastendonk ein paar Schritte zur Seite, um den Kollegen vom Erkennungsdienst Platz zu machen.

„Wer hat die Tote entdeckt?“

„Ein Spaziergänger. Wohnt hier ganz in der Nähe. Die Personalien habe ich mir aufgeschrieben. Er war mit seinen Hunden unterwegs. Hüfthöhe Doggen, die er nach nordischen Göttern benannt hatte. Ein sehr eigenartiger Typ.“

Fastendonk holte einen Zettel aus seiner Jackentasche, auf dem er sich die Personalien notiert hatte und gab ihn mir.

Er hieß Michael S. Nollendorfer.

„Frau Glasmacher hat ihn als Täter gleich ausgeschlossen. Darum haben wir ihn gehen lassen. Er hält sich zu Hause zu unserer Verfügung.“

„Ich möchte gerne mit ihm sprechen.“

„Tun Sie das. Aber passen Sie wegen den Hunden auf. So groß wie Kälber sind die und haben Kiefer, mit denen die einem mit Leichtigkeit die Kehle durchbeißen können...“

Unser Kollege Sami Oldenburger kam auf uns zu. Er hielt einen Lippenstift in der Linken. Um am Tatort nicht selbst Spuren zu hinterlassen, hatte er einen weißen Schutzoverall angelegt und trug die üblichen Latex-Einmalhandschuhe.

„Harry, ich glaube ich habe hier etwas. Dieser Lippenstift lag ganz in der Nähe der Toten im Gras.“

„Ich nehme an, dass noch genug Speichel am Stift klebt, um nachweisen zu können, ob er dem Opfer gehörte“, meinte ich.

Sami nickte. „Das werde wir auf jeden Fall untersuchen. Aber ich will im Moment auf etwas anderes hinaus, Harry. Wir haben keine Handtasche gefunden, aber einen Lippenstift. Wenn es sich wirklich um den Lippenstift des Opfers handelt, dann muss es hier auch eine Handtasche gegeben haben.“

„Die der Täter mitgenommen hat?“

„Vielleicht.“

„Ich glaube kaum, dass es der Täter war, der die Handtasche mitnahm“, mischte sich nun Frederike Glasmacher ein, die sich inzwischen auch zu uns gesellt und Samis Ausführungen offenbar zumindest teilweise mitbekommen hatte.

Sami drehte sich verwundert zu ihr um. „Passt das nicht in Ihr Profil?“

„So ist es. Der Täter ist zwar nicht gerade reich, aber immerhin so wohlhabend, dass er nicht auf Diebstähle angewiesen ist. Außerdem hat er sich bei keinem der vorhergehenden Fälle am Eigentum des Opfers vergriffen.“

„Dann passt dieser Mord vielleicht gar nicht in die Serie“, erklärte nun Dr. Bernd Claus, der seine Arbeit an der Toten beendet hatte. Mit einem Zeichen gab er den beiden bereitstehenden Beamten die Erlaubnis, das Opfer in den vorgesehenen Zinksarg zu legen, in dem es in die Ermittlungsgruppe Erkennungsdienst-Labors in der Berlin überführt werden sollte. „Am Handgelenk der Toten ist nämlich ein Abdruck, der von einer Uhr stammen könnte, die ebenfalls fehlt. Und ein Ring am Ringfinger der linken Hand wurde offenbar verschoben. Der Täter scheint versucht zu haben, ihn dem Opfer wegzunehmen, hat ihn aber offenbar nicht abbekommen und wollte auch wohl nicht noch mehr Gewalt anwenden.“

„Das Profil passt“, erwiderte Frederike Glasmacher fast etwas trotzig. „Aber wer sagt uns, dass es der Täter war, der die Handtasche und die Uhr hat mitgehen lassen?“

„Sie denken an den Mann, der die Leiche gefunden hat?“, hakte ich nach.

Die Psychologin nickte.

„Wäre doch möglich, oder?“

„Sicher.“

„Wenn Sie mit dem Mann sprechen, wäre ich gerne dabei, Kommissar Kubinke.“

„Ich freue mich, wenn Sie mich begleiten. Aber sagen Sie ruhig Harry zu mir. Wir werden ja schließlich wohl ein nächster Zeit sehr eng zusammenarbeiten.“

„In Ordnung, Harry.“

6

Während der Fahrt zu Nollendorfers Haus, schaltete Rudi den TFT-Bildschirm ein. Über den Bordrechner ging er Online und startete eine Anfrage über das Datenverbundsystem.

