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Die Historie der britischen Traditionsreederei ist eng verknüpft mit Ereignissen der Weltgeschichte: der Auswanderung nach Amerika, der Ära der Goldenen Zwanziger, zwei Weltkriegen, Wirtschaftswundern und den Swinging Sixties bis hin zur Renaissance der Kreuzfahrt im neuen Jahrtausend. Selbst Cunard-Kenner und Schiffsliebhaber erfahren in dieser Jubiläumsfestschrift noch Neues und für Liebhaber der "Queens" ist der Titel ein Muss. +++Achtung bei diesem Titel handelt es sich um eine Fixed Layout-Version. Bitte informieren Sie sich vor dem Kauf darüber, ob Ihr Gerät diese Datei öffnen und korrekt darstellen kann.+++
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Seitenzahl: 159
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Ingo Thiel
175 JAHRE CUNARD LINE
Die Geschichte der renommiertestenPassagierreederei der Welt
Koehlers Verlagsgesellschaft
Hamburg
Danksagung
Die Recherchen wurden unterstützt von Cunard Line, insbesondere von dem Cunard-Historiker Michael Gallagher und dem Hamburger Büro unter Leitung von Anja Tabarelli. Für ihre Hilfe bei Übersetzungen bin ich Mule und Philipp Markhardt zu Dank verpflichtet.
Bildnachweis: Alle Bilder Cunard Line mit Ausnahme von:
S. 103 Bohm + Voss Repair sowie S. 17, S. 99 oben, S. 108 Ingo Thiel
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
eISBN 978-3-7822-1177-2
ISBN 978-3-7822-1462-9
Koehlers Verlagsgesellschaft, Hamburg
© 2015 by Maximilian Verlag, Hamburg
Ein Unternehmen der Tamm Media, alle Rechte vorbehalten.
Layout: Inge Mellenthin
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Die Eisenbahn auf dem Wasser
Cunards erstes Schiff
Cunards erster Liner: die BRITANNIA
Cunard und die Farben
Der Kampf um die Vorherrschaft auf dem Atlantik
Das Wappen der Cunard Line
MAURETANIA: Grand Old Lady of the Atlantic
Der Boston Cup
Mit Volldampf zur sinkenden TITANIC
BERENGARIA – die erste Cunard-Königin
AQUITANIA – die Schöne
1914–1946
Verluste im Ersten Weltkrieg
LACONIA – Das erste Weltreise-Schiff
Die Grill-Klasse
Das Schiff mit der längsten Dienstzeit und den meisten Passagieren
Vorreiter bei Sicherheit und Service
CARONIA – die »Grüne Göttin«
1950–1968
Cunard Line und Concorde
Der legendäre Liner
Der Besuch der alten Dame
Gentlemen bitten zum Tanz
Hotel Cunard
Das erste deutsche »Traumschiff«
Die neuen Queens
White Star Service
Der erste weibliche Kapitän
Weltpremiere für den Maybach
Tiere auf Cunard-Schiffen
Hauptquartiere von Cunard Line
Flottenliste
Liebe Leserinnen und liebe Leser,
das Jahr 2015 ist für alle, die bei und für Cunard Line arbeiten, ein ganz besonderes Jahr. Unsere Reederei begeht ihren 175. Geburtstag, es ist die einzige erfolgreiche Passagierreederei mit einer derart langen Tradition und die einzige Reederei, die den regelmäßigen Liniendienst über den Atlantik noch aufrechterhält. Denn dort liegen die Wurzeln von Cunard Line: Seit die BRITANNIA am 4. Juli 1840 zur ersten Fahrt über den Atlantik aufgebrochen ist, haben viele berühmte Cunard-Schiffe diesen Weg fortgesetzt, bis zu unserem heutigen Flaggschiff, der QUEEN MARY 2.
Und auch dieser wirklich letzte wahre Ozeanliner hat in seiner vergleichsweise kurzen Dienstzeit bereits Geschichte geschrieben: bei der Taufe als damals größtes Schiff der Welt und ganz besonders hier in Deutschland. Unvergesslich sind die ersten beiden Anläufe 2004 und 2005 mit bis zu einer halben Million Menschen, die dieses Schiff sehen wollten. Die QUEEN MARY 2 ist zum Schiff der Hamburger geworden und hat einen großen Beitrag zum Kreuzfahrtboom in Deutschland geleistet. Wir sind stolz darauf, in diesem Jubiläumsjahr auch den 50. Anlauf der QUEEN MARY 2 in Hamburg feiern zu können.
