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Der Zauber eines Sommers: Der humorvolle Liebesroman-Sammelband »Zwischen den Wellen glitzert das Glück« von Gabriella Engelmann als eBook bei dotbooks. Manchmal ist das Leben stürmisch wie das Meer, obwohl in der Liebe Ebbe herrscht: Das weiß auch Autorin Caro, die in ihren Romanen allen ein Happyend beschert, aber selbst vor den Scherben ihrer Beziehung steht. Wird ein Provence-Urlaub ihr Herz heilen – und die Inspiration für ein neues Buch bescheren? In Sachen Liebeskummer ist ihr Olivia einen Schritt voraus: Sie ist nur noch wütend auf ihren Ex. Und überhaupt auf alle Kerle, zum Beispiel ihren Life-Coach, der sie in den Wahnsinn treibt. Wenn er nur nicht so gut aussehen würde … Dass schöne Männer immer Ärger machen, weiß auch Anna, seit sie sich auf Amrum in den charmanten Piet verliebt hat – aber nach dem Ende des Sommerflirts überzeugt ist, nie wieder auf ihre Trauminsel zurückkehren zu können … Und Verlagsleiterin Lina, die auf Caros neuen Bestseller wartet? Die findet sich unerwartet auf Sylt wieder – wo die frische Nordseebrise ihr noch ganz andere Überraschungen vor die Füße weht … Jetzt als eBook kaufen und genießen: »Zwischen den Wellen glitzert das Meer« von Bestsellerautorin Gabriella Engelmann vereint die miteinander verbundenen Feelgood-Romane »Ein Kuss, der nach Lavendel schmeckt«, »Zeit der Apfelrosen«, »Inselglück und Friesenkekse« und »Der Duft von Glück und Friesentee« zu einem humorvollen Lesevergnügen, das die Fans von Meike Werkmeister und Karen Swan begeistern wird. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 409
Über dieses Buch:
Manchmal ist das Leben stürmisch wie das Meer, obwohl in der Liebe Ebbe herrscht: Das weiß auch Autorin Caro, die in ihren Romanen allen ein Happyend beschert, aber selbst vor den Scherben ihrer Beziehung steht. Wird ein Provence-Urlaub ihr Herz heilen – und die Inspiration für ein neues Buch bescheren? In Sachen Liebeskummer ist ihr Olivia einen Schritt voraus: Sie ist nur noch wütend auf ihren Ex. Und überhaupt auf alle Kerle, zum Beispiel ihren Life-Coach, der sie in den Wahnsinn treibt. Wenn er nur nicht so gut aussehen würde … Dass schöne Männer immer Ärger machen, weiß auch Anna, seit sie sich auf Amrum in den charmanten Piet verliebt hat – aber nach dem Ende des Sommerflirts überzeugt ist, nie wieder auf ihre Trauminsel zurückkehren zu können … Und Verlagsleiterin Lina, die auf Caros neuen Bestseller wartet? Die findet sich unerwartet auf Sylt wieder – wo die frische Nordseebrise ihr noch ganz andere Überraschungen vor die Füße weht …
Über die Autorin:
Gabriella Engelmann, geboren 1966 in München, lebt in Hamburg. Sie arbeitete als Buchhändlerin, Lektorin und Verlagsleiterin, bevor sie sich ganz dem Schreiben zu widmen begann – und mit ihren Romanen nun regelmäßig auf den Bestsellerlisten steht.
Die Autorin im Internet:
www.gabriella-engelmann.de
www.facebook.com/AutorinGabriellaEngelmann
www.instagram.com/gabriellaengelmann
Als eBook veröffentlichte Gabriella Engelmann bei dotbooks bereits die vier Kurzromane der Glücksglitzern-Serie – »Ein Kuss, der nach Lavendel schmeckt«, »Zeit der Apfelrosen«, »Inselglück und Friesenkekse« und »Der Duft von Glück und Friesentee« –, die auch in einer Anthologie unter dem Titel »Zwischen den Wellen glitzert das Glück« erschienen sind.
Außerdem erschienen bei dotbooks ihre Romane »Nur Liebe ist schöner« und »Schluss mit lustig« sowie die Kurzromane »Eine Liebe für die Ewigkeit«, »Verträumt, verpeilt und voll verliebt«, »Te quiero heißt Ich liebe dich«, »Kuss au chocolat« und »Dafür ist man nie zu alt«.
Als Hörbuch sind bei dotbooks die folgenden Titel von Gabriella Engelmann erschienen: »Ein Kuss, der nach Lavendel schmeckt«, »Zeit der Apfelrosen« und »Dafür ist man nie zu alt«
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Sammelband-Originalausgabe Juli 2023
Copyright © der Sammelband-Originalausgabe 2023 dotbooks GmbH, München
»Ein Kuss der nach Lavendel schmeckt« basiert auf der Geschichte »Monsieur X», die 2005 in der Anthologie »Sommer, Meer und Lachen«, herausgegeben von Marie von Helden, im Knaur Taschenbuch Verlag, München, erschien. Copyright © der ursprünglichen Fassung 2005 Gabriella Engelmann. Copyright © dieser Originalausgabe 2017 dotbooks GmbH, München.
»Zeit der Apfelrosen« basiert auf der Geschichte »Und es war Sommer«, die die Autorin 2011 unter dem Pseudonym Rebecca Fischer in der Anthologie Immer schön cool bleiben, herausgegeben von Uta Rupprecht, im Diana Verlag, München, veröffentlichte. Copyright © der vorliegenden Originalausgabe 2017 dotbooks GmbH, München
»Inselglück und Friesenkekse« basiert auf Gabriella Engelmanns Kurzgeschichte »Süße Sünden«, veröffentlicht 2006 im Knaur Taschenbuch Verlag in der Anthologie »Schokokeks & Liebesperlen« – Verwöhngeschichten für tolle Frauen«, herausgegeben von Marie van Helden. Copyright © der Originalausgabe 2018 dotbooks GmbH, München
Copyright © der Neuausgabe von »Der Duft von Glück und Friesentee« 2019 dotbooks GmbH, München.
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: ZERO Werbeagentur, München
Coverabbildung: Collage unter Verwendung von Motiven von shutterstock.com
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ah)
ISBN 978-3-98690-745-7
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Gabriella Engelmann
Zwischen den Wellen glitzert das Glück
Vier Frauen. Vier Sehnsuchtsorte. Vier Lebensträume.
dotbooks.
Wo steckt Amor, wenn man ihn braucht …? Eigentlich ist Caro eine Expertin in Sachen Liebe – denn mit ihren gefühlvollen Romanen stürmt sie regelmäßig die Bestsellerliste. Doch als sie von ihrem Freund verlassen wird, merkt Caro, dass ein gebrochenes Herz im wahren Leben jede Menge unschöne Nebenwirkungen hat: von Frust-Kilos bis zur heftigen Schreibblockade! Caro möchte sich nur noch die Decke über den Kopf ziehen, aber das Abgabedatum für den neuen Liebesroman rückt bedrohlich näher. Also hofft sie, bei einem Spontanurlaub in der Provence neue kreative Energie tanken zu können. Womit Caro nicht rechnet: dass dort ein attraktiver Unbekannter auf sie wartet – und das Chaos erst richtig losgeht!
»Sie wissen schon, dass wir Sie auf Schadenersatz verklagen können, wenn Sie den Roman nicht wie geplant liefern, Frau Kollwitz?«
Dr. Lina Peters, ihres Zeichens Programmleiterin des Ressorts Frauenunterhaltung, mustert mich aus eisblauen Augen, ohne jede Miene zu verziehen. »Und den Vorschuss auf Ihr Honorar hätten wir dann auch gerne zurück.«
Schweißperlen bilden sich auf meiner Nase, mein Herz flattert wie die Flügel eines Vogels, der aus seinem Käfig ausbrechen will. Mein persönlicher Käfig heißt Grundmann Verlag, die Käfigwärterin hört auf den Namen Peters.
