Zwei Spitzen-Western Sonderband 1001 - Pete Hackett - E-Book

Zwei Spitzen-Western Sonderband 1001 E-Book

Pete Hackett

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Western von Pete Hackett: Entscheidung am Caddo Partner bis in den Tod Jesse Snyder hatte Geburtstag. Er wurde fünfundzwanzig. Und das war für den Ranchersohn Grund genug, im Gentleman Saloon eine Runde nach der anderen zu schmeißen. Natürlich hatte er die Crew, soweit sie auf der Ranch abkömmlich gewesen war, zu seiner Geburtstagsfeier eingeladen. Sogar John Morgan, der Vormann der Circle S, war mit ihnen in die Town geritten. Das war gar nicht so selbstverständlich. Denn Morgan war ein Mann, für den die Arbeit auf der Ranch an erster Stelle stand, der von Saloonbesuchen wenig und von sinnloser Sauferei überhaupt nichts hielt. Seit John auf der Ranch arbeitete, sah Jesse in ihm so etwas wie ein Vorbild. Bill Snyder, Jesses Vater, war das recht. Für ihn war Morgan ein aufrechter, geradliniger Mann, der Vertrauen erweckte und seine Aufgabe erfüllte. Jesse hingegen gehörte zur etwas labileren Sorte und neigte zum Leichtsinn. Das war besser geworden, nachdem Jesse den fünf Jahre älteren John Morgan zum Idol erkoren hatte. Die Cowboys belagerten den Tresen. Von ihnen war keiner mehr ganz nüchtern. Selbst John Morgan hatte schon einige Gläser Brandy auf Jesses Wohl getrunken und spürte die Wirkung des Alkohols. Egal. Er wollte kein Spielverderber sein. Mit der Zeit waren er und Jesse Freunde geworden. Eine Kameradschaft, die langsam erblüht war, und zu der Johns guter Einfluss auf den Jungen gewaltig beitrug.

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Seitenzahl: 282

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Pete Hackett

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Inhaltsverzeichnis

Zwei Spitzen-Western Sonderband 1001

Copyright

​Entscheidung am Caddo Creek: Pete Hackett Western Edition 1

​Partner bis in den Tod: Pete Hackett Western Edition 2

Zwei Spitzen-Western Sonderband 1001

Pete Hackett

Dieser Band enthält folgende Western

von Pete Hackett:

Entscheidung am Caddo

Partner bis in den Tod

Jesse Snyder hatte Geburtstag. Er wurde fünfundzwanzig. Und das war für den Ranchersohn Grund genug, im Gentleman Saloon eine Runde nach der anderen zu schmeißen.

Natürlich hatte er die Crew, soweit sie auf der Ranch abkömmlich gewesen war, zu seiner Geburtstagsfeier eingeladen.

Sogar John Morgan, der Vormann der Circle S, war mit ihnen in die Town geritten. Das war gar nicht so selbstverständlich. Denn Morgan war ein Mann, für den die Arbeit auf der Ranch an erster Stelle stand, der von Saloonbesuchen wenig und von sinnloser Sauferei überhaupt nichts hielt. Seit John auf der Ranch arbeitete, sah Jesse in ihm so etwas wie ein Vorbild.

Bill Snyder, Jesses Vater, war das recht. Für ihn war Morgan ein aufrechter, geradliniger Mann, der Vertrauen erweckte und seine Aufgabe erfüllte.

Jesse hingegen gehörte zur etwas labileren Sorte und neigte zum Leichtsinn. Das war besser geworden, nachdem Jesse den fünf Jahre älteren John Morgan zum Idol erkoren hatte.

Die Cowboys belagerten den Tresen. Von ihnen war keiner mehr ganz nüchtern. Selbst John Morgan hatte schon einige Gläser Brandy auf Jesses Wohl getrunken und spürte die Wirkung des Alkohols. Egal. Er wollte kein Spielverderber sein.

Mit der Zeit waren er und Jesse Freunde geworden. Eine Kameradschaft, die langsam erblüht war, und zu der Johns guter Einfluss auf den Jungen gewaltig beitrug.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

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​Entscheidung am Caddo Creek: Pete Hackett Western Edition 1

Western von Pete Hackett

Über den Autor

Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt, wie sie sonst nur dem jungen G.F.Unger eigen war - eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.

Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane. Ex-Bastei-Cheflektor Peter Thannisch: "Pete Hackett ist ein Phänomen, das ich gern mit dem jungen G.F. Unger vergleiche. Seine Western sind mannhaft und von edler Gesinnung."

Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.

***

Bruce Tatum hielt das Pferd an und schaute sich um. Er war verstaubt und verschwitzt. Seine Augen waren rotgerändert und entzündet und lagen tief in den Höhlen. Er war müde. Bruce hatte in den vergangenen Tagen keinen richtigen Schlaf mehr gefunden. Er hatte täglich zwölf und mehr Stunden im Sattel verbracht.

Bruce Tatum war auf der Flucht. Er floh vor der Vergangenheit und vor einigen Männern, mit denen ihn eine jahrelange, unselige Freundschaft verbunden hatte. Wochenlang hatte Bruce versucht, seine Spur zu verwischen. In Las Animas, Colorado, wartete er über eine Woche lang. Er hatte es satt, gehetzt zu werden, und war bereit, sich seinen Jägern zu stellen. Als sie nicht auftauchten, war er sich sicher, ihnen entkommen zu sein. Und nichts mehr hatte ihn halten können. Unermüdlich war er der Route nach Südosten gefolgt. Der harte Ritt hatte das letzte von ihm gefordert. Die Erschöpfung begann bei ihm Körper und Geist lahmzulegen.

Jetzt war er am Ziel. Vor seinem Blick lagen die Häuser und Hütten von Duncan im Stephens County, Oklahoma. Er war zu Hause ...