Aber nicht nur die Gegenwart macht uns stolz, sondern vor allem die glorreiche Vergangenheit und die Tradition der Cunard Line. Der 175. Geburtstag ist auch eine Gelegenheit, um einmal innezuhalten und die großartige Geschichte unserer Reederei Revue passieren zu lassen: Cunard Line ist untrennbar verknüpft mit der Auswanderung von Millionen Emigranten von der Alten in die Neue Welt, der Rettung der überlebenden Passagiere der TITANIC, dem Prunk der Goldenen Zwanziger Jahre, den Geschehnissen zweier Weltkriege, dem Wirtschaftswunder der Nachkriegsjahre, den Swinging Sixties, dem Aufrechthalten der klassischen Kreuzfahrt mit der QUEEN ELIZABETH 2 bis in die 2000er-Jahre und nicht zuletzt mit der Renaissance der Kreuzfahrt, die seit einem Jahrzehnt als einzige Branche der Touristik stetig wachsende Gästezahlen beschert. Es sind Werte, für die Cunard steht – Werte wie Sicherheit, Zuverlässigkeit, Tradition, Stil und Eleganz, perfekter Service und natürliche Freundlichkeit. Damit identifizieren wir uns noch heute, dafür arbeiten wir, und in diesem Bewusstsein begehen wir unser großes Jubiläum.
Anja Tabarelli
DIE EISENBAHN AUF DEM WASSER
Samuel Cunard führt den regelmäßigen Liniendienst über den Atlantik ein
Samuel Cunard und die von ihm gegründete Cunard Line gelten in Großbritannien und dem Commonwealth-Staat Kanada, dem Geburtsland Cunards, als Ikonen. Doch der Pionier des regelmäßigen Atlantikdienstes über den Atlantik ist gar nicht britischen Ursprungs. Die Stammbaumarchive der amerikanischen Quäker offenbaren Überraschendes: Das traditionsreichste noch bestehende Unternehmen in der Geschichte der Atlantikschifffahrt geht auf deutsche Wurzeln zurück.
Reedereigründer Samuel Cunard war der Ururenkel des 1653 in Krefeld geborenen Thomas Kunders, der wegen seiner Angehörigkeit zur mennonitischen Kirche in der Folge der Reformationskriege mit seiner Frau Magdalena in die Neue Welt auswanderte. Die Überfahrt erfolgte mit dem Segelschiff CONCORDE, mit dem die Familie Kunders am 16. August 1683 in Philadelphia ankam. Die Familie ließ sich in Germantown in der Quäkerkolonie Pennsylvania nieder, wo 1689 Sohn Henry geboren wurde. Der deutsche Nachname Kunders wurde im Laufe der Jahre mehrfach nach englischer Lautsprache geändert: Henry wurde zunächst als Cunders, später als Conred eingetragen. Sein 1731 geborener Sohn Samuel erhielt den Nachnamen Conrad. Dessen 1755 in Philadelphia auf die Welt gekommener Sohn Abraham, der Vater von Reedereigründer Samuel, nahm später zunächst den Namen Cunrad und dann schließlich Cunard an. Abraham Cunard siedelte nach dem Unabhängigkeitskrieg, der im Frieden von Paris mit der Anerkennung der Souveränität der Vereinigten Staaten von Amerika durch die Briten 1783 endete, im gleichen Jahr nach Kanada um, weil er den Briten weiterhin loyal verbunden blieb und daraufhin enteignet wurde. Als Wohnsitz suchte der Zimmermann für sich und seine Frau Margaret Halifax in Nova Scotia aus, da Kanada als britische Kolonie weiterhin Teil des Empires blieb.
Hier erblickte Samuel Cunard als erster von fünf Brüdern am 21. November 1787 das Licht der Welt. Bereits als Jugendlicher sammelte er geschäftliche Erfahrungen, als er mit 17 Jahren eine Gemischtwarenhandlung aufmachte. 1808 überzeugte er seinen Vater, die Gesellschaft Abraham Cunard & Sohn zu gründen, die Firma engagierte sich zunächst im Eisen-, Kohle- und Holzhandel sowie Walfang und spezialisierte sich dann auf Transporte mit Schiffen. Erste Erfahrungen im Transatlantikdienst wurden mit dem eigenen Segelschiff WHITE OAK gemacht, das zwischen Halifax und London verkehrte. Am 4. Februar 1815 heiratete Samuel Cunard Susanne Duffus, die ihm neun Kinder schenkte, nach dreizehn Jahre Ehe 1828 aber früh verstarb, Cunard war mit 42 Jahren Witwer.