»Ich … ich weiß«, murmle ich verlegen und starre auf die Spitze meiner Schuhe. Es sind sehr schöne Schuhe, mein aktuelles Lieblingspaar, und ich wünschte, ich könnte sie nun wie Dorothy in Der Zauberer von Oz dreimal zusammenschlagen und wäre schon zu Hause. Auch wenn ich im Moment streng genommen keins habe. Aber dafür können die Schuhe natürlich nichts, die ich – wie mir jetzt gerade auffällt – dummerweise vergessen habe zu putzen. Mein Leben ist derzeit ein wenig aus den Fugen geraten, anders kann man es nicht sagen. Aber wenigstens habe ich es geschafft, aufzustehen, mich zu schminken und pünktlich im Verlag zu erscheinen, wohin ich zu einem Gespräch gebeten wurde, um über mein nächstes Buch zu sprechen.
Oder vielmehr darüber, was passiert, wenn ich meinen Vertrag nicht erfülle und keinen neuen Liebesroman abliefere. Und »gebeten« kann man in diesem Fall getrost durch ein »zitiert« ersetzen.
»Es ist nur leider so, dass mein Freund … nun ja, er hat mich vor einem Monat verlassen.«
Keine Reaktion von meinem Gegenüber.
»Wegen einer anderen«, konkretisiere ich den Tatbestand.
Aber: keine Reaktion.
»Wegen einer Jüngeren«, ziehe ich die ultimative Waffe, die zuverlässig für Frauensolidarität sorgt, und zwar weltweit. Mitleid heischend schaue ich Frau Dr. Peters an, die jedoch vollkommen ungerührt ihren Kaffee trinkt.
»Nun, also … mir geht es einfach zurzeit nicht gut, und ich habe großen Liebeskummer.«
Ob Frau Dr. Peters überhaupt eine Ahnung davon hat, wie sich die schlimmste aller Krankheiten anfühlt?
Seltsam, ich weiß kein bisschen über ihr Privatleben. Hat sie überhaupt eins? Ist sie verheiratet? Lebt sie alleine? Hat sie Kinder? Liebt sie Männer, Frauen oder hochpreisige Küchenmaschinen, mit denen sie Gemüse in Sekundenbruchteilen so klein hackt, wie ich mich gerade fühle?
»Das tut mir aufrichtig leid«, antwortet die Lektorin. Ihr Blick straft diese Aussage allerdings Lügen: Nichts tut ihr leid, außer der Tatsache, dass ich gerade nicht so zuverlässig bin, wie sie es sonst von mir gewohnt ist. »Vielleicht können Sie dieses Gefühlschaos ja nutzen, um es in Ihrer Geschichte zu verarbeiten. Schreiben Sie über eine Frau in Ihrer Situation, aber bitte mit Happy End. Sie wissen schon: so was wie Krise als Chance, neue Wege, neue Männer …« Sie macht mit der rechten Hand eine wedelnde Bewegung in der Luft, als würde sich der Roman, auf den sie wartet, dadurch von selbst schreiben. »Frauen ab 40 sind noch nicht aus dem Rennen.« Dr. Peters gibt ein undefinierbares Geräusch von sich, in dem möglicherweise Spurenelemente eines freundlichen, motivierenden Lachens enthalten sein könnten. »Und das gilt auch für Autorinnen mit Schreibblockade. Glauben Sie mir, liebe Frau Kollwitz, Sie sind ganz sicher nicht die Erste und Einzige, der so etwas passiert.«
Ich fasse Hoffnung. »Und was raten Sie Autorinnen in dieser Ausnahmesituation?«
»Dass es keine gute Idee ist, unsere langjährige, gute Zusammenarbeit zu gefährden. Das wollen Sie doch sicher nicht?«
Nein, will ich nicht.
Es ist ja nicht so, dass ich nicht gerne schreiben würde – ganz im Gegenteil. Seit ich vor vier Jahren meinen ersten Liebesroman im Grundmann Verlag veröffentlicht habe, konnte ich mein Lieblingshobby zum Beruf machen und davon leben. Das ist aber auch genau das Problem, das mir gerade im Nacken sitzt: Ich schreibe nicht nur, weil ich es liebe, Geschichten zu erzählen – ich brauche das Geld. Und im Moment dringender als jemals zuvor, schließlich bin ich gezwungen, mir kurzfristig eine neue Wohnung zu suchen, oder zumindest ein WG-Zimmer, da der Hamburger Immobilienmarkt sich zurzeit gebärdet wie eine raffgierige, geizige Diva.
»Und vor allem«, die Programmleiterin fixiert mich mit ihrem Blick, als sei sie die Schlange und ich das Kaninchen, »außerdem wollen Sie doch Ihre Leserinnen nicht enttäuschen, Frau Kollwitz, oder?«
»Auf gar keinen Fall!«, platzt es aus mir heraus. Ich liebe meine Leserinnen! Ohne sie würde diese ganze Schufterei keinen Spaß machen.
»Na, sehen Sie, dann haben wir doch das gleiche Ziel. Sie sind jetzt seit drei Wochen im Verzug – aber Sie haben doch sicher schon den Großteil der Kapitel geschrieben, richtig?«
Oha. Bisher dachte ich, es könnte nicht unangenehmer werden. Kann es aber offensichtlich doch.
»Sozusagen.«
»Und das heißt …?«
Ich merke, wie mein Hals trocken wird. Interessant, vermutlich wird die Feuchtigkeit gerade an anderer Stelle gebraucht – in meinen Augen.
»Das heißt, dass ich … Also … nach der Grundidee, die ja dieses Mal sehr schwer zu finden war …«
»… nachdem wir Sie vor ein paar Monaten hier im Detail besprochen haben?«
Dieses Biest! Wäre ich nicht gerade viel zu niedergeschlagen, um wütend zu werden, dann …
Aber sie hat ja recht.
»Die Geschichte funktionierte für mich leider nicht so, wie ich gehofft hatte, also habe ich noch mal neu angefangen«, rechtfertige ich mich, »aber die Situation mit meinem Freund, die ist schon länger nicht besser, und als ich dann loslegen wollte mit dem Roman, da …« Ich sehe mein Gegenüber Hilfe suchend an.
Frau Dr. Peters seufzt theatralisch. Dann scheint sie sich einen inneren Ruck zu geben; es wirkt auf mich ein wenig so, als würde ein kalter Killerroboter das selten genutzte Unterprogramm »Menschlichkeit« abrufen wollen. »Fahren Sie doch einfach mal ein paar Tage weg«, schlägt sie vor, »lüften Sie Ihren Kopf, kommen Sie auf andere Gedanken, holen Sie sich Inspiration.« Wieder vollführt sie diese wedelnde Handbewegung.
Betreten murmle ich so was wie »Gute Idee«.
»Und dann sprechen wir uns in vier Wochen wieder, wenn Sie das komplette Manuskript persönlich bei mir abliefern.«
In vier Wochen? Herrje. Zugegeben, ich habe zwei meiner Romane innerhalb eines Monats zu Papier gebracht, aber da ging es mir auch gut. Vier Wochen, das schaffe ich nie, das ist …
»Ansonsten hören Sie von unserem Anwalt, Frau Kollwitz, so leid es mir tut.«
»Das ist kein Problem!«, behaupte ich schnell.
Und dann bin ich auch schon entlassen.
