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Das Kunsthistorische Museum wird zum Schauplatz eines Verbrechens, wie es Wien bislang noch nicht erlebt hat... Als seine Tochter, zusammen mit anderen Kindern, in die Gewalt von Geiselnehmern gerät, wird das Leben von Tom Korn mit einem Schlag komplett aus der Bahn geworfen. Zusammen mit der Polizei muss er sich auf ein böses Spiel mit den Verbrechern einlassen um die Kinder nicht zu gefährden. Dabei scheint es, als wären ihnen die Verbrecher immer eine Spur voraus...
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Seitenzahl: 271
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Kunsthistorisches Museum, Wien
Prolog
15. November
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Zwei Wochen später
Über den Autor
Das Kunsthistorische Museum in Wien zählt zu den größten und bedeutendsten Museen weltweit. Es wurde 1891 eröffnet und steht zusammen mit dem Naturhistorischen Museum im ersten Wiener Gemeindebezirk, auf dem Maria-Theresien-Platz.Täglich bestaunen unzählige Besucher die Sammlungen und Objekte aus sieben Jahrtausenden, von der Zeit des Alten Ägypten bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Besondere Schwerpunkte liegen in der Kunst der Renaissance und des Barock.
Zu den Höhepunkten der Gemäldegalerie gehört der weltweit einzigartige Bestand an Bildern von Pieter Bruegel d. Ä. mit dem weltberühmten Gemälde »Turmbau von Babel«.
2003 wurde die Saliera von Benvenuto Cellini, eine der wertvollsten Skulpturen des Museums, gestohlen. Das Kunstwerk konnte wiederbeschafft und ins Museum überstellt werden. Die Tat gilt als das größte Verbrechen, welches bislang im Kunsthistorischen Museum stattgefunden hat …
Bis jetzt.
Grau in grau präsentierte sich der kalte Novembertag vor Toms Zimmer. Die ersten Schneeflocken des Jahres fielen auf die Straße und blieben aufgrund der tagelangen eisigen Kälte liegen. Tom saß alleine daheim vor seinem Computer und entspannte bei seiner Lieblingsbeschäftigung, Computerspielen.
Das Läuten seines Handys riss ihn aus der Fantasiewelt. Es war seine Frau, Tamara.
»Hallo, Schatz. Na, wie geht´s?«, fragte sie, gut gelaunt aber hörbar gestresst.
»Alles bestens. Ich genieße die Ruhe daheim. Wie läuft es bei dir, viel los in der Arbeit?«
»Wie immer, ein Haufen Papierkram, aber sonst nichts Aufregendes. Ich freue mich schon, wenn ich heimkomme, immerhin haben wir den Nachmittag für uns.«
»Ja, darauf freue ich mich auch. Sehr praktisch, dass Sophia nach dem Museumsbesuch noch bei ihrer Freundin bleiben möchte.«
Sie plauderten noch über Alltägliches, bis Tamara meinte, dass sie weiterarbeiten müsse und sich verabschiedete.
»Dann bis später, ich liebe dich, mein Schatz!«
»Ich dich auch, bis dann«, antwortete Tom und legte auf.
Tamara und Tom waren seit neun Jahren verheiratet und noch viel länger zusammen. Er selbst zählte nicht mehr, Tamara hatte ihm vor kurzem gesagt, dass sie sich schon fast zwanzig Jahre kannten. Als Tamara vor dreizehn Jahren unerwartet schwanger wurde, war für ihn schon längst klar gewesen, dass sie die Frau seines Lebens war. Die Hochzeit verschoben sie dennoch immer wieder, bis es dann nach einigen Jahren soweit war.
Viele in ihrem Freundeskreis beneideten sie um ihre harmonische Beziehung, in der es scheinbar nie Streit oder Schwierigkeiten gab. Im Großen und Ganzen traf das auch zu. Außer den üblichen kleinen Diskussionen hatten es noch nie größere Probleme in ihrer Beziehung gegeben.
Seit der Geburt von Vanessa-Sophia drehte sich bei ihnen alles um ihre Tochter. Wegen seiner Familie hatte Tom auch seinen früheren Job bei einer Eventund Marketingfirma aufgegeben. Er wollte nicht mehr herumreisen, sondern so viel Zeit, wie möglich mit Tamara und seiner Tochter verbringen.
Aus diesem Grund hatte Tom vor zehn Jahren einen Job als Sanitäter und Einsatzfahrer in Wien angenommen. Obwohl er finanzielle Abstriche machen musste, waren die Arbeitszeiten um einiges angenehmer.
