Zwei Marseille Krimis Februar 2023 - Alfred Bekker - E-Book

Zwei Marseille Krimis Februar 2023 E-Book

Alfred Bekker

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Dieser Band enthält folgende Krimis: Alfred Bekker: Commissaire Marquanteur und das Mordprogramm von Marseille Alfred Bekker: Commissaire Marquanteur und die Mordkünstler von Marseille In eine Marseiller Galerie wird eingebrochen. Der Besitzer scheint ermordet worden zu sein – seine Leiche ist aber unauffindbar. Commissaire Pierre Marquanteur und sein Team beginnen mit ihren Ermittlungen und stellen schnell fest, dass der Galerist in höchst dubiose Geschäfte verwickelt war. Innerhalb kurzer Zeit werden weitere Personen aus seinem Umfeld ermordet. Dann meldet sich ein Kollege aus Russland, und der Fall bekommt eine Wendung …

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Alfred Bekker

Zwei Marseille Krimis Februar 2023

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Inhaltsverzeichnis

Zwei Marseille Krimis Februar 2023

Copyright

Commissaire Marquanteur und das Mordprogramm von Marseille: Frankreich Krimi

​Commissaire Marquanteur und die Mordkünstler von Marseille: Frankreich Krimi

Zwei Marseille Krimis Februar 2023

von Alfred Bekker

Dieser Band enthält folgende Krimis:

Alfred Bekker: Commissaire Marquanteur und das Mordprogramm von Marseille

Alfred Bekker: Commissaire Marquanteur und die Mordkünstler von Marseille

In eine Marseiller Galerie wird eingebrochen. Der Besitzer scheint ermordet worden zu sein – seine Leiche ist aber unauffindbar. Commissaire Pierre Marquanteur und sein Team beginnen mit ihren Ermittlungen und stellen schnell fest, dass der Galerist in höchst dubiose Geschäfte verwickelt war. Innerhalb kurzer Zeit werden weitere Personen aus seinem Umfeld ermordet. Dann meldet sich ein Kollege aus Russland, und der Fall bekommt eine Wendung …

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

COVER A.PANADERO

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Alles rund um Belletristik!

