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Raif Badawi, saudi-arabischer Blogger, teilte im Internet seine Gedanken über Politik, Religion und Freiheit. Dafür wurde er zu 1000 Peitschenhieben und zehn Jahren Haft verurteilt. Diese Streitschrift versammelt die zentralen, verbotenen Texte Badawis. Sie zeigen die Spannungen zwischen einer traditionellen Auslegung des Islam und dem Anspruch auf ein selbstbestimmtes Leben in der Gegenwart. Badawi fordert Liberalismus, Toleranz, Pluralität, Meinungsfreiheit und Menschenrechte – weil sonst die arabisch-islamische Welt verloren ist. Mit einem aktuellen Text, den Raif Badawi für dieses Buch über sein Leben im Gefängnis verfasst hat. Die Veröffentlichung dieses Buches ist ein Non-profit-Projekt zugunsten des Autors.
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Das Buch
Raif Badawi ist zu einem Symbol der Meinungsfreiheit geworden, weltweit setzen sich Menschen für seine Begnadigung ein. Diese Streitschrift versammelt seine zentralen Blog-Texte. Darin beschreibt Badawi die Unterdrückung in einem theokratischen Staat und fordert Menschen- und Freiheitsrechte. Er prangert die religiös begründete Ungleichheit von Männern und Frauen an und warnt, dass das Verbot freien Denkens Saudi-Arabien und die gesamte Region in einer globalen Wissenskonkurrenz zurückwerfen wird.
Badawi macht klar, was ein Leben unter der Scharia bedeutet. Seine klugen, mitunter sogar witzig-ironischen Texte werfen ein Schlaglicht auf die Zustände in Saudi-Arabien und der Region. In einem aktuellen Text aus dem Gefängnis beschreibt Badawi das Leben in einer Zelle mit Verbrechern und wendet sich speziell an seine deutschen Leser.
Der Autor
Raif Muhammad Badawi (*1984) ist ein saudischer Intellektueller und Internet-Aktivist. Er gründete 2008 das Online-Forum »Die Saudischen Liberalen«, eine Website über Politik und Religion in Saudi-Arabien, die vom Staat abgeschaltet wurde. Seit 2012 in Haft, wurde er am 9. Januar 2015 auf dem Vorplatz der Al-Dschafali-Moschee in Dschidda mit 50 Peitschenhieben gezüchtigt.
Der Herausgeber
Constantin Schreiber (* 1979) ist Jurist und Journalist. Er spricht fließend Arabisch und war von 2006 bis Anfang 2009 Korrespondent der Deutschen Welle in Dubai. Anschließend war er im Auswärtigen Amt in Berlin für Medienprojekte in der arabischen Welt zuständig und ist seit 2012 Moderator und Chef vom Dienst bei n-tv. Außerdem produziert und moderiert er auf Arabisch eine Wissenschaftssendung für einen der größten Fernsehsender Ägyptens.
Raif Badawi
Constantin Schreiber (Hg.)
1000
Peitschenhiebe
weil ich sage, was ich denke
Aus dem Arabischen von Sandra Hetzl
Herausgegeben, eingeleitet und kommentiert von Constantin Schreiber
Ullstein
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ISBN 978-3-8437-1141-8
© der deutschsprachigen Ausgabe
Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2015
Umschlaggestaltung: Sabine Wimmer, Berlin
Umschlagfoto: Amnesty International/Rüdiger Fandler
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Editorische Notiz
Die in Saudi-Arabien verbotenen Texte Raif Badawis sind leider nicht vollständig erhalten. Aus der mit Hilfe seiner Frau, Ensaf Haidar, rekonstruierten Menge hat der Herausgeber vierzehn Texte ausgewählt. Die Mehrzahl dieser Texte erschien zwischen 2010 und 2012 in den Online-Medien »al-Bilad«, »al-Hewar al-Mutamaddin« und »al-Dschasira«. Bei zwei ausgewählten Texten ließ sich das Publikationsdatum nicht mehr eindeutig rekonstruieren.