Vor der Tür sitzt ein wunderhübsches Mädchen, das sich nun mit der Anmut einer Elfe erhebt und meiner Peinigerin ein strahlendes Lächeln schenkt. Natürlich weiß ich, wer das ist. Dieses Zauberwesen namens Jolly Hope hat ein Vermögen mit eBooks verdient, die sie im Selbstverlag herausgebracht hat, und soeben ist nun ihr erster gedruckter Roman bei Grundmann erschienen. Sie ist blutjung, hat Modelmaße, lässt sich auf Fotos extrem gut in Szene setzen und hat gefühlt eine Trillion Follower auf Instagram. Man kann also mit Fug und Recht sagen, dass wir so ziemlich nichts gemeinsam haben. Außer vielleicht, dass ihr Roman genau auf der Doppelseite in der Programmvorschau des Verlags steht, für die eigentlich mein neues Werk vorgesehen war … und sie noch dazu offensichtlich ihr Manuskript pünktlich abgegeben hat.
»Lina, wie schön!«, flötet Jolly Hope, als würde sie eine alte Freundin treffen und nicht die gestrenge Programmleiterin aus der Hölle. Ich linse zu meiner Peinigerin hinüber.
»Jolly, meine Liebe!«, tiriliert diese nun auch. »Wunderbar, dass du schon da bist – wollen wir die Pläne für das Marketing und die Lesereise vielleicht bei einem kleinen Lunch besprechen?« Oha. Man ist nicht nur beim »Du«, man mag sich offensichtlich. Klar, ich würde Frau Dr. Peters auch deutlich mehr im Herzen tragen, wenn sie mir nicht mit dem Anwalt drohen würde, sondern vorhätte, mich zum Star aufzubauen.
Ich grüße, doch die Elfe antwortet nicht, da sie bereits auf langen Beinen und Louboutins in schwindelerregender Höhe durch die Tür der Programmleiterin gestöckelt ist.
»Wie wäre es vorher mit einem Gläschen Champagner?«, höre ich Frau Dr. Peters zwitschern, immer noch den leicht bitteren Geschmack von abgestandenem Kaffee auf der Zunge.
Meine Beine fühlen sich an, als wären sie aus Blei. Aber ich will mir nicht anmerken lassen, wie sehr mich das Gespräch – und die kurze Begegnung mit dem neuen Superstar der Romance-Unterhaltung – mitgenommen hat. Also ziehe ich die Schultern nach hinten und marschiere mit hocherhobenem Kopf durch die langen Flure, grüße hier und da einen Mitarbeiter und schaffe es so, mit größtmöglicher Haltung am Empfang vorbei nach draußen zu kommen.
Kaum bin ich aus dem Verlagsgebäude heraus, halte ich einen Moment inne, um mich wieder zu sammeln. Was für ein Albtraum! Wie soll ich das schaffen? Wenn die Peters wirklich Anwälte einschaltet … bin ich dann am Ende vorbestraft? Und das alles nur wegen meines gebrochenen Herzens?
Nachdenklich betrachte ich den vor mir liegenden Hamburger Hafen, einen Ort, den ich ganz besonders liebe. Aber selbst dieser Anblick kann mich gerade nicht trösten.
Schräg gegenüber befinden sich die Docklands, um mich herum Restaurants der Spitzenklasse. Dieser Teil des Hafens ist keineswegs urig, sondern denjenigen vorbehalten, mit denen das Leben es gut meint. Autorinnen, die gerade ins Straucheln geraten sind, haben an diesem Ort genauso wenig verloren wie dunkle Regenwolken am strahlend blauen Sommerhimmel.
Tief seufzend, den Kopf voller düsterer Gedanken, lehne ich mich ans Geländer und schaue Containerschiffen dabei zu, wie sie sich von Lotsen und Schleppern durch die Elbe navigieren lassen. Ein Anblick, der mir normalerweise das Herz wärmt, mich aber diesmal innerlich bibbern lässt.
Jetzt hilft nur noch eins.
»Paula, ich brauche deine Hilfe, kann ich vorbeikommen?«, frage ich, nachdem ich mein Handy aus der Beuteltasche gefischt und meine beste Freundin angerufen habe.
Ich brauche jetzt dringend jemanden, der mich durch die Untiefen meiner akuten Krise navigiert. »Frau Dr. Peters droht, mich zu verklagen, wenn ich nicht pünktlich liefere.«
Paula tut genau das, was beste Freundinnen in Momenten wie diesen tun sollten: Sie lädt mich zu sich nach Hause ein. »Was du jetzt brauchst, sind die drei Ts!«, sagt sie. Ich weiß genau, was gemeint ist: ein Trost-Gespräch, dazu Trost-Essen und Trost-Rotwein.
Dass ich zu allem Überfluss gerade drohe auch in körperlicher Hinsicht aus den Fugen zu geraten, weil ich versuche, meine Krise durch Unmengen Chips und gesalzene Erdnüsse zu kompensieren, ignoriere ich. Denn Paulas Moules frites sind ein Traum! Auf diese Kalorien kommt es nun auch nicht mehr an.
Paula hegt eine große Sympathie für alles, was mit Frankreich zu tun hat, wohingegen ich seit einem Besuch in Paris nicht mehr ganz so begeistert bin. Was aber in erster Linie daran liegt, dass Stefan mir den Urlaub vermiest hat, weil er ständig über die Arroganz der Franzosen schimpfte. Genau wie über deren Politik, Filme und Lebensart. Savoir vivre und laissez faire sind eine Bedrohung für einen Mann, der nichts dem Zufall überlässt. Eigentlich sollte ich froh sein, dass ich ihn los bin.
Und das bin ich auch, irgendwie. Ich brauche keinen Mann, der mir beim Anblick des Eiffelturms erklärt, dass er sich ganz sicher nicht mit mir davor fotografieren lassen wird, weil er das kitschig und abgeschmackt findet. (Auf die Idee hätte ich vor fünf Jahren kommen können, da wäre mir einiges erspart geblieben.) Ich brauche einen Mann, der mich so nimmt, wie ich bin, der mir meine kleinen – jawohl! – kitschigen Wünsche nicht übel nimmt, sondern von den Augen abliest. Ohne Stefan bin ich besser dran, jawohl.
Leider weiß das vor allen Dingen mein Kopf.
Ich seufze und schüttle mich. Weg mit den trüben Gedanken – auf zu den drei Ts!
***
»Bon?«, fragt Paula anderthalb Stunden später.
»Merveilleux!«, lobe ich das leckere Essen, das meine beste Freundin mal eben so aus dem Ärmel gezaubert hat. Die frischen Miesmuscheln in Kräuter-Weißwein-Sud und die Pommes frites sind der Hit!
Paula ist eine absolute Genießerin und leidenschaftliche Köchin. Doch das ist nicht das Einzige, worin sie gut ist: Im Gegensatz zu mir nimmt sie die Dinge viel leichter, viel optimistischer. Und das ist erstaunlich, weil sie als freiberufliche Grafikerin auch von den Launen ihrer Auftraggeber abhängig ist und, wie sie manchmal lachend sagt, mit einem Fuß immer vor dem drohenden Konkurs steht. Trotzdem kann ich mich gar nicht daran erinnern, wann ich sie zuletzt wirklich deprimiert oder gar verzweifelt erlebt hätte.
»Was hältst du davon, die Idee deiner Lektorin aufzugreifen und tatsächlich Urlaub zu machen?«, schlägt sie nun vor. »Du könntest zum Beispiel endlich mal deinen Traum verwirklichen und nach Südfrankreich fahren, was du ja leider nie geschafft hast, weil Stefan dir bei deinen Plänen im Weg war.«
Stimmt! Nach dem Paris-Debakel brauchte ich nur das Wort Frankreich zu erwähnen, und mein Freund ging ab wie eine Rakete.
»Das mache ich auf gar keinen Fall!«, platzt es aus mir heraus. »Ehrlich, ich schwör’s dir – eher sterbe ich!«, versichere ich und versuche, so auszusehen, als ob mich ein Urlaub in Südfrankreich tatsächlich umbringen könnte.