Commissaire Marquanteur und das Mordprogramm von Marseille: Frankreich Krimi

von Alfred Bekker

Ein Nobelrestaurant wird in die Luft gejagt – unter den Toten auch zwei berüchtigte Bandenbosse. Will jemand von außen die Unterwelt von ganz Marseille übernehmen, oder steckt doch ein persönlicher Rachefeldzug dahinter? Während der Ermittlungen rückt eine Firma ins Licht, die mit Waffenentwicklungen für die Regierung arbeitet.
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1
Mein Name ist Pierre Marquanteur, und ich bin Commissaire in Marseille. Zusammen mit meinem Freund und Kollegen François Leroc gehöre ich einer Sondereinheit an, die sich vor allem mit den sogenannten großen Fällen beschäftigt, worunter meistens nichts anderes als die sogenannte organisierte Kriminalität zu verstehen ist.
Force spéciale de la police criminelle, kurz FoPoCri, so nennt sich die Abteilung.
Einmal im Monat gehe ich auf den Schießstand, um mich in der Handhabung meiner Dienstwaffe zu üben.
Ja, ich gebe zu: auch ich schieße manchmal daneben.
Im Ernstfall könnte das ein Menschenleben kosten.
Entweder mein eigenes oder das eines Kollegen oder einer Geisel … Da lassen sich viele verhängnisvolle Situationen konstruieren. Noch schlimmer wäre, wenn man im Einsatz den Falschen trifft – und auch sowas kommt vor. Oder man trifft jemanden, die Kugel durchschlägt den Körper und tötet am Ende noch jemand anderen, der völlig unbeteiligt ist. Auf das Problem von Querschlägern will ich an dieser Stelle gar nicht erst eingehen.
Schießereien, bei denen nur das getroffen wird, was getroffen werden soll, gibt es nur im Film.
Und selbst da geht manchmal was daneben.
Also wäre es doch eigentlich schön, wenn es Munition gäbe, die sich ihr Ziel selber sucht.
Munition, die ihr Ziel nicht verfehlen kann, egal wie schlecht oder unvorsichtig der Schütze ist.
Munition, die programmiert werden kann und das Ziel verfolgt.
Fast so, wie eine Drohne – nur viel kleiner.
Glauben Sie mir: Das wäre ein Albtraum.
Aber es wird längst daran gearbeitet, ihn wahr werden zu lassen.
*
Lee Jingxu betrat mit seinem Gefolge das Nobellokal Schlemmertempel auf dem Boulevard Verne. Der kahlköpfige Mann mit den asiatisch-starren Gesichtszügen wurde von einem Dutzend Männern in dunklen Maßanzügen begleitet. Die meisten von ihnen trugen MPs im Anschlag. Sie flankierten ihren Chef von allen Seiten.
Lee Jingxu selbst trug eine kugelsichere Kevlar-Weste unter dem Jackett.
Der große Boss aus Pointe-Rouge blieb stehen, fixierte mit seinem Blick die Männer, die bereits an der langen Tafel Platz genommen hatten.
Es handelte sich um Mario Savonora und seine kalabrischen ‘Ndrangheta-Leute. Blitzschnell gingen auch bei ihnen die Hände zu den Waffen. Ein Dutzend Mündungen von MPs und automatischen Pistolen zeigten in Richtung der Chinesen.
Der Kellner wartete erstarrt neben dem Buffet.
Sekundenbruchteile lang herrschte Stille.
Dann murmelte Lee Jingxu einen knappen Befehl auf Kantonesisch. Seine Männer senkten die Waffen. Das Gesicht des Chinesen blieb völlig unbewegt.
»Verstehen Sie so einen Empfang etwa als Ausdruck Ihrer Gastfreundschaft, Monsieur Savonora?«, fragte er in makellosem Französisch.
Mario Savonora war noch keine dreißig. Ein fast zierlich wirkender Mann, mit kinnlangem, schwarzblauem Haar und dünnem Knebelbart, bis auf den Millimeter genau rasiert. Eine dunkle Sonnenbrille verdeckte seine Augen. Er zögerte noch eine Sekunde, machte dann seinen Leuten ein Zeichen.
Auch die senkten jetzt die Waffen, die Lage entspannte sich.
»Setzen Sie sich!«, bot Savonora an.
Lee Jingxu nickte. Zusammen mit einem Teil seines Gefolges trat er an die Tafel heran, während sich der Rest im Raum verteilte. Jemand zog für den Chef den Stuhl zurück, Jingxu setzte sich.
»Ein schönes Lokal haben Sie für dieses Treffen ausgesucht«, sagte der Mann anerkennend.
Savonora grinste schief, kicherte, wischte sich mit dem Ärmel über den Mund.
»Seit Kurzem gehört es mir«, erklärte er.
»Mein Respekt.«
»Ihre Gorillas können hier ruhig herumschnüffeln, soviel sie wollen! Meinetwegen auch in der Küche! Ich habe nichts dagegen.«
»Ich gehe davon aus, dass Sie ein Ehrenmann sind, Monsieur Savonora.«
»Ach, ja?«
Savonora grinste.
Lee Jingxus Gesicht blieb unbeweglich wie eine Maske.
»Sollte sich etwas anderes herausstellen, gibt es keinen Ort auf der Welt, an dem Sie noch sicher wären. Ich – oder mein Nachfolger – würden sich dann nicht nur damit begnügen, Sie einfach zu töten …«
Savonoras Gesichtsausdruck wurde hart. »Wollen Sie mir drohen?«
»Ich möchte das Geschäft mit Ihnen neu ordnen.«
»Es wird uns niemand dabei stören«, erklärte Savonora.
»Wie Sie sehen, haben wir diesen Nobelschuppen heute für uns ganz allein.«
»Es gab in der Vergangenheit einige Unstimmigkeiten, die wir aus der Welt schaffen sollten. Einen Krieg können wir uns im Moment beide nicht leisten.«
