Zwei Strandkrimis: Die Waffe des Skorpions & Commissaire Marquanteur und die Briefbomben von Marseille - Alfred Bekker - E-Book

Zwei Strandkrimis: Die Waffe des Skorpions & Commissaire Marquanteur und die Briefbomben von Marseille E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieses Buch enthält folgende Krimis: (349XE) Die Waffe des Skorpions (Alfred Bekker) Commissaire Marquanteur und die Briefbomben von Marseille (Alfred Bekker) William Grotzky, ein ehemaliger FBI-Agent, der jahrelang gegen das organisierte Verbrechen ermittelte und dabei vor allem im Undercover Einsatz wertvolle Hilfe bei der Festnahme von Andrea Giacometti leistete, wird ermordet. Wollte sich da jemand das auf Grotzky ausgesetzte Kopfgeld verdienen? Doch was hat dieser Tote mit all den anderen Ermordeten zu tun, die mit derselben Waffe erschossen wurden?

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Alfred Bekker

Zwei Strandkrimis: Die Waffe des Skorpions & Commissaire Marquanteur und die Briefbomben von Marseille

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Inhaltsverzeichnis

Zwei Strandkrimis: Die Waffe des Skorpions & Commissaire Marquanteur und die Briefbomben von Marseille

Copyright

Die Waffe des Skorpions

Commissaire Marquanteur und die Briefbomben von Marseille: Frankreich Krimi

Zwei Strandkrimis: Die Waffe des Skorpions & Commissaire Marquanteur und die Briefbomben von Marseille

Alfred Bekker,

Dieses Buch enthält folgende Krimis:

Die Waffe des Skorpions (Alfred Bekker)

Commissaire Marquanteur und die Briefbomben von Marseille (Alfred Bekker)

William Grotzky, ein ehemaliger FBI-Agent, der jahrelang gegen das organisierte Verbrechen ermittelte und dabei vor allem im Undercover Einsatz wertvolle Hilfe bei der Festnahme von Andrea Giacometti leistete, wird ermordet. Wollte sich da jemand das auf Grotzky ausgesetzte Kopfgeld verdienen? Doch was hat dieser Tote mit all den anderen Ermordeten zu tun, die mit derselben Waffe erschossen wurden?

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author /

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Die Waffe des Skorpions

von Alfred Bekker

Thriller

Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author

© 2015 der Digitalausgabe by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

postmaster @ alfredbekker . de

Der Umfang dieses Ebook entspricht 121 Taschenbuchseiten.

William Grotzky, ein ehemaliger FBI-Agent, der jahrelang gegen das organisierte Verbrechen ermittelte und dabei vor allem im Undercover Einsatz wertvolle Hilfe bei der Festnahme von Andrea Giacometti leistete, wird ermordet. Wollte sich da jemand das auf Grotzky ausgesetzte Kopfgeld verdienen? Doch was hat dieser Tote mit all den anderen Ermordeten zu tun, die mit derselben Waffe erschossen wurden?

1

Es war nicht besonders kalt, nur regnerisch. Aber der Mann trug dennoch Handschuhe. Er war hoch gewachsen und ziemlich kräftig gebaut. Der blonde Kurzhaarschnitt unterstrich die kantigen Gesichtszüge. Seinen blauen Chevy hatte er am Straßenrand abgestellt. Jetzt ging der Blonde die Zeile der Reihenhäuser entlang. Mit der Rechten umklammerte er den Griff der Automatik, die in seiner tiefen Manteltasche verborgen war.

Er musste vorsichtig sein, denn der Mann, mit dem er es zu tun haben würde, war nicht irgendwer, sondern einer, der selbst mit einer Waffe umgehen konnte und alle Tricks kannte.

Mordauftrag war eben nicht gleich Mordauftrag…

2

Der Blonde hielt an, ließ den Blick die Häuserzeile entlang gleiten und hatte dann die richtige Nummer gefunden.

Es war eine günstige Zeit. Zehn Uhr Morgens. In der Straße parkte kaum ein Wagen, da die meisten Anwohner zur Arbeit gefahren waren. Der Blonde würde seinen Job erledigen können, ohne viel Aufsehen zu erregen. Genau das entsprach seinem Stil. Er arbeitete schnell, präzise und ohne Spuren zu hinterlassen.

Eine ältere Frau ging die Straße entlang. Der Blonde wartete, bis sie um die nächste Ecke gegangen war und überquerte dann die Fahrbahn.

Einen Augenblick später stand er an der Haustür und klingelte. Normalerweise war William Grotzky - sein Opfer - um diese Zeit gerade erst aufgestanden und saß jetzt beim Frühstück. Genau die richtige Zeit für solch einen Besuch also...

Der Blonde klingelte ein zweites Mal und fasste die in der Manteltasche steckende Pistole mit dem aufgeschraubten Schalldämpfer fester.

Endlich kam jemand und machte auf.

Aber es war nicht Grotzky, sondern eine Frau, die den Killer ziemlich erstaunt ansah.

Aber das Erstaunen war beiderseitig.

Sie war hübsch, fand der Blonde. Langes, rostbraunes Haar, dunkle Augen. Ihr Gesicht drückte Enttäuschung aus. Sie hatte offenbar jemand anderen erwartet.

Schade um sie, dachte der Killer. Aber es war ziemlich ausgeschlossen, dass er sie am Leben lassen konnte.

„Ist Mister William Grotzky nicht da?“, fragte er kühl.