»Spreche ich gerade mit meiner Freundin oder ihrem blöden Ex?«, will Paula provokant wissen. »Vielleicht ist das ja wirklich die Lösung deines Problems, Caro! Wäre eine Extraportion Frankreich und Sonne vielleicht die beste Therapie, um Stefan endgültig aus deinem System zu schwitzen?«
Ich beschließe, mir ab sofort eine neue beste Freundin zu suchen.
»Ich kann das nicht.«
»Vielleicht entspannt dich dieser Urlaub ja ein bisschen. Und wer weiß? Womöglich erlebst du dort so viel, dass sich dein nächstes Buch wie von selbst schreibt.«
»Ich. Kann. Das. Nicht.«
»Ach, Caro …« Paula schüttelt den Kopf. »Das Einzige, was du nicht kannst, ist, jetzt zur Köhlbrandbrücke zu fahren und runterzuspringen – denn das würde ich dir nie verzeihen. Alles andere kannst du sehr wohl. Also, mach endlich!«
Wenn das mal so einfach wäre … Obwohl ich 42 bin, war ich noch nie, noch nie in meinem Leben alleine im Urlaub. Der Gedanke macht mir richtig Angst. Und darum habe ich auch nicht vor, jetzt mit solchen Sperenzchen anzufangen.
Nein, ich werde brav in Hamburg bleiben, mir eine neue Bleibe suchen und dann gaaaanz tief durchatmen. Durchatmen und endlich den Roman schreiben, den der Verlag von mir erwartet. Über eine Frau, die sich verliebt, dann ganz gemein betrogen wird und am Ende zur Köhlbrandbrücke … aber nein, rufe ich mich zur Ordnung, das ist vermutlich nicht das, was Dr. Lina Peters unter einem Happy End versteht.
»Was ist dein Problem, Caro? Wenn’s das Geld ist, kein Problem, das leihe ich dir.«
»Ganz ehrlich? Ich habe kein gutes Gefühl dabei, alleine essen zu gehen und mit niemand anderem reden zu können als mit mir selbst. Gerade jetzt, wo mir die Decke auf den Kopf fällt und ich Angst habe, später mal mutterseelenalleine zu sterben. Dann dieses Gefühl, dass alle anderen sehen, dass ich allein unterwegs bin. Was die sich dann denken: Hmmm, so alt und ohne Mann an ihrer Seite, mit der stimmt ja sicher irgendetwas nicht? Und ich habe Panik vor allem, was mir auf Reisen passieren könnte so ganz allein. Mein Französisch ist ziemlich eingerostet, und der Franzose an sich spricht ja nun eher wenig Englisch. Angenommen, ich werde krank, was dann?«
Paula grinst, weil sie genau weiß, dass ich zu einer gewissen Form von Hypochondrie neige.
»Sollte dieser unwahrscheinliche Fall eintreten, du kleine Memme, gibt es auch in der Provence Ärzte, und notfalls sogar ein Krankenhaus. Außerdem muss es ja auch gar nicht Südfrankreich sein, wenn dir der bloße Gedanke daran schon Bauchschmerzen macht. Du könntest auch ein paar Tage nach St. Peter-Ording fahren oder nach Föhr. Dort ist es auch schön. Andererseits … mhhmmmm, ist dieser Bordeaux nicht köstlich?« Paula leckt sich mit ihrer hübschen, hellrosa Zunge genüsslich über die Lippen. »Wenn ich du wäre, würde ich keine Sekunde zögern und meine Koffer packen. Wirklich schade, dass ich momentan nicht hier wegkann, sonst würde ich dich begleiten.«
»Das finde ich auch, gemeinsam wäre das alles nämlich viel netter«, seufze ich. »Aber ich kann so oder so erst losfahren, wenn ich den Umzug hinter mir habe. Und das schaffe ich auch nur, wenn ich blitzschnell eine neue Wohnung finde.«
Wirklich zu blöd, dass ich damals zu Stefan in dessen Eigentumswohnung nach Uhlenhorst gezogen bin und dafür mein schnuckeliges Apartment in Ottensen aufgegeben habe.
»Es ist also vor allem das Problem mit dem Umzug, das dich hier hält?«, sagt Paula so leichthin, als wüsste sie nicht, wie kompliziert es ist, eine neue Bleibe zu finden. Ich wittere die ultimative Entschuldigung, gegen die auch meine Freundin mit ihrem Optimismus nicht ankommt, und sage: »Ja, genau. Ich kann erst wegfahren, wenn ich weiß, wohin ich danach zurückkommen kann – und Uhlenhorst ist das ganz sicher nicht.«
»Was hältst du davon, erst mal für eine Weile zu mir zu ziehen?«, schlägt Paula mit einem herausfordernden Lächeln vor. »Natürlich müsstest du einen Teil deiner Sachen irgendwo zwischenlagern, aber ich kann durchaus mal für eine Weile auf mein Arbeitszimmer verzichten und es für dich freiräumen. Dann wärst du schon mal eine Sorge los und kannst dir ganz in Ruhe etwas Passendes suchen – wenn du aus dem Urlaub zurückkommst.«
Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Einerseits wird mir gerade die tonnenschwere Last von den Schultern genommen, auf der Straße zu landen … andererseits habe ich nun wirklich keine Entschuldigung mehr, mich nicht allein in den Urlaub zu trauen.
»Das ist psychologische Kriegsführung!«, grummle ich.
»Das ist ein Beweis meiner Freundschaft, dass ich dich hier einziehen lasse«, erklärt Paula mir leicht tadelnd – und setzt dann mit einem breiten Grinsen hinzu: »Und ja, psychologische Kriegsführung ist es natürlich auch!«
In der Tat haben Paula und ich gemeinsam mit ein paar Freunden zwei Tage später den Umzug klargemacht und den Rest meiner Möbel im Keller meiner Eltern zwischengelagert.
Stefan bekomme ich in dieser Zeit zum Glück nicht zu Gesicht, denn er wohnt im Liebesnest von Yvonne, der neuen Frau seines Lebens, solange er befürchtet, meinen Weg kreuzen zu müssen. Er lässt mich lediglich wissen, wann und wo ich den Schlüssel abzugeben habe, und dass er mir dann natürlich noch die Nebenkostenabrechnung für die erste Jahreshälfte schickt. »Aber ich will kein Unmensch sein, ich verlange keine Mietzahlungen mehr von dir, sobald du ausgezogen bist, obwohl sie mir natürlich bis zum Ende einer normalen Kündigungsfrist zustehen würden«, erklärte er jovial am Telefon. Mein erster Impuls ist, mich dafür zu bedanken. Mein zweiter ist dann aber zum Glück, ihm spontan ein paar Dinge an den Kopf zu werfen, die ich ihm eigentlich schon längst mal hätte sagen sollen. Als ich fertig bin, merke ich, dass er zwischendurch aufgelegt hat. Stattdessen bekomme ich eine SMS: Leider besitzt du nicht die Reife und Größe, die ich in dir vermutet hatte. Du hast mich sehr enttäuscht durch deinen Ausbruch.
Wie jetzt – auf einmal ist alles meine Schuld, oder was? Allmählich dämmert mir, wieso Paula ihn nie wirklich ausstehen konnte. »Der Mann ist ein Wolf im Schafspelz«, war ihr erster Kommentar, nachdem ich beide einander vorgestellt hatte.
Nur ich war damals viel zu sehr verliebt, um zu merken, dass ich das dumme Schaf war, das überhaupt nicht zu Stefan passte, und viele meiner Bedürfnisse ihm zuliebe hintenanstellte. Aber damit ist jetzt Schluss. Die alte Caro Kollwitz, die jeden Kompromiss gemacht hat und sich nichts traut, ist Geschichte. Die neue Caro ist ganz anders, jawohl!