Tamara arbeitete halbtags als Sekretärin in einer kleinen Baufirma. Mit ihren Gehältern zusammen kamen sie halbwegs über die Runden. In erster Linie achteten sie darauf, dass sie ihrer Tochter so viel wie möglich ermöglichen konnten. So besuchte sie eine renommierte Privatschule, deren Gebühren sich Tamara und Tom jedoch nie hätten leisten können. Ein guter Freund von Tom, Martin, ein bekannter Anwalt in Wien, hatte bei der Direktion ein gutes Wort für die Familie eingelegt. Er war nie genauer darauf eingegangen, aber Tom vermutete, dass es eine Gegenleistung für eine erfolgreiche Verteidigung vor Gericht war.
Tom hatte ein hervorragendes Verhältnis zu seiner Tochter, die trotz Pubertät und einem Freundeskreis von Kindern reicher Eltern, sehr normal und bodenständig blieb. Ihr gemeinsames Faible für Science-Fiction Serien sorgte öfters für lange Nächte vor dem Fernseher mit langen Gesprächen, so auch gestern.
Nachdem ihn Tamara sowieso unterbrochen hatte, stand Tom auf und bereitete sich sein Mittagessen zu. Kochen gehörte nicht zu seinen Stärken, aus diesem Grund gab es auch immer einen Vorrat an Tiefkühlpizzen zuhause.
Seine Frau würde nicht vor 15 Uhr heimkommen, also hatte er noch Zeit, die Ruhe daheim zu genießen.
Tom war mitten unter dem Essen, als sein Telefon erneut klingelte. Dieses Mal war es seine Tochter Sophia.
»Ja, hallo, meine Kleine. Solltest du nicht schon längst im Museum …?«
»Papa, die haben uns da eingesperrt und bedrohen uns … Ich habe Angst, die wollen uns was antun!«, flüsterte sie komplett verängstigt ins Telefon.
Tom sprang auf. Im ersten Moment glaubte er, sich verhört zu haben.
»Wie bitte? Was ist los, wo bist du?«, fragte er verwundert.
»Im Museum, die haben uns alle in einem Raum gesteckt und … Mist, die kommen schon wieder …« Sie verstummte.
Tom hörte eine männliche Stimme, die schrie. Dann kreischten mehrere Kinder auf.
»Alle Handys her, sofort … Rüber an die Wand! Sichert alle Ausgänge und die Räume, so wie geplant …«, dann wurde die Verbindung unterbrochen.
Tom starrte fassungslos auf das Handy. Es dauerte einige Sekunden, bis er wieder in der Lage war, normal zu denken. Er ließ den Teller mit der halben Pizza stehen und rannte in den Vorraum, um sich anzuziehen. Schnell band er seine schulterlangen, braunen Haare zusammen, schnappte sich seine Jacke und seinen Autoschlüssel und stürzte aus der Wohnung. Wenn seine Tochter in Gefahr war, musste er umgehend zu ihr.
Auf der Straße war es ruhig, die Straßen nass und rutschig. Tom rannte zu seinem Wagen und sprang hinein.
So schnell es ihm möglich war, fuhr er in Richtung des ersten Bezirks. Die erste rote Ampel konnte er noch ohne Probleme überfahren, aber bei der Zweiten musste er sich einbremsen, da der Querverkehr die Kreuzung blockierte.
»Mist, das ist kein Dienstwagen!«, fluchte er, als die Reifen über die feine Schneeschicht rutschten, und wünschte sich einen seiner Fahrzeuge aus der Arbeit, mit Blaulicht und Sirene.
Es dauerte knapp eine Viertelstunde, bis er in der Innenstadt ankam. Dabei rasten seine Gedanken um das kurze Telefonat mit seinem Kind.
Die Klasse war heute in der Innenstadt unterwegs, um einige Bauwerke und besonders das Kunsthistorische Museum zu besuchen. Sophia hatte ihm gestern noch erzählt, dass im Moment die Hälfte der Klasse krank war. Dennoch wurde der Ausflug nach mehreren Verschiebungen nun durchgeführt, auch mit dem Grund, dass dadurch die kranken Schüler weniger Lernstoff versäumen würden.
Gestern Abend, als sie gemeinsam auf der Couch lagen und sich ihre Lieblingsserie »Doktor Who« ansahen, hatte Sophia davon geschwärmt, wie sie sich auf die Gemälde und die ägyptische Ausstellung im Museum freute.
Aber wer käme auf die Idee, in einem Museum eine Gruppe Kinder einzusperren und zu bedrohen? Tom konnte sich nicht erklären, was genau vorgefallen war, aber er kannte seine Tochter. Sie hatte komplett verängstigt geklungen, und nachdem er auch die schroffen Anweisungen des Mannes gehört hatte, wollte Tom so schnell wie möglich zu ihr.