„Nein, tut mir leid“, erwiderte die Frau, während sie den Killer einer eingehenden Musterung unterzog. Auf ihrer Stirn erschienen ein paar Falten, die eine deutliche Portion Misstrauen signalisierten.

Die Frau hatte er nicht erwartet. Er fluchte innerlich. Wenn er etwas hasste, dann waren es Überraschungen dieser Art.

„Was wollen Sie von William?“, fragte die Frau.

„Ich muss ihn dringend sprechen.“

„Sind Sie ein Bekannter?“

Der Killer zögerte nur den Bruchteil einer Sekunde mit der Antwort.

„Ja“, sagte er.

„William kommt gleich zurück“, berichtete die Frau. „Er ist nur kurz für ein paar Besorgungen weg.“

Sie wusste nicht, wer Grotzky wirklich war. Sie konnte nichts von seiner Vergangenheit wissen oder von dem, was er jetzt tat. Das war dem Blonden sofort klar, dann hätte sie Bescheid gewusst, wäre ihr Misstrauen größer gewesen.

Der Blonde hob die Augenbrauen.

„Kann ich bei Ihnen auf ihn warten?“

„Lieber nicht. Ich bin allein und kenne Sie gar nicht. Außerdem ist das nicht meine Wohnung und ich weiß nicht, ob es William recht wäre, wenn...“

Aha!, dachte der Blonde. Grotzky kannte die Kleine noch nicht lange. Vielleicht sogar erst seit dem gestrigen Abend. Anders konnte es auch gar nicht sein, sonst hätte der Blonde von ihr gewusst. Schließlich hatte er Grotzkys Lebensumstände genauestens ausgeforscht.

„Es wäre ihm recht!“, behauptete er.

„Nein, das möchte ich nicht!“, sagte sie mit großer Bestimmtheit.

„Will und ich kennen uns eine halbe Ewigkeit.“

„Aber ich Sie nicht. Tut mir leid.“

Sie versuchte die Tür zu schließen, aber der Blonde stellte seinen Fuß dazwischen. Ein schneller Griff und er hatte die Automatik aus der Manteltasche herausgerissen. Der lange Schalldämpfer zeigte direkt auf den Oberkörper der jungen Frau und ließ sie schreckensbleich zurückweichen.

Der Blonde trat ein und gab der Tür einen Stoß mit der Hacke, so dass sie geräuschvoll ins Schloss fiel.

Die Frau schüttelte stumm den Kopf. Es dauerte ein paar Sekunden, ehe sie wieder soweit beieinander war, dass sie etwas sagen konnte.

„Was wollen Sie?“, fragte sie schluckend, während sie noch einen Schritt rückwärts machte und dabei gegen die Kommode stieß, die in dem engen Flur stand.

„Ist noch jemand in der Wohnung?“, fragte der Blonde kalt.

Sie schüttelte stumm den Kopf.

Dann hob der Blonde die Schalldämpferpistole ein wenig an und drückte ab.

Es gab ein Geräusch, das Ähnlichkeit mit einem kräftigen Niesen hatte und auf der Stirn der jungen Frau erschien ein roter Punkt, der rasch größer wurde. Sie taumelte rückwärts und schlug der Länge nach hin.

Der Blonde atmete tief durch. Die Sache mit der Frau war nicht eingeplant gewesen, aber sie hatte nun einmal sein Gesicht gesehen. Und das war ihr Todesurteil gewesen.

Der Blonde stieg über ihren leblosen Körper hinweg und sah sich im Rest der Wohnung um. Ein Zimmer nach dem anderen nahm er sich vor. Die Frau hatte die Wahrheit gesagt.

Sie war tatsächlich allein gewesen.

Der Killer steckte die Waffe ein, fasste die junge Frau unter den Armen und schleifte sie ins Wohnzimmer. Dann ließ er sich in einen der klobigen Ledersessel fallen und wartete.

Nicht lange, höchsten zehn Minuten. Dann waren an der Haustür Geräusche zu hören. Ein Schlüssel wurde herumgedreht und jemand trat ein.

Das musste Grotzky sein.

„Vanessa?“

Sekunden später stand Grotzky in der Wohnzimmertür. Er hielt eine Papiertüte mit dem Aufdruck des nahen Supermarkts im Arm.

Grotzky ließ die Tüte fallen, griff unter seinen Lederblouson und riss eine P 226 hervor, während er sich seitwärts fallen ließ.

Der Blonde brauchte nicht einmal die Waffe hochzureißen.

Er saß seelenruhig da und drückte einfach ab. Der erste Schuss traf William Grotzky im Bauchbereich und der zweite ging durch den Hals.

Hart schlug Grotzky auf den Boden. Eine Blutlache bildete sich. Die Hand hielt noch krampfhaft den Griff der P 226 fest. Ein Zittern durchlief seinen Körper. Die Augen waren glasig, der Atem nicht mehr als ein Röcheln. Blut rann ihm aus dem rechten Mundwinkel.

Der Blonde stand auf, trat an den Sterbenden heran und achtete darauf, nicht in die Blutlache zu treten. Dann zielte er auf den Kopf und drückte ein letztes Mal ab, bevor er die Waffe zurück in die weite Tasche seines Kaschmirmantels steckte, die er sich für den langen Schalldämpfer eigens hatte umschneidern lassen.

Ein kaltes Lächeln spielte jetzt um seinen dünnlippigen Mund, der zuvor wie ein gerader Strich gewirkt hatte.

Auftrag erledigt!, dachte er.