***
Etwas mulmig ist es der neuen Caro schon, aber vier Tage später fahre ich mit dem Auto tapfer die Straße entlang, die sich wie eine staubbedeckte Schlange zum Hotel Bastide de Gordes hinaufwindet. Paula hat mich in dem Gedanken bestärkt, es mir auf diesem Kurztrip nach Südfrankreich gut gehen zu lassen und mir ein tolles Hotel zu gönnen. »Wozu hast du schließlich die letzten Jahre geschuftet und ein Buch nach dem anderen geschrieben?«, wollte sie wissen. »Immerhin bist du hochoffiziell Bestsellerautorin.«
Ja, schon richtig. Zumindest noch. Allerdings hat sie eine etwas naive Vorstellung von dem, was man als Bestsellerautorin heute so verdient …
Wie eine staubbedeckte Schlange, das klingt literarisch, das klingt gut, denke ich, während ich den Mietwagen, den ich ab dem Flughafen von Marseille genommen habe, die Serpentinen hinauflenke. Vielleicht könnte diese Metapher ein schöner Auftakt zu meinem neuen Roman sein? Während ich dem Gedanken nachhänge, vermeide ich es, nach links zu schauen. Da geht es nämlich ziemlich tief runter … und im Steilflug sieht selbst die schönste französische Landschaft vermutlich recht tödlich aus.
Nach meiner Ankunft vor dem Hotel wuchte ich meinen Koffer aus dem Auto. Wie immer habe ich viel zu viel eingepackt: Klamotten ohne Ende, mein komplettes Pflegearsenal und einen großen Stapel Bücher, sogar das neue Werk von Jolly Hope, das gerade erschienen ist und mich vom Bestsellertisch meiner Lieblingsbuchhandlung höhnisch anlachte. Drei Stapel lagen da, ich habe nachgezählt. Sogar der neue Nordseekrimi Tödliches Watt von Sören Marquardt, einem der anderen Erfolgsautoren des Grundmann Verlags, und das gefühlt hundertste Historienepos von Marlene Konrad, Das Geheimnis der Enkelin der Marketenderin, brachten es nur auf zwei Stapel. Von meinem letzten Werk, Eine Spur von Liebe, war auf dem Tisch keine Spur zu finden. Frechheit! Mal sehen, ob ich Jolly Hopes (auch noch mit Glitzerstaub veredeltes!) Buch wirklich lese. Ansonsten kann ich es ja auch immer noch im Pool ertränken.
Und schon geht es los mit den Problemen: Als ich noch mit Stefan verreist war, hat er die schweren Sachen getragen. Aber jetzt? Jetzt, da ich ein wenig männliche Muskelkraft benötige, ist natürlich weit und breit niemand in Sicht. Allein verreisen ist furchtbar, es ist …
»Je peux vous aider?«, reißt mich eine freundliche Stimme aus meinen Gedanken. Vor mir steht der junge Alain Delon und strahlt mich so freundlich an, als habe er sein Leben lang nur darauf gewartet, mir Hilfe anzubieten.
»Äh, ja, also …« An meiner Souveränität muss ich eventuell noch arbeiten. Denn natürlich ist das hier nicht der Klon des legendären französischen Schauspielers, sondern ein Hotelmitarbeiter, der mich freundlich willkommen heißt und mein Kofferungetüm davonträgt, als hätte ich maximal Wattebäusche eingepackt. Alles kein Problem, denke ich und meine, eine weitere Stimme zu hören, die verdächtig nach Paula klingt und mir sagt: Also hör auf, welche zu sehen!
Nachdem ich eingecheckt und meine Sachen ausgepackt habe, mache ich mich auf den Weg zur Sonnenterrasse. Diese Terrasse – mit einem spektakulären Blick über das Tal von Gordes – soll während der nächsten Tage meine Heimat sein. Zugegeben ein ziemlich kostspieliger Aufenthaltsort, aber was tut man nicht alles, wenn man Opfer einer heimtückischen Schreibblockade geworden ist? Außerdem kann ich es vollkommen reuelos genießen, denn ich zahle diesen Traum von einem Luxushotel noch nicht mal. Als ich meinen Eltern gestanden habe, dass Stefan und ich uns getrennt haben, hat mein Vater einen kleinen Jubelschrei ausgestoßen und mir kurzerhand diese Auszeit vom Alltag spendiert.
»Aber das ist teuer«, gab ich zu bedenken.
»Nichts ist zu teuer, um zu feiern, dass dieses ewig nörgelnde Weichei nun doch nicht mein Schwiegersohn wird!«
Ich muss grinsen, als ich daran denke, wie sehr sich auch meine Mutter gefreut hat. Und es ist schön, so von meinen Eltern verwöhnt zu werden!
Bekleidet mit meinem neuen Badeanzug – den habe ich mir tatsächlich selbst gekauft – und einem wunderbaren Hotel-Bademantel darüber, belege ich eine Liege am Pool, dem Herzstück der rustikal gemauerten Terrasse, die zum Glück noch frei ist. Vorsichtig sehe ich mich um: Werde ich schon angestarrt? Aber tatsächlich scheint mich niemand groß zu beachten; die Frau zwei Liegen weiter lächelt mich freundlich an, das war es aber auch schon. Habe ich mir vielleicht zu viele Sorgen gemacht?
Ich atme tief durch, genieße den Ausblick und die Sonne auf meiner Haut und greife voller Tatendrang zu meinem neuen Moleskin. Schließlich hat schon Hemingway Notizbücher dieser Art benutzt, um seine Gedanken zu Papier zu bringen, bevor seine Romane zu Welterfolgen wurden.
Wenn das mal kein gutes Omen ist!
Allerdings sind die Seiten meines Notizbuchs noch jungfräulich weiß und leer, was sich dringend, dringend ändern muss.
Aus meiner großen Umhängetasche angle ich nun noch einen überdimensionierten Strohhut und meine Gucci-Sonnenbrille. Damit fühle ich mich so weit getarnt, dass mir die anderen Gäste nicht gleich an der Nasenspitze ansehen, wie es um mich und mein Seelenheil bestellt ist. Und dass ich hier bin, um zu arbeiten. Ich bin keine arme Singlefrau, die selbst im Urlaub noch ackern muss, sondern eine mondäne Alleinreisende, die das Leben genießt!
Und tatsächlich: Schneller als gedacht zieht mich der Zauber Südfrankreichs in seinen Bann und schließt mich tröstend in seine Arme. Ich atme diesen unvergleichlichen, betörenden Duft der Provence ein, auf den ich mich so gefreut habe. Wie gut das tut! Beglückt inhaliere ich das Aroma von Lavendel, Sommersonne, Pinienwäldern und Kräutern – ein Potpourri, wie es nur in Südfrankreich zu finden ist. Sagen zumindest Bestsellerautoren wie Nina George, Sophie Bonnet oder Peter Mayle, Letzterer ein ausgewiesener Provence-Experte, dessen Bücher ich früher quasi weggeatmet habe und der irgendwo hier in der Nähe lebt.
»Darf ich Ihnen etwas zu trinken bringen?«, fragt eine Kellnerin, und ich denke, dass ein Schlückchen Alkohol meine lahmgelegte Kreativität vielleicht ein wenig beleben könnte. »Ein Pastis wäre nicht schlecht«, antworte ich spontan, obwohl ich dieses Getränk noch nie probiert habe. Aber nun bin ich ja in Frankreich, und da kann ich schlecht Aperol Spritz, Hugo und Bellinis trinken, oder?