Savonora bleckte die Zähne.
»Ich teile Ihre Analyse, Monsieur Jingxu.«
Einer der Bodyguards, die Jingxu begleiteten, hatte sich an der großen Fensterfront postiert. Er blickte hinaus. Der Schlemmertempel lag im obersten Stock. Man hatte eine traumhafte Aussicht auf den Park.
Der Bodyguard genoss sie einige Augenblicke lang. Dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck.
Es verzog sich zu einer Maske des Entsetzens.
Er trat einen Schritt zurück, schrie ein paar Worte auf Kantonesisch.
Die Chinesen an der Tafel wirbelten herum.
Auch Savonoras Männer starrten jetzt zur Fensterfront.
Das Glas zersprang.
Pfeilschnell drang ein Geschoss ins Innere des Schlemmertempel.
Sekundenbruchteile danach gab es eine gewaltige Detonation, der einen Moment später noch eine zweite und dritte folgte.
Die Todesschreie gingen im Lärm der Explosionen unter.
Eine mörderische Druckwelle breitete sich aus, ließ menschliche Körper wie Puppen durch den Raum fliegen. Innerhalb von Sekunden verwandelte sich Schlemmertempel in eine grausame Flammenhölle.
2
Der Boulevard Verne war durch die zahllosen Einsatzfahrzeuge völlig blockiert. Wagen der Polizei und der Feuerwehr befanden sich dort. Außerdem mehrere Krankenwagen, Fahrzeuge von Notärzten, Einsatzwagen des FoPoCri und dem zentralen Erkennungsdienst aller Marseiller Polizeieinheiten.
Ich stellte den Dienstwagen am Park ab. François und ich stiegen aus.
Einige hundert Schaulustige hatten sich angesammelt. Die Kollegen der Polizei hatten ihre Mühe, sie davon abzuhalten, näher an den Tatort heranzugehen.
Wir starrten die Fassade des Hochhauses hinauf. In der obersten Etage war es geschehen. Die Folgen der gewaltigen Explosion, die sich ereignet hatte, waren auch von außen nicht zu übersehen. Eine Rauchsäule hing über dem Park. Aber es quoll nichts mehr aus der zerstörten Fensterfront der obersten Etage heraus. Offenbar war der Brand gelöscht.
Ein gewaltiger Rußfleck verdunkelte die Fassade auf einer Fläche von mindestens zwanzig Quadratmetern.
François und ich zeigten den Kollegen unsere Dienstausweise, nachdem wir uns durch die Schaulustigen gedrängelt hatten. Ein Polizist winkte uns weiter.
Wir erreichten das Foyer.
Die Sicherheitsleute wirkten ziemlich hektisch. Der Einsatzleiter der Feuerwehr gab über Walkie-Talkie seine Befehle.
Wir mussten noch einmal unsere Ausweise vorzeigen. Der Einsatzleiter wurde auf uns aufmerksam.
»FoPoCri?«, fragte er. »Ihre Kollegen vom Erkennungsdienst sind schon oben.«
»Haben Sie eine Ahnung, was hier passiert ist?«, fragte François.
»Fragen Sie mich Leichteres. Es sieht aus, als hätte jemand eine Handgranate durchs Fenster geworfen!«
»In den obersten Stock?«, hakte François nach.
»Ich sagte ja nur, dass es so aussieht. Wenn Sie wollen, können Sie hinauf, aber Sie müssen über das Treppenhaus. Die Aufzüge sind noch nicht wieder in Betrieb.«
Ich atmete tief durch. Das hatte ich schon befürchtet.
Aber das war bei jedem Hochhausbrand die eiserne Regel: Nie die Fahrstühle benutzen! Da konnte man nicht vorsichtig genug sein.
So blieb uns nichts anderes übrig, als das Treppenhaus zu benutzen. Immer zwei Stufen nahmen wir auf einmal.
»Nimm's als Konditionstraining!«, meinte François.
»Ich dachte eigentlich, dass ich genug in dieser Hinsicht tue.«
»Wird sich gleich zeigen, Pierre!«
»Ach ja?«
»Wenn wir oben sind und du kriegst immer noch Luft, dann bist du in Form.«
»Sehr witzig!«
Wir brauchten eine ganze Weile, bis wir die oberste Etage erreichten und jene Räume betraten, in denen sich noch vor Kurzem ein Nobelrestaurant mit dem klangvollen Namen Schlemmertempel befunden hatte.
Der Anblick war entsetzlich, der Geruch beinahe unerträglich. Überall waren Spurensicherer bei der Arbeit.
Commissaire Gawain Colliere begrüßte uns.
»Hallo, Pierre!« Er sah ziemlich mitgenommen aus. »Frag mich nicht, was hier genau passiert ist. Wir können mit Sicherheit nur sagen, dass eine gewaltige Detonation stattgefunden hat. Es gibt schätzungsweise zwanzig Todesopfer. Genau können wir das nicht sagen. Bis die Toten allesamt identifiziert sind, kann es eine Weile dauern.«
»Ja«, nickte ich düster.
Und François fragte: »Keine Überlebenden?«
»Doch, zwei. Der eine heißt Gregoire Homels und arbeitete hier als Kellner. Der Mann liegt im Koma, hat schwerste Verletzungen und wird vielleicht nicht durchkommen.«
»Wie konnte er die Detonation überleben?«, erkundigte ich mich.
»Er muss in der Tür zur Küche gestanden haben und wurde dann zurückgeschleudert.«
»Und der andere?«, hakte ich nach.
»Jules Millner, der Koch des Schlemmertempel. Er befand sich zum Zeitpunkt der Explosion in der Küche.«
»Ist er ansprechbar?«
»Körperlich fehlt ihm kaum etwas. Aber er steht unter Schock, redet nur noch wirres Zeug.«