*

Ein seltsames Gefühl durchströmte Bruce. Nach fünf langen Jahren hatte er wieder den Weg nach Hause gefunden, nach fünf wilden, bewegten Jahren, die er vergessen, die er aus seiner Erinnerung löschen wollte. Denn es waren keine guten Jahre gewesen - Jahre jedoch, die ihn geformt hatten, in denen er die Erfahrungen eines ganzen Lebens sammelte.

Bruce rückte sich den Stetson etwas aus der Stirn und ritt wieder an. Schnell verarbeitete er die Eindrücke, die auf ihn einstürmten. Duncan, das kleine Provinznest, hatte sich kaum verändert. Wie schon vor vielen Jahren, ehe Bruce aus der Gegend ritt, wirkte es ruhig und verschlafen. Damals zu ruhig für Bruce. Als er wegritt, war er zwanzig, ein wilder, verwegener Bursche, der bereit war, in die Hölle zu reiten und dem Teufel ins Maul zu spucken.

Jetzt war er fünfundzwanzig, und er war ein Mann geworden. Ein harter Mann, dem das Leben unerbittlich seine Lektionen erteilt hatte, der aus diesen Lektionen lernte, der viele Jahre einen rauchigen Trail geritten war und der nun zur Ruhe kommen wollte.

Bruce ließ sein Pferd wieder angehen. Er ritt die breite, staubige Main Street hinunter. Die untergehende Sonne warf einen rötlichen Schein gegen die Häuserwände. Die Schatten verblassten mehr und mehr. Die Sunshine Ranch seines Vaters lag fünf Meilen nordöstlich von Duncan am Caddo Creek. Eine gute Stunde auf einem ausgeruhten Pferd trennte ihn noch von ihr.

Bruce freute sich ungemein auf das Wiedersehen mit Old Amos Tatum. Er überlegte, ob er nicht einfach die Town durchreiten sollte, um diese fünf lächerlichen Meilen noch an diesem Abend unter die Hufe seines Braunen zu nehmen. Aber er saß seit über zwölf Stunden fast ununterbrochen im Sattel. Das Pferd war ziemlich verausgabt. Und er sah aus wie ein Sattelstrolch. So wollte er Old Amos auf keinen Fall unter die Augen treten.

Also beschloss er, die Nacht in Duncan zu verbringen und erst am nächsten Tag zu seinem Vater zu reiten ...

Bruce wurde weder im Mietstall erkannt, noch im Hotel, noch beim Barbier. Wahrscheinlich dachte schon längst niemand mehr in Duncan an ihn. Die Erinnerung an ihn schien in den Köpfen der Menschen hier erloschen zu sein. Er war ein Fremder.

Zwei Stunden später marschierte er gebadet und rasiert zum Saloon. Am Holm drängten sich eine ganze Reihe von Pferden. Bruces Herz schlug höher. Vielleicht befanden sich Reiter seines Vaters in der Stadt. Er besah sich die Brandzeichen der Tiere, den Sunshine-Brand sah er jedoch nicht. Da war der Sternen-Brand Shane Stantons vertreten, dessen Ranch im Westen am Beaver Creek lag, und ein halbes Dutzend Pferde trugen den Triangle-B-Brand Lester Barnes’. Bruce zuckte etwas enttäuscht mit den Achseln und betrat den Inn.

Es war Samstag und der Schankraum war gerammelt voll. Die Stimmung war ausgelassen. Die Luft war zum Schneiden dick. Tabaksqualm wolkte, es roch nach Bier, Brandy und Schweiß. Am Tresen standen die Männer in Dreierreihe. Der Keeper und einige Bedienungen hatten alle Hände voll zu tun.

Bruce drängte sich dazwischen. Er erntete einige missfällige Bemerkungen, murmelte freundliche Entschuldigungen, und dann stand er, eingepfercht wie eine Ölsardine, zwischen einigen Cowboys an der Theke, rief nach einem Bier und fragte, ob man ihm ein Steak braten könne. Er grinste, als ihn Hank Baxter, der Keeper, grübelnd und forschend fixierte, verriet aber seine Identität nicht. Er wollte in diesem Tohuwabohu nicht auf sich aufmerksam machen. Alles, was er wollte, war ein Glas Bier, ein anständiges Essen zwischen die Zähne, und dann wollte er schlafen gehen ...

In das Grölen, Lachen und Durcheinander rauer Stimmen mischte sich Hufschlag. Ein Pferd wieherte, ein anderes stimmte ein. Vor dem Saloon brach das Getrappel ab. Und gleich darauf stürmte ein Rudel lachender und johlender Burschen den Inn.

In diesem Moment stellte Hank Baxter das Bier vor Bruce hin, fixierte dessen Gesicht noch einmal scharf, und sagte: „Jetzt weiß ich es. Heiliger Rauch! Du bist Bruce Tatum.“ Er nickte, dann fügte er irgendwie bitter hinzu: „Der verloren geglaubte Sohn ist also wieder nach Hause zurückgekehrt.“

Sein seltsames Verhalten ließ Bruce stutzig werden. Hank war früher so etwas wie ein väterlicher Freund für ihn gewesen. Die offensichtliche Freudlosigkeit des Salooners berührte ihn deshalb umso seltsamer. Er wurde aber abgelenkt, als ein Mann wütend brüllte: „Pass doch auf, du verdammter Idiot! Du hast mir fast die Zehen weggetreten!“

Am Ende des Tresen entstand Geschiebe und Gedränge. Eine Stimme erklang: „Hättest du deinen Fuß weggenommen, du Affe! Und jetzt mach Platz, oder ich werfe dich auf die Straße!“

Die Züge Hank Baxters verhärteten. Der Salooner langte kurz entschlossen unter den Schanktisch, und als seine Hände wieder zum Vorschein kamen, hielten sie eine Parkergun mit verkürztem Doppellauf und abgesägtem Kolben umklammert. „Du bist reichlich spät gekommen, Bruce“, knirschte er. „Zu spät. Wir können später darüber reden. Ich muss jetzt erst für Ruhe und Ordnung sorgen.“

„Ihr hochnäsigen Kuhtreiber von der Wildhorse Ranch!“, schrie jemand wild. „Ihr glaubt wohl, ihr braucht hier nur hereinzuplatzen, und schon versinkt alles vor Ehrfurcht im Boden.“

Bruce horchte auf. Eine Wildhorse Ranch hatte es vor fünf Jahren in der Gegend nicht gegeben. Wie es schien, hatte sich - entgegen dem ersten Anschein -, doch einiges verändert in diesem Landstrich.