3

Im Büro von Mister McKee, dem Leiter des FBI Field Office New York, hatte bereits eine ganze Reihe von G-men Platz genommen. Außer Milo Tucker und mir nahmen noch die Agenten Clive Caravaggio und Orry Medina sowie unser Innendienstler Max Carter an der Besprechung teil. Ich nippte gerade an meinem Kaffeebecher, als noch die Kollegen Jay Kronburg und Leslie Morell hereinplatzten.

Von Mister McKee ernteten sie einen missbilligenden Blick für ihre Verspätung.

„Tut mir Leid, Sir. Aber es gab auf der Amsterdam Avenue einen schweren Unfall. Da war kaum ein Durchkommen.“

„Schon gut“, erwiderte Mister McKee. „Setzen Sie sich.“

Jay und Leslie nahmen Platz und Mister McKee erklärte: „Gestern wurde William Grotzky in seinem Haus in der Jefferson Lane in Yonkers zusammen mit einer jungen Frau erschossen aufgefunden. Bei der Frau handelte es sich um Vanessa McKenzie, die Grotzky offenbar am Abend zuvor in eine Diskothek kennen gelernt hatte. Sie teilte sich eine Wohnung mit einer gewissen Jennifer Allister, deren Vermisstenanzeige es zu verdanken ist, dass die Toten schließlich von Beamten des Yonkers Police Department entdeckt wurden – schätzungsweise eine Woche nachdem sich der Mord ereignete.“ Mister McKee wandte sich an Agent Carter. „Max, wenn Sie bitte fortfahren würden.“

„Gerne, Sir.“ Max Carter schaltete einen Beamer an, mit dessen Hilfe Fotos der beiden Verstorbenen sowie Tatortfotos an die Wand projiziert wurden. „Dieser Fall fällt aus zwei Gründen in unsere Zuständigkeit. Erstens war der Mann, der zuletzt unter dem Namen William Grotzky in Yonkers lebte, ein ehemaliger FBI-Agent. Er ermittelte jahrelang gegen das organisierte Verbrechen und leistete dabei vor allem im Undercover Einsatz wertvolle Hilfe bei der Festnahme einiger Unterweltgrößen. Am bekanntesten dürfte der Fall Giacometti sein.“

„Der sitzt doch jetzt lebenslänglich in Rikers, wenn ich mich nicht irre“, warf mein Kollege Milo Tucker ein.

Max Carter bestätigte dies. „Seine Verhaftung verdanken wir dem Einsatz von William Grotzky beziehungsweise Jack Aarons – das war nämlich sein richtiger Name. Im Rahmen eines der üblichen Schutzprogramme bekam er natürlich nach Beendigung seiner Tätigkeit als verdeckter Ermittler eine neue Identität.“ Max zeigte das nächste Bild. „Hier sieht man Grotzkys Reihenhaus in Yonkers. An der Tür wurden keinerlei Einbruchsspuren gefunden, die Homicide Squad des Yonkers Police Department vermutet daher, dass dem Täter geöffnet wurde. Tatwaffe ist eine Automatik, Kaliber 45.“

„Ist die Waffe schon einmal benutzt worden?“, fragte ich.

Max schüttelte den Kopf. „Nein, die Waffe ist sauber. Da niemand in der Nachbarschaft ein Schussgeräusch gehört hat, nimmt die Homicide Squad an, dass der Täter einen Schalldämpfer benutzte. Vanessa McKenzie ging am Abend des zwölften dieses Monats mit ihrer Mitbewohnerin und zwei anderen Freundinnen in die Diskothek ‚La Guapa’ in Yonkers. Im Verlauf des Abends lernte sie Grotzky kennen, mit dem sie nach Hause fuhr. Vanessa McKenzies Mitbewohnerin Jennifer Allister wurde misstrauisch, als Vanessa sich im Verlauf des folgenden Tages nicht meldete – geschweige denn zurückkehrte. Daher ging sie zur Polizei. Die Vermisstenabteilung des Yonkers Police Department unter Captain George Rigosian nahm schließlich die Fahndung auf und fand nach Hinweisen von Anwohnern die Leichen in dem Reihenhaus an der Jefferson Lane.“

„Vanessa McKenzie war vermutlich nur zufällig in der Wohnung, als der Killer seinen Job erledigen wollte“, erklärte Mister McKee. „Angesichts der Umstände spricht alles dafür, dass der Anschlag Grotzky galt.“

„Die Zahl derer, die ein Motiv hätten, Grotzky umbringen zu lassen, dürfte riesig sein!“, meinte ich.

„Andy Giacometti ist damals vor Gericht ausgerastet, als Grotzky - damals noch Jack Aarons – seine Zeugenaussage machte“, berichtete Mister McKee. „Giacometti musste aus dem Saal geführt werden. Er sitzt zwar auf Rikers, aber es zweifelt niemand daran, dass er noch immer die maßgebliche Instanz in der Giacometti-Familie ist, seine Geschäfte weiterführt und die großen Entscheidungen trifft. Allerdings kommt der Giacometti-Clan nicht als einziger Auftraggeber in Betracht. Grotzky/Aarons hatte wirklich eine beeindruckende Erfolgsquote.“

„Ich habe im Benny Ricardo-Fall mit ihm zusammengearbeitet“, berichtete Clive Caravaggio. „Er hatte es durch seine verbindliche Art geschafft, dass Vertrauen des seinerzeit wichtigsten puertoricanischen Kokain-Importeurs in New York zu erringen, sodass wir Benny Ricardo hochnehmen konnten, als er den Deal seines Lebens machen wollte, bei dem Grotzky als angeblicher Geschäftspartner auftrat.“

Unser indianischer Kollege Orry Medina konnte dem nur zustimmen. „Ich bin überzeugt davon, wer sich die alten Videoaufnahmen noch mal ansieht, die damals zur Beweissicherung gemacht wurden, der kann kaum glauben, dass Grotzky jemals etwas anderes gemacht hätte, als Drogen zu verkaufen. Und dabei war er unser Mann…“

Der Fall war mir vage in Erinnerung. Milo und ich hatten zu jener Zeit an einer anderen Sache gearbeitet und waren daher nicht weiter in dem Benny Ricardo-Fall involviert gewesen.