Die BRITANNIA im Hafen von Liverpool, kurz vor dem Ablegen
Fahrpläne oder feste Abfahrtszeit waren damals noch nicht üblich. Ein Schiff wartete an der Pier auf Passagiere, gesammelte Post oder Fracht, bis es voll beladen war, und fuhr erst dann los. Das änderte sich erst am 27. Oktober 1817 als in New Yorker Zeitungen die Anzeigen der neu gegründeten New York Packet Company erschienen, die eine neue Geschäftsidee ankündigten: Die Schiffe der neu gegründeten Gesellschaft sollten monatlich an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit ablegen. Gleichlautende Anzeigen erschienen in New York sowie in Liverpool und erklärten: »Die Schiffe fahren, egal, ob voll beladen oder nicht.« Die »Black Ball Line«, wie das Unternehmen wegen seines Logos bald genannt wurde, war schnell erfolgreich mit ihrem neuen Konzept, das auch bei Samuel Cunard auf Interesse stieß.
Als Abraham Cunard 1819 in Rente ging und das Geschäft an Sohn Samuel übergab, unterhielt sein Unternehmen 40 Schiffe und hatte sich den lukrativen Auftrag gesichert, im Auftrag der englischen Post den Brief- und Paketservice entlang der amerikanischen Ostküste von Neufundland bis zu den Bermuda-Inseln zu unterhalten. Samuel Cunard entwickelte dabei effiziente Methoden zur Be- und Entladung der Schiffsfrachten, eine Erfahrung, die ihm im späteren regelmäßigen Transatlantikdienst sehr zugute kam. Im Januar 1825 wurde Cunard von der Ostindischen Handelsgesellschaft zum Agenten ernannt und übernahm den Teetransport von China nach Kanada. Zwei Jahre später übergab ihm die kanadische Regierung die Verantwortung für die Errichtung von Leuchttürmen entlang der Küste Novia Scotias.
Seereisen waren um diese Zeit eine eher beschwerliche Angelegenheit, gerade über den oftmals rauen Atlantik. Den Schiffen mangelte es an Bequemlichkeit und Komfort für die Passagiere. Die Schlafräume waren mit bis zu 24 mehrstöckigen Betten belegt, in den schmalen Gängen hing die Wäsche zum Trocknen. Man schlief auf harten Holzpritschen von 45 Zentimeter Breite, so tief sind heute die Regalbretter der Bibliothek an Bord der QUEEN VICTORIA. Bis zu vier Wochen mussten die Passagiere, meist Emigranten mit all ihren Habseligkeiten, in ihren düsteren Kojen ausharren. Und das ohne Toiletten, es gab nur Eimer, die bei stärkerem Seegang umkippten. Waschen konnte man sich nur mit Meerwasser, das gebunkerte Frischwasser wurde nur zum Kochen und Trinken verwendet. Auch in der Ersten Klasse waren die Verhältnisse nicht viel besser, ein eigenes Badezimmer wurde erstmals 1870 auf der ABYSSINIA eingeführt. Der Vielreisende Samuel Cunard bemerkte: »Eine Reise mit einem Ozeanriesen ist, als ob man ins Gefängnis kommt – mit dem Unterschied, dass man dort wenigstens nicht Gefahr läuft zu ertrinken.«
Gemeinsam mit seinen Brüdern Henry und Joseph beteiligte sich Samuel Cunard 1833 am Dampfschiff ROYAL WILHELM, das 235 Aktionären der Quebec and Halifax Steam Navigation Company gehörte. Das Schiff war für den regelmäßigen Personen- und Postverkehr zwischen Quebec City und der Ostküste Kanadas gebaut worden, wurde aber auch für die Überquerung des Atlantiks eingesetzt. Dabei fuhr die ROYAL WILHELM zwar viel unter Dampf, meistens wurden aber doch Segel eingesetzt, weil die Kessel gereinigt werden mussten. Dabei ging viel Zeit verloren, die schnellsten Schiffe konnten den Atlantik damals in gut zwei Wochen überqueren, wenn kein Sturm oder widrige Strömungsverhältnisse aufkamen. Es konnten aber auch ein oder zwei Wochen mehr werden, wenn Orkan oder Flaute herrschte, die Ankunftszeiten richteten sich nach den Witterungsbedingungen. Samuel Cunard sah sich nach einer verlässlicheren und schnelleren Methode um und entwickelte ein Konzept, das auf dampfgetriebenen Schaufelraddampfern basierte. Der Vorteil von Dampf- gegenüber Segelschiffen war die vorhersagbare und konstante Geschwindigkeit, die einen regelmäßigen Fahrplan erlaubte – eine Eisenbahn auf dem Wasser.