»Ich verstehe …«
»Der Besitzer dieses Ladens ist übrigens seit Kurzem ein gewisser Mario Savonora«, berichtete Colliere. »Der ist für euch ja wohl kein Unbekannter!«
»Allerdings«, nickte ich.
Mario Savonora war unseren Informationen nach eine aufstrebende Größe in der Marseiller Unterwelt. Wir verdächtigen ihn, in illegale Waffengeschäfte verwickelt zu sein. Bislang lagen allerdings nicht genügend gerichtsverwertbare Indizien vor.
»Gibt es Hinweise darauf, ob Savonora unter den Toten ist?«, fragte mein Freund und Kollege François Leroc.
Colliere hob die Augenbrauen.
»Wie kommst du darauf?«
»Weil wir von einem Informanten wissen, dass hier ein Treffen zwischen Savonora und Lee Jingxu stattfinden sollte.«
Colliere pfiff durch die Zähne.
»Eine Konferenz der Bosse!«
»Ja, so könnte man sagen.«
»François, wir haben keine Ahnung, wer die Toten sind. Noch nicht …«
In diesem Moment trafen unsere Kollegen Stéphane Caron und Boubou Ndonga ein. Sie wurden von dem Kollegen Loubet, einem unserer Sprengstoffexperten, begleitet.
Kollege Loubet ließ den Blick kreisen.
»Das wird nicht einfach«, meinte er. Er wandte sich an mich. »Die Verwüstungen sind so groß, dass es schwer werden wird, noch irgendwelche aussagekräftigen Spuren zu finden.«
»Eine Angabe zur Beschaffenheit des Sprengstoffs würde uns schon ein Stück weiterbringen«, sagte ich.
Loubets Gesicht wurde skeptisch.
»Du wirst Geduld haben müssen, Pierre.«
Eine halbe Stunde später waren wir immerhin etwas schlauer. Die Videoüberwachungsanlage des privaten Sicherheitsdienstes hatte genau festgehalten, wer sich hier getroffen hatte.
Savonora und seine Kalabrier waren etwa zwanzig Minuten vor Jingxu und seinen Männern eingetroffen. Jetzt lebte vermutlich keiner mehr von ihnen.
Genau wussten wir das erst, wenn wir überprüft hatten, wer von diesen Männern das Gebäude wieder verlassen hatte.
Wir beschlagnahmten sämtliche Videobänder der letzten Tage. Unsere Innendienstler würden sie sich vornehmen müssen. Irgendwie musste die Sprengladung in das Restaurant Schlemmertempel gebracht worden sein. Bislang hatten wir keine Ahnung, wie das geschehen sein konnte. Alle diejenigen, die uns darüber hätten Auskunft geben können, waren tot oder nicht aussagefähig.
»Der Täter – beziehungsweise sein Auftraggeber – muss von dem Treffen gewusst haben«, stellte François fest. »Und er muss irgendeinen Nachteil von einer Einigung zwischen den Kalabriern und Jingxus Leuten befürchtet haben.«
Ich nickte.
»Wenn man unseren Informanten glauben kann, dann überschneiden sich die Interessen beider Gruppen beim illegalen Waffenhandel.«
»Dann wette ich, dass wir in der Waffenhändler-Szene auch früher oder später auf jemanden treffen, der einen Vorteil von diesem Verbrechen hat.«
Etwas später traf Thierry Cordian ein. Cordian war der Geschäftsführer des Schlemmertempel.
Im Gegensatz zu dem bedauernswerten Koch, der jetzt die Hilfe eines Psychologen brauchte, war Cordian zur Zeit des Sprengstoffanschlags nicht im Gebäude gewesen. Wir unterhielten uns in einem Nebenraum mit ihm, der von den Sicherheitsleuten als Umkleide benutzt wurde.
»Monsieur Cordian, wann haben Sie von dem Treffen erfahren, das im Schlemmertempel stattfinden sollte?«, fragte ich.
Cordian, ein Mittdreißiger mit dunklen Haaren und kantigem Gesicht, hob die Augenbrauen.
»Ich weiß nicht, von was für einem Treffen Sie reden«, behauptete er.
»Spielen Sie nicht den Ahnungslosen!«, forderte ich. »Sie sind der Geschäftsführer. Sie können mir nicht erzählen, dass Sie nicht wussten, wer sich heute im Schlemmertempel getroffen hat. Schließlich war das Lokal für alle anderen Gäste geschlossen.«
Cordian atmete tief durch.
»Kann ich meinen Anwalt sprechen?«
»Natürlich, wenn Sie wollen … Ich nehme an, es handelt sich um Rechtsanwalt Taupe, den Sie jetzt anrufen wollen.«
Cordian wirkte verblüfft. »Wie …?«
»Taupe ist der Anwalt von Monsieur Savonora – und der Schlemmertempel gehört ihm doch seit Kurzem.«
»Eigentümer ist Monsieur Rémy Belleau«, korrigierte mich Cordian.
»Ein Strohmann«, erwiderte ich.
»Wollen Sie mir was anhängen, oder was? Ich bin der Geschäftsführer, nichts weiter, Monsieur Marquanteur.«
»Irgendwie muss die Sprengladung in das Lokal gelangt sein. Haben Sie eine Ahnung, wie das geschehen sein könnte?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Wissen Sie etwas über die näheren Umstände, unter denen der Schlemmertempel in Mario Savonoras Besitz übergegangen ist?«
Cordians Nasenflügel bebten.
»Was soll das ganze Theater? Warum werden mir solche Fragen gestellt? Ich mache hier meinen Job und fertig. Das ist alles!«
Ich nickte nur, wechselte einen Blick mit François.
»Sie können gehen«, meinte François. »Wenn wir noch Fragen an Sie haben, melden wir uns.«
Cordian blickte von einem zum anderen. Dann verließ er den Raum.