Über Michael S. Nollendorfer gab es dort tatsächlich mehrere Einträge. Illegaler Waffenbesitz, Notwehrexzess, als ein Obdachloser sein Grundstück betreten und Nollendorfer die Hunde auf ihn gehetzt hatte, Diebstahl und Raub. Die Liste der Delikte war recht lang. Allerdings lag die letzte rechtskräftige Verurteilung schon mehr als zehn Jahre zurück. Er hatte also keinerlei Bewährungsauflagen oder dergleichen mehr zu beachten und lebte seitdem offenbar ein ziemlich zurückgezogenes Leben.

Wir erreichten eine Viertelstunde später das Haus von Michael S. Nollendorfer. Rudi und ich fuhren mit dem Dienst-Porsche voraus. Frederike Glasmacher folgte uns in einem Toyota. Luftlinie waren es kaum vier Kilometer bis zu Nollendorfers Haus, aber wenn man mit dem Wagen dorthin gelangen wollte, musste man einen ziemlich großen Umweg fahren.

Das Haus war aus Holz und irgendwann sicherlich mal blau angestrichen gewesen. Der Großteil der Fassade blätterte langsam ab.

Wir hielten mit dem Dienst-Porsche vor der Veranda, deren Dach notdürftig ausgebessert worden war.

Wir stiegen aus.

Frederike Glasmacher traf mit ihrem Fahrzeug nur wenige Augenblicke später ein. Sie ging im Storchenschritt durch den tiefen aufgeweichten Boden. „Scheint so, dass mein Schuhwerk nur für eine großstädtische Umgebung taugt“, meinte sie. Ihr Lächeln wirkte etwas gezwungen.

Insgesamt drei Fahrzeuge befanden sich auf der Veranda-Seite des Hauses.

„Ich wette, zwei dieser Wagen werden ausgeschlachtet, um den dritten fertig zu machen“, war Rudi überzeugt. Vermutlich hatte er Recht.

„Herr Nollendorfer?“, rief ich, erhielt aber keine Antwort.

Ich versuchte es noch einmal und ging auf die Veranda zu.

Rudi und Frederike Glasmacher folgten mir.

„Hier spricht Harry Kubinke, Bundeskriminalamt! Meine Kollegen und ich möchten gerne mit Ihnen über Ihre Beobachtungen am Tatort sprechen.“

Ein knurrender Laut empfing uns.

Zwei hüfthohe Doggen schnellten blitzschnell durch die offen stehende Tür und blieben an der Treppe der Veranda stehen. Sie verharrten dort, fletschen die Zähne und knurrten uns an.

Der Besitzer der Hunde erschien wenig später auf der Veranda. Nollendorfer war breitschultrig und hatte schulterlanges, verfilztes, blondes Haar. Der Vollbart bedeckte beinahe das gesamte Gesicht und hatte einen deutlichen Rotstich.

Sommersprossen kennzeichneten seine Nase und die Stirn. Letztere wurde außerdem noch von ein paar tiefen Furchen durchzogen.

„Wer sind Sie?“, fragte er.

„Kriminalhauptkommissar Harry Kubinke, BKA!“, sagte ich und zog meine ID-Card. „Wir müssen mit Ihnen sprechen.“

„Geht es um die Tote?“

„Zunächst mal würde ich vorschlagen, dass Sie Ihre Hunde irgendwo einsperren.“

„Die Hunde tun niemandem etwas, es sei denn ich sage es ihnen.“ Nollendorfer trat zwischen die beiden Doggen und kraulte einen von ihnen den Nacken. „Wissen Sie was? Reden Sie einfach! Ich höre zu.“

Ich wechselte einen kurzen Blick mit Rudi.

Falls Nollendorfer auf den Gedanken kam, seinen Hunden den Befehl zum Angriff zu geben, hatten wir vermutlich immer noch die Chance, rechtzeitig unsere Dienstwaffe zu ziehen und beide Tiere zu erschießen.

Aber andererseits konnten wir uns von Nollendorfer auch unmöglich diktieren lassen, unter welchen Bedingungen wir mit ihm sprachen.