„Sie können sich gerne im Umfeld des Ricardo-Falls mal umhören, Clive“, schlug Mister McKee vor.

„Benny Ricardo starb auf Rikers an einer Überdosis Heroin, obwohl er nie süchtig war“, erinnerte sich Clive. Der flachsblonde Italoamerikaner schlug die Beine übereinander und kratzte sich am Kinn. „Es ist damals vermutet worden, dass er umgebracht wurde, um zu verhindern, dass er noch weitere Geschäftspartner mit hineinreißen kann.“

„Wie auch immer“, fuhr Mister McKee fort. „Grotzky - oder Aarons, ganz wie man will - ist vor fünf Jahren aus dem FBI-Dienst ausgeschieden. Er hat gekündigt und sich zur Ruhe gesetzt, was man auch verstehen kann, wenn man seine Akte gelesen hat. Wer jahrelang im Untergrund gelebt hat, muss wissen, wann es Zeit ist aufzuhören. Allerdings fragt sich so mancher, weshalb er den gut dotierten Job als Dozent an der Akademie von Quantico abgelehnt hat, der es ihm ermöglicht hätte, seine Erfahrungen an angehende Kollegen weiterzugeben.“

„Seltsam ist auch, dass Jack Aarons sein neues Leben als William Grotzky in unmittelbarer Nähe seines früheren Einsatzgebietes begonnen hat, anstatt für eine räumliche Distanz zu sorgen“, gab Clive zu bedenken.

„Ich bin überzeugt davon, dass man ihm beim Ausscheiden etwas anderes geraten hat“, erklärte Mister McKee.

„Was hat er in den letzten fünf Jahren gemacht?“, fragte ich.

„Das ist eine der Fragen, die alle beschäftigen wird, die hier im Raum sitzen, Jesse“, kündigte Mister McKee an. „Man hat bei ihm nämlich insgesamt fünf verschiedene Pässe gefunden. Zwei US-amerikanische, einen schwedischen, einen französischen und einen marokkanischen...“

Das war allerdings bemerkenswert.

„Glauben Sie, dass Grotzky die Seite gewechselt hatte?“, fragte ich.

Mister McKee zuckte die Schultern. „Zu wem auch immer - aber die Vermutung liegt nahe, dass er selbst in dubiose Machenschaften verwickelt war.“

„Vielleicht brauchte er die verschiedenen Pässe einfach nur zu seiner persönlichen Sicherheit“, schlug Milo vor. „Er wäre nicht der Erste, der paranoid wird, weil er weiß, dass irgendein Mafia-Clan hinter ihm her ist...“

„Sicher“, nickte Mister McKee. „Wenn er in den letzten fünf Jahren unter irgendeinem seiner Namen einen Job oder eine Sozialversicherungsnummer gehabt hätte, würde ich zustimmen. Aber das einzige, was er hatte, war ein Bankkonto, auf das ausschließlich in bar eingezahlt wurde. Allerdings immer nur kleine Beträge, die niemandem auffallen und die gerade dazu ausreichten, seine Daueraufträge zu bedienen... Auf der anderen Seite ist er regelmäßig nach Zürich geflogen. Wir vermuten, dass er dort ein Nummernkonto besaß. Nat kümmert sich darum…“

Agent Nat Norton war unser Fachmann für Betriebswirtschaft und ein Spezialist im Aufspüren verborgener Geldströme. Bei so manchem Fall im Bereich des organisierten Verbrechens hatten erst seine Erkenntnisse über wirtschaftliche Verflechtungen die Ermittlungen zum Erfolg geführt.

„Offenbar hat er es vorgezogen sein Geld im Ausland anzulegen“, zog Milo einen nahe liegenden Schluss.

Jedenfalls schien Grotzky ein Mann gewesen zu sein, der sich um keinen Preis in die Karten sehen lassen wollte. Und dafür musste es Gründe geben. Genauso wie für die Kugel in seinem Kopf.

Mister McKee ergriff erneut das Wort. „Max hat für jeden von Ihnen ein Dossier über Grotzky und die wichtigsten Fälle zusammengestellt, dass Sie bitte sorgfältig durcharbeiten. In diesem Fall gibt es so viele mögliche Ermittlungsansätze, dass wir sie unmöglich alle verfolgen können und uns von vorn herein auf die wichtigsten Spuren beschränken müssen.“

4

Das erste, was für Milo und mich jetzt auf dem Programm stand, war eine intensive Lektüre des Dossiers. Zusammen mit Jay und Leslie saßen wir dazu in dem Dienstzimmer, das ich mir mit Milo teilte.