„Nanntest du uns hochnäsige Kuhtreiber?“, erboste sich ein anderer. „Pass auf, du stinkender Kuhhirte, dir ...“

Da aber erklang die Donnerstimme Hank Baxters: „Ruhe, Leute! Haltet Ruhe, verdammt! Ich will hier keinen Ärger. Tragt euren Zwist aus, wo immer ihr wollt, aber nicht hier im Saloon. Ich werfe jeden eigenhändig vor die Tür, der Streit provoziert.“

Im Schankraum wurde es ruhig. Dann aber grollte eine Stimme: „Okay, Tibbles. Du hast mich und meine Gefährten als hochnäsige Kuhtreiber beschimpft. Das nehme ich nicht hin. Komm mit mir auf die Straße, damit wir es austragen. Nur wir beide.“

Tibbles! John Tibbles! Der Name fuhr Bruce wie ein Blitz ins Gemüt. Tibbles drückte damals den Sattel der Sunshine Ranch. Er war einer der jüngsten Cowboys Old Amos’ gewesen. Bruce hatte Tibbles damals kaum kennengelernt. Denn bald, nachdem Tibbles auf die Ranch kam, ritt er, Bruce, fort.

Jetzt ließ John Tibbles seine Stimme erklingen: „Ich fürchte dich nicht, Parker. Es juckt mir schon lange in den Fingern, dich auf deine richtige Größe zurechtzustutzen. Ich werde dich mit meinen Fäusten zertrümmern, und wenn ich mit dir fertig bin, wirst du dein eigenes Gesicht nicht wieder erkennen, wenn du in den Spiegel siehst.“

„Nicht mit den Fäusten, Tibbles. Wir nehmen die Colts.“ Die Worte Parkers fielen wie Hammerschläge. Atemlosigkeit griff um sich. Art Parker, der Vormann der Wildhorse Ranch, hatte John Tibbles, den Vormann der Triangle-B Ranch, zum Kampf auf Leben und Tod herausgefordert.

„Du willst dich mit mir schießen?“, stammelte John Tibbles; ächzend, beklommen und ungläubig.

„Du hast doch nichts an den Ohren, Tibbles, oder doch?“, kam es schneidend zurück. „Willst du etwa kneifen? Wo ist plötzlich deine Großmäuligkeit geblieben, Amigo? Hast du Schiss?“

„Verdammt, Parker, betrinkt euch, aber haltet Frieden!“, schrie Hank Baxter und fuchtelte wild mit der Shotgun herum. „Wegen einer Lappalie knallt man sich kein heißes Blei um die Ohren.“

Bruce registrierte die Vorgänge um sich herum nur am Rande. In ihm war die bohrende Frage, weshalb er zu spät nach Hause gekommen sein sollte. In ihm war plötzlich die brennende Ungeduld eines Mannes, den die Ungewissheit zerfraß und der sich Klarheit verschaffen wollte.

„Halt du dich heraus, Baxter!“, riet Art Parker mit warnendem Unterton. Und dann stieß er schroff hervor: „Was ist nun, Tibbles? Muss ich dir erst ins Gesicht spucken, um meiner Herausforderung Nachdruck zu verleihen?“

Einige Kerle, die mit Parker gekommen waren, grinsten spöttisch und überheblich. Es war eine hartbeinige Mannschaft, die sich ihrer Überlegenheit und Stärke bewusst zu sein schien. Jene Männer, die zu John Tibbles gehörten, machten betretene Gesichter und zeigten Unbehagen. Es waren durchwegs junge Cowboys, die die Woche über härteste Sattelarbeit verrichteten, die keinem Faustkampf aus dem Weg gingen, und die den tödlichen Ernst der Situation erst nach und nach verarbeiteten und begriffen.

„Okay, Parker, ich nehme deine Herausforderung an“, gab John Tibbles abgehackt und mit schleppender, fast schwerfälliger Stimme zu verstehen.

In Bruce kam Leben. Er verließ seinen Platz, schob sich wenig rücksichtsvoll zwischen den Gästen an der Theke hindurch und erreichte den Pulk, der sich um Art Parker und John Tibbles geschart hatte. Über die Köpfe hinweg rief er: „Tibbles, he, John Tibbles! Dein Name stand vor fünf Jahren doch auf der Lohnliste der Shunshine Ranch.“

Die Köpfe ruckten zu ihm herum.

„Yeah“, erwiderte Tibbles heiser und würgend. Der Schock über die Herausforderung lähmte seine Stimmbänder. „Wer bist du? Warum fragst du?“

„Es ist Bruce Tatum!“ So ließ nun wieder Hank Baxter seine Stimme erklingen. „Der Sohn Old Amos Tatum ist nach Hause zurückgekehrt.“

Geraune ging durch den Inn.

Art Parker lachte plötzlich auf. „Bruce Tatum also!“ Wieder brach ein ironisches Lachen über seine Lippen. „Du galtst als verschollen, Tatum. Was treibt dich plötzlich auf die Heimatweide zurück? Es gibt hier nichts mehr zu holen für dich. Die Sunshine Ranch gibt es nicht mehr. Dein Vater fristet sein jämmerliches Dasein zwar noch auf der Ranch, auf seinen Weiden aber steht Vieh mit dem Wildhorse-Brand und dem Brandzeichen der Triangle-B Ranch Lester Barnes’.“

Bruce hatte das Gefühl, als würde ihm der Boden unter den Füßen weggezogen. Er empfand die spöttischen Worte Parkers wie einen empfindlichen Schlag in den Magen. Etwas staute sich in ihm, und er war unfähig, sich zu artikulieren, Fragen zu stellen, in irgendeiner Weise zu reagieren.