»An dem Kerl ist etwas faul«, meinte ich. »Der weiß sehr viel mehr, als er uns weismachen will, da bin ich mir sicher.«
»Ja, aber im Moment hat es wenig Sinn, mehr aus ihm herauspressen zu wollen.«
Ich zuckte die Schultern.
»Schon merkwürdig, dass der Geschäftsführer des Schlemmertempels ausgerechnet an dem Tag nicht im Laden ist, an dem sich dort eine Explosion ereignet …«
Wir befragten noch Dutzende von Personen. Anlieger, Geschäftsleute, deren Büros im gleichen Gebäude lagen, Menschen die vielleicht irgendetwas beobachtet hatten.
Zwischendurch rief Monsieur Marteau an. Der Chef der Marseiller FoPoCri hatte inzwischen jeden verfügbaren Beamten zu unserer Unterstützung abgestellt.
Die Sorge, die dahinterstand, war klar.
Das Attentat mochte der Vorbote eines Gangsterkrieges sein. Von den Spannungen in der Waffenhändlerszene wussten wir schon seit längerem. Auch davon, dass Mario Savonora ein sehr ehrgeiziger Mann gewesen war, der versucht hatte, den illegalen Waffenmarkt nach und nach unter seine Kontrolle zu bekommen.
»Wer immer dieses Attentat ausgeheckt hat, wollte möglicherweise ganz bewusst beide aus dem Weg räumen – Lee Jingxu und Savonora«, meinte François.
»Du meinst, eine fremde kriminelle Vereinigung versucht hier mit Brachialgewalt Fuß zu fassen?«, fragte ich.
François nickte.
»Für mich sieht das so aus.«
Am späten Nachmittag tauchte dann eine Spur auf, die unseren Ermittlungen später eine ganz andere Richtung geben sollte.
Wir sprachen mit Cedric Martin, der ein Stockwerk unterhalb des Schlemmertempel als Senior Director der Werbeagentur Martin & Copains fungierte.
»Ich habe es genau gesehen«, behauptete Martin. »Ich stand am Fenster, blickte hinaus auf den Park … Wissen Sie, manchmal kommt man in einer Kampagne einfach nicht weiter und dann …«
»Was genau haben Sie gesehen?«, hakte ich nach.
»Etwas, das durch die Luft flog … Ich meine, es ging so rasend schnell … Ich dachte zumindest, dass da etwas fliegt. Ein Ding, das nicht größer als ein Stein gewesen sein kann!« Er atmete tief durch, fuhr sich mit einer nervösen Handbewegung durch das graue, kurz geschorene Haar.
Er zeigte uns die Stelle in seinem Büro, wo er gestanden hatte. Der Brandgeruch war auch bis hierhin vorgedrungen. Aber die Scheiben der Fensterfront wiesen nur einige Sprünge auf. Weiter hatte sie die Explosion in der Etage darüber nicht in Mitleidenschaft gezogen – abgesehen von ein paar Eimern Putz, die von der Decke gerieselt waren. Ein weißgrauer Staubfilm lag über der gesamten Einrichtung der Agentur.
»Hier genau habe ich gestanden«, sagte Martin. »Im ersten Moment dachte ich, ich bilde mir etwas ein, dann kam dieses Ding dahergezischt … Es gab erst ein Geräusch wie von einem Aufprall, dann klirrte es, so als würde eine Scheibe zu Bruch gehen. Ich dachte erst an einen Vogel. Wissen Sie, es wäre ja nicht das erste Mal, dass so ein Tier in eine Scheibe hineinfliegt, weil sich der Himmel darin spiegelt.«
»Aber dies war kein Vogel?«, hakte ich nach.
Er schüttelte den Kopf.
»Nein«, flüsterte er. »Sekundenbruchteile später folgte die Explosion.«
Ich trat ans Fenster heran, blickte hinaus.
Die Zahl der Schaulustigen unten an der Straße hatte sich inzwischen deutlich verringert.
Der Verkehr auf dem Boulevard Verne hatte sich normalisiert, ein Großteil der Einsatzfahrzeuge war abgezogen. Ich sah auf den Park hinaus. François trat neben mich.
Und er dachte dasselbe wie ich.
»Siehst du da irgendwo einen Punkt, von dem aus man in den obersten Stock dieses Hauses ein Geschoss hineinjagen könnte, Pierre?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Aus jeder anderen Richtung wäre das eher möglich gewesen als ausgerechnet aus dieser«, meinte ich.
Der Park lag im Mittel um die 60 Meter unter uns.
Es gab keine Erhebungen, die wesentlich über dieses Niveau hinausgingen. Und andere, ähnlich hohe Gebäude, von denen aus jemand hätte schießen können, gab es nur in entgegengesetzter Richtung.
»Wollen Sie etwa behaupten, dass ich Unsinn rede?«, fragte Martin etwas ungehalten.
»Nein«, versicherte ich. »Wir nehmen Ihre Aussage sehr ernst.«
3
Dr. Armand Fresnay knüllte den Zettel zusammen. Jemand musste ihn durch den Belüftungsschlitz in seinen Spind hineingeschoben haben.
22.30 im Labor!, hatte auf dem Zettel in ungelenk wirkenden Druckbuchstaben gestanden. Darunter und etwas kleiner der Zusatz: Wir müssen reden.
Armand Fresnay zerriss den Zettel nun sorgfältig und ließ die Fetzen in den Papierkorb segeln.
Verdammt!, dachte er. Musste das unbedingt jetzt sein sein? Nach diesem Tag?
Fresnay kratzte sich nachdenklich am Kinn, das von einem grauen Stoppelbart bedeckt wurde.