Als er versuchte auf die Straße abzubiegen, die zum Museum führte, sah er hinter sich eine ganze Armada an Blaulichtern, die rasch näherkamen. Er fuhr in eine große Parklücke und entschied, den Wagen stehen zu lassen. Den restlichen Weg lief er, wobei es sich bezahlt machte, dass er mehrmals die Woche am Abend joggen ging.
Am Platz vor dem Museum wurden bereits die Stände für den Adventmarkt aufgebaut, der in wenigen Tagen eröffnen sollte. Tom hatte keine Augen dafür und rannte auf das Museum zu.
Er zückte sein Handy und versuchte, Sophia anzurufen, doch er kam nur auf ihre Mailbox. Entweder mussten sie das Handy abdrehen, oder es war zerstört worden.
Beinahe lief er in eine Gruppe Polizisten, die vor ihm erschienen.
»Stopp, hier können Sie nicht rein, wir …«, informierte ihn einer der Polizisten und wollte ihn zurückdrängen. Tom schlug seine Hand zur Seite.
»Meine Tochter … sie hat mich angerufen, dass sie da drinnen eingesperrt …«
Er spürte eine Hand auf seiner Schulter. Als er sich umdrehte, blickte er einem groß gewachsenen, untersetzten Mann in die Augen. Durch den dunklen Vollbart war sein Mund fast nicht zu erkennen. Er war in einem dicken, dunkelbraunen Mantel eingehüllt, der bis zu den Knien reichte.
»Beruhigen Sie sich. Ich bin Chefinspektor Halbmann. Kommen Sie bitte mit mir«, sprach er mit ruhiger, tiefer Stimme auf Tom ein. Er zog ihn zur Seite und sprach mit gedämpfter Stimme weiter.
»Wir wissen schon Bescheid und in wenigen Minuten wird es wohl ganz Wien wissen. Deshalb sind das Museum und die Straßen auch abgeriegelt. Sie sind wer genau?«
»Tom … also Thomas Korn. Meine Tochter, Sophia, sie ist mit ihrer Klasse …«
»Moment«, unterbrach der Chefinspektor ihn, »Das erzählen Sie mir in aller Ruhe.«
Sie gingen zur Hauswand neben dem Stiegenaufgang, wo sie dem eiskalten Wind nicht direkt ausgesetzt waren. Der Chefinspektor zückte eine Packung Zigaretten, bot Tom eine an, doch dieser verneinte.
»Ich habe aufgehört.«
»Eine gute Entscheidung. Das nehme ich mir auch immer vor, aber dann klappt es doch wieder nicht«, versuchte Halbmann, ihn mit normalem Small Talk zu besänftigen.
Nach einigen Zügen sprach er weiter.
»Nun, Herr Korn, was genau wissen Sie?«
Tom erzählte ihm von dem Anruf und was er gehört hatte.
»Damit sind Sie uns schon um einiges voraus. Wir haben nur einen Anruf bekommen, mit der Information, dass es hier eine Geiselnahme gibt und wir um dreizehn Uhr mehr erfahren werden. Ganz nett war, dass der unbekannte Anrufer uns mitgeteilt hat, wir sollen doch bitte vor dem Museum warten. Wir können inzwischen ruhig unser Büro aufbauen, weil es länger dauern wird, hat er gemeint«, erklärte Halbmann mit säuerlichem Unterton.
Mittlerweile strömten von allen Seiten Polizisten zu ihnen. Ein LKW mit breitem Anhänger fuhr an den teilweise nur halb aufgebauten Ständen vorbei. Auf der Seite des grauen Anhängers prangte in großen, weißen Buchstaben POLIZEI - Mobile Kommandoeinheit. Der Wagen parkte nahe dem Maria-Theresia-Denkmal, das mitten auf dem Platz vor dem Museum stand.
»Mein Büro ist eingetroffen«, meinte der Chefinspektor und ging zum Wagen. Tom folgte ihm, als es plötzlich hinter ihnen beim Eingang zum Museum zu einem Aufruhr kam. Der Chefinspektor und Tom drehten sich um und sahen, wie ein Mann mit erhobenen Händen aus der Tür rannte.
»Nicht schießen, ich arbeite im Museum! Ich soll dieses Handy an jemanden weitergeben, der hier das Sagen hat!«, rief er laut. Der aufgeregte Mann war sofort von einer Horde von Polizisten umringt. Halbmann hob seine Hand und winkte den Mann zu sich.