„Nein, Herr Nollendorfer, so läuft das nicht“, erklärte ich.

„Es läuft entweder nach meinen Regeln oder gar nicht“, erwiderte Nollendorfer. „Im Übrigen habe ich Ihren Kollegen alles gesagt, was es über die Tote zu sagen gab. Ich bin mit den Hunden unterwegs gewesen und da war sie... Das ist alles!“

„Die Hunde an die Leine, Herr Nollendorfer! Sofort!“, forderte ich unmissverständlich. „Oder ich werte das als einen bewaffneten Angriff auf BKA-Kommissare, und wir kommen mit zwei Dutzend Mann wieder, um Sie vorläufig festzunehmen!“

Nollendorfer überlegte einen Moment. Er trat etwas vor. „Wotan! Odin! Ins Haus!“ Die beiden Doggen gehorchten tatsächlich aufs Wort. Sie verschwanden durch die Haustür. Nollendorfer schloss sie hinter den Tieren.

Dann kam er die Verandatreppe herunter und trat auf uns zu.

„Zufrieden?“

„Beinahe“, erwiderte ich.

„Wir haben nichts gegen Sie und wollen Ihnen auch keine unnötigen Schwierigkeiten machen“, ergänzte Rudi.

„Sie arbeiten doch für die Regierung. Das ist doch fast gleichbedeutend damit, anderen Leuten Schwierigkeiten zu machen. Im Grunde ist das doch der ganze Zweck Ihres Jobs! Die Regierung bezahlt Sie dafür, dass Sie Leute drangsalieren...“

„Tut mir Leid, dass Sie so schlecht von uns denken“, erwiderte ich. „Eigentlich sehen wir unsere Aufgabe eher darin, die Menschen vor dem Verbrechen zu schützen. Vor allem die Schwachen.“

Nollendorfer lachte höhnisch. „Sie glauben diesen Mist doch nicht einmal selbst, Herr...“

„Kommissar Kubinke.“

„Ich persönlich traue weder der Regierung noch den Behörden über den Weg. Es wäre alles viel einfacher, wenn jeder Mann seine Waffe hätte und damit auch umgehen könnte. Dann könnte man sich diesen gesamten korrupten Polizeiapparat sparen.“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung.

Dann zuckte er mit den breiten Schultern.

Niemand von uns hatte besondere Lust, die verqueren Ansichten von Michael Nollendorfer weiter zu diskutieren. Uns ging es um die Abklärung der Fakten.

„Wann haben Sie die Tote genau gefunden?“, fragte ich.

„Heute Morgen, so gegen vier Uhr. Kurz darauf ging die Sonne auf.“

„So früh sind Sie schon unterwegs?“, wunderte ich mich.

Er nickte.

„Ja. Was dagegen?“

„Schildern Sie uns genau, was passiert ist!“

„Ich mache um die Zeit immer einen Weg von gut fünf Meilen mit Wotan und Odin.“

„Sind das nicht zwei verschiedene Namen für ein- und denselben nordischen Gott?“, mischte sich Frederike Glasmacher ein.

Er schien überrascht zu sein, dass ihn jemand darauf ansprach. „Das stimmt“, gab er zu. „Aber die beiden Doggen kommen ja auch aus demselben Wurf. Aber wollen Sie mich jetzt über die Hunde ausfragen oder über die Leiche am Waldrand?“

„Es würde uns bei der Einschätzung Ihrer Aussage helfen, etwas mehr über Sie zu wissen“, erwiderte Frederike Glasmacher.

„Dann hätte ich die Leiche wohl besser sich selbst überlassen sollen, anstatt der Polizei den Fund zu melden“, knurrte Nollendorfer mit heiserer Stimme. „Die Raben hätten ihre Mahlzeit und ich keinen Ärger gehabt.“

„Wieso gehen Sie davon aus, dass Sie Ärger bekommen?“, fragte Frederike.

Er stutzte, presste die Lippen aufeinander und vergrub die Hände in den Hosentaschen. Mir fiel auf, dass er eine Tasche für ein Klappmesser am Gürtel trug.

„Keine Ahnung. Wahrscheinlich erwarte ich einfach Ärger, wenn Bullenschweine auftauchen.“

„Sie waren gerade dabei, uns zu schildern, wie Sie auf die Leiche aufmerksam wurden“, versuchte sich das Gespräch wieder auf den Fall zu lenken.

