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Fassungslos starrt Lucy den Scheich von Abadan an. Jetzt versteht sie, warum ausgerechnet sie seinen Palast neu gestalten soll! Denn der Scheich ist kein Fremder, sondern der Mann, der ihr das Schönste im Leben geschenkt hat - und es ihr jetzt wieder nehmen könnte…
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Seitenzahl: 195
IMPRESSUM
1001 sinnliche Tage und Nächte? erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2005 by Susan Stephens Originaltitel: „The Sheikh‘s Captive Bride“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANABand 1617 - 2006 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Irmgard Sander
Umschlagsmotive: carton_king, ChrisGorgio, Soft_Light / GettyImages
Veröffentlicht im ePub Format in 08/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733779580
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY
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Der königliche Ratssaal im Goldenen Palast von Abadan, in den Scheich Kahlil ben Saeed Al-Sharif seinen Rat zu einer Besprechung einberufen hatte, erstrahlte in hellem Licht.
„Eure Hoheit …“
Fragend richtete Kahlil seinen Blick auf Abdul Hassan, den treuesten seiner Berater.
„Haben Sie eine Entscheidung getroffen, was Ihren neuen Palast betrifft, Eure Hoheit?“
Bei dieser Frage leuchteten die Augen aller um den Tisch Versammelten erwartungsvoll auf. Denn selbst innerhalb dieser unermesslich reichen Gruppe herrschte starke Rivalität, und jeder Anwesende wünschte sich die Verantwortung für den Auftrag, der mit einem enorm hohen Prestigewert verbunden war. Aber seine Entscheidung würde alle enttäuschen.
„Ich werde meinen neuen Palast nicht in Abadan errichten.“ Kahlil wartete, bis sich das Raunen gelegt hatte. „Ich habe mich für einen Ort in Europa entschieden … und eine angemessene Residenz.“ In Gedanken schweifte er zu der kleinen englischen Ortschaft Westbury und dem dortigen Herrenhaus, das er erwerben wollte. Allerdings gab es noch ein Problem – ein kleines zwar, aber dennoch ein Problem, das mit dem Namen Lucy Benson verbunden war.
In den Unterlagen über Westbury hatte das Foto einer jungen Frau in einer Lokalzeitung seine Aufmerksamkeit erregt. Laut Bildunterschrift handelte es sich um Lucy Benson, Innenarchitektin und seit jüngstem auch Immobilienentwicklerin. Vor allem aber hatte sie Westbury Hall gekauft – also sein Herrenhaus.
Zum wiederholten Mal musste Kahlil an das Bild der jungen Frau denken: Langes goldblondes Haar umschmeichelte in weichen Wellen ein zartes, herzförmiges Gesicht, das schlichte Sommerkleid, das sie auf dem Foto trug, schmiegte sich eng an die verführerischen Rundungen ihrer perfekten Figur. Ihre vollen und sinnlich roten Lippen luden geradezu dazu ein, sie leidenschaftlich zu küssen. Wenn er sich vorstellte, wie Lucy Benson nackt in seinen Armen lag, musste er seine ganze Selbstbeherrschung aufbieten, um sein Verlangen nach einer völlig Unbekannten zu unterdrücken.
Doch die Kamera hatte mehr als das Abbild einer begehrenswerten Frau eingefangen. Neben ihrer Schönheit verrieten die Haltung ihres Kopfes und der Blick aus den tiefblauen Augen Eigenwillen und Zielstrebigkeit. Als Sohn eines Scheichs besaß Kahlil alles, was man mit Geld kaufen konnte, und als Nachfahre eines Kriegervolkes lag ihm die Herausforderung im Blut. Umso mehr, da Lucy Benson ihm sicher mutig die Stirn bieten würde. Er konnte es kaum erwarten, sie sich gefügig zu machen. Was für ein viel versprechender zusätzlicher Reiz neben dem Vergnügen, ihr Westbury Hall zu entwinden!
„Westbury hat eine ausgezeichnete Lage“, fuhr er an den Rat gewandt fort. „Es liegt am Meer, sodass wir es mit der Jacht erreichen können, und nur eine kurze Autofahrt von einem Flughafen entfernt, auf dem unser Jet landen kann. Dort einen Wohnsitz zu errichten wird ein absolutes Novum sein.“
Dieses Argument verstand jeder, und sofort löste sich die Anspannung. Denn für Männer, die schon alles besaßen, war einzig und allein das Unbekannte, Exotische und Neue von großem Wert.