Clive und Orry waren unterdessen bereits nach Yonkers unterwegs, um sich mit Captain George Rigosian vom Yonkers Police Department zu treffen und den Tatort in Augenschein zu nehmen. Unsere FBI-eigenen Erkennungsdienstler Sam Folder und Mell Horster sollten sie dabei unterstützen.

Die Reihe der Fälle, an denen Grotzky mitgearbeitet hatte oder in denen das FBI auf Grund von Informationen tätig wurde, die letztlich auf seiner Arbeit beruhten, war Ehrfurcht gebietend.

Besonders spektakulär war natürlich der Giacometti-Fall gewesen. Der letzte, in den Grotzky als aktiver Agent involviert war.

Die Ermittlungen hatten eine wasserdichte Beweislage geschaffen, die es dem Staatsanwalt ermöglicht hatte, den Gerichtssaal auf ganzer Linie als Sieger zu verlassen.

Andy Giacomettis Heer aus renommierten Strafverteidigern hatte ihn nicht vor dem harten Urteil bewahren können: Lebenslänglich – unter anderem wegen mehrfacher Verabredung zum Mord. Der große Boss der Giacometti-Familie war für seine besonders rücksichtslose Vorgehensweise bekannt gewesen. Die anderen Delikte, die man ihm vorwarf – Drogenhandel, Geldwäsche, Erpressung so genannter Schutzgelder – nahmen sich dagegen eher harmlos aus.

„Ich finde Giacometti ist der erste Ansatzpunkt!“, meinte Milo. „Er oder jemand aus seinem Clan hätte das Geld und die Kontakte, um Grotzky zu enttarnen und anschließend einen Profi zu engagieren, der ihn umbringt.“

Ich nickte. Milo hatte vollkommen Recht. Man wunderte sich immer wieder, was trotz der strengen Vorschriften alles aus Hochsicherheitstrakten hinein und wieder hinaus wanderte.

Rauschgift zum Beispiel.

Ein Mordauftrag stellte da sicherlich kein Problem dar, das sich nicht irgendwie lösen ließ.

„Wir brauchen eine Liste der Besucher, die Giacometti hatte“, schlug Jay vor.

„Wir werden uns mal mit ihm unterhalten müssen“, meinte Leslie. „Aber Tatsache ist, dass wir bis jetzt keinen Hinweis haben, der in Giacomettis Richtung zeigt.“

„Und Giacomettis Clan? Ich denke, auch den müssen wir ernst nehmen...“, meinte Milo.

„Sicher“, stimmte ich zu. „Aber bevor wir für allzu großen Wirbel sorgen, sollten wir vielleicht noch etwas mehr über Grotzkys Umfeld in Erfahrung bringen.“

Milo hob die Schultern.

„Was für ein Umfeld, Jesse? Nach den Ermittlungsergebnissen der Kollegen aus Yonkers hatte er in der Gegend keine Bekannten.“

An lebenden Verwandten besaß Grotzky auch nur noch eine Schwester. Den Angaben im Dossier nach waren seine Eltern schon vor etlichen Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Zu seiner Schwester bestand kein Kontakt.

„Setzen wir bei der Mitbewohnerin des zweiten Opfers, dieser Jennifer Allister an“, war mein Vorschlag.

Die anderen sahen mich etwas erstaunt an, während ich das Dossier zuklappte. Ich zuckte die Schultern. „In diesem Fall ist das immerhin so viel versprechend wie jeder andere Ansatz, finde ich. Grotzky hat mit Jennifer Allister und ihren Freundinnen den Abend in einer Diskothek verbracht. Vanessa McKenzie schien ihm am besten zu gefallen, schließlich hat er sie mit nach Hause genommen. Aber das heißt ja nicht, dass Grotzky mit den anderen kein Wort gesprochen hätte. Vielleicht ist denen auch etwas aufgefallen oder sie können uns sagen, ob er öfter in dieser Diskothek anzutreffen war!“

Milo seufzte. „Klingt nicht nach einem schnellen Durchbruch, Jesse.“

„Aber es ist besser als nichts“, erwiderte ich.

5

Leslie und Jay fuhren nach Rikers Island, nachdem Mister McKee dort für sie einen Vernehmungstermin vereinbart hatte. Andy Giacometti wollte auch jetzt nichts ohne seinen Anwalt von sich geben, was das Treffen etwas verzögerte. Die Gefängnisverwaltung sorgte inzwischen dafür, dass alle Unterlagen über die Besuche, die Giacometti in seiner bisherigen Haftzeit erhalten hatte, beim Eintreffen unserer Kollegen vorlagen.

Milo und ich fuhren hingegen nach Yonkers, Jennifer Allister zu befragen.

Zusammen mit Vanessa McKenzie hatte sie sich eine Wohnung im fünften Stock eines Mietshauses mit der Hausnummer 791, Rogers Street geteilt.

Wir parkten den Sportwagen in einer Seitenstraße. Ein paar Minuten später öffnete uns eine junge Frau mit dunklen, langen Haaren die Wohnungstür.

„Jennifer Allister?“, fragte ich.

„Ja.“

„Jesse Trevellian, FBI. Dies ist mein Kollege Milo Tucker. Wir möchten Ihnen paar Fragen stellen, die den Mord an Ihrer Mitbewohnerin betreffen.“

Jennifer Allister schluckte und warf einen kurzen Blick auf die ID-Card, die ich ihr entgegenhielt.