Er nickte. „Die Hunde wurden plötzlich unruhig. Ich bin den beiden eigentlich nur gefolgt und dann sah ich sie da sitzen. Grässlich. Da ich kein Handy und auch keinen Festnetzanschluss besitze, musste ich erst die Strecke bis zu Kallis Autobahn-Restaurant laufen. Das liegt an der A24. Es gehört auch eine Tankstelle dazu. Alles 24 Stunden rund um die Uhr geöffnet. Von dort habe ich die Polizei angerufen.“ Er atmete tief durch. „Dieser Kalli hat noch so ein Theater wegen der Hunde gemacht. Keine Ahnung, in welches Dreckloch Wotan hinein getreten war, aber jedenfalls gab es ein paar hässliche Spuren auf dem Boden.“

„Sind Sie von dort aus direkt zurück zum Tatort gegangen?“

„Nein, ich musste den Hunden etwas zu fressen und zu trinken geben. Wotan und Odin sind an einen regelmäßigen Tagesablauf gewöhnt. Als ich am Tatort eintraf, waren schon jede Menge Bullen in der Nähe. Ich habe gegenüber dem Wachtmeister oder wie der sich nennt meine Aussage gemacht und dachte eigentlich, dass es damit vorbei wäre.“

„Hatten Sie Gelegenheit, sich am Tatort etwas umzusehen?“, mischte sich jetzt Rudi ein. „Oder haben Ihre Hunde noch etwas entdeckt?“

„Ich habe keine Ahnung, worauf Sie hinaus wollen!“

„Darauf, dass wir bei der Toten nur einen Lippenstift, aber nicht die dazugehörige Handtasche gefunden haben. Und außerdem hat jemand versucht, ihr einen Ring vom Finger zu nehmen.“

„Fangen Sie den Mörder. Dann haben Sie wahrscheinlich auch diese Dinge.“

Ich nickte. „Vermutlich. Nur eine Sache noch!“

„Wenn ich dann endlich meine Ruhe habe...“

„Das Taschenmesser an ihrem Gürtel hätte ich gerne.“

Nollendorfer verengte die Augen und ich war froh, dass die Hunde im Haus eingeschlossen waren. Andererseits traute ich den Tieren durchaus zu, dass sie auf einen Pfiff hin die Tür öffnen konnten.

„Wir möchten Sie als möglichen Täter gerne von vorn herein ausschließen“, erklärte Rudi. „Unsere Spezialisten im Labor können beurteilen, ob Ihr Messer die Tatwaffe gewesen sein könnte.“

„Sie bekommen es natürlich sofort zurück, wenn der Befund negativ ist“, versicherte ich.

„Sie wollen mir doch bloß was anhängen!“, knurrte er.

„Genau das Gegenteil ist der Fall“, erwiderte ich. „Lassen Sie das Messer in der Tasche stecken und nehmen Sie die vom Gürtel.“

„Brauchen Sie dazu nicht einen richterlichen Beschluss oder sowas? Ich kenne mich inzwischen gut aus. Schließlich war ich schon oft genug ein Opfer von Amtswillkür und Justizschikane.“

Rudi seufzte. „Wenn wir mit einem richterlichen Beschluss zurückkehren müssen, stellen sechs Mann Ihr Haus auf den Kopf. Sie werden solange in Gewahrsam genommen und Ihre Hunde müssen sich für 48 Stunden an den Tagesablauf des örtlichen Tierheims gewöhnen. Ich weiß nicht, ob das wirklich in Ihrem Interesse liegt.“

Er griff sich an den Gürtel, zögerte aber noch. Die Hunde im Haus wurden unruhig. Offenbar waren die Tiere sensibel genug, um die zunehmend aggressive Grundstimmung des Gesprächs mitzubekommen.

Für ein paar Augenblicke hing alles in der Schwebe und ich war kurz davor, Frederike Glasmacher zu raten, sich in ihren Wagen zu setzen. Aber dann gab Nollendorfer doch noch nach. „In Ordnung, Sie kriegen das Messer.“

7

Wir fuhren anschließend zurück zum Tatort.

„Ein ziemlich eigenartiger Typ“, meinte Rudi. „Also, wenn du mich fragst, stimmte mit dem doch etwas nicht.“