Cunards erstes Schiff
In der öffentlichen Wahrnehmung gilt die BRITANNIA als das erste Schiff von Cunard. Doch das stimmt nicht: Zwar war die BRITANNIA der erste Cunard Liner, der den von der Admiralität gewonnenen Auftrag, die Post von der Alten in die Neue Welt und umgekehrt zu bringen, mit der Jungfernfahrt am 4. Juli 1840 erfüllte, doch das erste Schiff der Cunard Line war die winzige UNICORN.
Die UNICORN lief bereits 1836 in Greenock vom Stapel, hatte 648 Tonnen (die BRITANNIA lag bei 1.156 Tonnen) und war 9,5 Knoten schnell. Besitzer waren George und John Burns, die Partner von Samuel Cunard bei der Gründung der British and North America Royal Mail Steam Packet Company, die kurz Cunard Line genannt wurde.
Durch den Admiralitätsvertrag benötigte Cunard einen Zubringerservice von Halifax nach Pictou in Quebec. Die UNICORN war perfekt geeignet und so charterte Cunard das Schiff für sechs Jahre. Wann immer die BRITANNIA oder eines ihrer drei Schwesterschiffe in Halifax anlegte, nahm die UNICORN einige Passagiere auf, um sie über den Sankt-Lorenz-Strom ins Landesinnere Kanadas zu bringen. Die UNICORN verließ Liverpool am 16. Mai 1840 unter dem Kommando von Kapitän Walter Douglas, der damit zum ersten Kapitän der Cunard-Geschichte wurde. Mit 27 Passagieren an Bord erreichte das Schiff Halifax am 30. Mai und segelte weiter nach Boston, wo es am 3. Juni eintraf.
Die UNICORN blieb bis 1845 in Diensten Cunards, dann wurde der Zubringer nach Quebec eingestellt. Das Schiff wurde 1846 zunächst an die portugiesische Marine verkauft und später nach dem Einbau neuer Dampfkessel an eine Linie verkauft, die regelmäßig von Panama nach San Francisco fuhr. Die Spur des Schiffes verliert sich 1858, zuletzt fuhr die UNICORN im Liniendienst von Manila an die chinesische Küste und wurde vermutlich dort abgewrackt.
Um einen Eindruck von den Größenverhältnissen zu bekommen: Wenn man Schornstein und Masten der BRITANNIA entfernt hätte, würde der Rumpf locker in das BRITANNIA Restaurant der QUEEN MARY 2 passen. Und die noch kleinere UNICORN könnte gleichzeitig danebenliegen.
Postbote Ihrer Majestät
Zum Jahreswechsel 1838/1839 segelte Samuel Cunard mit der REINDEER nach London, als er an Bord eine fünf Wochen alte Anzeige der in Halifax erscheinenden Zeitung »Nova Scotia« las, in welcher der Postservice zwischen dem Britischen Königreich, Halifax und New York ausgeschrieben wurde. Die Bedingung war, dass Dampfschiffe eingesetzt werden sollten.
