1622 - Die Schlacht bei Höchst - Markus Pfenninger - E-Book

1622 - Die Schlacht bei Höchst E-Book

Markus Pfenninger

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Beschreibung

Der 30-jährige Krieg erscheint heutzutage sehr weit in der Vergangenheit zu liegen. Dabei hat er unser Land, von der Sprache bis zur kollektiven Psychologie, entscheidend geprägt. Die Schlacht bei Höchst im Jahre 1622 war dabei entscheidend für den weiteren Verlauf des Krieges. Basierend auf einer umfassenden Quellenrecherche werden die Ereignisse rund um die Schlacht hier zum erste Mal detailliert rekonstruiert. Das reich mit zeitgenössischen Abbildungen illustrierte Buch beschreibt aber auch leicht zugänglich die Gesellschaft und den Alltag der Menschen im 17. Jahrhundert. Vor Allem aber ist es eine spannende Geschichte von Krieg, Plünderungen und Größenwahn, aber auch von großem strategischen Geschick, persönlichem Mut und bürgerlichem Heldentum, die es wert ist, erzählt zu werden.

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1622 Die Schlacht bei Höchst

Ein Bericht aus dem 30-jährigen Krieg Markus Pfenninger

© 2022 Prof. Dr. Markus Pfenninger

Covergestaltung durch den Verfasser

ISBN Softcover: 978-3-347-55464-1

ISBN Hardcover: 978-3-347-55465-8

ISBN E-Book: 978-3-347-55469-6

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Abbildungen des Verfassers stehen unter der Creative Commons Licence CC BY-SA 4.0  Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

Die Vorgeschichte

Die Schlacht bei Höchst wird heute als Teil des 30-jährigen Krieges begriffen, der von 1618 – 1648 dauerte. Aber am Anfang des Jahres 1622 konnten es die Menschen natürlich nicht wissen, dass der Konflikt, der als regionaler Streit in Böhmen begonnen hatte, noch so lange dauern sollte und fast das ganze Reich in den Ruin treiben würde. Begonnen hatten die bewaffneten Auseinandersetzungen im Sommer 1618, aber direkt davon betroffen waren bis dahin nur begrenzte Teile des Reiches. Zuvor hatte das Reich in der Folge des Religionsfriedens von Augsburg 1555 eine über 60-jährige Periode von relativer Stabilität und Friedlichkeit erlebt, die zu einer wirtschaftlichen Blüte führte. Im Westen des Reiches war der Krieg erst im Sommer 1620 angekommen, so dass immer noch die Hoffnung bestand, dass der Krieg bald zu Ende wäre.

Was aber war der Grund für die Auseinandersetzungen? Wie so oft in der Geschichte führte eine lange, komplexe Kette von Umständen und Ursachen zu dem Konflikt, der in der Folge zu der Schlacht bei Höchst führte. Um die Handlungen der agierenden Personen besser verstehen zu können, ist es deshalb notwendig, die Vorgeschichte zumindest zu skizzieren.

Der böhmische Aufstand

Begonnen hatte alles damit, dass die böhmischen Stände, die Vertretung des privilegierten Teils der böhmischen Bevölkerung, mit den österreichischen Habsburgern brachen und Friedrich V. Pfalzgraf bei Rhein zum König wählten. Das Königreich Böhmen war seit Jahrhunderten ein wichtiger Teil des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.

Am Anfang des 17. Jahrhunderts war der böhmische Thron seit etwa einhundert Jahren mit katholischen Habsburgern besetzt. Der größte Teil der böhmischen Bevölkerung und auch des Adels hing jedoch der einen oder anderen Form des Protestantismus an. Nachdem Kaiser Matthias ab 1612 damit begonnen hatte, die von seinem Vorgänger Rudolf II 1609 gemachten Zusagen zur Religionsfreiheit nach und nach wieder zurückzunehmen, eskalierte die Situation unter seinem Nachfolger Ferdinand im Jahre 1618. Ferdinand war ein glühender Katholik – man könnte auch sagen, ein religiöser Extremist – der umgehend versuchte, eine Rekatholisierung Böhmens einzuleiten und sämtliche Privilegien wieder zu kassieren. Da dies unter Bruch ihrer verbrieften Rechte geschah, widersetzten sich die böhmischen Stände. Am 23. Mai drangen Vertreter der Stände in den Sitz der habsburgischen Verwaltung, die Prager Burg, ein und stellten die anwesenden verhassten Statthalter vor ein improvisiertes Gericht. Nach einem hitzigen Streitgespräch wurden schließlich drei habsburgische Beamte aus einem Fenster in einigen Metern Höhe geworfen. Magistrate, mit denen man nicht einverstanden war, aus Fenstern zu werfen, hatte in Prag eine gewisse Tradition. Knapp 200 Jahre zuvor war so ein Fenstersturz schon der Auslöser der ebenfalls religiös motivierten Hussitenkriege gewesen. Während damals jedoch alle Gestürzten zur Sicherheit noch erschlagen wurden, ging die Sache dieses Mal glimpflich ab. Da sich unter dem Fenster ein Misthaufen befand, kamen die Habsburger Magistrate mit dem Schrecken davon. Dass es den Aufständischen jedoch ernst gewesen war, zeigte sich daran, dass sie noch auf die Flüchtenden schossen, allerdings vergeblich.

Abbildung 1

Karte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation um 1618. Diese Karte stellt eine grobe Vereinfachung dar, in Wirklichkeit waren die territorialen Verhältnisse noch viel komplizierter. Die Gebiete, in denen ein Habsburger herrschte, sind hellgelb gehalten. Kirchliche Territorien haben eine lila Färbung. Territorien ähnlicher Färbung innerhalb der dunklen, dick markierten Reichsgrenze wurden von verschiedenen Mitgliedern verwandter Herrscher-familien gehalten, zum Beispiel die der Wittelsbacher in Grüntönen, Hohenzollern in blau, Sachsen in Rosa.

Abbildung 2

Die Territorien der sieben Kurfürsten. Die Erzbischöfe von Trier, Köln und Mainz waren selbstverständlich katholisch. Nach der Reformation waren der Herzog von Sachsen, der Markgraf von Brandenburg und der Pfalzgraf bei Rhein pro-testantisch. Die hinsichtlich der Konfession des zukünftigen Kaisers entscheidende Stimme kam also vom böhmischen König.