Art Parker wandte sich wieder John Tibbles zu: „Ich habe dich nicht vergessen, Tibbles. Gehen wir.“

Alles drängte zum Ausgang. Niemand wollte sich den Zweikampf entgehen lassen. Niedrigste Instinkte wurden wach ...

*

Nur noch eine Handvoll Männer waren im Saloon. Bruce stand wie zu Stein erstarrt. Was er gehört hatte, überstieg sein Begriffsvermögen. Da schnitt Hank Baxters drängende Stimme wie ein Axthieb in seinen schmerzenden Verstand. Der Salooner rief: „Du musst Tibbles helfen, Bruce. Er rettete vor drei Jahren deinem Vater das Leben, als er ein Rind aus dem Fluss treiben wollte und vom Pferd fiel. Er wäre jämmerlich ertrunken, wenn Tibbles nicht hinterher gesprungen wäre und ihn an Land geholt hätte. - Tibbles hat gegen Parker keine Chance. Parker kann den Colt besser handhaben als das Lasso. Er ist ein Revolverschwinger, und er wird Tibbles abknallen, ohne mit der Wimper zu zucken.“

Ein Ruck durchfuhr Bruce. „Er hat Old Amos das Leben gerettet?“ Unwillkürlich rückte er das tiefgeschnallte Halfter mit dem 45er Colt an seinem rechten Oberschenkel zurecht. Er lüftete das Eisen etwas im Halfter und drehte den Knauf handgerecht nach außen. Es geschah fast mechanisch. Handgriffe, die ihm in den vergangenen Jahren zur Gewohnheit geworden waren. Sein Gesicht war hart und kantig geworden. „Also stehen die Tatums in seiner Schuld.“

Er sprach es und schritt schnell zur Pendeltür, stieß die Batwings auseinander und trat auf den Vorbau. John Tibbles und Art Parker standen sich auf eine Distanz von zehn Yards gegenüber und belauerten sich. Sie warteten nur noch auf das Kommando. Zu beiden Seiten der Fahrbahn drängten sich die Gaffer. Der Schein einiger Laternen und das Licht, das aus verschiedenen Fenstern fiel, beleuchtete gespenstisch die Szene.

Knarrend schlugen hinter Bruce die Türpendel aus. Scharf und präzise kam Bruces Stimme: „Stopp, Parker! Lass Tibbles in Ruhe. Du bist dir deiner Sache nur so verdammt sicher, weil du weißt, dass Tibbles nicht den Hauch einer Chance gegen dich hat. Wenn du ihn erschießt, dann ist es Mord.“

Die Atmosphäre auf der Straße war angespannt, lastend und mit gefährlichen Impulsen aufgeladen.

Art Parkers leidenschaftliche Stimme sprengte die Stille: „Willst etwa du an seine Stelle treten, Tatum?“

„Wenn es sein muss – ja!“, versetzte Bruce eisig.

„Na schön!“, rief Parker. „Ich werde auch dich drannehmen, Tatum. Allerdings musst du dich hinten anstellen. Ich gebe nämlich Tibbles den Vorrang.“

„Dann fangt endlich an!“, tönte es wild aus der Menge.

„Ja, es wird Zeit!“, fauchte Parker und zog.

Er brachte den Colt blitzschnell heraus, im Hochschwingen spannte er den Hahn. Seine Gestalt zog sich regelrecht zusammen, um ein möglichst kleines Ziel zu bieten. Das alles geschah fließend und geübt, und es wurde deutlich, dass Art Parker seinen Sechsschüsser mit akrobatischer Geschicklichkeit zu handhaben wusste.

John Tribbles wurde von den Ereignissen überrollt. Seine Hand zuckte zwar reflexartig zum Eisen, aber er brachte es nicht aus dem Halfter.

Das trockene Krachen eines Schusses staute sich zwischen den Gebäuden. Eine ellenlange Mündungsflamme stieß aus Bruces Coltmündung. Bruce hatte gedankenschnell reagiert. Es war eine mit den Augen kaum wahrzunehmende, huschende Bewegung von Hand, Arm und Schulter, als er zog. Und er kam Art Parker zuvor. Seine Kugel pflügte vor Parkers Stiefelspitzen in den Staub und ließ ihn hochwirbeln.

„Die nächste Kugel trifft, Parker!“, peitschte Bruces Organ. „Mein Wort drauf.“ Das metallische Knacken, als er den Hammer spannte, unterstrich seine Drohung.

Ein Beben durchlief Parkers hohe Gestalt. Er war wie gebannt, hielt den Colt auf John Tibbles angeschlagen, der Hahn befand sich in der Feuerrast, doch Parker wagte nicht, abzudrücken.

„Lass fallen, Parker!“, befahl Bruce. „Begreife, dass du verloren hast. Und sieh ein, dass ich dich vor einem kaltblütigen Mord bewahrt habe.“

Wie im Trance ließ Art Parker die Faust mit dem Colt sinken. Ringsum herrschte Schweigen. Parker entrang sich ein Ton, der sich anhörte wie ein Stöhnen. Langsam, wie von Schnüren gezogen, wandte er sich Bruce zu. Der Bann fiel von ihm ab. Er zischte wie eine Natter: „Es war ein Fehler, sich einzumischen, Tatum. Vielleicht habe ich dich falsch eingeschätzt. Du bist besser, als ich annahm. Dennoch bist du bei weitem nicht so gut, wie du dich jetzt wahrscheinlich fühlst. Zwischen uns beiden ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.“

„Zieh dir nur keine zu großen Stiefel an“, versetzte Bruce kalt.

„Keine Sorge. Heute konntest du mich schlagen, weil ich mich auf Tibbles konzentrierte. Nur darum konntest du mich überrumpeln. Bei unserer nächsten Begegnung aber ...“

Parker ließ den Rest offen. Aber gerade in diesen nicht ausgesprochenen Worten lag eine höllische Prophezeiung.