Aus dem arabischen Original übernommene Überschriften sind per * markiert, die anderen Überschriften wurden textnah vom Herausgeber formuliert.
Wenige für westliche Leser stark innenpolitisch argumentierende oder schwer verständliche Passagen wurden behutsam gekürzt und per (…) gekennzeichnet. Mit (*) versehene Stellen besagen, dass dort zuvor ein Koran-Zitat stand, das aus Sicherheitsgründen für die Buchedition getilgt werden muss.
Einleitung
Raif Badawis Mut kann gar nicht genug bewundert werden. Warum demonstrieren, wenn man in einem schönen Haus lebt, genügend Essen im Kühlschrank hat, wenn man bei Krankheit bestens versorgt wird? Warum politische Reformen fordern und damit seine Jobaussichten beschädigen? Warum in vollem Bewusstsein möglicher Konsequenzen – Schläge, Gefängnis, hohe Geldstrafen – die islamische Herrschaft herausfordern? Und dann noch für etwas, das einem kein Einkommen beschert, kein Haus, keinen Job. Nur dafür, zu sagen und schreiben, was man denkt?
Der saudische Blogger Raif Badawi hat genau dafür alles riskiert und vieles verloren: seine Freiheit (zehn Jahre Haft), sein Geld (umgerechnet 194 000 Euro Strafe), seine Familie (Ehefrau Ensaf musste mit den drei Kindern nach Kanada fliehen). 1000 Peitschenhiebe soll er außerdem dafür erdulden, dass er in einem Blog die saudische Regierung und die Macht der Islamgelehrten kritisierte. Dafür braucht es großen Mut und die Überzeugung, nicht nur für sich etwas verändern zu wollen, sondern für die gesamte Gesellschaft. Eine tiefe Angst, dass sich etwas grundsätzlich in die falsche Richtung entwickelt, treibt den 31-Jährigen an.
Raif Badawi stammt aus dem Osten Saudi-Arabiens, aus der Stadt Khobar. Das einschneidendste Erlebnis während seiner Jugend war der frühe Tod seiner Mutter, der die ganze Familie tief geprägt hat. Nach seiner Schulausbildung arbeitete er in einem lokalen Unternehmen. Seine spätere Ehefrau Ensaf lernte er durch Zufall kennen. Als sich Raif einmal verwählte, nahm Ensaf das Gespräch an und beide unterhielten sich sehr lange am Telefon. Es folgten viele Telefonate, ohne dass die beiden sich je gesehen hätten. Das erste Mal, dass Raif seine spätere Frau sah, war, als sie am Fenster ihres Hauses erschien. Die beiden wollten schon als Jugendliche heiraten, doch Ensafs Familie war strikt dagegen, weil sie ihre Tochter für zu jung für die Ehe hielten. 2002 konnten sich die beiden durchsetzen und heirateten schließlich – eine Liebeshochzeit, wie beide immer wieder betonen. Das ist in Saudi-Arabien nicht alltäglich, häufig werden Paare durch ihre Eltern verheiratet. Der Tod der Mutter und der Kampf um sein persönliches Glück haben dazu geführt, so kann man mutmaßen, dass Raif eine besondere Empathie für Themen und Menschen entwickelte, für die Welt um ihn herum.
Raif Badawi hat nicht den Weg gewählt, den Tausende andere junge Araber jedes Jahr wählen, und sich Richtung Westen verabschiedet. Dabei hat er die gleichen Beweggründe wie sie: Die jungen Saudis sind es leid, in Lebensmodelle gedrängt zu werden, die sich kaum mit der Moderne verbinden lassen. Sie wollen sagen, was sie denken; treffen, wen sie wollen; tragen, was sie mögen. Aber für diese Sehnsüchte zu kämpfen und zu leiden, das trauen sich die wenigsten – und überlassen damit ihre Heimat denjenigen, die sie noch konservativer, noch strenger, noch rückwärtsgewandter machen wollen.