Durch diesen eklatanten Angriff auf die kaiserliche Autorität war jedoch der Bruch mit den Habsburgern besiegelt. Die böhmischen Stände bildeten ein dreißig-köpfiges Direktorium als Übergangsregierung, erklärten den habsburgischen Regenten für abgesetzt und begannen mit dem Aufbau einer Armee. Gleichzeitig bemühten sie sich um Unterstützung anderer protestantischer Kräfte in Europa, wie den Niederlanden, England und der protestantischen Union, ein Zusammenschluss protestantischer Reichsfürsten und skandinavischer Könige. Zur Finanzierung ihrer Pläne, begannen sie, Eigentum des katholischen Klerus zu konfiszieren; kirchliches Eigentum der jeweils anderen Konfession zu beschlagnahmen war eine bei allen Parteien beliebte Form der Geldbeschaffung. Zunächst hatten die Aufständischen auch einige militärische Erfolge, u.a. durch die vom Herzog von Savoyen finanzierte Armee des Kriegsunternehmers Ernst von Mansfelds, von dem später noch ausführlich die Rede sein wird. Der Wiener Hof reagierte zunächst planlos und konfus auf diese Entwicklungen, die darin gipfelten, dass die Böhmen Ferdinand, der nach dem Tode Kaiser Matthias im März 1619 seine Nachfolge zunächst als König von Böhmen antrat, nicht anerkannten. Im Sommer 1619 verabschiedeten die Stände eine neue Verfassung für Böhmen, die ein Wahlkönigtum vorsahen. Ob sie dies im Rahmen der Reichsverfassung durften, war umstritten; auf jeden Fall schäumte Ferdinand. Kurz darauf wählten die Stände den mit 26 Jahren noch sehr jungen Kurfürst Friedrich von der Pfalz zum König.

Das war aus mehreren Gründen eine folgenschwere Entscheidung. Die Kurpfalz war zwar eine der politisch bedeutendsten weltlichen Herrschaften des Reiches und seit der Reformation eine der führenden protestantischen Mächte. Allerdings blieb das wirtschaftliche und militärische Potential der Kurpfalz angesichts des zersplitterten, mehrfach geteilten Territoriums deutlich hinter anderen Herrschaften wie beispielsweise Sachsen oder Bayern zurück. Das böhmische Direktorium versprach sich trotzdem von dieser Wahl die Unterstützung insbesondere des protestantischen Englands, denn Friedrich war mit Elisabeth Stuart, der einzigen Tochter des gleichzeitig englischen, schottischen und irischen Königs Jacob I verheiratet. Aber auch mit der Unterstützung des ebenfalls calvinistischen Statthalters der Niederlande, Moritz von Oranien und des Königs von Dänemarks wurde gerechnet. Trotzdem war Friedrich nur zweite Wahl, denn zuvor hatte der mächtige lutheranische Kurfürst Johann Georg I von Sachsen das böhmische Angebot dankend abgelehnt, was sich im Nachhinein als weise Entscheidung herausstellte. Dazu war Friedrich ein überzeugter Calvinist und gehörte damit zu einer radikaleren Ausprägung des Protestantismus, der die meisten Lutheraner im Reich und selbst seine eigenen Untertanen mit Skepsis und Ablehnung begegneten.

Am schwerwiegendsten war jedoch, dass mit dieser Wahl die Vorherrschaft der Habsburger im Reich ernsthaft bedroht war. Diesem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gehörten Anfang des 17. Jahrhunderts mehrere Dutzend Fürsten-, Herzogtümer und sogar Königreiche an, die zwar praktisch selbständig waren, aber den Kaiser als Reichsoberhaupt anerkannten. Es erstreckte sich von Holstein bis nach Norditalien und von Flandern bis in die heutige Slowakei. Es umfasste damit neben dem größten Teil des deutschen Sprachgebiets auch französische, italienische, tschechische, polnische und einige andere Sprachgebiete. Das Reich war ein Verbund von Herrschaften, welche die Reichgesetze, die Reichsgerichtsbarkeit und die Beschlüsse des Reichstags anerkannten, an denen sie zum Teil durch die Königswahl, die Reichstage und andere ständische Vertretungen gleichzeitig beteiligt waren. Da das Reich auch für eine gewisse Vereinheitlichung der Währungen sorgte, war es der EU in mancher Hinsicht nicht unähnlich. Das Kollegium der Kurfürsten hatte in dieser Verfassung die Aufgabe, den König des Reiches zu wählen, der damit seit 1508 auch automatisch den Kaisertitel beanspruchte. Es bestand aus sieben Mitgliedern, so dass es kein Patt geben konnte. Seit 1592 fanden die Wahl und Krönung in Frankfurt am Main statt. Drei der Kurfürsten waren die katholischen Erzbischöfe der Bistümer Mainz, Köln und Trier. Drei weitere Kurfürsten waren weltlich und seit der Reformation protestantisch: der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachsen und der Markgraf von Brandenburg. Die entscheidende Stimme fiel dadurch dem letzten Kurfürsten, dem König von Böhmen, zu.

Da die streng katholischen Habsburger den böhmischen Thron die letzten einhundert Jahre innegehabt hatten, war klar, dass sie auch den Kaiser des Reiches stellten, denn damit hatte die katholische Seite des Kurfürstenkollegiums die Mehrheit der Stimmen sicher. Mit der Wahl Friedrichs, des Pfalzgrafen bei Rhein zum König von Böhmen wäre jedoch die Mehrheit der Kurfürsten protestantisch geworden. Obendrein hätte es durch die Vereinigung zweier Kurstimmen in einer Person eine gefährliche Machtkonzentration gegeben. Das konnten die Habsburger unter keinen Umständen hinnehmen.

Als erstes ignorierte Ferdinand bei der Kaiserwahl am 28. August 1619 in Frankfurt am Main deshalb einfach die Wahl Friedrichs zum böhmischen König in Prag tags zuvor und stimmte als kurfürstlicher König von Böhmen für sich selbst. Interessanterweise stimmte auch die kurpfälzische Delegation im zweiten Wahlgang für Ferdinand, nachdem Maximilian von Bayern zugunsten von Ferdinand verzichtet hatte, der damit einstimmig zum König und Kaiser gewählt war. Unter den protestantischen Reichsfürsten gab es viele, die zwar kritisch gegenüber der Übermacht und dem katholischen Eifer der Habsburger waren, die im Zweifel aber ein stabiles Reich vorzogen und deswegen, wie der sächsische Kurfürst, ihre Neutralität zusicherten.