Art Parker entspannte den Colt und versenkte ihn im Halfter. „Männer, wir reiten!“, rief er und stakste zu den Pferden, die sich nervös von dem Schuss am Hitchrack drängten.

Als die Horde zwei Minuten später die Main Street hinunter sprengte, näherte sich John Tibbles auf weichen Beinen Bruce. Der Mann stand noch immer unter dem Eindruck der tödlichen Gefahr, der er ins Auge gesehen hatte. Nachträglich erschauerte er noch bei dem Gedanken, dass sein Leben ein einem seidenen Faden gehangen hatte. Wäre Bruce nicht gewesen, läge er jetzt tot im Staub.

„Mann Gottes“, murmelte er brüchig, als er Bruce gegenüber stand. „Ich verdanke dir mein Leben.“ Mit fahriger Geste strich er sich über das Gesicht, als wollte er den Alptraum, der sein Innerstes aufwühlte, wegwischen.

„Vergiss es“, erwiderte Bruce. „Ich habe nur eine Schuld beglichen. Du weißt sicher, wovon ich spreche.“ Bruces Eisen steckte wieder im Futteral. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Sein Blick, mit dem er John Tibbles abtastete, war zwingend und fordernd. „Was hat die Sunshine Ranch in den Ruin getrieben, Tibbles?“, quoll es über seine Lippen. „Warum lebt mein Vater alleine auf der Ranch? Was hat die Mannschaft bewogen, den Dienst bei ihm zu quittieren?“

„Es ist eine üble Geschichte“, murmelte Tibbles und senkte wie schuldbewusst den Kopf. „Es fing an mit der großen Trockenheit vor drei Sommern. - Ich will dir alles erzählen, Bruce. Aber nicht auf dem Vorbau. Suchen wir uns einen Tisch im Saloon und ...“

Bruce winkte ab. „Begleite mich auf mein Zimmer, Tibbles. Dort sind wir ungestört. Komm.“

Er ließ die Arme aus der Verschränkung fallen, legte John Tibbles die linke Hand auf die Schulter und schob ihn vor sich her ...

Eine halbe Stunde später wusste er alles. Er erging sich in Schweigen und ließ im Geiste die markanten Punkte des Berichts, den ihm Tibbles erstattet hatte, Revue passieren.

Die große Trockenheit vor drei Jahren dezimierte den Viehbestand der Sunshine Ranch drastisch. Der Caddo Creek war nahezu versiegt. Seine Quelle befand sich auf dem Gebiet der Triangle-B Ranch Lester Barnes’. Das wenige Wasser, das sie noch gab, benötigten dessen Rinder.

Als die Dürreperiode vorbei war und Old Amos, den Ruin vor Augen, sozusagen von vorne beginnen musste, tauchten Viehdiebe in der Gegend auf. Was Old Amos auch begann, es wurde zunichte gemacht. Er kam einfach nicht mehr auf die Beine. Dann tauchte James Olson mit seiner hartgesottenen Mannschaft auf und setzte sich auf dem Regierungsland südlich der Sunshine Ranch fest. Er gründete die Wildhorse Ranch.

Old Amos hatte ein Darlehen für den Wiederaufbau der Ranch aufgenommen. Die Viehdiebe hatten dafür gesorgt, dass er keine Rinder zu den Verladebahnhöfen treiben konnte. Die Laufzeit der Hypothek war ein Jahr. Innerhalb dieses Jahres setzte sich der Terror fort. Die Cowboys der Sunshine Ranch wurden aus dem Hinterhalt beschossen oder zusammengeschlagen. Sie waren ihres Lebens nicht mehr sicher und verließen entnervt die Sunshine Ranch. Als Old Amos nach Ablauf des Jahres die Hypothek nicht ablösen konnte, kaufte James Olson die Schuldscheine auf und kam so in den Besitz von zwei Dritteln der Weidegründe der Tatums. Das andere Drittel riss sich Lester Barnes unter den Nagel, den die Dürre dank der Quelle auf seinem Land bei weitem nicht so schlimm getroffen hatte wie Old Amos.

Das war die Geschichte. Sie wühlte Bruce auf und ließ ihn innerlich erbeben.

Noch einmal erhob John Tibbles seine Stimme. „Old Amos lebt einsam und allein draußen auf der Ranch. Sie liegt jetzt auf Wildhorse-Gebiet. Olson ließ deinen Dad in Ruhe, denn es hätte ihm eine Menge Antipathien eingebracht, wenn er ihn vertrieben hätte. Dein Vater ist recht sonderbar geworden, Bruce. Eine Handvoll Männer, die ihm trotz allem die Treue halten wollten, entließ er. Ich war einer dieser Männer. Barnes stellte mich ein, und als die Stelle des Vormannes bei ihm frei wurde, gab er mir diesen Job. Manchmal reite ich zu Old Amos, um nach dem rechten zu sehen. Ich glaube, Bruce, dein Vater hat mit Gott und der Welt abgeschlossen. Und dass du nichts von dir hören ließest, ließ ihn vor allem nach dem Niedergang der Sunshine innerlich zerbrechen.“

„Ich ... O verdammt!“ Die Vergangenheit griff mit grausig kalten Händen nach Bruce. Er hatte sich damals einigen Kerlen angeschlossen, denen der Colt höllisch locker saß und die dort ernten wollten, wo andere gesät hatten. Als er begriff, dass er mit einem Rudel Banditen ritt, war es zu spät, um auszusteigen. Er wurde in Arizona gesucht. Allerdings hatte er seine Hände nie mit Blut besudelt. Ein Mörder war Bruce Tatum nicht.