Er hatte gerade eine strapaziöse Sitzung mit dem Vorstand von Lébrun Electronics hinter sich. Ihm rauchte immer noch der Kopf. Fresnay arbeitete in der wissenschaftlichen Entwicklungsabteilung der aufstrebenden Firma im Osten von Vauban. Sein Spezialgebiet waren elektronische Steuerelemente und Relais von mikroskopischer Größe. Fresnay hatte schon auf diesem Gebiet promoviert und galt mittlerweile als eine der größten Kapazitäten im Bereich der Mikroelektronik.
Er hatte den Labortrakt des Lébrun Zentralgebäudes an diesem Abend eigentlich nur deswegen noch einmal betreten, weil er den Regenmantel mit den Wagenschlüsseln aus seinem Spind holen musste, bevor er nach Hause fahren konnte.
Fresnay schloss den Spind wieder. In einem Schrank auf der anderen Seite des Umkleideraums hingen die hauchdünnen, weißen Staubschutzoveralls, die jeder tragen musste, der die Labore von Lébrun Electronics betrat. Schon winzige Staubmengen hätten ansonsten dafür sorgen können, dass die Prototypen hochmoderner Mikrochips nicht mehr funktionierten.
Fresnay streifte den Overall über, dann verließ er den Umkleideraum und passierte mit Hilfe seines Ausweises ein System von Schleusen.
Auf den Korridor traf er niemanden mehr. Nicht um diese Zeit.
Er erreichte das eigentliche Labor, ein Raum, in dem Dutzende von Computern und Schaltkonsolen standen. Durch ein Sichtfenster getrennt war ein Raum zu sehen, in dem elektronisch gesteuerte Roboterhände mit unglaublicher Präzision arbeiten konnten. Jetzt ragten sie wie erstarrt in den Raum. Hier und da leuchteten Kontrolllampen.
Fresnay sah sich um.
»Eric?«, rief er.
Fresnay bekam keine Antwort, blickte auf die Uhr.
Ein paar Minuten würde er Eric Delille noch geben. Fresnay tickte nervös mit den Fingern auf einem der Tische herum.
Warum ausgerechnet das Labor als Treffpunkt?
Dann fiel Fresnays Blick auf eine der Kontrollanzeigen.
Da stimmte etwas nicht …
Fresnay trat an die Anzeigen heran, runzelte die Stirn.
Ein Stromausfall, ging es ihm siedend heiß durch den Kopf. Es musste hier vor Kurzem einen Stromausfall gegeben haben. Aber angesichts der Tatsache, dass das Labor über mehrere eigenständige Notsysteme verfügte, war das eigentlich so gut wie unmöglich.
Fresnay berührte einen der Schalter.
Ein grellweißer Blitz zuckte aus der Schaltkonsole heraus, tanzte Fresnays Arm bis zur Schulter empor. Das schüttere Haar stellte sich auf, Fresnays Hand schien an der Konsole zu kleben.
Er zitterte heftig, wie von grausamen Krämpfen geschüttelt. Es gab nichts, was er gegen die Kontraktionen seiner Muskeln tun konnte.
In diesem Moment trat ein Mann durch eine Schiebetür ein, die zu einem bis dahin geschlossenen Nebenraum führte, der als Lager für elektronische Bauteile diente.
Der Mann lächelte kalt, während er beobachtete, wie Fresnay hilflos an der Schaltkonsole hing.
Er wartete. Dann trat er an eine andere Konsole heran, legte einen Schalter um.
Das zischende Geräusch verstummte.
Fresnay fiel zu Boden und blieb reglos liegen.
Sein Mörder trat an ihn heran, kniete kurz nieder, um zu überprüfen, ob der Elektroniker auch wirklich tot war. Dann erhob sich der Mörder und verließ das Labor.
4
Es war kurz nach Dienstbeginn, als wir im Besprechungszimmer unseres Chefs saßen. Monsieur Jean-Claude Marteau, Commissaire général de police, hatte François und mich zusammen mit einer ganzen Reihe weiterer Kollegen zu sich bestellt. Wir sollten auf den neuesten Stand der Ermittlungen gebracht werden.
Die Labore der Erkennungsdienste und unsere eigenen Spezialisten hatten die ganze Nacht hindurch gearbeitet. Das Sprengstoff-Attentat im Schlemmertempel besaß höchste Priorität.
François unterdrückte ein Gähnen und nahm einen Schluck von Melanies vorzüglichem Kaffee. Wir hatten bis in den späten Abend hinein noch Zeugen befragt. Uns allen rauchten noch immer die Köpfe davon.
Jetzt würde sich vielleicht zeigen, was von diesem Wust an zum Teil sehr widersprüchlichen Aussagen durch harte Fakten aus den Laboren untermauert wurde.
Davide Cherdan, einer der Erkennungsdienstler, fasste die Erkenntnisse vom Tatort für uns zusammen. Mit einem Projektor warf er dabei stark vergrößerte Fotos vom Tatort an die Wand.
»Zunächst einmal dachten wir an einen gewöhnlichen Sprengstoffanschlag unter Verwendung eines herkömmlichen Plastiksprengstoffs, der mit einem Zeit- oder Fernzünder versehen wurde. Um so schwere Zerstörungen anzurichten, wie sie im Schlemmertempel vorliegen, muss sich die Sprengladung mitten im Raum befunden haben, etwa ein Meter fünfzig oberhalb des Fußbodens.«
»Sie meinen, einer der Männer, die bei dem Treffen der Bosse anwesend waren, hat die Bombe mitgebracht?«, hakte unser Kollege Fred Lacroix nach.
Davide Cherdan nickte.
»Ja, ein Selbstmordanschlag, das war unser erster Gedanke. Aber dann fanden wir einige seltsame Metallsplitter aus einer besonders harten Legierung. Wir haben die Splitter zusammenzusetzen versucht. Sie könnten aus einem Objekt stammen, das etwa die Größe eines Kugelschreibers besitzt.« Cherdan zeigte uns ein paar Abbildungen. »Auf einem der Splitter«, so fuhr Cherdan fort, »ist eine Art Signatur eingestanzt. Sie ist nicht vollständig erhalten. Nur einziges Wort.«