In London angekommen, gab Samuel Cunard sofort sein Angebot ab, obwohl die Frist bereits abgelaufen war: Er wollte Dampfschiffe mit 300 PS einsetzen, die im 14-tägigen Wechsel den Atlantik überqueren und am 1. Mai 1840 einsatzbereit sein sollten. Mit der ausgeschriebenen Vergütung von 55.000 Pfund für die Postbeförderung erklärte er sich einverstanden. Nach zwölf Wochen harter Verhandlungen gewann er den Vertrag, weil er freiwillig anbot, die Post auch in der gefährlichen Wintersaison auf dem Atlantik zu befördern: Die britische Admiralität gab Cunard am 18. März 1839 den Zuschlag, am 4. Mai wurde ein Sieben-Jahres-Vertrag unterzeichnet. Abfahrten sollten jeweils am 4. und am 19. eines Monats erfolgen, in den Wintermonaten von November bis Februar war eine Abfahrt monatlich garantiert.
Cunard wandte sich an Robert Napier, der seine Werft auf dem Clyde bei Glasgow hatte und wollte drei Schiffe mit einer Größe von je 800 Tonnen und 300 PS zum Preis von 30.000 Pfund in Auftrag geben. Napier überzeugte den Reeder aber, größere Schiffe zu bauen, die möglichen heftigen Stürmen einer Atlantikreise besser gewachsen wären. Außerdem rechnete der findige Werftbesitzer vor, dass mit einem Schiff mehr der Profit höher sei, denn im regelmäßigen Fahrplandienst entspräche dies etwa zwölf Segelschiffen – die neu zu bauenden Dampfschiffe seien mithin etwa dreimal so schnell. Samuel Cunard war dem Vorschlag gegenüber nicht abgeneigt, scheute sich aber, das finanzielle Risiko allein zu tragen. Napier stellte ihm daraufhin zwei schottische Geschäftsmänner vor, George Burns und David McIver, die einen Fonds auflegten und innerhalb kürzester Zeit 2f 5.000 Pfund von 3f Investoren einsammelten. Samuel Cunard legte 55.000 Pfund dazu und nahm als Dank an die schottischen Investoren den schottischen Löwen ins rote Banner der neuen Flotte. Die geplanten Schiffe mit Holzrumpf wurden auf 1.156 Tonnen mit 63 Meter Länge vergrößert und sollten 115 Passagiere an Bord nehmen können. Zwei Dampfmaschinen, die 440 PS erzeugten, ergaben eine Betriebsgeschwindigkeit von neun Knoten. 50.000 Pfund waren pro Schiff zu zahlen, die Aufträge gingen an unterschiedliche Werften, Napier baute die Maschinen für alle vier. Für Napier arbeitete auch ein Blechschmied namens James Thompson, der mit seinem Bruder ein paar Jahre darauf die Werft J & G Thompson gründete, besser bekannt unter dem späteren Namen John Brown & Co, die so berühmte Cunarder wie die LUSITANIA, AQUITANIA, QUEEN MARY, QUEEN ELIZABETH und QUEEN ELIZABETH 2 baute.
Erster Entwurf einer technischen Zeichnung der BRITANNIA
Am 5. Februar 1840 erfolgte bei Robert Duncan in Greenock der Stapellauf der BRITANNIA, Taufpatin war Napiers Nichte Isabella. Die ACADIA wurde bei John Wood gebaut, die CALEDONIA bei Charles Wood, Robert Steele legte die COLUMBIA auf Kiel. Alle Schiffe waren Dreimaster, der Schornstein befand sich zwischen Vorder- und Hauptmast. Da die Farbe des Rauchfangs auf Schiffen durch die hohen Temperaturen schnell abblätterte, experimentierte man beim Bau der BRITANNIA mit einer Mischung aus Buttermilch und Ockerfarbe, die zunächst einen Gelbton ergab. Bei Betrieb aber brannte sich die Farbe ein und veränderte sich – so entstand das berühmte Cunard-Rot.
Am 3. Juli 1840 erschien eine Anzeige im Liverpooler »Mercury«, welche die Passage der Cunard-Schiffe ankündigte: Die BRITANNIA sollte am 4. Juli fahren, die ACADIA am 4. August. Insgesamt waren 63 Passagiere an Bord der BRITANNIA – 48 nach Halifax und 15 nach Boston – unter ihnen Samuel Cunard mit seiner Tochter Ann. Nach zwölf Tagen und zehn Stunden war die erste Atlantiküberquerung nach Halifax vollbracht. Im Premierenjahr wurden von der BRITANNIA und ihren Schwesterschiffen 40 Atlantiküberquerungen absolviert.