„Westbury ist eine sehr gute Wahl, Eure Majestät“, sprach Abdul Hassan für den gesamten Rat, und Kahlil nickte gnädig.
„Das Dorf floriert und besitzt Charakter“, ergänzte Abdul Hassan, „wobei es auf einigen Gebieten noch gewisser Verbesserungen bedarf.“
„Auf anderen wieder nicht“, murmelte Kahlil und dachte an Lucy Benson.
„Ganz recht, Eure Majestät“, pflichtete Abdul Hassan ihm respektvoll bei. „Wie können wir Ihnen in dieser Sache weiter zu Diensten sein?“
„Bereiten Sie alles für einen Besuch in Westbury vor“, wies Kahlil an. „Ich werde mir persönlich vor Ort ein Bild von dem Projekt machen.“
Endlich allein. Mit einem tiefen Seufzer verschränkte Lucy Benson die Hände hinter dem Kopf und blickte zur Decke. Schrecklich genug, dass sie Westbury Hall verlor, aber noch schlimmer war, sich ihren Gläubigern stellen zu müssen. Ihre Pläne, das prachtvolle alte Haus, in dem sie aufgewachsen war, instand zu setzen, hatten sich wegen einer vergleichsweise geringfügigen zusätzlichen Summe zerschlagen. Nachdem die Baufirma einige bauliche Mängel entdeckt hatte, hatten die Banken urplötzlich einen Rückzieher gemacht.
Natürlich war es ein kühner Aufstieg gewesen von der Tochter der Haushälterin in Westbury Hall zur Eigentümerin und Immobilienentwicklerin. Doch einige Monate hatte es so ausgesehen, als wäre es durchaus machbar gewesen. Alles hatte sie riskiert, um das Herrenhaus wieder in seinem früheren Glanz erstrahlen zu lassen, als Tribut an die liebenswerte alte Dame, die dort gelebt hatte. Doch ich habe auch Tante Grace enttäuscht, dachte Lucy, während sie sich ein letztes Mal umblickte. Und diese Tatsache schmerzte sie am meisten.
Energisch kämpfte sie gegen die Tränen. Wie konnte sie weinen, wenn die Sonne strahlend hell durch die Buntglaskuppel in die Eingangshalle fiel? Ein grau verhangener Himmel und Regen hätten eher zu ihrer Stimmung gepasst.
„Verzeihen Sie …“
Erschrocken fuhr Lucy herum. Sie hatte geglaubt, allein zu sein. Im Halbschatten des Eingangs stand ein Mann. Groß und dunkelhaarig war er, wie die meisten ihrer Gläubiger, zwanglos gekleidet. Kein Anlass, sich herauszuputzen, dachte sie ironisch.
„Ich wollte Sie nicht erschrecken“, sagte er mit leicht fremdländischem Akzent.
Doch Lucy war sich da nicht so sicher. Etwas an seiner Haltung ließ vermuten, dass er es gewohnt war, sein imposantes Erscheinungsbild zu seinem Vorteil einzusetzen.
„Ich dachte, alle wären bereits gegangen“, erwiderte sie kühl.
„Bin ich zu spät?“
„Nein, natürlich nicht. Kommen Sie herein, und ich werde Ihnen sagen, was ich den anderen gesagt habe.“
„Den anderen?“
„Gläubigern“, ergänzte Lucy, durchquerte die in schwarz-weißem Marmor geflieste Eingangshalle und öffnete die Tür zu ihrem improvisierten Besprechungszimmer. „Kommen Sie, nehmen Sie Platz.“ Mit einem ernsten Gesichtsausdruck reichte sie dem Mann, der ihr in den Raum gefolgt war, die Hand. „Lucy Benson.“
„Kal“, erwiderte er die förmliche Begrüßung. Als er ihre Hand ergriff, durchzuckte es Lucy wie bei einem elektrischen Schlag.
Hastig zog sie sie zurück. „Möchten Sie sich nicht setzen?“ Dabei deutete sie auf einen der Stühle, die um einen Tapeziertisch gruppiert standen. Wenn erst der Tisch zwischen ihnen stehen würde, würde sie sich sicherer fühlen.