Und während er als Bank- und Postkutschenräuber durchs Land zog, war der Sunshine Ranch der Todesstoß versetzt worden. Bruce erging sich in den bittersten Vorwürfen. Als hätte John Tibbles seine Gedanken erraten, sagte er: „Ich weiß zwar nicht, was du in all den Jahren getrieben hast, Bruce. Ich weiß aber, dass du, wenn du hier gewesen wärst, nichts aufhalten hättest können.“

Das war kein Trost für Bruce. Er murmelte: „Ich habe Geld. Viel Geld. Soviel Geld, dass ich die Weidegründe der Sunshine Ranch von Olson und Barnes zurückkaufen kann. Ich reite zu den beiden und ...“

Tibbles schüttelte den Kopf und Bruce verstummte. Tibbles sagte: „Mit Barnes kannst du sicher darüber reden. Er kaufte das Land nur, um Olson nicht zu groß werden zu lassen. Bei Olson aber wirst du auf taube Ohren stoßen. Er ist hungrig nach Macht und Reichtum.“ Tibbles befeuchtete mit der Zungenspitze die spröden Lippen, dann sprach er mit besonderer Betonung weiter: „Im Lande gährt und brodelt es unter der Oberfläche. Die Wasserrechte an der Quelle des Caddo Creek besitzt Lester Barnes. Olson ist also von Barnes abhängig. Und das ist Olson ein gewaltiger Dorn im Auge. Daß sein Vormann mit heute diesen Kampf aufzwingen wollte, kam sicher nicht von ungefähr. Dahinter steckte System. Ähnlich begann der Terror, dem die Mannschaft deines Vaters ausgesetzt war.“

„Und wie steht der Sheriff zu der Sache?“, fragte Bruce lahm.

„Der sitzt oben in Lawton weit weg vom Schuss. Was hätte er außerdem unternehmen sollen? Die Viehdiebe verschwanden wieder aus der Gegend ...“ Tibbles zögerte kurz. „So sah es jedenfalls aus. Zumindest traten sie nicht mehr als Rustler in Erscheinung.“

„Wie soll ich das verstehen?“, fragte Bruce.

„Ich denke, dass die Viehdiebe auf der Wildhorse Ranch leben. Es gibt allerdings nicht den geringsten Beweis.“

„Gab es nie eine Untersuchung? Lawton liegt doch nicht aus der Welt. Hat sich der Sheriff denn nie um die Vorgänge hier gekümmert?“

Tibbles lachte fast belustigt auf. „Das Gesetz arbeitet oftmals sehr träge. Und solange in diesem Land jeder Mann einen anderen wegen jeder Nichtigkeit zum Kampf herausfordern und zusammenschlagen oder sogar töten darf, ist es obendrein machtlos.“

Das war bittere Realität.

„Okay, Tibbles. Morgen reite ich zu Dad. Und anschließend will ich Lester Barnes einen Besuch abstatten.“

John Tibbles erhob sich und ging zur Tür. Ehe er das Zimmer verließ, holte ihn Bruces Stimme ein. „Hat in dieser Gegend je ein Mensch einen Gedanken daran verschwendet, dass Drahtzieher der Viehdiebstähle vielleicht James Olson gewesen sein könnte? Dass er gezielt den endgültigen Ruin der Sunshine Ranch betrieb, um hier groß und mächtig zu werden?“

„Natürlich“, erwiderte John Tibbles über die Schulter. „Ich sagte es schon. Für mich sitzen die Schufte auf der Wildhorse. Die Diebstähle endeten von einem Tag auf den anderen, als sich Olson auf dem Gebiet südlich der Sunshine Ranch festsetzte. Aber da war es für die Sunshine Ranch bereits zu spät. Und Olsons raue Mannschaft sorgte von vorne herein für klare Verhältnisse. Diese Stadt frisst der Wildhorse und damit Olson aus der Hand. Du hast es heute selbst erlebt, dass diese Kerle nicht zögern, Gewalt anzuwenden. Nie würde es jemand offen wagen, Olsons Integrität in Frage zu stellen.“

„Ich stelle sie in Frage!“, stieß Bruce klirrend hervor. „Und darum werde ich diesem James Olson etwas schärfer unter den Hutrand blicken.“

„Du stocherst in ein Wespennest“, gab Tibbles zu bedenken. „Und das kann tödlich sein.“

Dann ließ er Bruce mit all seinen wirbelnden Gedanken und rebellierenden Empfindungen allein.

*

Bruce ritt über das hügelige Weideland. Bewaldete Hänge schoben sich weit in die Senken hinein. Hier und dort erhoben sich vom Zahn der Zeit zernagte Felsgebilde. Die Sonne trocknete den Tau auf den Gräsern. Bruce hatte sich den Hut weit in die Stirn gezogen, um seine Augen vor dem grellen Licht zu schützen. Rinderrudel kreuzten seinen Weg, und sie trugen den Wildhorse-Brand Olsons.

Bruce achtete auf die Umgebung. Das war ihm als Gesetzlosen zur zweiten Natur geworden. Die Ruhelosigkeit, das unstete Leben des ständig Gehetzten war es auch, was ihn bewog, sich von der Bande abzusetzen und nach Hause zu reiten.

Und obwohl er unablässig um sich sicherte, sah er die vier Reiter, die ihre Pferde um eine Waldzunge herumtrieben, zu spät. Als er sie bemerkte, hatten sie bereits die Gewehre auf ihn angeschlagen.

Bruce zerrte sein Pferd in den Stand. Die vier näherten sich ihm im Trab. Die Läufe ihrer Waffen reflektierten das Sonnenlicht. Sie hatten sich südlich von ihm befunden, und da er seine Hauptaufmerksamkeit nach vorne gerichtet hatte, bemerkte er sie zu spät.

Mit leicht gemischten Gefühlen sagte er sich, dass es sich um Männer handelte, deren Namen auf James Olsons Lohnliste zu finden waren.

Die Reiter zügelten vor ihm die Pferde. Sie verhielten Steigbügel an Steigbügel. Unmissverständlich waren ihre Gewehre auf ihn gerichtet. Sie taxierten ihn, schätzten ihn ein, schienen sich sekundenlang ein Bild von ihm zu machen, dann sagte einer der Kerle: „Du bist Bruce Tatum, nicht wahr? Die Vorstellung, die du gestern Abend in Duncan gabst, ist Thema Nummer eins auf der Wildhorse Ranch. Du hast es geschafft, dir innerhalb kürzester Zeit die erbitterte Feindschaft Art Parkers zuzuziehen.“

Bruce kniff die Lippen zusammen. Er spürte die Bedrohung, die von den Kerlen ausging, fast körperlich. Und auf die Worte ihres Sprechers gab es kaum etwas zu erwidern.