Abbildung 3

Druckgraphik eines Flugblattes zur Krönung von Ferdinand II im Jahre 1619. Der gebratene Ochse und der Rot- und Weißwein spendende Justitia-Brunnen vor dem Römer haben der Popularität des Ereignisses bei der Bevölkerung sicher nicht geschadet. Solche Flugblätter waren die ersten Massenmedien, durch die große Teile der Bevölkerung über wichtige Ereignisse informiert wurden.

Beginn des böhmischen Krieges

Ferdinand setze sofort Truppen unter dem Grafen von Bucquoy nach Böhmen in Marsch. Um seine Offensive diplomatisch und finanziell abzusichern, wandte er sich an Spanien, auf dessen Thron mit Philipp III ebenfalls ein Habsburger saß. Die spanischen Habsburger versuchten seit mehreren Jahrzehnten in einem blutigen und von beiden Seiten äußerst grausam geführten Krieg die endgültige Abspaltung von sieben reformierten Provinzen der Niederlande zu verhindern. Diese konnten sich aufgrund eines wirtschaftlichen Booms, angeheizt durch den aufkommenden Ostasienhandel, aber auch einer durch Torf, Wind- und Wasserkraft getriebenen industriellen Revolution, einen außerordentlich hohen Lebensstandard und dazu noch eine der besten Armeen der Welt leisten. Die Spanier konnten wegen des immer schwieriger werdenden Krieges, bei dem ihnen zusehends der Verlust des wirtschaftlich stärksten Teils ihres Imperiums drohte, einen calvinistischen, der Abspaltung der Niederlande positiv gegenüberstehenden Kaiser im Reich überhaupt nicht brauchen. Sie unterstützten den notorisch klammen Ferdinand II deshalb großzügig mit Geld und Truppen. Außerdem wandte sich Kaiser Ferdinand II an den Papst und einen Zusammenschluss von katholischen Reichsfürsten, die Liga. Mit dem Gründer der 1609 ins Leben gerufenen Liga, Herzog Maximilian I von Bayern, schloss Ferdinand im Oktober 1619 einen besonderen Deal ab. Maximilian stellte eine Armee von 30.000 Mann unter dem obersten Feldherrn der Liga, Jean T'serclaes de Tilly, zur Unterstützung des Kaisers auf, die allerdings unter der Kontrolle der Liga und damit ihm selbst verblieb. Die Truppen für die Liga wurden hauptsächlich in Bayern rekrutiert, weswegen sie mal als bayerische, mal als ligistische Truppen bezeichnet wurden. Für ihre Aufstellung und Einsatz bekam Maximilian den Ersatz der Kriegskosten garantiert. Und obendrein bekam er für den Fall des Erfolges die Erfüllung eines lange gehegten Wunsches versprochen: die Übertragung der pfälzischen Territorien an Bayern, inklusive der daran gebundenen pfälzischen Kurwürde. Maximilian würde also bei einem Sieg für alle sichtbar in die erste Liga der Reichsfürsten aufsteigen, was ohnehin seinem Selbstverständnis entsprach (ein frühes Beispiel für das bayerische „mia san mia“). Diese Allianzen hatten zur Folge, dass auf katholischer Seite kaiserliche, spanische und ligistische Truppen kämpften, nicht immer unter einem einheitlichen Oberbefehl. Man kann sich vorstellen, dass dies öfter zu Problemen führte, weil die handelnden Parteien zwar ähnliche, aber eben nicht gleiche Interessen hatten.

Abbildung 4

Belagerung von Wien durch die böhmischen Aufständigen im Jahre 1619. Die direkte Bedrohung der Hauptstadt der österreichischen Habsburger trug bei Ferdinand II sicher nicht dazu bei, nach Niederschlagung des Aufstandes Milde walten zu lassen.

Abbildung 5

Kaiser Ferdinand II und Herzog Maximilian I von Bayern. Das linke Bild zeigt Ferdinand etwa im Jahre 1624, rechts ist Maximilian zu sehen, gemalt etwa zur gleichen Zeit.

Nachdem die böhmischen Aufständischen zunächst noch Erfolge erzielten und sogar Wien selbst bedrohten, führte die diplomatische Offensive des Kaisers allmählich zu ihrer weitgehenden Isolierung. Gleichzeitig begann die militärische Aufrüstung der kaiserlichen Seite Wirkung zu zeigen. Im August 1620 marschierte schließlich das Ligaheer in Böhmen ein. Von Westen drang Tilly und die kaiserliche Armee auf Budweis vor, während Christian von Anhalt als Befehlshaber der böhmischen Truppen über Mähren in Richtung Prag vorstieß. Am Weißen Berg bei Prag kam es schließlich am 8.November 1620 zur entscheidenden Schlacht. Das zahlenmäßig stark unterlegene böhmische Ständeheer und die angeheuerten Söldner besetzten zwar die strategisch besseren Positionen, aber sie waren schlecht bezahlt, erschöpft und undiszipliniert. Sie wurden innerhalb von zwei Stunden vernichtend geschlagen.

Abbildung 6

Die Schlacht am Weißen Berg (tschechisch Bitva na Btlé höre) 'bei Prag am 8. November 1620. Die protestantischen Truppen des Winterkönigs hatten die günstigere Position auf dem Hügel im Hintergrund, wurden aber trotzdem vernichtend geschlagen.

Die Aufständischen verloren etwa 5000 Mann, auf kaiserlicher Seite fielen um die 700. Der Sieg der Kaiserlichen war aber nicht nur deren militärischer Überlegenheit geschuldet; dem Söldnerführer des kurpfälzischen Heeres, Graf Ernst von Mansfeld, wurden von kaiserlicher Seite 100.000 Gulden gezahlt, damit er mit seinen Truppen dem Schlachtfeld fernblieb. 1

Abbildung 7

Hinrichtung der Führer des böhmischen Aufstands am 21. Juni 1621 in Prag. Auf dem Altstädter Ring wurden zwischen 5 und 9 Uhr morgens 27 Männer hingerichtet. Dabei wurden 24 von ihnen entsprechend ihres adligen Standes geköpft. Die drei Verräter aus gemeinem Stand wurden gehängt. Der Henker, Jan Mydláf, wurde mit seinen Helfern dafür mit dem Gegenwert eines Bürgerhauses bezahlt.