„Nach Ihnen.“ Aufmerksam rückte er ihr einen Stuhl zurecht.
Verunsichert und misstrauisch nahm Lucy Platz. Bisher hatten die Gläubiger keinerlei Zugeständnisse an die Tatsache gemacht, dass sie eine Frau war, und sie nicht mit ihrer Wut verschont. Dafür hatte Lucy Verständnis, und damit konnte sie auch umgehen. Doch dieser Mann war zu ruhig, und das machte ihr mehr Angst als das Toben der anderen. Außerdem strahlte er neben seiner arroganten Gelassenheit so viel Sex-Appeal aus, dass es ihr den Atem verschlug. Dunkle Augen glühten in einem scharf geschnittenen, markanten Gesicht. Unwillkürlich weckte sein Gesicht in Lucy Assoziationen an einen Krieger, an einen Mann der Tat. Gleichzeitig hatte er etwas an sich, was sie automatisch mit immensem Reichtum verband. Sein leichter Akzent war schwer zu bestimmen. Türkisch? Arabisch? Spanisch? Wer war er? Abgesehen von der Tatsache, dass er vermutlich der am besten aussehende Mann war, der ihr je begegnet war.
Lautlos wie eine Raubkatze nahm er ihr gegenüber Platz. Seinem Aussehen nach schätzte Lucy ihn auf etwa Mitte dreißig. Dunkles Haar, dunkle Augen, dunkler Teint … und sehr exklusiv gekleidet. Wie für Architektur hatte Lucy auch ein sehr gutes Auge für Mode, und seine Jeans waren ebenso von ausgesuchter Qualität wie der schlichte schwarze Pullover, den er trug.
Sie zwang sich, seinem forschenden Blick standzuhalten. Neben der überraschend sinnlichen Wirkung seines Mundes registrierte sie auch einen harten und unerbittlichen Zug um die Mundwinkel. Vermutlich würde dieser Mann nicht so leicht wie die anderen Gläubiger zu überzeugen sein, dass sie ihre Schulden zurückzahlen würde. Bei aller Zwanglosigkeit konnte seine Kleidung nicht verbergen, wie breitschultrig und athletisch er gebaut war. Mit gesenktem Blick betrachtete Lucy seine Hände. Auch sie wirkten kraftvoll, allerdings nicht so, als würde er seinen Lebensunterhalt damit verdienen. Als er sie nun hinter dem Kopf verschränkte, fiel ihr Blick unwillkürlich auf seinen flachen Bauch.
Schluss damit! Er war ein Gläubiger wie all die anderen. Und sie war es ihm schuldig, die Situation offen darzulegen. „Nun, Mr. …?“
„Kal. Nennen Sie mich einfach Kal“, unterbrach er sie.
Bei der Form seiner schwarzen Brauen über den dunklen Mandelaugen musste Lucy unwillkürlich an einen Tartaren denken. Ob er aus der russischen Steppe stammte und reiten konnte wie die Tartaren? Als sie sich vorstellte, wie er mit seinen kraftvollen Schenkeln einen wilden Hengst umfing – oder eine Frau –, lief Lucy ein heißer Schauer über den Rücken.
„Sie haben mir ein Angebot zu machen?“
Lucy errötete, als hätte er ihre Gedanken gelesen. „Ich beabsichtige, alle voll auszuzahlen“, antwortete sie rasch. „Alles, was ich Ihnen schulde, werde ich Ihnen zurückzahlen“, wiederholte sie, als er sie nur unbewegt ansah. „Finden Sie das eigentlich komisch?“
„Ganz und gar nicht“, wehrte er ab und bedeutete ihr mit einer Geste fortzufahren.
Auch wenn sein überhebliches Verhalten sie ärgerte, war es für sie eine Ehrensache, auch diesem Mann gegenüber ihren Verpflichtungen nachzukommen. Erneut schweifte ihr Blick über seine markanten Züge. Er war einfach so überwältigend männlich, dass all ihre weiblichen Instinkte Amok liefen. Aber sie war entschlossen, diesen ungebetenen Gefühlen zu widerstehen.
„Sie gehören vermutlich zu den Architekten?“, riet sie, weil er in diese Gläubigergruppe am besten zu passen schien.