„Kommen Sie herein!“

Sie führte uns ins Wohnzimmer. „Wir haben uns die Wohnung geteilt. Jede von uns hatte ein Zimmer. Wohnzimmer, Küche und Bad haben wir gemeinsam genutzt.“

„Ich würde mir gerne Vanessa McKenzies Zimmer ansehen“, kündigte Milo an.

Jennifer deutete in Richtung einer Tür auf der anderen Seite des Wohnzimmers. „Bitte, Agent Tucker. Die Polizisten, die die Vermisstenanzeige aufnahmen, haben sich dort ebenfalls bereits umgesehen, um nach Hinweisen zu suchen. Aber da war leider nichts…“

Die junge Frau kämpfte spürbar mit den Tränen. Das, was ihrer Mitbewohnerin passiert war, musste einen geradezu traumatischen Eindruck auf sie gemacht haben.

Milo nickte mir kurz zu und verschwand im Nachbarraum. Die Tür ließ er offen stehen, sodass er jedes Wort mitbekommen konnte, das ich mit Jennifer Allister wechselte.

„Setzten Sie sich!“, bot sie mir an und deutete auf die Sitzgruppe. Ich ließ mich auf einer niedrigen Couch nieder. Jennifer verschränkte die Arme vor der Brust. Sie ging zur Fensterfront, blickte gedankenverloren auf die Straße hinunter und wischte sich kurz die Augen. Dann hatte sie ich wieder vollkommen gefasst. Sie drehte sich herum und setzte sich in einen der Sessel.

„Alles in Ordnung, Miss Allister?“

„Es geht schon. Aber es ist nicht so einfach. Vanessa und ich waren eng befreundet.“

„Ich verstehe, was Sie durchmachen. Aber jetzt geht es darum, diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die für den Tod Ihrer Freundin verantwortlich sind.“

„Wenn ich Ihnen dabei helfen kann…“

„Das werden wir sehen. Wir gehen davon aus, dass das eigentliche Ziel des Mordanschlags Mister William Grotzky war…“

„Der Mann, mit dem Vanessa am Abend mitgegangen ist.“

„Ja.“

„Dann war sie einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort?“

„So sieht es aus. Und darum ist es wichtig, dass Sie mir jede Einzelheit jenes Abends schildern, an dem Vanessa William Grotzky kennen gelernt hat.“

„Wir wollten uns mit ein paar Freundinnen an diesem Abend amüsieren und sind dazu ins ‚La Guapa’ gegangen. Da wird Latino-Musik gespielt. Wir wollten so richtig abtanzen, was vielleicht ein bisschen seltsam klingen mag…“

„Wieso?“

„Na, weil Vanessa und ich schon beruflich mit dem Tanzen zu tun haben. Ich habe eine Nebenrolle in einem Broadway Musical. Und Vanessa verdiente ihr Geld im ‚Plaisir’, eine Table Dance Bar in Alphabet City – Avenue B, glaube ich. Genau weiß ich das aber nicht mehr, denn ich bin nur einmal dort gewesen. Vanessa hatte mich mitgenommen, damit ich sehe, wie das da so abläuft. Sie meinte, das wäre doch vielleicht auch etwas für mich, so nebenbei an meinen spielfreien Abenden. Aber ich habe schnell gemerkt, dass das einfach nicht meine Welt ist, obwohl ich das Geld sehr gut hätte gebrauchen können.“ Sie seufzte. „Was glauben Sie, warum ich hier oben in Yonkers wohne und täglich in den Big Apple fahre? Aber diese halbe Wohnung hier ist alles, was ich mir leisten kann. Jetzt, nachdem Vanessa nicht mehr da ist, werde ich entweder eine neue Mitbewohnerin finden oder mir was anderes suchen müssen.“

„Kommen wir zurück zu dem Abend, als Sie Vanessa zum letzten Mal sahen“, versuchte ich das Gespräch wieder auf die Dinge zu lenken, die mir wichtig erschienen. Immerhin redete sie sich langsam warm und schien Vertrauen fassen zu können.

„Dieser Grotzky hatte Vanessa schon früher fasziniert. Wir kannten ihn nur flüchtig und unter seinem Vornamen – William.“

„Das heißt, Grotzky ging öfter in das ‚La Guapa’?“, vergewisserte ich mich.

„Ja, er war häufig dort. Vanessa und ich sind seit einem halben Jahr etwa alle ein bis zwei Wochen für einem Abend dort gewesen und ich würde sagen, jedes zweite oder dritte Mal haben wir auch William dort getroffen. Vanessa glaubte, dass er reich sein müsste.“

„Weshalb?“

„Maßanzug, Rolex, großzügige Trinkgelder für die Angestellten des ‚La Guapa’… Außerdem fuhr er einen Wagen, der sehr teuer aussah. Ich kenne mich damit nicht aus, aber es war irgend so ein sportliches Ding mit lautem Motor, bei dem die Türen nach oben aufgehen.“

„An diesem Abend sind Vanessa McKenzie und William Grotzky sich also näher gekommen“, fasste ich zusammen.