Während ich von der Liege aufstehe und Platz an einem hübschen, aus Eisen gedrechselten Tisch nehme, versuche ich, unterhalb der Hutkrempe hervorzulugen und unauffällig die Personen zu mustern, die sich gemeinsam mit mir auf der Terrasse befinden. Alles in allem eine eher unspektakuläre, aber auch beruhigende Bilanz. Keine Brigitte Bardots, Catherine Deneuves oder Fanny Ardants in Sicht, neben denen ich mich klein und unbedeutend fühlen würde. Aber auch keine jungen und allein reisenden Gérard Depardieus (bevor er so unsympathische Dinge getan hat), Yves Montands (ach was, der ist ja auch schon lange tot) und leider auch kein Olivier Martinez oder sonstige Kaliber dieser Art, mit denen ich ein bisschen flirten und mein angeknackstes Selbstbewusstsein aufpolieren könnte. Es gibt, wenn ich das richtig sehe, nur zwei Männer, die ohne weibliche Begleitung hier sind. Bevor ich dazu komme, sie genauer zu mustern, kommt meine Zunge mit dem Pastis in Kontakt … und einem spontanen Reflex folgend, spucke ich den ersten Schluck quer über den Tisch, was sofort die Aufmerksamkeit des einen Herrn mir gegenüber erregt. Mein Gott, was ist das denn für ein widerliches Zeug! Es schmeckt nach allem, was ich aus tiefstem Herzen verabscheue: nach Lakritz, Anis und Fenchel! Und das soll neben Champagner das französische Nationalgetränk sein? Keine Frage, was ich stattdessen in meinem Urlaub zu trinken bestellen werde …
Um die peinliche Situation ein wenig zu kaschieren, täusche ich einen Hustenanfall vor und versuche, mithilfe eines Taschentuchs elegant die Spuren meiner Entgleisung zu verwischen.
»Darf isch Ihnen beilflisch sein?«, ertönt auf einmal die Stimme meines Gegenübers, nun verdächtig nah. Ich sehe hoch und blicke in ein Paar blaue Augen, die selbst Paul Newman vor Neid gelbgrün werden lassen würden. Zu diesen schönen Augen gehören – wenn ich das trotz des etwas blendenden Gegenlichts richtig erkennen kann – grau melierte Locken, ein Dreitagebart und ein beflissenes Lächeln. Mein Herz macht einen kurzen Sprung. Dieser kurze Glücksmoment verflüchtigt sich allerdings genauso spontan, wie er gekommen ist, als sich eine gestärkte Serviette meinen Lippen nähert und mein Gesicht abgetupft wird wie das eines Kleinkinds, das gerade seinen Spinat wieder ausgespuckt hat. Hallo? Geht’s noch?
»Dürfte isch Sie zu einem anderen Drink einladen?«, fragt nun die Stimme hinter der Serviette mit französischem Akzent und einem Timbre, das irgendwo zwischen »atemberaubend« und »ölig« anzusiedeln ist – ich kann mich noch nicht entscheiden. Ehe ich es mich versehe, sitzt der Mann neben mir am Tisch, und wir prosten uns mit eisgekühltem Dom Pérignon zu. So lässt es sich leben, denke ich, das ist eindeutig leckerer.
»Allors, was führt Sie an diesen bezaubernden Ort?«, fragt mein neuer Tischnachbar und sieht mich unverwandt neugierig an. Ich spüre förmlich, wie er seine Blicke von meinen Flip-Flops (die leider keinen besonders schlanken Fuß machen) über meine Beine (glücklicherweise rasiert) hinauf zum Bademantel (den ich nun am liebsten schamhaft nach unten ziehen würde) gleiten lässt. Ich überlege krampfhaft, was ich antworten soll. Denn das Letzte, worauf ich Lust habe, ist, ihm den wahren Grund meiner Anwesenheit auf die Nase zu binden. Ich beschließe, zwar thematisch in der Nähe der Wahrheit zu bleiben, aber eben nicht ganz. »Ich recherchiere für einen Krimi, der in dieser Gegend spielen soll.« Südfrankreich-Krimis sind zurzeit nämlich nicht nur schwer en vogue, sondern verkaufen sich auch noch wie geschnitten Baguette. »Und darf ich Sie fragen, was Sie hierherführt?«, spiele ich nun meinerseits die Boule-Kugel zurück, beglückt von der Vorstellung, derart schnell Kontakt geknüpft zu haben, auch wenn dieser Mann bei genauerem Hinsehen eigentlich gar nicht mein Typ ist. Wenn ich es recht betrachte, sieht er aus der Nähe sogar ein wenig aus wie die französische Ausgabe von Haarstylist Ric Pipino, dem Ex-Ex-Ex-Mann von Supermodel Heidi Klum. Tja, wer’s mag …
Ich persönlich finde den anderen Singlemann am anderen Ende der Terrasse, der interessiert beobachtet, was sich nach meinem Pastis-Unfall ereignet, viel, viel spannender. Er hat dunkle Haare (um seine Augenfarbe zu erkennen, bin ich eindeutig zu kurzsichtig), tolle Lachfältchen, ist braun gebrannt und sieht sehr geheimnisvoll aus. Leider vertieft er sich jedoch schnell wieder in die Lektüre seiner Zeitung, sodass ich keine Chance habe, weiter seine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Und den guten Champagner werde ich sicher nicht noch mal über den Tisch spucken!
Während der Graumelierte etwas von Weinhändler, guten Jahrgängen und Lourmarin erzählt, ertappe ich mich dabei, wie ich ihm gar nicht richtig zuhöre und stattdessen immer wieder Blickkontakt zu dem Dunkelhaarigen suche. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann zuletzt ein Mann, der nicht Stefan war, so meine Aufmerksamkeit erregt hat. Wie er wohl heißt? Ich werde ihn »Monsieur X« nennen, so wie Carry aus Sex and the City ihren Traummann auf den Namen »Mister Big« getauft hat. Das klingt geheimnisvoll und abenteuerlich!
Aber auch weit weg und unerreichbar …
Auf die Einladung zum Abendessen, ausgesprochen vom französischen Ric Pipino, gehe ich nur vage ein. Zwar stecke ich seine Visitenkarte höflich in die Tasche meines Bademantels, halte mich jedoch bedeckt in Hinblick auf eine konkrete Zusage. Meine Handynummer rücke ich auch nicht heraus und behaupte einfach, gar keines zu besitzen (Autorinnenallüren, n’est-ce pas? Ich erledige meine gesamte Korrespondenz via eMail und handgeschriebenen Briefen!), und bete, dass Armand (so lautet sein richtiger Name) nicht das neue Samsung aus meiner Tasche herausblitzen sieht. Monsieur X hat sich mittlerweile einen Café au Lait bestellt.
Nun muss Armand dringend los, jedoch nicht ohne zu bekräftigen, dass er ein wunderschönes Restaurant kenne, wo es sich in einer lauschigen französischen Sommernacht intim und kuschelig zusammen plauschen ließe. »Sie erreischen misch über die Rezeption – ich würde misch freue, Sie ganz gross auszuführän.« Wieder nicke ich unbestimmt, deute auf meinen geschlossenen Moleskin und murmle was von »muss noch arbeiten«.
»Oh ja, die Muse – sie will geküsst werden … so wie eine schöne Frau!«, ölt Armand. Ich unterdrücke den Impuls, ihm zu erklären, dass Musen in der Regel diejenigen sind, die küssen und nicht geküsst werden, und würde ihn gerne mit einem kleinen Schubs in den Pool befördern: Dieser Mann braucht dringend eine Abkühlung, so viel ist klar. Aber das würde bedeuten, dass ich ihn gar nicht mehr loswerden würde.