„Also sind Ihre beeindruckenden Pläne für Westbury Hall gescheitert?“, antwortete er mit einer Gegenfrage, ohne auf ihre Annahme einzugehen.
Wie wundervoll tief und schmeichelnd seine Stimme klang … und mit dem leichten Akzent irgendwie aufregend exotisch. Um Himmels willen, sie musste sich zusammenreißen! Allein der Ausdruck in seinen Augen sollte sie warnen, sich besser im Griff zu haben.
„Es tut mir leid, aber ich war gezwungen, alle Verträge zu stornieren“, räumte sie unverblümt ein und klappte ihren Aktenkoffer auf, um nach seinen Papieren zu suchen. „Ihren Vertrag müsste ich eigentlich auch hier haben …“
„Das bezweifle ich.“
„Ich habe einen genauen Entschädigungsplan erstellt …“ Da sie den fraglichen Vertrag nicht fand, reichte sie ihm eine Kopie des Plans. „Werfen Sie einen Blick hierauf. Dann können Sie nachlesen, wie ich alle Beteiligten für die bereits geleisteten Dienste entlohnen werde. Sie können die Kopie behalten.“
„Ich werde sie mir später ansehen“, antwortete er, faltete die Blätter zusammen und stand halb auf, um sie in die Gesäßtasche seiner Jeans zu stecken.
Unwillkürlich folgte Lucys Blick seinen Bewegungen, und sie errötete, als er aufsah und sie dabei ertappte, wie sie ihn anstarrte. „Es tut mir leid. Mehr kann ich Ihnen leider nicht anbieten.“
Mit einem leichten Schulterzucken setzte er sich wieder.
„Das wäre dann alles“, meinte sie, als er keine Anstalten machte, sich zu verabschieden. Erwartete er etwa noch mehr? Ihr Herz klopfte aufgeregt. „Hatten Sie eine weite Anreise?“, fragte sie, um Höflichkeit bemüht und weil sie nicht wusste, wie sie mit diesem Mann umgehen sollte.
„Etwa einen halben Tag.“
„Einen halben Tag! Das tut mir wirklich leid“, antwortete sie aufrichtig. „Kann ich Ihnen einen Drink anbieten?“
„Es ist fast Mittagszeit.“
„Natürlich. Sollen wir vielleicht irgendwo ein Sandwich essen gehen?“
„Der Dorfpub ist wegen Renovierungsarbeiten geschlossen.“
Zu dumm! Das hatte sie vergessen. Dafür entging ihm anscheinend nichts.
„Ich bin hungrig“, räumte er ehrlich ein und lehnte sich zurück, ohne sie dabei aus den Augen zu lassen.
Dermaßen in die Enge getrieben, entschied Lucy sich zu etwas, was vermutlich völlig verrückt war. „Warum kommen Sie nicht mit zu mir? Dann mache ich uns ein Sandwich.“
Ohne ein weiteres Wort stand er sofort auf, kam um den Tisch und rückte Lucy den Stuhl zurück, als sie sich erhob.
Zweifellos war sie völlig verrückt.
Um nicht gegen die Deckenbalken zu stoßen, zog Kal den Kopf ein, als er Lucy in die niedrige Bauernküche folgte.
„Der Bauer muss viel kleiner gewesen sein als Sie“, versuchte Lucy scherzend ihre Nervosität zu überspielen.
„Sieht ganz so aus.“
Während sie übertrieben gründlich den Inhalt ihres Kühlschranks inspizierte, spürte Lucy seinen Blick. „Käse? Gurken?“
„Was immer Sie dahaben“, antwortete er.
„Bier oder Kaffee?“
„Kaffee wäre schön – oder einfach Wasser.“
Wasser. Natürlich. Immerhin war es ziemlich heiß für Anfang Mai. Doch dass die Luft zu knistern schien, lag wohl eher an der erotischen Ausstrahlung des exotischen Fremden.
„Sie sollten sich lieber setzen“, schlug Lucy vor und drehte sich zu ihm um, „sonst verletzen Sie sich noch den Kopf.“
„Danke.“ Er setzte sich auf die Bank am Küchentisch.