Unmittelbar nachdem er die Nachricht von seiner Niederlage erhalten hatte, floh König Friedrich mit einigen Vertretern des Direktoriums und seinem Hof aus Prag und Böhmen. Er hatte wenig mehr als ein Jahr in Böhmen regiert, was ihm den Spottnamen „Winterkönig“ einbrachte. Friedrich gelangte über Schlesien und Brandenburg nach Den Haag in den Niederländischen Generalstaaten. Unterwegs versuchten er und seine Frau in Norddeutschland Verbündete zu finden, was ihnen zumindest bei Christian von Braunschweig glückte.

Mit diesem vollständigen Sieg und der Vertreibung Friederichs vom böhmischen Thron hätte die Angelegenheit weitgehend erledigt sein können. Die Habsburger hatten den böhmischen Thron zurückgewonnen, Ferdinand war zum Kaiser gewählt, die katholischen Kräfte des Reiches waren stärker geeint denn je und hatten ihre militärische Macht bewiesen – eigentlich ideale Bedingungen, um die böhmischen Untertanen nun durch wohldosierte Zugeständnisse wieder für die habsburgische Herrschaft zu gewinnen und die eigene Macht im Reich durch eine kluge und maßvolle Politik auszubauen.

Aber Ferdinand war persönlich beleidigt. Während die Hinrichtung von 27 Führern des Aufstandes wegen Majestätsbeleidigung noch nachvollziehbar war, zeugte die Vertreibung von mehreren zehntausend Familien und die Einziehung der Güter von 650 Adelsfamilien zur Begleichung der Kriegsschulden von einem gewissen Vernichtungswillen gegenüber seinen Widersachern. Aber auch das wäre wahrscheinlich eine innerböhmische Angelegenheit ohne größere Auswirkungen auf das gesamte Reich geblieben.

Ausweitung auf die Pfalz

Doch Ferdinand ging noch einen Schritt weiter und verhängte die Reichsacht gegen Friedrich. Darin erklärte er, dass Friedrich alle seine Ämter, Lehen und Titel im Reich verlor, niemand ihn in welcher Form auch immer unterstützen durfte und jedermann ihn ergreifen konnte, um ihn der Bestrafung zuzuführen. Die Ausrufung der Acht, also des vollständigen Ausstoßes aus der Gesellschaft, über Verbrecher, derer man nicht habhaft werden konnte, war eine sehr alte Strafe, die nicht oft zur Anwendung kam. Selbst im Text der Reichsacht über Friederich, die Anklage, Plädoyer und Urteil in Einem darstellt, ist noch die persönliche Empörung Ferdinands über die empfundene Anmaßung der böhmischen Thronbesteigung Friedrichs zu spüren.

Für Friedrich ging es also jetzt um Alles. Selbst um seine Kurpfälzer Erblande würde er kämpfen müssen. Aber auch andere protestantische Herrscher des Reiches und ganz Europas waren beunruhigt. Der Dänenkönig Christian IV lud im Januar 1621 verschiedene protestantische Herzöge, sowie die Gesandten von England, den niederländischen Generalstaaten, Schwedens, Brandenburgs und Pommerns, sowie den Winterkönig zu einem Treffen der protestantischen Union nach Holstein. Obwohl dieses Treffen bis März dauerte, konnten sich die Parteien auf keine gemeinsamen Maßnahmen einigen und lösten den Bund schließlich auf. Zwar bleibt dieses Treffen ohne Erfolg, aber die pfälzische Seite war nicht gewillt, sich einfach so in ihr Schicksal zu ergeben. Die Pfälzer brachten die Idee auf, Christian IV dadurch in den Krieg zu involvieren, dass sie versprachen, ihm im Falles eines Sieges die Bistümer Münster und Paderborn zu übereignen, für die er sich schon lange interessierte. Irgendjemand schlug vor, diese Stifte in der Zwischenzeit als Werbungs- und Aufmarschgebiet für Unterstützungstruppen für die Unterpfalz zu nutzen, da sie von den Niederlanden leicht zu erreichen seien. Die Stifte Münster und Paderborn waren nach der damaligen Reichsverfassung und dem Augsburger Religionsfrieden völlig rechtmäßig und unbestritten im Besitz der katholischen Kirche, garantiert durch den Kaiser. Mit dem Krieg in Böhmen und der Pfalz hatten diese Gebiete ebenfalls nichts zu tun; nicht mal finanzielle Kontributionen zu den Kriegsanstrengungen der Liga trugen sie bei. Und die dort wohnenden Untertanen und Bürger, um deren Eigentum und Leben es dabei ging, spielten bei diesen Überlegungen überhaupt keine Rolle.

Friedrich stand nach Auflösung der Union also wieder alleine da, als er in die Vereinigten Niederlande aufbrach, um diesen Plan umzusetzen und die Generalstaaten um finanzielle Unterstützung für seinen Kampf bat. Er wurde jedoch von einem jungen Adeligen, Herzog Christian von Braunschweig, begleitet. Dieser hatte sich wohl schwärmerisch in die Frau Friedrichs, die nur wenig ältere Elisabeth Stuart verliebt und schwor, für sie die böhmische Krone wieder zu gewinnen. Vielleicht um den Nebenbuhler loszuwerden, vielleicht weil er sowieso nicht mehr viel zu verlieren hatte, erteilte Friederich dem militärisch vollkommen unerfahrenen Christian ein Patent, in seinem Namen Truppen zu werben und nach der Unterpfalz zu führen. Im Mai 1621 brach Christian auf, um bei Hamburg Söldner anzuwerben. Das war zwar alles komplett illegal, aber solche Feinheiten waren beiden offenbar egal.

Währenddessen war der Kampf um die Kurpfalz bereits in vollem Gange. Die Erblande des Pfalzgrafen bestanden im Wesentlichen aus zwei räumlich getrennten Gebieten: der durch frühindustrielle Eisengewinnung geprägten ländlichen Oberpfalz an der Grenze zu Böhmen im Osten und der aus vielen En- und Exklaven bestehenden Unterpfalz am Oberrhein mit den Hauptstädten Mannheim und Heidelberg. Bereits im August 1620 hatten Truppen aus den Spanischen Niederlanden unter General Ambrosio di Spinola die Unterpfalz angegriffen. Neben Spaniern kämpften in diesen Einheiten auch Wallonen und Deutsche. Mit einem Heer von ca. 23.000 Mann gelang es diesen, die linksrheinischen Gebiete der Unterpfalz bis auf die Festung Frankenthal weitgehend unter Kontrolle zu bringen und ein Standlager bei Oppenheim zu errichten. Da der niederländische Unabhängigkeitskrieg gegenüber Spanien nach zwölfjähriger Waffenruhe Anfang 1621 wieder ausbrach, wurde Spinola nach Brüssel in die spanischen Niederlande abberufen. Er übergab den Befehl über die Truppen in der Unterpfalz an Gonzalo Fernández de Córdova, der die Belagerung von Frankenthal fortsetzte.