Um meinen Aufenthalt auf der Terrasse noch etwas zu verlängern – nicht auszudenken, Armand könnte den Eindruck bekommen, ich würde ihm nachlaufen! –, bestelle ich mir ebenfalls einen Café au Lait und schlage nun demonstrativ mein Notizbuch auf. Das sieht bestimmt wichtig aus und macht einen guten Eindruck! Hoffe ich jedenfalls. Aber was soll ich nur schreiben? Gedankenverloren kaue ich an meinem Kugelschreiber herum. Vielleicht sollte ich wirklich das Genre wechseln und auf Krimis umsatteln? Ich würde mit Sicherheit höhere Auflagen erzielen, genau wie höhere Honorare.
Dumm nur, dass mir das Krimi-Gen fehlt, was Stefan sonntags beim Tatort-Schauen regelmäßig zur Verzweiflung trieb. Es gab nur wenige Folgen, bei denen ich verstand, wie es zu dem Mordfall gekommen war – und warum überhaupt. Mein kriminelles Potenzial habe ich mit 13 Jahren ausgeschöpft, als ich – was für eine blöde Mutprobe in meiner Klasse – ein Überraschungsei aus dem Supermarkt mitgehen ließ (am Tag danach bin ich hingeschlichen und habe ein anderes Überraschungsei, das ich ordentlich am Kiosk gekauft hatte, hineingeschmuggelt). Es versteht sich von selbst, dass ich immer als Letzte begriff, wer der Bösewicht war und was ihn zu dieser Tat getrieben hatte. Stefan hingegen konnte mir meist schon nach zehn Minuten sagen, wo der Krimi-Hase längshöppelte, und erzielte mit seinen Prognosen eine erstaunlich hohe Trefferquote.
Und nun ist es also Yvonne, die sich an meiner Stelle an ihn kuschelt, wenn die beiden abends beim Filmeschauen auf dem Sofa sitzen … Bei der bloßen Vorstellung dreht sich mir beinahe der Magen um.
Ja, ich weiß, dass Stefan nicht der richtige Mann für mich war. Trotzdem trauere ich um … ja, um was genau? Nicht um ihn, nein, eher um uns. Und vor allem um mich als Teil einer Beziehung, die vielleicht nicht perfekt war, aber doch irgendwie gut aussah und mein Leben in den letzten Jahren geprägt hat. Wie lange wird es dauern, bis dieser bohrende Schmerz endlich nachlässt? Wochen, Monate, Jahre? Ich merke, wie meine Augen feucht werden.
Während ich mich in Kummer und Selbstmitleid verliere, erhebt sich Monsieur X plötzlich … und kommt direkt auf mich zu! Mein Herz bleibt stehen. Nein, halt, das tut es nicht, denn es schlägt so heftig, dass ich fast glaube, es will mit Gewalt aus meinem Körper ausbrechen. Noch 15 Meter … noch 10 Meter … Gott, dieser Mann sieht wirklich unverschämt gut aus, und dieser Körper, der Wahnsinn … und ich sitze hier mit rot schimmernden Augen? Schnell senke ich den Kopf, so aufgelöst kann ich doch nicht dem Mann meiner Träume zum ersten Mal »Hallo« sagen!
Noch fünf Meter, noch zwei Meter … ich schaue so konzentriert zu Boden, dass mir tatsächlich meine Brille von der Nase rutscht. Die gute Gucci! Ich bücke mich unter den Tisch … und in der Zwischenzeit löst sich Monsieur X wie durch Zauberhand in Luft auf.
Na ja. Man könnte auch sagen: Er ist an mir vorbeigegangen, ohne Notiz von mir zu nehmen – wie auch, ich war ja unter dem Tisch abgetaucht! –, und hat die Terrasse verlassen.
Was bleibt, ist ein Hauch von Rasierwasser, das verführerisch-frisch nach Lavendel und Gewürzen duftet … und eine vage Ahnung, dass ich etwas Entscheidendes verpasst habe.
Vier Tage bleibe ich im Hotel, sitze täglich auf der Terrasse, laufe gelegentlich vor Armand davon, dem auch meine Behauptungen, mal ein Mann gewesen zu sein beziehungsweise mit einem sehr eifersüchtigen Italiener verheiratet zu sein, nicht den Wind aus den Segeln nehmen, warte auf Inspiration … und Monsieur X! Doch weder sie noch er geben sich die Ehre – sehr zum Bedauern von Paula, die alle paar Stunden WhatsApp-Nachrichten schickt, um sich danach zu erkundigen, ob mir schon etwas eingefallen ist. Ich hasse es, wenn man Druck auf mich ausübt. Das ist aber nur einer der Gründe, weshalb mir partout keine neue Romanhandlung zufliegen will, und nicht einmal der entscheidende. Das traumhafte Ambiente des Bastide de Gordes, das gute Wetter, der Duft der Luft – das alles sorgt dafür, dass meine Gedanken watteweich mal hierhin, mal dahin hüpfen, ohne sich allzu konkret in eine stringente Reihenfolge bringen zu lassen, aus der sich zum Beispiel die Handlung eines Liebesromans entwickeln ließe. Zugegeben, das ist ein herrliches Gefühl … aber es hilft mir gerade nicht weiter. Zumal ich mich so gar nicht kenne. Ich bin bekannt dafür, dass ich eine Idee stringent entwickle und dann routiniert schreibe – deswegen gab es im Grundmann Verlag auch noch nie Anlass, unzufrieden mit mir zu sein. Jedes Halbjahr ein neuer Erfolgstitel, das soll mir mal jemand nachmachen. (Zugegeben, vermutlich soll mit die Elfe Hope das nun ganz konkret nachmachen, aber ich verdränge den Gedanken.) Was mir bei Dr. Lina Peters nun allerdings auch keinen Sympathiebonus oder auch nur ein paar Gummipunkte eingebracht hätte …
***
An Tag fünf beschließe ich, den Standort zu wechseln. Vielleicht ist diese Bergluft gar nichts für mich, vielleicht vernebelt sie nur das Gehirn, anstatt es frei zu pusten! Sollte ich lieber ans Meer fahren? Weht da nicht dieser Wind mit dem schönen Namen, dieser Mistral? Okay, einen Versuch ist es wert – also auf an die Küste! Ich habe schon so viel vom Jachthafen Port Grimeaud gelesen, da will ich jetzt hin. Also recherchiere ich im Internet nach einer neuen Bleibe und sage dem Luxushotel – wenn auch mit etwas schwerem Herzen – Adieu und Au revoir.
Am Nachmittag habe ich bereits den Schlüssel zu einem hübschen Apartment in der Tasche – und einen neuen, traumschönen Ort, von dem ich mir den endgültigen Durchbruch beim Schreiben erhoffe. Ich befinde mich in Grimeaud, dem bezaubernden Städtchen, das oberhalb des berühmten Jachthafens liegt. Nach einem ausgiebigen Sonnenbad, das leider auch keinen Kreativitätsschub ausgelöst hat, gehe ich abends an die Promenade am Hafen, um in einem der Restaurants zu essen. Natürlich nicht, ohne zuvor Paula meine Erlebnisse zu schildern, die im Grunde aus nichts anderem bestehen, als im hoteleigenen Swimmingpool zu baden, mir die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen und weiter über eine Geschichte für mein Buch zu grübeln. »Vielleicht würde ja Monsieur X einen guten Protagonisten abgeben?«, tippe ich in mein Handy.
»Super Idee«, meldet sich Paula innerhalb von Sekunden zurück.
Bei dem Gedanken an diesen tollen Mann muss ich unwillkürlich seufzen. Der strahlende Unbekannte, den die Heldin nur einmal sah und dann niemals wieder …
Mit Happy End!, schrillt die Stimme von Dr. Peters in meinem Hinterkopf. Jaja, ist ja gut …
»Und schreib auf jeden Fall rein, dass Monsieur X einen Zwillingsbruder hat«, tickert mich Paula wieder an.
»Wieso das denn?«, will ich erstaunt wissen.