Schlagartig wurde Lucy bewusst, dass sie keine Ahnung hatte, wer dieser Mann war. Trotzdem hatte sie ihn in ihr Haus eingeladen! So etwas hatte sie noch nie getan. Aber es geschah auch nicht jeden Tag, dass all ihre Träume zerbrachen. Kein Wunder, dass sie aufgewühlt und völlig durcheinander war.
„Wollen Sie nichts essen und trinken?“, fragte er sie.
„Ich bin nicht hungrig“, erwiderte sie und reichte ihm einen Teller. „Hören Sie, ich möchte nicht unhöflich sein, aber welche Firma repräsentieren Sie eigentlich?“
„Warum setzen Sie sich nicht auch?“, schlug er freundlich vor.
„Also?“ So weit wie möglich von ihm entfernt, nahm sie auf einem Hocker an der Frühstücksbar Platz. „Für welche Firma sagten Sie, arbeiten Sie?“
„Ich habe gar nichts gesagt.“ Kal lehnte sich zurück und sah sie offen an. „Laden Sie oft Männer zu sich nach Hause ein, die Sie gar nicht kennen?“
„Sie haben meine Frage nicht beantwortet.“
„Und Sie meine nicht“, entgegnete er unbeirrt.
„Nein, nicht oft … ich meine, eigentlich nie.“ Wollte sie sich etwa vor ihm rechtfertigen?
„Das ist gefährlich.“
„Ich kann Ihnen versichern, dass es nicht meinen Gewohnheiten entspricht, aber …“
„Aber?“ Eindringlich sah er sie an.
„Heute ist eine Ausnahme.“
Damit gab er sich zunächst zufrieden. „Sie möchten wissen, für welche Firma ich arbeite?“
„Ja.“ Er hatte recht: Es war gefährlich. Schließlich wusste sie überhaupt nichts von ihm.
„Ich arbeite für mich selbst.“
„Verstehe.“
„Das bezweifle ich.“
Mehr und mehr machte seine Selbstsicherheit sie nervös. Fast schien es, als hätte er das alles geplant.
„Ich mache Ihnen einen Kaffee. Zucker? Milch?“
Höflich lehnte er beides ab. Mit vor Aufregung leicht zitternden Fingern kochte Lucy Kaffee, goss ihn in zwei Becher und reichte Kal einen davon. Als sich ihre Finger dabei zufällig berührten, zuckte sie wie elektrisiert zurück.
„Haben Sie sich verbrannt?“, fragte er besorgt.
„Nein, nein, alles in Ordnung.“
„Setzen Sie sich.“ Er wies auf den Stuhl ihm gegenüber.
Stumm folgte sie seiner Aufforderung. Aber der Küchentisch war schmal, und Kals Beine waren lang. Unter dem Tisch stießen ihre Beine gegeneinander und verhedderten sich sogar ineinander. Doch als Lucy panisch versuchte, ihre Füße zurückzuziehen, umschloss Kal ihre Beine mit seinen und hielt sie fest.
Sofort pochte ihr Herz schneller, und sie wagte kaum zu atmen. Mit großen Augen blickte sie ihn an und fühlte sich für einen Moment versucht, ihn zurückzustoßen und mit beiden Fäusten gegen seine starke Brust zu schlagen. Bereits nach einigen Sekunden verflüchtigte sich dieser Wunsch wieder, die Berührung war einfach zu erregend. Wehrlos und verloren fühlte sie sich seiner berauschenden Anziehungskraft ausgesetzt.
„Fühlen Sie sich immer noch sicher?“, fragte er leise.
„Ja“, schwindelte sie nach einem tiefen Einatmen. Gleichzeitig war sie sich aber tatsächlich sicher, dass er sie nicht überwältigen würde – zumindest nicht, solange sie es nicht wollte. Glühend heiß schoss ihr das Blut in die Wangen.
Wohingegen Kals Miene unergründlich war. Offensichtlich wartete er auf etwas. Vielleicht darauf, dass sie den ersten Schritt tat? Ohne Frage war er eine unwiderstehliche Versuchung – serviert auf einem Silbertablett. Sündhaft attraktiv und mit dem gewissen Etwas, das ihr verriet, dass er genau wusste, wie man eine Frau glücklich machte. Aber es war der Ausdruck in seinen dunklen Augen, der die Sache entschied. In seinem Blick lag das Versprechen, dass sie in seinen Armen alles andere vergessen würde. Für ein paar Stunden könnte sie ihren Kummer und ihre Enttäuschung vergessen. Warum eigentlich nicht? Schließlich waren sie beide erwachsen und wussten, worauf sie sich einließen. Und Kal bot ihr genau die Flucht, die sie in diesem Moment brauchte.