Abbildung 8

Friedrich V von der Pfalz, der Winterkönig und seine Gemahlin Elisabeth Stuart. Beide wurden 1623 von Michiel van Mierevelt portraitiert. Da sie im Exil waren, hatten sie genügend Zeit, dem Maler ausführlich Modell zu sitzen.

In Böhmen versuchte Mansfeld, jetzt doch wieder für Friedrich kämpfend, bis zum März vergeblich das westliche Böhmen und Pilsen gegen die Truppen von Tilly zu halten. In der Oberpfalz sammelte Mansfeld die verbliebenen Kurpfälzischen Truppen bei Waidhaus und hielt die Grenze nach Böhmen gegen den nachdrängenden Tilly bis in den September 1621. Während dieser Zeit verhandelte Mansfeld auf eigene Initiative mit kaiserlichen Gesandten darüber, in kaiserliche Dienste zu treten. Damit wäre der Krieg zu Ende gewesen. Als die Versorgung seiner Truppen nicht mehr gewährleitet war, brach er jedoch die fast abgeschlossenen Verhandlungen ab und zog er sich mit seinem Heer in die Unterpfalz zurück. In dieser Zeit war Friedrich im Exil in den Vereinigten Niederlanden, wo er versuchte, Unterstützung zu bekommen. Die Verhandlungen und ihr Abbruch durch Mansfeld zeigten jedoch, dass die Entscheidungen ob und wie der Krieg um die Kurpfalz fortgesetzt wurden, nicht mehr der geächtete Kurfürst traf, sondern nur noch sein Söldnerführer. Spätestens jetzt war Friedrich zur Marionette geworden.

Abbildung 9

Peter Ernst II von Mansfeld. Als Kriegsunternehmer hatte er keinerlei Interesse an einer friedlichen Lösung des Konfliktes. Im Gegenteil, er versuchte alles, um den Krieg nach Möglichkeit zu verlängern.

In der Unterpfalz angekommen erzwang Mansfeld im Oktober mit seinem Heer die Beendigung der Belagerung der Festung Frankenthal durch die Spanier. Die Spanier blieben allerdings in der linksrheinischen Pfalz. Tilly folgte Mansfeld mit dem Heer der Liga und erkor den Odenwald zu seiner Operationsbasis und zum Winterquartier. Obwohl die ligistischen Truppen disziplinierter und besser bezahlt waren, waren Einquartierungen von Soldaten immer eine große Belastung für die Zivilbevölkerung, da sie für deren Unterhalt aufkommen mussten.

Mansfeld führte sein Heer zum Winterquartier ins untere Elsass. Die verschiedenen Herrschaften und erst recht die Bevölkerung dort hatten zwar mit dem ganzen Krieg nichts zu tun, aber das war dem Kriegsunternehmer herzlich egal. Im Gegenteil, durch die Beute aus den Plünderungen konnte er sein Heer verstärken. Weiter nach Süden, ins obere Elsass, konnte er aber nicht vordringen, da dort Truppen des habsburgischen Landvogts von Oberösterreich, Erzherzog Leopold standen.

Abbildung 10

Anwerbung von Truppen. Links sitzt ein Schreiber vor einer Werbetrommel und schreibt interessierte Rekruten ein. Haben diese die Musterung überstanden, erhalten sie ein Handgeld in der Höhe von mehreren Monatslöhnen eines Handwerkergesellen.

Christian von Braunschweig beginnt seinen Krieg

Währenddessen versuchte Christian von Braunschweig sein Versprechen einzulösen und Mansfeld bei der Verteidigung der Pfalz zu Hilfe zu kommen. Über den Sommer hatte er mit eher schlechtem Erfolg in Norddeutschland Infanteristen und Kavallerie geworben. Insbesondere gelang es nicht, Offiziere in ausreichender Zahl zu gewinnen.

Anfang des 17. Jahrhunderts gab es praktisch keine stehenden Heere. Wer Krieg führen wollte, war deswegen auf angeworbene Söldner angewiesen. Normalerweise betraute der zukünftige Kriegsherr mit diesen Aushebungen eine Privatperson. Diese streckte das Geld für Anwerbung und Ausrüstung vor, um später vom Kriegsherrn bezahlt zu werden oder einen entsprechenden Anteil an der Beute, Territorien oder Titel in Aussicht gestellt zu bekommen. Die eigentliche Anwerbung der Rekruten erfolgte durch ebenfalls angeworbene Offiziere in ihnen zugewiesenen Gebieten. War das mit dem Territorialherren abgestimmt, wurde die sprichwörtliche Werbetrommel gerührt, die Flöte geblasen und Fahnen geschwenkt, um potentielle Rekruten auf die Werber aufmerksam zu machen. Fehlte die Zustimmung des Territorialherrn, wurde still in Kneipen und auf Märkten geworben. Als Anreiz sich zu verpflichten, gab es ein Werbegeld, dass mehrere Monatslöhne eines Handwerkers ausmachen konnte. Allerdings wurde den Rekruten später die Ausrüstung in Rechnung gestellt. Uniformen gab es insbesondere in den protestantischen Heeren anfangs nicht; die Soldaten trugen ihre Zivilkleidung. Wer das Werbegeld genommen und sich in die Werberolle eingetragen hatte, musste sich unter Androhung des Todes unverzüglich zu einem vorgeschriebenen Musterplatz begeben. Dort wurden die Rekruten auf ihre körperliche und geistige Tauglichkeit geprüft. Es sollten Männer zwischen zwanzig und vierzig Jahren geworben werden. Da die Werbeoffiziere aber pro Mann bezahlt wurden, wurden oft auch Kinder und Veteranen über Fünfzig angeworben. Am begehrtesten waren „versuchte Knechte“, also Männer, die bereits schon mal in einer Armee gedient hatten. Wer tauglich war, musste den Eid auf die Fahne schwören und war damit auf eine unbefristete Zeit zu Treue und Gehorsam verpflichtet. Die Kriegsherren ihrerseits konnte die Truppen jederzeit nach Belieben bzw. Kassenstand abdanken. Die Pflichten der Soldaten waren in sogenannten Artikelbriefen niedergelegt. Darin war alles geregelt: Sold, Eid, Verpflichtungen, Abdankung, Pflege der Waffen, Verhalten im Lager, Schanzarbeiten, wann Plünderungen und Beutemachen erlaubt waren und vieles mehr. Die Soldaten unterlagen mit der erfolgreichen Musterung einer strengen Militärgerichtsbarkeit. Laut der meisten Artikelbriefe waren Diebstahl, Brandstiftung, Raub und Misshandlungen der Bevölkerung streng untersagt und wurden zum Teil mit dem Tode bestraft. Gehorsams- oder Respektverweigerung gegen Vorgesetzte sowie Vergewaltigung und Raufereien unter Kameraden wurden auf jeden Fall mit Körperstrafen bestraft. Auf Verrat, Meuterei und Fahnenflucht stand überall die Todesstrafe. Damit der Artikelbrief nicht vergessen wurde, las man ihn jede Woche öffentlich im Lager vor. 2