»Na, weil der Zwillingsbruder dann mit der irre charmanten Freundin deiner Hauptfigur zusammenkommen könnte … ich sehe sie förmlich vor mir … so eine nette Grafikerin …« Dahinter setzt Paula so ziemlich jede Variante des lachenden Smileys, die ihr Handy hergibt.
»Haha, schon klar!«, tippe ich. »Aber darf ich dich daran erinnern, dass es da ein Problem gibt? Ich schreibe Romane, keine Real-Life-Reportagen … und selbst wenn Monsieur X einen Zwillingsbruder hätte, hilft uns das gar nicht weiter, weil ich ihn vermutlich niemals wiedersehen werde.«
»Wie war denn das Wetter bei dir heute?«, kommt die etwas verwirrende Antwort von Paula.
»Gut, wieso?«
»Weil du dann keine Schlechtwetterkrähe zu sein brauchst, die schlechte Stimmung verbreitet!« Und wieder jede Menge Smileys.
»Wenn das alles mal so einfach wäre …«
»Das Leben ist einfacher, als man denkt, Caro. Man muss es nur zulassen!«
»Ach, Paula. Wenn man deinen Optimismus in Flaschen abfüllen könnte, würde man reich werden …«
Ich bekomme circa 200 Daumen-hoch-Emoticons und muss lachen.
Im Restaurant habe ich Glück – sollte meine beste Freundin doch recht haben? – und ergattere einen Tisch, obwohl ich nicht reserviert habe, wie mir der junge Kellner mit vorwurfsvollem Unterton sagt. Der Tisch schräg gegenüber ist zwar auch noch frei, jedoch prangt darauf unübersehbar ein Reserviert-Schild in einem Metallständer. Während ich noch aufmerksam die Speisekarte studiere und dabei unauffällig das elektronische Deutsch-Französisch-Wörterbuch meines Smartphones konsultiere, nimmt ein Mann mir gegenüber Platz …
… und mir fallen beinahe die Augen aus dem Kopf.
Es ist Monsieur X, wieder allein und immer noch furchtbar attraktiv. Auf einmal liegt der Duft von Lavendel in der Luft – und meine ich das nur, oder flackern die Kerzen auf einmal viel romantischer als vorher? Doch anstatt ihn anzustarren wie ein Groupie sein Film-Idol, ziehe ich es vor, die Kühle, Unnahbare zu mimen. Scheinbar versonnen schaue ich auf die Schiffe, die im Licht der untergehenden Abendsonne im Wasser schaukeln, lausche dem Ruf der Möwen, die um das Restaurant kreisen, gebe gekonnt die Dame von Welt … um dabei aus den Augenwinkeln immer wieder in Richtung Monsieur X zu linsen. Soviel zum Thema »kühl und unnahbar« … Ich überlege fieberhaft: Soll ich ihn ansprechen und an meinen Tisch bitten? Dies ist womöglich meine letzte Chance und ein Wink des Schicksals! Aber ist es auch angebracht? In meinem letzten Roman gab es tatsächlich eine Szene, in der die Heldin einen Mann so offensiv ansprach – die hat meine Lektorin mir rot markiert zurückgeschickt: Nicht nur im wahren Leben, sondern auch in gefühlvollen Romanen ist es besser, wenn Frauen darauf warten, dass die Männer sie ansprechen. »Das will man so als Frau«, schrieb die Lektorin dazu. Stimmt das? Will ich das auch? Und vor allem: Will Monsieur X es so oder so oder ganz anders oder gar nicht oder …
Während ich noch darüber sinniere, wie ich ihn zu mir locken könnte, verspüre ich ein Kribbeln, das ich zunächst der Anwesenheit von Monsieur X zuschreibe. Und zwar in meiner Brustgegend, über dem Herzen, ach, wie romantisch … Wobei, nein, es ist, genauer gesagt, in unmittelbarer Nähe meines BHs.Caro, es ist doch wohl noch nicht so weit, dass du durchdrehst, wenn in deiner Nähe ein attraktiver Mann auftaucht, rufe ich mich zur Räson. Und spüre, wie sich das Kribbeln räumlich verlagert … und sich plötzlich verdächtig mehr nach Krabbeln anfühlt!
Es wandert unterhalb meiner Brust nach rechts, stoppt einen Augenblick und tritt dann wieder den Rückweg an. Es fühlt sich an, es fühlt sich an wie … Oh nein, das kann nur ein Tierchen sein, das sich in den Untiefen meines Dekolletés verirrt hat und nun verzweifelt nach dem Ausgang sucht! Ich spüre, wie sich ein kleiner Schreianfall in mir aufbaut. Und dazu juckt’s dermaßen, dass ich mich anstrengen muss, mir nicht an Ort und Stelle die Kleider vom Leib zu reißen! So unauffällig es geht, fasse ich mir durch den dünnen Stoff meines sommerlichen Abendkleides zwischen die Brüste, um den ungeladenen Besucher zu verscheuchen. Leider ist dies exakt der Moment, in dem Monsieur X Notiz von mir nimmt. Er stutzt einen Augenblick, sein Blick wandert von meinem Gesicht zu meiner Hand, die am gerade unpassendsten Ort der Welt liegt. Im Millibruchteil einer Sekunde lasse ich die Hand auf den Tisch sinken, als wäre nichts geschehen. Monsieur X sieht mir wieder ins Gesicht – in die Augen! –, diesmal wesentlich intensiver, wie ich mir einbilde, und nickt mir dann zu.
Dies wäre eigentlich der passende Moment, um zum Angriff überzugehen, stattdessen spüre ich, wie das Tierchen in Panik verfällt und sich einen Weg in Richtung Rücken sucht. Oh nein, bitte das nicht, flehe ich innerlich, bemüht, zumindest äußerlich so etwas wie Contenance zu wahren. Bitte, lieber Gott, mach, dass das Käferchen sich nicht von meinem Rücken direkt auf den Weg zu meinem Slip macht, das überlebe ich nicht!
Monsieur X hat mittlerweile sein Getränk erhalten (einen Pastis!) und prostet mir mit einem kurzen Lächeln zu. Während ich Hoffnung schöpfe, ihm zu gefallen, schlägt das Tierchen einen anderen Kurs ein – Gott hat offensichtlich mein Gebet erhört – und kehrt zur Vorderseite meines Körpers zurück.
Heb dein Glas, Caro, sage ich mir selbst, es ist ganz leicht, Hand ans Glas, Glas in die Luft, lächeln … Leider bin ich mittlerweile derart verstört, dass ich mir selbst fassungslos und wenig damenhaft in den Ausschnitt starre, den ich noch dazu mit spitzen Fingern vom Körper ziehe. Aber immerhin: Eine kleine Spinne bahnt sich tapfer den Weg ans Licht und in die Freiheit. Ich stoße unwillkürlich einen spitzen Schrei aus, denn wenn ich vor etwas Angst habe (außer davor, alleine zu verreisen), sind es Spinnen, obwohl ich mit 42 echt zu alt für so einen Blödsinn bin.
Monsieur X sieht mich einen Moment irritiert an, wendet sich dann aber dem Studium der Speisekarte zu. Vermutlich findet er es befremdlich, wenn eine Frau Getränke quer über den Tisch prustet, sich auffällig im BH rumfummelt und dann auch noch anfängt zu schreien. Ich verstehe ihn voll und ganz, bezahle und fliehe in mein Apartment, so schnell ich kann.
»Und, schönen Abend gehabt?«, leuchtet es später in meinem Whatsapp-Fenster auf dem Handy. Auf Paulas Nachrichten reagiere ich nicht. Es gäbe schließlich nichts weiter zu vermelden, außer dass ich mich komplett zum Affen gemacht habe und emotional auf dem Niveau eines Kleinkinds befinde.