Eine starke Vergrößerung wurde eingeblendet.
LÈBRUN stand dort gut erkennbar in Großbuchstaben.
»Können Sie sich irgendeinen Reim darauf machen?«, hakte Monsieur Marteau nach.
Cherdan hob die Schultern.
»Nun, was diesen Punkt angeht, gebe ich das Wort lieber an Ihren Kollegen Maxime Valois ab.«
Alle Augen richteten sich auf Maxime. Er wirkte ebenfalls ziemlich übernächtigt.
Der Innendienstler deutete auf einen Stapel mit Computerausdrucken.
»Ich habe per EDV-Recherche herauszufinden versucht, wofür die Buchstaben LÈBRUN wohl stehen könnten und bin auf die Firma LÈBRUN ELECTRONICS SARL gestoßen. Sie werden gleich ein kleines Dossier bekommen, in dem die wichtigsten Daten zu diesem Unternehmen zusammengefasst sind.«
Die Dossiers wurden ausgeteilt.
Während Valois fortfuhr, überflog ich das Wichtigste.
Lébrun hatte seinen Firmensitz in Vauban. Eine Hightech-Firma, die sich auf hochmoderne elektronische Steuerungssysteme spezialisiert hatte. Sie war ein wichtiger Zulieferer für die Luft- und Raumfahrt sowie die Militärtechnik. Außerdem galt sie als führender Entwickler sogenannter Smart Weapons.
Intelligente Munition, die ihr Ziel selbständig erfassen, verfolgen und vernichten kann. Die Marschflugkörper herkömmlicher Machart oder die im Kosovo eingesetzten vollautomatischen Aufklärungsdrohnen waren nur eine Vorstufe dessen, wovon man in den Verteidigungsministerien der ganzen Welt träumte: Winzige Flugkörper, die selbständig über große Distanzen hinweg navigieren und Sprengladungen in ein gegnerisches Hauptquartier bringen konnten. Nicht eine ganze Stadt sollte unnötig zerstört werden, sondern unter Umständen nur ein einzelnes Büro. Wie weit man auf diesem Weg schon war, blitzte nur hin und wieder mal in den Medien auf.
Valois beendete seine Ausführungen. Kollege Cherdan ergriff wieder das Wort.
»Auch in Anbetracht der Tatsachen, die Kollege Valois vorgebracht hat, müssen wir davon ausgehen, dass die Sprengladung durch eine Art ferngelenktes Geschoss in das Restaurant Schlemmertempel gelangte.«
Das passte im Übrigen auch mit der Aussage des Werbeagenten Martin zusammen, die mir am Tag zuvor noch ziemlich eigenartig vorgekommen war.
Monsieur Marteau wandte sich an François und mich.
»Ich möchte, dass Sie beide sich die Verantwortlichen bei Lébrun Electronics vorknöpfen. Immerhin ist bei diesem Attentat offenbar ein Produkt aus deren Fertigung verwendet worden.«
»In Ordnung, Monsieur Marteau«, sagte ich.
Unser Chef wandte sich an Stéphane Caron.
»Stéphane, versuchen Sie alles, was wir in der Waffenhändler-Szene an Informanten haben, zu aktivieren. Wenn wirklich Hightech-Waffen, wie Lébrun Electronics sie herstellt, im Umlauf sind, dann muss doch irgendjemand davon gehört haben.«
5
Ein Anruf erreichte uns, als wir gerade losfuhren. Monsieur Marteau meldete sich. Über die Freisprechanlage des neuen Dienstwagens, den die Fahrbereitschaft mir zur Verfügung stellte, konnten François und ich beide mithören.
»Die Kollegen haben uns den Mord an Dr. Armand Fresnay gemeldet«, berichtete uns der Chef. »Dr. Fresnay leitete die Entwicklungsabteilung der Lébrun Electronics SARL. Den Angaben der Kollegen nach hat jemand wohl Fresnays Arbeitsplatz im Labor derart manipuliert, dass er von einem Stromschlag getötet wurde.«
»Sie meinen, es gibt da einen Zusammenhang mit unserem Fall?«, fragte François.
»Das ist zumindest nicht ausgeschlossen. Sprechen Sie mit den Kollegen vor Ort darüber! Die Ermittlungen werden von Kommissarin Patricia Jonais geleitet.«
Eine Viertelstunde später erreichten wir das Firmengelände von Lébrun Electronics. Es war durch hohe Mauern, elektronische Überwachungsanlagen und einen gut bewaffneten Security-Dienst nahezu perfekt abgeriegelt. An der Pforte ließ man uns bereitwillig herein, nachdem wir unsere Dienstausweise vorgezeigt hatten. Offenbar brachte man uns sofort mit den Ermittlungen unserer Kollegen in Zusammenhang.
Das Lébrun-Gelände war für die engen Großstadtverhältnisse von Vauban sehr weiträumig angelegt.
Es wirkte wie eine kleine Stadt für sich. Mehrere zehnstöckige hohe Gebäudekomplexe erhoben sich. Daneben gab es Lager- und Fabrikhallen sowie großzügige Parkplätze. Dazwischen lagen ein paar Grünflächen, durchzogen von einem Netz asphaltierter Straßen und Wege.
Die Beschilderung war exzellent. Man konnte sich problemlos zurechtfinden.
»Sieh mal, die haben hier sogar eigene Läden und Restaurants für die Mitarbeiter«, stellte François fest. Er deutete mit der Hand hinaus.
Ich nickte.
»Allerdings auch an jeder Ecke einen Wächter mit MP.«
François hob die Augenbrauen.