Im Falle Christian von Braunschweigs kamen die Werbegelder und Waffen aus Holland und England, aber auch aus seinen eigenen Einkünften. Da eine fortlaufende Bezahlung nicht vorgesehen war, erfolgte die Werbung der braunschweigischen Truppen auf Beute und nicht auf regelmäßigen Sold. Dies erklärt auch, dass sich eher weniger professionelle Söldner als viel mehr Glücksritter und Männer aus gesellschaftlichen Randgruppen bewarben. Entsprechend war es für die Offiziere auch schwierig, bzw. gar nicht vorgesehen, die Disziplin der Männer in Territorien zu wahren, auf deren Ressourcen man angewiesen war. Dieses Problem betraf aber im unterschiedlichen Maß die meisten Armeen dieser Zeit.

Gegen Ende September 1621 setzte sich eine im Namen Friedrichs von Christian geworbene Marschgruppe, im Wesentlichen aus Infanterie bestehend, in Richtung Unterpfalz in Bewegung. Die Unternehmung endete in einem völligen Desaster. Die schlecht bewaffnete, disziplinlose Infanterie wurde von Truppen der jeweiligen Landesherren, die verständlicherweise wenig begeistert vom Marsch einer irregulären Armee durch ihr Territorium waren, immer wieder behindert und aufgehalten. Deswegen musste die Infanterie Christians lange Umwege in Kauf nehmen, was nicht zu ihrer Motivation beitrug.

Wenn ein Söldnerhaufen eine gewisse Größe erreicht hatte, war es schwer für die Obrigkeit, durch deren Territorien er zog, gegen ihn vorzugehen. Zur Landesverteidigung und bestimmte polizeiliche Aufgaben (wie z.B. die koordinierte Verbrecherjagd) standen den Landesherren nur Milizen zur Verfügung, zu der die Städte und Gemeinden eine bestimmte Anzahl wehrfähiger Männer zur Verfügung stellen mussten und die bei Bedarf zusammengerufen wurden. Aufgrund der militärisch oft eingeschränkten Qualität dieser Bauern und Handwerker wurde dieser sogenannte „Ausschuß“ zum Synonym für fehlerhafte und minderwertige Dinge.

Gegen Ende Oktober wurden der größere Teil dieser Armee in der Gegend von Gandern im kurmainzischen Eichsfeld in ihren Quartieren allerdings von solchen braunschweigischen Landwehrtruppen umstellt und nach kurzem Gefecht zur Aufgabe oder Übertritt gezwungen. Ein Rest von noch etwa 250 Mann schlug sich in den folgenden Tagen noch bis ins Kinzigtal bei Schlüchtern durch. Dort erfuhren sie am 4.November, dass Tilly das untere Kinzigtal besetzt hatte. Darauf löste sich die Truppe endgültig auf. Dieses gescheiterte Unternehmen hatte die protestantische Seite sehr viel Geld für die Werbung und Ausrüstung der Truppen gekostet. Außerdem hatte sie zu immensem Schaden an Land und Leuten entlang der Marschroute geführt.

Die Werbung der Kavallerie dauerte länger, insgesamt kamen 18 Kompanien zu je etwa 80 Reitern mit ihren Pferden zusammen. Sie sammelten sich Ende Oktober westlich der Weser, wo sie Mitte November gemustert wurden und in Richtung Süden aufbrachen. Die geschah nicht ohne vorher noch das Stift Corvey zu plündern, um auch in den nächsten Monaten regelmäßig Sold erhalten zu können. Die Technik, die Eroberung von kirchlichen Territorien durch ihre Plünderung quasi diese selbst finanzieren zu lassen, nannte man sehr griffig „den Pfaffen die Pferde an den Zaun binden“.

Abbildung 11

Pfaffenfeindtaler Christian von Braunschweigs. Damit inszenierte er sich als Rache Gottes.

Überhaupt legte Christian von Braunschweig von Anfang an sehr großen Wert auf „Öffentlichkeitsarbeit“. Er ließ nicht nur seine Söldner selbst für damalige Zeit besonders rücksichtslos vorgehen, sondern sorgte auch dafür, dass dies die breite Öffentlichkeit erfuhr. Er ließ zum Beispiel aus den erbeuteten Kirchschätzen Münzen schlagen, die ihn als Rache Gottes inszenierten. Auf der einen Seite war ein Schwertarm, der sich aus den Wolken reckt, auf der anderen Seite der Spruch, „Christian , Gottes Freund der Pfaffen Feindt“ aufgeprägt. Münzen als Propagandainstrumente waren in dieser Zeit beliebt; schon sein Vater nutzte sogenannte Spottmünzen als Mittel der politischen Auseinandersetzung. Insbesondere hielt Christian von Braunschweig viel vom Drohen und machte daraus eine regelrechte Kunst. So ließ er wissen: „so wir im geringsten angegriffen werde sollten: so haltet gewis dafür. Daß wir dermaßen in dero Landen hausiren werden, daß es dieselben gereuen und Kindeskinder sich darüber sollen zu beklagen haben“. Die Forderungen über Kontributionen an Städte wurden auf Zetteln überreicht, die an den vier Ecken angesengt waren, als Hinweis darauf, was der Stadt bevorstand, wenn sie nicht darauf einging. Das alles brachte ihn in die im ganzen Reich verbreiteten Nachrichten, die ihn schnell als der „Tolle Christian“ oder der „Tolle Halberstädter“ bezeichneten. Je nach Standpunkt stand das „Toll“ dabei für tollkühn oder tollwütig.