Mit Anzeigen warb Cunard Line für die schnellsten und größten Schiffe im Linienverkehr über den Atlantik
Cunards erster Liner: die BRITANNIA
Die BRITANNIA war der erste Transatlantikliner der Cunard Line und mit ihren drei Schwesterschiffen ACADIA, CALEDONIA und COLUMBIA der Grundstein für den regelmäßigen Linienverkehr auf dem Nordatlantik. Nachdem Samuel Cunard am 4. Mai 1839 von der britischen Admiralität den Zuschlag für den Postservice zwischen dem Britischen Königreich, Halifax und New York bekommen hatte, wandte sich der kanadische Geschäftsmann an Robert Napier, der seine Werft auf dem Clyde bei Glasgow hatte.
Napier plante Schiffe, welche die Quintessenz des technisch Machbaren der damaligen Zeit darstellten: dreimastige Raddampfer mit Holzrumpf, 63 Meter lang und zehn Meter breit, mit langem Bugspriet und 1.156 Tonnen. Zwei Dampfmaschinen, die 440 PS erzeugten, ergaben eine Betriebsgeschwindigkeit von neun Knoten. Bis zu 115 Passagiere konnten an Bord genommen werden, pro Schiff waren 50.000 Pfund zu zahlen. Am 5. Februar 1840 erfolgte in Greenock der Stapellauf der BRITANNIA, Taufpatin war Napiers Nichte Isabella.
Die Jungfernreise der BRITANNIA am 4. Juli 1840 begann pünktlich: Um zwei Uhr nachmittags legte Kapitän Henry Woodruff von der Pier in Liverpool ab und machte sich auf den Weg über Halifax nach Boston. Die Überfahrt inklusive Mahlzeiten und Wein kostete 34 Guineen, nach Boston 38 Guineen. Das Trinkgeld für Stewards war obligatorisch und betrug eine zusätzliche Guinee. Insgesamt waren 63 Passagiere an Bord, unter ihnen Samuel Cunard mit seiner Tochter Ann. Die Passage dauerte zwölf Tage und zehn Stunden, die BRITANNIA erreichte Halifax am 17. Juli, drei Tage früher als im Fahrplan vorgesehen, und fuhr nach acht Stunden Liegezeit weiter nach Boston, wo sie am nächsten Abend gegen 22 Uhr ankam. Von den restlos begeisterten Einwohnern Bostons bekam Samuel Cunard einen Silberpokal überreicht, für den die Bürger Schmuck und Geschirr aus dem Edelmetall gesammelt und hatten einschmelzen lassen. Der »Boston Cup« ist auf der QUEEN MARY 2 vor dem BRITANNIA-Restaurant zu besichtigen.
Im ersten Jahr schafften die BRITANNIA und ihre drei Schwesterschiffe insgesamt 40 Atlantiküberquerungen, immer mit pünktlicher Abfahrt, für die damalige Zeit ein herausragender Standard. Das erste Jahrzehnt des Bestehens schloss die Reederei mit großem Erfolg ab: 470 Atlantiküberquerungen mit mehr als 60.000 Passagieren wurden durchgeführt. Spötter nannten den Atlantik »Cunards Teich«.
Die BRITANNIA im Hafen von Halifax
Die BRITANNIA fuhr noch bis 1849 für Cunard Line, bevor sie nach Deutschland verkauft und in BARBAROSSA umbenannt wurde. Sie diente zunächst in der deutschen Bundesflotte und anschließend in der preußischen Marine. Nach 40 Jahren Dienstzeit ereilte den Dampfschiffpionier des Nordatlantiks ein unwürdiges Ende: 1880 wurde das erste Linienschiff Samuel Cunards bei einem Manöver als Zielschiff benutzt und versenkt.
Selbst die Kabinen Erster Klasse waren so eng, dass Charles Dickens sich vorkam »wie in einem Sarg«
Trotzdem war der regelmäßige Transatlantikdienst für den Reeder zunächst ein Minusgeschäft. Cunard bestand auf Nachverhandlungen mit der Admiralität, die ihm im September 1841 eine Erhöhung des Zuschusses von 56.000 auf 81.000 Pfund bewilligte.
Wie beschwerlich die Reisen waren, verdeutlichen die Aufzeichnungen einer der großen Persönlichkeiten des Viktorianischen Zeitalters, des Schriftstellers Charles Dickens. Im Januar 1842 fuhr Dickens mit seiner Frau Kate auf der BRITANNIA