Und weil er schwieg, fuhr der andere fort; er sprach ohne jede Freundlichkeit: „Das hier ist, soweit das Auge reicht, Gebiet der Wildhorse Ranch.“ Er vollführte eine umfassende Bewegung mit dem linken Arm, ohne jedoch die Winchester, die er mit der Rechten hielt, aus der Richtung zu bringen. „Unbefugten ist es verboten, sich hier herumzutreiben.“ Er grinste hämisch. „Es ist noch nicht lange her, da machten Viehdiebe die Weiden hier unsicher.“

Er verstummte bedeutungsvoll.

Bruce blieb gelassen. „Keine Sorge. Ich will mich nicht an fremden Longhorns vergreifen. Ich bin auf dem Weg zu meinem Vater. Dagegen gibt es doch gewiss nichts einzuwenden.“

„Grundsätzlich nicht“, antwortete der Cowboy. „Allerdings haben wir die Order, jeden, den wir auf Wildhorse-Gebiet aufgreifen und der hier nichts zu suchen hat, auf die Ranch zu bringen. Das gilt ganz besonders für dich, mein Freund.“

„Wem liegt mehr daran, mich zu sehen?“, kam es fragend über seine Lippen. „Eurem Boss oder Art Parker, der gestern gegen mich den Kürzeren zog.“

„Beiden, Tatum, beide haben Interesse an dir. Möglicherweise sind ihre Gründe unterschiedlicher Natur. Was weiß ich. Von Parker weiß ich, dass er dein Fell gern an die Stalltür nageln würde. Du wirst uns doch keine Probleme bereiten?“

„Nun, ich bin nicht der Mann, der sich gerne einen fremden Willen aufzwingen lässt“, dehnte Bruce. „James Olson und Art Parker finden mich auf der Sunshine Ranch, wenn sie etwas von mir wollen. Bestellt ihnen das. Und jetzt reite ich weiter. - Ho!“

Er zog das Pferd halb um die linke Hand, ruckte im Sattel, und das Tier setzte sich in Bewegung.

Ein Gewehrschuss krachte. Dicht über Bruces Kopf strich die Kugel hinweg. Unwillkürlich zog er den Kopf ein. Hufschlag erklang hinter ihm, als sie ihre Pferde antrieben. Sie überholten ihn, rissen die Pferde herum und verstellten ihm den Weg.

Der Bursche, der bisher schon das Wort geführt hatte, giftete: „Du scheinst nicht begriffen zu haben, Tatum. Ist es Dummheit oder Arroganz? Wir können es auch auf die raue Tour mit dir machen.“

Blitzschnell wog Bruce seine Chancen ab. Das Verhältnis stand vier zu eins. Sie hielten die Gewehre in den Fäusten, aber sie durften ihn sicher nicht töten. Dies nähme der ganzen Sache nämlich den Sinn. Also waren seine Chancen nicht schlecht.

„Na schön“, murmelte Bruce. „Wie ihr wollt.“ Und mit dem letzten Wort hämmerte er dem Pferd die Sporen in die Weichen. Aus dem Stand sprang das Tier wie von der Sehne geschnellt nach vorn und rammte das Pferd des Wortführers der vier. Das Tier brach hinten ein und der Reiter hatte alle Mühe, sich auf seinem Rücken zu behaupten. Dabei entglitt ihm das Gewehr.

Bruce fegte einen zweiten Mann mit dem ausgestreckten Arm aus dem Sattel. Der Bursche überschlug sich am Boden. Bruce straffte die Zügel, sein Pferd ging vorne hoch und drehte sich wie ein Kreisel. Einer der Cowboys schlug mit dem Gewehr nach ihm, Bruce wich instinktiv aus und der Schlag ging ins Leere. Die Vorderhufe seines Braunen krachten wieder auf die Erde. Staub wolkte aus dem Gras. In Bruces Faust lag der Colt. Er ließ ihn von einem zum anderen pendeln.

Der Sprecher des Pulks hatte sein Pferd wieder gebändigt. Der Bursche, der Bekanntschaft mit der hartgebackenen Erde gemacht hatte, rappelte sich ächzend hoch und blieb schief stehen, die linke Hand gegen den unteren Rücken gepresst. Die beiden anderen bedrohten Bruce zwar mit ihren Gewehren, aber sie zeigten Unsicherheit.

Bruce knirschte: „Nehmt die Schießprügel runter und haut ab. Denn sollte wider Erwarten einer von euch den Finger krumm machen, garantiere ich, dass zwei von euch mit mir in die Grube sausen.“

„Du schaufelst dir dein eigenes Grab, Tatum“, knirschte der Mister, der sein Gewehr verloren hatte, als Bruces Brauner sein Pferd rammte. „Es begann, als du gestern Partei gegen die Wildhorse Ranch ergriffen hast. Dir haftet der Verdruss an. James Olson wird einen Unruhestifter wie dich nicht im Lande dulden. Mach dich auf einiges gefasst, Tatum.“

„Ich werde mich darauf einstellen“, gab Bruce kühl zurück. „Im übrigen gilt mein Angebot. Wenn Olson mich sprechen will, findet er mich auf Sunshine Ranch. Sagt es ihm. Und jetzt zieht Leine.“

Der Bursche, der vom Pferd gestürzt war, saß mit einem gequälten Stöhnen auf. Der andere holte sich sein Gewehr vom Boden, und als er wieder im Sattel hockte, rief er: „Wir machen dich klein, Tatum. So klein mit Hut.“ Er zeigte einen winzigen Abstand zwischen Daumen und Zeigefinger, dann riss er sein Pferd herum und spornte es an.