Viele Fürsten, darunter auch viele protestantische, neigten offenbar zu der zweiten Interpretation. Sie schickten Abmahnungen an Christian von Braunschweig, sein Tun einzustellen, selbst sein Halberstädter Domkapitel bat seinen Bruder, den regierenden Herzog von Braunschweig, mäßigend auf Christian einzuwirken. Sogar erhebliche Geldsummen wurde ihm geboten, wenn er nur sein Unternehmen abbrechen würde. Seine eigene Verwandtschaft in Celle gestattete ihm den Durchmarsch durch ihre Territorien nicht. Sein Bruder und seine Mutter flehten ihn an, von seinem Vorhaben abzulassen, welches der Familie nur Schande oder Schlimmeres bringen würde. Der Braunschweiger Herzog ging im Oktober sogar mit Waffengewalt gegen die plündernden Soldaten seines Bruders vor. Daraufhin verlegte der sich auf die Plünderung des Stiftes Celle, dessen gewählter Bischof ebenfalls ein Verwandter war. Noch im Dezember 1621 bot Kaiser Ferdinand Cristian von Braunschweig die vollständige Amnestie und die Anerkennung seiner kirchlichen Ämter an, wenn er die Waffen niederlege. Alles war vergeblich, der Tolle Christian war wild entschlossen, seinem Ruf weiterhin gerecht zu werden.

Zunächst glückte Christian von Braunschweig auf dem Zug nach Süden noch ein Überraschungsangriff auf die Kurmainzer Veste Amöneburg Anfang Dezember. Die ligistische Heeresführung nahm diesen Vorstoß so ernst, dass sie sofort eine Heeresgruppe unter Graf Anholt aus dem Odenwald nach Mittelhessen entsandte. Nach einigen kleineren Kampfhandlungen kam es bei Kirtorf am 20. Dezember, von beiden Seiten unbeabsichtigt, zu einem größeren Gefecht. Spanische Einheiten hatten sich befehlswidrig zu weit vorgewagt und waren unerwartet auf Braunschweiger Truppen getroffen. Trotz günstiger taktischer Lage konnte Christian von Braunschweig die Situation nicht für sich nutzen. Anholt führte weitere Truppen heran, die das Gefecht zu seinen Gunsten entschieden. Christian von Braunschweig gab nach dieser ersten ernsthaften Feindberührung den Plan, sich mit Mansfeld zu vereinigen, fürs Erste auf und zog sich lieber für den Winter zum Plündern ins Stift Paderborn zurück. Die ligistischen Truppen begaben sich derweil im Bergischen Land in ihr Winterquartier.

Das Wetter und die Jahreszeiten haben schon immer eine große Rolle bei der Kriegsführung gespielt. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts war der Höhepunkt der „Kleinen Eiszeit“ erreicht, die insgesamt sehr viel kältere Winter und feuchtere Sommer als heutzutage mit sich brachte. Zwar konnten kleinere militärische Operationen wie Plünderungen und Überfälle auch im Winter durchgeführt werden, aber größere Feldzüge waren nur in der wärmeren Hälfte des Jahres möglich. Im Jahre 1621 setzte nach einem außergewöhnlich feuchten Herbst früh der Winter ein. Eine außerordentlich lange und schwere Frostperiode begann zum Jahreswechsel und hielt bis in den Februar an. Es war so kalt, dass man den gefrorenen Rhein lange mit schweren Gespannen überqueren konnte. Dazu kamen große Mengen von Schnee, insbesondere in Hessen. Nach Einsetzen des Tauwetters Ende Februar waren die Straßen bis Anfang April so abgrundtief matschig, dass an größere Truppenbewegungen mit Artillerie nicht zu denken war.

Christian von Braunschweig nutzte die Winterpause, durch weitere Raubzüge gegen die Städte und Dörfer Westfalens das Geld aufzubringen, welches nötig war, um sein Heer zu vergrößern. Dabei scheint er endgültig Geschmack an der persönlichen Gewaltausübung gefunden zu haben, denn er prahlte später öffentlich mit den von ihm dort begangenen Vergewaltigungen. Da seine Armee keine dauerhafte Finanzierung hatte und die englischen und niederländischen Zuwendungen verbraucht, besser verschwendet waren, konnte er außer der zu erwartenden Beute keinen Sold versprechen. Im Februar bestand das braunschweigische Kriegsvolk schon aus 8.000 – 10.000 Soldaten, dazu kam noch mal etwa die gleiche Anzahl an Fuhrknechten, Köchen und anderen. Eine so große Menge an Menschen zu verpflegen war ohne landesherrschaftliche Basis nur „aus dem Land“ möglich; es mussten die Vorräte der Bauern geplündert werden.

Ereignisse am Beginn des Jahres 1622

Anfang April verbesserte sich das Wetter soweit, dass größere Operationen wieder möglich wurden. Noch dachte Christian von Braunschweig aber nicht daran, den Zug in die Unterpfalz zur Unterstützung Mansfelds anzutreten. Zunächst versuchte er noch vergeblich, die Stadt Geseke einzunehmen. Erst als die Truppen Anholts mit Kurkölner Unterstützung einen Ort nach dem anderen von den Braunschweigern zurückeroberten und langsam auf das braunschweigische Hauptheer vorrückten, entschloss sich Christian von Braunschweig Anfang Mai aus Westfalen aufzubrechen. Dabei nahm er, wohl auch zur persönlichen Unterhaltung, noch fünf Jesuitenpater als Geiseln mit, obwohl der Orden für sie bereits das vereinbarte Lösegeld gezahlt hatte. Mit 6.800 Reitern und 8.000 Infanteristen stand er am 9. Mai bei Bovenden an der Weser.

Abbildung 12

Infantin Isabella und ihr Feldherr Cordova. Links: Isabella Clara Eugenia de Austria y Valois, Statthalterin des spanischen Königs in den Niederlanden und sicherlich eine der mächtigsten Frauen ihrer Zeit. Rechts: Don Gonzales Fernandez de Cordova, General der Kaiserlichen Truppen in der Unterpfalz.