»Eine regelrechte Festung – und das am Rande von Vauban!«
»Kein Wunder – wenn man bedenkt, woran hier gearbeitet wird!«
Wir folgten den Schildern, die zu den Laboren der Entwicklungsabteilung führten. Ein Pulk von Einsatzwagen parkte vor dem Zentralgebäude, in denen die Labore untergebracht waren.
Ich parkte den Dienstwagen in der Nähe. Wir stiegen aus, gingen die letzten Meter zu Fuß.
Zwei Uniformierte trugen einen Zinksarg zum Wagen des Gerichtsmediziners. Bei einem der Zivilfahrzeuge entdeckte ich Kriminaloberkommissarin Patricia ‚Pat‘ Jonais. Sie war schlank und zierlich. Die Haare fielen ihr in einer wallenden Lockenmähne bis über die Schultern. Als ich sie das letzte Mal gesehen hatte, war sie noch Kommissarin gewesen.
Pat telefonierte gerade. Sie grüßte uns knapp.
Wir gingen auf sie zu. Pat steckte das Handy ein.
»Hallo Pierre! Ich dachte schon, ihr kommt gar nicht mehr …«
»Wenn bei einem Unternehmen wie Lébrun jemand umgebracht wird, dann ist das schon fast eine Frage der nationalen Sicherheit.«
Pat nickte.
»Stimmt. Und angesichts der Hightech-Waffen, die hier entwickelt werden, kann man kaum vorsichtig genug sein. Nicht auszudenken, wenn etwas davon in falsche Hände gerät.«
»Vermutlich ist genau das geschehen, Pat.«
»Ach!« Sie starrte mich an.
»Du hast sicher von der Explosion östlich vom Park auf dem Boulevard Verne gehört.«
»Sicher.«
»Der oder die Täter haben ein ferngelenktes Geschoss von Lébrun Electronics verwendet, um zwei Unterweltbosse aus dem Weg zu räumen.«
Pat atmete tief durch.
»Ihr vermutet einen Zusammenhang, zwischen dem Tod von Dr. Fresnay und dem Sprengstoffattentat?«
Ich zuckte die Achseln.
»Ausgeschlossen ist das nicht. Aber im Moment stochern wir noch ziemlich im Dunkeln.«
»Ich nehme an, du willst eine Zusammenfassung der bisherigen Ermittlungen«, vermutete Pat.
Ich lächelte sie an.
»Ich bitte darum.«
Pat strich sich mit einer schnellen Bewegung eine Strähne aus dem Gesicht.
»Dr. Armand Fresnay war Chef der Entwicklungsabteilung von Lébrun Electronics. Jemand hat seinen Arbeitsplatz im Labor so manipuliert, dass Fresnay einen tödlichen Stromstoß erhielt.«
»Ein Unfall ist ausgeschlossen?«
»Nach Meinung unserer Kollegen vom Erkennungsdienst, ja. Die sind zwar noch dabei, den Tatort zu untersuchen, aber die Indizien, die sie bisher gefunden haben, sind sehr eindeutig.«
»Seit wann ist Fresnay tot?«
»Seit gestern Abend. Der Gerichtsmediziner meint, dass Fresnay auf jeden Fall vor Mitternacht starb. Heute Morgen wurde die Leiche von seinem Assistenten Dr. Delille gefunden.«
»Ich würde mir den Tatort gerne mal ansehen«, meinte ich.
»Nichts dagegen.« Pat führte uns zu den Laboren.
Ein ziemlich nervös wirkender Vertreter von Lébrun Electronics bestand darauf, dass auch wir Staubschutz-Overalls anlegten.
»Das ist übrigens Dr. Eric Delille«, stellte Pat uns den graugesichtigen Mann mit den flaschendicken Brillengläsern vor.
»Pierre Marquanteur, FoPoCri«, stellte ich mich vor.
Ich deutete auf François. »Dies ist mein Kollege François Leroc.«
»Ich kann mir noch immer nicht vorstellen, dass einer von uns so etwas fertigbringen könnte … Einen Menschen ermorden.«
»Einer von uns?«, echote ich.
Eric Delille blickte ruckartig auf.
»Nun, ich dachte, das wäre Ihnen klar. Die Zahl der Menschen, die die elektronischen Schranken überwinden können, ist begrenzt. Es handelt sich nur um eine Handvoll autorisierter Personen, die mit einem elektronischen Ausweis Zugang zu den Laboren besitzt.«
Ich hob die Augenbrauen.
»Und Sie meinen, dass einer von denen der Mörder sein muss.«
»Liegt das nicht auf der Hand?«
»Ich nehme an, Sie gehören auch zu diesem auserwählten Kreis?«
»Das ist richtig. Eine Liste der Verdächtigen stellt das Personalbüro von Lébrun Electronics gerade für Ihre reizende Kollegin zusammen. Sie können sicher eine Kopie bekommen.«
Delille führte uns dann durch verschiedene Schleusen und Korridore zum Tatort. Die Kollegen des Erkennungsdienstes waren noch bei der Arbeit.
»Woran arbeitete Dr. Fresnay genau?«, wandte ich mich an Delille.
»Mikroelektronische Steuerungssysteme«, sagte er.
»Das ist sehr allgemein.«
»Genaueres werden Sie von mir nicht erfahren. Jedenfalls nicht, solange mich die Führungsetage von Lébrun nicht ausdrücklich dazu ermächtigt, Ihnen etwas zu den laufenden Projekten zu sagen.«
Ich blickte mich in dem Labor um. Die Stelle, an der Fresnay zusammengebrochen war, hatten die Kollegen mit Kreide markiert.
Wenig später erläuterte uns einer der Erkennungsdienstler, wie die Anlage manipuliert worden war.
»Es war Mord, Pierre«, bekräftigte Pat die Ausführungen des Kollegen. »Daran kann es keinen vernünftigen Zweifel geben.«
Pats Handy schrillte. Sie griff zum Apparat, nahm ihn ans Ohr und sagte zweimal kurz hintereinander »Okay».
»Neuigkeiten?«, erkundigte ich mich.
Sie nickte.