Einen völlig Fremden zu lieben war eine unglaublich erregende Vorstellung. Für Lucy war es zudem gänzlich neu, denn bisher war Sex für sie etwas gewesen, das einen festen Platz in Beziehungen hatte, wo man sich gut kannte, einander vertraute und sich sicher fühlte. Gerade aber wurde sie von ihrem wachsenden Verlangen nach diesem Mann verzehrt. Längst hatte ihr Körper die Gewalt über ihre Entscheidung übernommen, längst beherrschte ihre Leidenschaft ihr Handeln. Wie gebannt sah sie in Kals samtbraune Augen und hatte das Gefühl, sich in ihren Tiefen zu verlieren. Ihr ganzer Körper sehnte sich danach, seinen sinnlichen Mund zu küssen und seinen athletischen Körper zu liebkosen, bis er schwach werden würde. Das war reine, unverhüllte Lust. Selbst Worte waren überflüssig, denn sie kommunizierten jetzt auf einer anderen, ganz elementaren Ebene.
Mit einer geschmeidigen Bewegung erfasste Kal ihre Handgelenke, zog Lucy vom Stuhl und dirigierte sie um den Tisch zu sich. Sinnlos, jetzt noch zu bereuen, dass sie nur ein dünnes Sommerkleid und einen Hauch von Spitzendessous darunter trug – oder dass sie anscheinend keinerlei Willenskraft mehr besaß. Berauscht atmete Lucy den Duft seines exklusiven Aftershaves ein, als er sie auf den Mund küsste. Verlangend schmiegte sie sich an ihn und spürte seinen kraftvollen Herzschlag, während ihr eigenes Herz wie wild pochte. Nicht in ihren kühnsten Träumen hatte sie sich jemals eine derartige Lust ausgemalt.
Sie stieß einen überraschten und leisen Schrei aus, als Kal sie unvermittelt hochhob und auf die Tischkante setzte. Vorsichtig stellte er die Kaffeebecher und den Teller weg, drückte Lucy sanft zurück und stellte sich zwischen ihre Beine. Fast andächtig schob er ihr Kleid hoch und zog ihr den Spitzenslip aus. Einen Augenblick später ließ er Lucy spüren, wie hart und groß er wirklich war. Die Welt der Lust, in die er sie dann entführte, überstieg alles, was sie je erlebt hatte. Im wachsenden Rhythmus ihrer Leidenschaft umfasste Lucy seine Hüften und bog sich ihm gierig entgegen. Schon glaubte sie den Gipfel der Lust zu erreichen und schrie vor Lust auf, als Kal plötzlich innehielt.
„Nein!“, flehte sie inständig. Offenbar hatte er ihren Schrei missverstanden. „Hör nicht auf! Bitte hör nicht auf …“ Und sie lachte zufrieden und sinnlich, als er sein Liebesspiel wieder aufnahm.
Wenige Sekunden später führte er sie zum Höhepunkt und folgte ihr sogleich, und für einen Moment fand Lucy die ersehnte Erfüllung und das Vergessen, das sie sich so gewünscht hatte. So intensiv und überwältigend waren ihre Gefühle, dass sie fast die Besinnung verlor.
„Geht es dir gut?“
Kal hielt sie fest in seinen Armen und hatte ihr die Frage ins Ohr geflüstert. Befangen barg Lucy ihr Gesicht an seiner Schulter und bemühte sich, wieder zu Atem zu kommen. Nun, da die Nachwehen ihrer Lust verebbten, konnte sie nicht glauben, was sie gerade getan hatten.
„Geht es dir gut?“, wiederholte Kal und ergriff ihr Kinn, sodass sie ihn ansehen musste.
„Ja, alles in Ordnung“, antwortete Lucy heiser, doch sie fühlte sich völlig entblößt, als könnte er bis in ihre Seele sehen.