Mittlerweile intensivierten sich auch am Oberrhein die Kampfhandlungen wieder. Die Spanier standen weiterhin in der linksrheinischen Pfalz. Cordova hatte sein Hauptquartier in Kreuznach, das Gros der Truppen stand aber weiterhin im Lager bei Oppenheim. Bei Gernsheim hatten die Spanier auch eine dauerhafte Schiffsbrücke über den Rhein errichtet, deren Enden befestigt und durch Besatzungen gesichert waren. Die spanischen Truppen konnten also jederzeit den Strom überqueren, um in die Kämpfe jenseits des Rheins einzugreifen. Nachschub an Geld, Truppen, Waffen und Verpflegung bekamen diese Einheiten entlang des Rheins ohne größere Probleme aus den spanischen Niederlanden von der dort residierenden Regentin des spanischen Königs, Infantin Isabella.

Tilly hatte den Winter genutzt, um den ganzen Odenwald inklusive einer pfälzischen Enklave, der Veste Otzberg, zu besetzen, so dass er das Gebiet vom Main bis an den Neckar beherrschte. Der protestantische Landgraf von Hessen Darmstadt machte aus seiner Sympathie für die kaiserliche Sache keinen Hehl und unterstützte die Ligatruppen mit Verpflegung. Die kaiserlichkatholischen Verbündeten hatten somit die Unterpfalz weitgehend umzingelt. Anfang März erkundete Tilly mit einer kleineren Armee die Rheinübergangsstellen bei Germersheim und Mannheim. Danach begannen die ligistischen Truppen die Belagerung Heidelbergs, einer der beiden Residenzen des Pfälzer Kurfürsten, vorzubereiten, indem sie die im Neckarbergland gelegenen und von pfälzischen Truppen gehaltenen Burgen und Stellungen systematisch eroberten.

Über den Winter erwuchs aber ein neuer Gegner für die Liga am Oberrhein. Der protestantische Markgraf Georg Friedrich von Baden-Durlach übergab die Regierungsgeschäfte an seinen ältesten Sohn und begann eine Armee auszuheben, vorerst aber ohne offiziell und offen in den Konflikt einzugreifen.

Der Markgraf war ein umfassend gebildeter Mann, der sich auch mit der Militärtheorie befasst hatte. Offenbar wollte er nun diese theoretischen Studien auch in der Praxis umsetzen. Sein Söldnerheer war ca. 12.000 Mann stark und umfasste vergleichsweise viel Artillerie. Es lagerte vorerst bei Durlach.

Ernst von Mansfeld startete die Feldzugssaison damit, seine Truppen Mitte März aus dem Unterelsass nach Norden in Richtung Germersheim, Speyer und Frankenthal zu verlegen. Mit größeren Reiterverbänden setze er über den Rhein, um dort gegen ligistische Stellungen vorzustoßen. Außerdem verhandelte er mal wieder gleichzeitig mit dem Gegner, in diesem Fall der Infantin Isabelle, die von Brüssel die spanischen Niederlande im Namen des Königs regierte, um die Bedingungen für seinen Wechsel der Seiten.

Mit dem Eintreffen des Pfalzgrafen Friedrich aus Den Haag am 23/24. April im Lager Mansfelds in Germersheim konnte dieser die Verhandlungen mit den Feinden seines Kriegsherrn natürlich nicht fortsetzen. Stattdessen überquerte die pfälzische Armee dort umgehend den Rhein. Friedrich stattete Graf Ernst von Mansfeld mit dem Titel eines „General-Feldmarschalls der böhmischen Krone“ aus, was viel über den mangelnden Realitätssinn des böhmischen Exkönigs verriet. Tags darauf brach auch der Markgraf von Baden-Durlach auf, um sich mit der Armee Mansfelds zu vereinigen. Diese zog auf der Bergstraße nach Norden in Richtung Wiesloch, von wo Tilly mit einem Teil seiner Streitkräfte anrückte. Am 26. April kam es zu ersten Kampfhandlungen. Am folgenden Tag, dem 27. April, begannen die Kämpfe südlich von Mingolsheim, welches von den Pfälzer Truppen niedergebrannt wurde. Durch den dichten Rauch hindurch hielten die ligistischen Truppen die Umleitung des pfälzischen Trosses für einen allgemeinen Rückzug und griffen an. Doch als sie durch das brennende Dorf hindurch waren, erwartete die Armee Mansfelds sie in Schlachtordnung auf einem Hang und ging sofort zum Gegenangriff über. Dieser kam so unerwartet, dass die ligistischen Truppen auf das brennende Dorf zurückgeworfen wurden. Tilly erlitt in diesem Gefecht eine Verwundung, etwa 2000 seiner Männer starben, während auf Pfälzer Seite nur etwa 400 Tote zu beklagen waren. Jedoch konnten sich die bayerischen Truppen in guter Ordnung nach Wimpfen zurückziehen, ohne verfolgt zu werden. Am gleichen Tag erklärte auch der Markgraf von Baden-Durlach seinen Eintritt in Friedrichs Krieg gegen Kaiser und Reich.

Nachdem Friedrich in Anerkennung des Sieges Mansfeld auch noch zum Fürsten von Hagenau, einem Territorium, das ihm nicht gehörte, erhoben hatte, kam es am 29. April zur Vereinigung der beiden protestantischen Heere. Gemeinsam wollte man gegen Tilly vorrücken. Dieser Vormarsch artete dann aber in eine Art Slapstick aus. Beide Armeen überflügelten sich abwechselnd, weil jede den rechten Flügel bilden wollte. Dazu muss man wissen, dass der rechte Platz in der Schlachtordnung als der ehrenvollste erachtet wurde, der auch im 17. Jahrhundert noch den Truppen, die dem ranghöchsten Feldherrn dienten, gebührte. Dieses Ehrverständnis rührte noch aus den Zeiten, als man mit Schilden am linken Arm in die Schlacht zog. Während die rechte Seite aller Männer vom Schild des Mannes rechts neben ihnen mitgedeckt war, hatten die Männer ganz rechts in der Schlachtreihe niemanden mehr, der ihre offene Seite deckte. Deswegen standen dort die Tapfersten der Tapferen oder die, die sich dafür hielten.