Seine Kumpane folgten ihm, nicht ohne Bruce noch einmal mit glitzernden, gehässigen Blicken bedacht zu haben.

Unbeeindruckt ritt auch Bruce weiter.

Eine halbe Stunde später sah er von einer Anhöhe aus die Gebäude der Sunshine Ranch am jenseitigen Ufer des Caddo Creek.

Alles wirkte grau in grau. Ein Knoten bildete sich in Bruces Hals, er schluckte krampfhaft. Das ist also alles, was von der einst blühenden und starken Ranch übrig geblieben ist!, durchfuhr es ihn. Es ging wie ein eisiger Wind durch sein Bewusstsein und machte ihn für einige Augenblicke mutlos.

Die Gebäude wirkten wie ausgestorben. Die Corrals waren leer und an manchen Stellen eingebrochen. Überhaupt wirkte alles heruntergekommen und verwahrlost. Die Eindrücke, die Bruce sammelte, legten sich tonnenschwer auf ihn.

Er ritt an, schlug sich durch das Ufergebüsch und trieb das Pferd in den Fluss. Das Tier musste schwimmen. Schließlich erklomm es die Uferböschung. Langsam rückten die Gebäude näher. Und je näher Bruce kam, desto deutlicher wurde der Verfall. Zwischen Stall und Remise hielt er erneut an. Sein Blick sprang in die Runde. Das Pferd unter ihm trat auf der Stelle. Bruce hatte sich die Heimkehr anders vorgestellt. Ganz anders ...

Aus dem Haupthaus trat ein großgewachsener, krankhaft hagerer Mann mit schlohweissen, schulterlangen Haaren und tagealtem, wild wucherndem Bart, der die selbe Farbe hatte wie das Kopfhaar. Seine Haltung war gebeugt, sein Gang schleppend.

Es war Old Amos. Sein Gesicht war eingefallen und ebenso grau wie alles hier, seine Augen jedoch glühten wie die eines Fieberkranken. Er trug ein Gewehr an der Hüfte im Anschlag. Jäh trocknete Bruces Mundhöhle aus. Dieser einstmals so aufrechte, stolze und unbeugsame Mann auf der Veranda war nur noch ein Schatten seiner selbst.

An der Treppe, die vom Vorbau in den Hof führte, blieb er stehen. Grimmig rief er: „Verschwinde, Fremder! Ich will hier niemand. Zu holen gibt es nichts bei mir. Wende deinen Gaul und verschwinde!“

„Dad!“ Das Wort zerplatzte regelrecht in Bruces Mund. Es kam losgelöst, schockiert, fast verzweifelt.

Old Amos legte den Kopf schief, es schien, als lauschte er der Stimme hinterher.

Bruce glitt vom Pferd und überquerte mit raumgreifenden Schritten den Ranchhof. Sein Herz schlug wie rasend. Sein Hals war wie zugeschnürt. Der Mann, der einst über eine große Mannschaft herrschte, der Befehle erteilte, der natürliche Autorität verströmte, der lobte, tadelte und bestrafte, der seinem Willen - wenn es sein musste -, auch mit den Fäusten Geltung verschaffte - dieser Mann war zum gebrechlichen Greis verfallen. Die Erschütterung bei Bruce saß tief. Der Anblick versetzte ihm einen herben Stich.

Als Bruce am Fuß der Treppe verharrte, presste Old Amos hervor: „Du bist also zurückgekehrt, Bruce.“ Jetzt erst senkte er das Gewehr. Sekundenlang schloss er die Augen. „Fünf Jahre“, flüsterte er dann. „Nie kam ein Lebenszeichen von dir. Und nun bist du zurück.“ Er starrte Bruce fast feindselig an. „Allerdings brauche ich dich jetzt nicht mehr, Bruce. Die Ranch ist beim Teufel. Als deine Anwesenheit nötig war, hast du dich irgendwo in der Welt herumgetrieben. Du hast kein Zuhause mehr. Drum reite wieder dorthin, wo du herkommst. Lass mich in Ruhe.“

Seine anklagenden Worte trafen Bruce wie Peitschenhiebe. Er zuckte zusammen. Nur ein Mann, der bis in den Kern verbittert und enttäuscht war, konnte derart reagieren. Ein Mann, in dem der Glaube an das Gute restlos abgestorben war, der nur noch in der Gegenwart lebte, der abgeschlossen hatte.

„Dad“, krächzte Bruce, und er musste zweimal ansetzen, um es hervorzuwürgen. „Wie sollte ich ahnen, dass ...“

„Ich will keine Entschuldigungen hören!“, stieß Old Amos zornig hervor. „Ich will auch nicht wissen, was du getrieben hast in all den Jahren. Es interessiert mich nicht, weshalb du nichts von dir hören ließest. Denn für mich bist du gestorben, und zwar an dem Tag, als ich die Ranch verlor. Du hast mich und die Ranch im Stich gelassen - und jetzt verschwinde.“

Das alles überstieg Bruces Begriffsvermögen. Zuletzt hatte regelrechter Hass in der Stimme seines Vaters gelegen. Bruce registrierte es, und es verstörte und erschreckte ihn. Damit hatte er bei Gott nicht gerechnet. Nur langsam legte sich der Aufruhr seiner Gefühle. „Du - jagst - mich – fort?“, entrang es sich ihm brüchig und klanglos.

„Nenn es, wie du willst. Hier ist jedenfalls kein Platz mehr für dich. Ich bin hier selbst nur geduldet.“

Old Amos sprach es, machte kehrt und schlurfte zurück ins Haus. Mit einem dumpfen Laut fiel hinter ihm die Tür ins Schloss. Ein Laut, der etwas Endgültiges, Abschließendes beinhaltete.

Bruce stand da wie vom Donner gerührt. Eine seltsame Leere riss in ihm auf. Gedanken kamen und gingen, drifteten auseinander und ließen sich nicht festhalten. Fast zwei Minuten lang stand er so da, zwei Minuten, in denen eine ganze Welt für ihn zusammenstürzte.