Unverwandt ruhte sein Blick auf ihr. „Ins Bett?“, schlug er vor, und als sie schwieg, fügte er hinzu: „Du hast doch eins?“
„Ja … natürlich.“ Scheu richtete sie sich auf und ordnete ihre Kleider. „Du musst sehr müde sein.“
„Ganz und gar nicht“, widersprach er lächelnd. „Ich habe gerade erst angefangen.“ Dabei presste er sie fest an sich.
„Nun, wenn das so ist …“ Auch Lucy spürte sofort, wie ihr Verlangen nach ihm erneut erwachte. Sie hatte noch lange nicht genug von ihm. Ohne ein weiteres Wort ergriff sie seine Hand und zog ihn hinter sich in den Flur. An der Schlafzimmertür zögerte sie jedoch, weil sie es nicht gewöhnt war, den Vamp zu spielen.
„Wenn du willst, dass ich gehe, musst du es nur sagen.“ Kal zog sie in seine Arme.
„Nein“, antwortete Lucy sofort. „Ich möchte nicht, dass du gehst.“
„Wenn du dir dessen also sicher bist …“ Lächelnd beugte er sich herab.
„Ganz sicher“, antwortete sie und kam seinem Kuss entgegen.
Als Lucy aufwachte, rekelte sie sich im ersten Moment wohlig und zufrieden. Doch schon in der nächsten Sekunde war sie hellwach, beschämt und entsetzt. Sie war allein! Natürlich, dachte sie voller Selbstverachtung. Was hatte sie denn erwartet? Ein One-Night-Stand – auch wenn es der denkwürdigste aller Zeiten gewesen sein mochte – war noch lange keine Beziehung.
Um ihre Blöße zu bedecken, zog sie die Bettdecke hoch und verbarg das Gesicht im Kissen. Allein bei der Erinnerung an diese unvergessliche Liebesnacht durchzuckte es sie heiß. Nie wieder würde sie einen so selbstlosen, zärtlichen und leidenschaftlichen Liebhaber wie Kal finden, dessen war sie sich sicher. Und jetzt war er fort.
Angestrengt kämpfte sie gegen die Tränen. Die Schuld lag ganz allein bei ihr. Schließlich hatte sie niemand gezwungen, mit ihm zu schlafen. Mit offenen Augen hatte sie sich in ein weiteres Desaster gestürzt, das sie sicher noch eine ganze Weile verfolgen würde.
Traurig stand sie auf und ging ins Bad, um ausgiebig zu duschen und anschließend den Tag in Angriff zu nehmen. Das Leben ging zum Glück weiter.
Und dann sah sie die Blumen in einer Glasvase auf dem Tisch. Kal musste sie in ihrem Garten geschnitten haben – ihre Lieblingsrosen, früh blühend, zartrosa und sanft duftend. Gerührt streichelte Lucy die noch vom Tau feuchten, kühlen Blätter und erschauerte in einer seltsamen Vorahnung.
Seit Lucy den Design-Wettbewerb gewonnen hatte, hatte ihr Leben sich zweifellos enorm verändert. Sie hatte ihre Gläubiger auszahlen können und etablierte sich wieder neu im Geschäft.
Wie gut zu wissen, dass sich harte Arbeit und Zielstrebigkeit gelegentlich doch bezahlt machen, dachte sie und blickte sich unter ihren Mitreisenden in der Erste-Klasse-Kabine des Flugzeugs um. Normalerweise litt Lucy unter Flugangst und vermied es zu fliegen. Doch die Chance, erster Klasse mit Air Abadan zu fliegen, war einfach zu verlockend gewesen, und die charmante Flugbegleiterin hatte sich vom ersten Moment so aufmerksam um sie gekümmert, dass sie nicht eine Sekunde Angst gehabt hatte.
Abadan. Allein der Name regte Lucys Fantasie an. Und das war gut so, denn der erste Preis bei dem Design-Wettbewerb bestand in einem lukrativen Vertrag für die Renovierung eines Empfangssaals im Goldenen Palast. Bevor sie aber mit der eigentlichen Einrichtung und Gestaltung beginnen konnte, würde einiges an restauratorischer Vorarbeit erforderlich sein. Glücklicherweise liebte Lucy Herausforderungen wie die Suche nach Handwerkern, die die goldenen Filigranarbeiten restaurieren konnten, die dem Palast seinen Namen gegeben hatten.