„So kann man es ausdrücken. Geflirtet hatten sie vorher schon hin und wieder mal miteinander, aber an diesem Abend muss der Blitz eingeschlagen haben. Die beiden waren richtig unzertrennlich und schließlich hat Vanessa mir gesagt, dass sie die Nacht bei William verbringen wollte. Sie hat versprochen, dass sie mich am nächsten Morgen anruft. Das hat sie auch getan.“ Sie schluckte, kämpfte erneut mit den Tränen und strich sich mit einer fahrigen Geste eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht. „Sie meldete sich und sagte, William sei kurz weg, um ein paar Zutaten zum Frühstück vom Supermarkt um die Ecke zu besorgen. Das fand sie besonders süß, weil er ihr zuvor erzählt hätte, er sei ein Morgenmuffel und würde normalerweise vor dem Mittag nicht aus den Federn kommen. Dann meinte Vanessa plötzlich, sie müsse jetzt Schluss es machen, jemand sei an der Tür. Sie hat dann aufgelegt und versprochen, sich später noch mal zu melden. Leider hatte sie nicht gesagt, wo sie sich befand. Keine Adresse – gar nichts.“ Jennifer sah mich offen an. „Darum hat es fast eine Woche gedauert, bis man sie gefunden hat. Und wenn man zur Polizei geht und sagt, dass die beste Freundin sich bis über beide Ohren verliebt hat und mit ihrem Traumprinzen untergetaucht ist, anstatt sich zu melden, spornt das die Cops auch nicht gerade an, sich richtig ins Zeug zu legen. Die halten einen doch gleich für hysterisch.“

„Überlegen Sie mal, ob Ihnen sonst noch irgendetwas im Zusammenhang mit William Grotzky einfällt. Kennt ihn dort im ‚La Guapa’ irgendjemand etwas besser?“

Sie zuckte die Schultern. „Keine Ahnung. Einer der Barmixer – Ron – kennt seine Lieblingsdrinks auswendig, aber das will nichts heißen. Ich habe gesehen, dass Ron das auch bei anderen Gästen weiß, die etwas öfter kommen. Der muss ein phänomenales Gedächtnis haben.“

„Sie sagen, dass Sie ihn des Öfteren im ‚La Guapa’ gesehen haben.“

„Ja.“

„Ist Ihnen irgendwer aufgefallen, mit dem er sich sonst noch etwas näher beschäftigt hat?“

„Ja. Da war ein Typ mit einem ziemlich langen Schnauzbart, der so dicht und lang war, dass man die Lippen nicht sehen konnte. Vollkommen schwarz war dieser Schnauzbart, aber auf dem Kopf hatte er nur noch einen schmalen Haarkranz. Wenn ich so darüber nachdenke…“

Eine Pause entstand.

„Sagen Sie ruhig, was Ihnen gerade in den Sinn kommt. Ob das wichtig ist, kann man ohnehin immer erst später sagen. Aber da wir so gut wie nichts darüber wissen, was William Grotzky in den letzten fünf Jahren gemacht hat, ist für uns jeder noch so vage Hinweis wichtig!“

„Grotzky hat sich mehrfach mit diesem Schwarzbart getroffen. Wir haben uns ein bisschen über den Kerl lustig gemacht und herumgealbert. Vanessa meinte, der könnte mit den langen Haaren unter seiner Nase doch wohl nie im Leben einen Drink nehmen, ohne sich einzusauen.“

„Wissen Sie, wie der Mann hieß? Er könnte für uns ein wichtiger Zeuge sein.“

Sie schüttelte entschieden den Kopf. „Jedenfalls war er nie besonders lange dort. Einmal habe ich gesehen, wie er William einen Umschlag gab. Aber jetzt fragen Sie mich bitte nicht, was drin wer! Ich bin schließlich keiner Hellseherin.“

„Wann war das?“, hakte ich sofort nach.

„Ist schon ein bisschen her. Vier oder sechs Wochen vielleicht. Ach ja, Vanessa meinte, dass sie den Typ mit dem Schnauzbart schon einmal im ‚Plaisir’ angetroffen hätte. Offenbar ist er von Geschäftsfreunden dort hin geschleppt worden. Vanessa meinte, der Typ sei völlig verschüchtert gewesen und hätte gar nicht gewagt richtig hinzuschauen, als sie vor ihm auf dem Tisch getanzt hätte! So etwas hätte sie noch nie erlebt!“

Milo kam inzwischen aus Vanessa McKenzies Zimmer heraus.

„Was gefunden, Milo?“, fragte ich.

Er schüttelte den Kopf. „Nichts, was uns irgendwie einen Schritt voran brächte!“

Ich wandte mich wieder an Jennifer Allister und sagte: „Wir brauchen noch Namen und Adressen Ihrer beiden anderen Freundinnen, die an dem besagten Abend sich mit Ihnen zusammen im ‚La Guapa’ amüsierten.“

„Ja, natürlich. Rita Jackson wohnt in der Nummer 133, Cumberland Road hier in Yonkers und Kimberley Smith wohnt in New Rochelle, 124 Washington Drive.“

Ich schrieb mir die Adressen der beiden Frauen auf. „Wir möchten Ihnen einen Zeichner hier her schicken. Er heißt Agent Prewitt und soll mit Ihnen zusammen ein Phantombild des Mannes mit dem Schnauzbart anfertigen.“

„Ich nehme an, Ihr Kollege Prewitt wird nicht wirklich noch den Bleistift zu Hand nehmen?“, meinte Jennifer Allister.

„Nein, Agent Prewitt arbeitet in der Regel mit dem Laptop“, erwiderte ich freundlich.

Milo telefonierte mit dem Field Office, damit unser Phantombildzeichner her beordert wurde.

Ich gab Jennifer Allister meine Karte.

„Vielleicht fällt Ihnen ja noch irgendetwas ein, was uns weiter bringen könnte!“

Sie nickte. „Ich hoffe, Sie finden den oder die Täter!“

„Das werden wir!“, versprach ich.

Milo warf mir einen skeptischen Blick zu.

6

Ein Wachmann führte unsere Kollegen Jay Kronburg und Leslie Morell über einen breiten Korridor.

Jay Kronburg überflog dabei kurz die Liste der Besuchskontakte, die Andy – eigentlich Andrea – Giacometti in den bisherigen Jahren seiner Haft gehabt hatte.

„Na, neue Erkenntnisse?“

„Ich dachte immer, Andrea wäre ein Mädchenname.“

„Nicht im Italienischen, Jay.“

„Klingt aber eigenartig!“

„Frag Clive, der wird dir das bestätigen!“

Der Wachmann öffnete die Tür zum Besprechungszimmer.

Andy Giacometti war bereits hereingeführt worden. Ein großer, übergewichtiger Mann, dessen Kopf abgesehen von einem Haarkranz vollkommen kahl war.

Sein Anwalt war dagegen klein und drahtig. Er stellte sich als Nelson Brusco vor und gab Jay einen Händedruck, mit dem er gleich zu verstehen geben wollte, wer es zu sagen hatte.

Jay wandte sich direkt an Giacometti.

„Mein Name ist Special Agent Jay Kronburg. Dies ist mein Kollege Leslie Morell.“

Giacometti verzog das Gesicht zu einer zynischen Maske.

„Ist ‚Leslie’ nicht eigentlich ein Frauenname?“, wandte er sich an den G-man.

„Sowohl als auch – und für Sie bin ich ohnehin nur Agent Morell“, lautete die frostige Antwort. In Gedanken fügte Leslie hinzu: Das musst du gerade fragen, Andrea.

„Mister Giacometti wird von seinem Recht Gebrauch machen, keine Aussage zu machen“„, erklärte Brusco. „Im Übrigen habe ich Beschwerde dagegen eingereicht, dass er überhaupt in dieser Sache vernommen wird.“

Jay und Leslie wechselten einen erstaunten Blick.

„Mit welcher Begründung?“, fragte Jay.

„Mitarbeiter Ihrer Behörde beabsichtigen offenbar, meinen Mandanten zu schikanieren und missbrauchen dabei ihre Befugnisse.“

Jay lächelte dünn. „Das ist doch chancenlos, Mister Brusco!“

„Im Übrigen wird Ihr Mandant zunächst noch nicht als Beschuldigter vernommen“, erklärte Leslie. „Wir haben lediglich vor, ihm ein paar Fragen zum Tod von Ex-Special Agent Jack Aarons zu stellen.“

„Der sich später Grotzky nannte?“, mischte sich jetzt Andy Giacometti mit einem breiten Grinsen ein. „Wie war noch der Vorname? Warren oder Wayne? Nein, William – richtig?“

„Mister Giacometti, es ist besser, wenn Sie nichts sagen“, fand Brusco.

Aber der Gefangene machte mit einer seiner gewaltigen Pranken eine wegwerfende Handbewegung. „Warum denn nicht? Das ist doch nur ein informelles Gespräch, wenn ich die G-men richtig verstanden habe.“

„Woher wussten Sie von Jack Aarons neuer Identität?“

„Ich bin ein gut informierter Mensch, Mister…“

„Agent Kronburg.“

„Sie glauben ja gar nicht, was hier drinnen alles so erzählt wird. Sie brauchen nur in der Gefängniskantine sitzen und die Lauscher sperrangelweit geöffnet lassen, dann erfahren Sie Dinge, für die Ihr G-men wahrscheinlich eine monatelange Ermittlungsarbeit in Gang setzen müsstet!“ Er kicherte.

„Sie haben nicht zufällig Ihre Leute auf die Suche geschickt, um Aarons alias Grotzky aufzuspüren?“, fragte Jay.

„Welche Leute? Ich bin ein Gefangener!“

„Sie wissen schon genau, wie ich das meine. Ihr Sohn Michael gilt als Ihr Nachfolger. Und außerdem sagt man, dass er Ihnen treu ergeben ist und Ihnen die Wünsche von den Augen abliest.“

„Michaels Geschäfte sind legal – und wenn es anders wäre, dann hätten Sie ihn längst verhaften lassen. Dass ein Sohn sich um seinen zu Unrecht verurteilten Vater kümmert, dürfte nicht allzu außergewöhnlich sein, oder?“

Jay Kronburg atmete tief durch. Sein Kopf war dunkelrot angelaufen. Dass dieser Mann wahrscheinlich noch immer nur mit dem Finger zu schnipsen brauchte, wenn er glaubte, dass jemand den Tod verdient hatte, ärgerte den ehemaligen Cop.

Leslie ergriff jetzt das Wort.

„Die Sache stellt sich für uns folgendermaßen dar: Sie haben Aarons seinerzeit blutige Rache geschworen. Jetzt ist er tot – wahrscheinlich ermordet von einem gedungenen Profi-Killer. Dass wir da zuerst zu Ihnen kommen, dürfte Sie doch nicht überraschen!“

„Glauben Sie, ich bin der Einzige, der diesen Aarons oder Grotzky oder wie immer er sich noch genannt haben mag, lieber heute als morgen tot gesehen hätte?“

„Haben Sie etwas mit seinem Tod zu tun?“

„Nein!“, fauchte Giacometti. „Auch wenn Sie mir ohnehin nicht glauben werden! Aber überlegen Sie mal, was ich denn noch zu verlieren hätte, wenn man mir noch mal 25 Jahre für eine Anstiftung zum Mord aufbrummt?“