»Her damit, ich nehme es!«, rief er ihm zu. Das schwarze Handy war ein altes Ericsson-Modell aus der Zeit, als Handys gerade erst in Mode kamen. Tom erkannte es, denn es war damals sein erstes Handy. Wie eine kleine rechteckige Schachtel lag es in der Hand des Chefinspektors. Er blickte darauf und runzelte die Stirn.
»Das gehört eigentlich auch schon in ein Museum. Kein Farbdisplay, kein Internet. Wenn ich das meinen Kindern zeige, lachen die mich aus«, meinte Halbmann grimmig und drückte einige Knöpfe.
Tom erinnerte sich. Das Display war zweizeilig, Spiele gab es damals keine, das Wort ‚App‘ war noch unbekannt. Und die Klingeltöne, besser gesagt, die Piepstöne, wurden mit einem Editor selbst komponiert.
»Es ist keine Nummer gespeichert, keine Nachrichten darauf«, stellte der Chefinspektor fest und blickte auf seine Uhr.
»Kurz vor eins. Dann hoffe ich mal, dass diese Typen pünktlich sind und sich melden.«
Zusammen mit Tom ging er zu dem Kastenwagen. Als Tom in das Innere blickte, wusste er, was Halbmann mit ‚seinem Büro‘ meinte. Mehrere Computer, Blinklichter, einige Telefone und viele große und kleine Bildschirme waren zu sehen.
Während der Chefinspektor die Polizisten aufteilte und weitere Anweisungen gab, setzte sich Tom auf die Stufen bei der Tür zum Kommandostand und blickte zum Museum.
Er konnte sich immer noch nicht erklären, was hier vorging. Hat wirklich jemand im Museum eine Schulklasse als Geiseln genommen? Wie viele Leute waren noch im Museum und was wollten diese Verbrecher?
»Verdammt, das Ding ist so veraltet, dass ich es nirgends an einem Lautsprecher anstecken kann!«, fluchte Halbmann. Einer der Mitarbeiter reichte ihm ein Kabel.
»Einfach in die Kopfhörerbuchse stecken, dann können wir es mit unserem Lautsprecher verbinden, Chef.«
»Danke für die Aufklärung!«, brummte Halbmann.
Das antiquarische Telefon läutete. Es war nicht mehr als ein Piepen in unterschiedlichen Höhen. Schnell drückte der Chefinspektor eine Taste, setzte sich ein Headset auf und schaltete den Lautsprecher ein.
»Chefinspektor Halbmann. Mit wem habe ich das Vergnügen?«
»Hallo!«, begrüßte ihn eine männliche Stimme, die Tom sofort erkannte. Es war dieselbe, die er schon vorher gehört hatte.
»Fangen wir gleich mit den Formalitäten an. Ich heiße Jakob und Sie?«, fragte der Mann freundlich.
»Simon Halbmann, Chefinspektor ...«
»Simon genügt, mehr Höflichkeit brauchen wir nicht«, unterbrach Jakob ihn. Seine Aussprache klang nach einem Deutschen, er klang gelassen, fast übertrieben freundlich.
»Bist du in der Position, um hier alles zu koordinieren und Befehle zu geben?«
»Ja, bin ich. Also ...«
»Moment Simon, lass bitte mich reden«, unterbrach Jakob ihn erneut.
»Es sieht folgendermaßen aus: Ich habe hier zwölf Kinder und eine Frau bei mir sitzen. Wenn alles gut läuft, wird niemand zu Schaden kommen und das wollen wir doch beide.
Damit eines gleich klargestellt ist, du hast hier keinen Anfänger am Telefon. Sollte euch einfallen, das Museum zu stürmen oder eine meiner Forderungen nicht erfüllt werden, gibt es ein Blutbad. Ich glaube, das wollen wir alle nicht, oder?«
»Da bin ich ganz Ihrer Meinung, Jakob. Aber, vielleicht ist Ihnen nicht ganz klar ...« Simon versuchte, ebenfalls ruhig und gelassen zu klingen.
»Glaub mir, Simon, mir ist alles sehr klar. Es ist jetzt kurz nach dreizehn Uhr. Zunächst etwas Wichtiges:
Es sollte klar sein, kein Polizist betritt das Museum. Ich kenne jeden Eingang in dieses Museum und wir haben neben unserem Saal auch andere vorsorglich präpariert. Wenn also jemand auf die Idee kommen sollte, sich im Museum ohne meine Erlaubnis aufzuhalten, dann … wie gesagt, Blutbad.
Als Zeichen meines guten Willens und damit das Ganze für uns alle übersichtlicher wird, möchte ich, dass das Museum geräumt wird. Um halb zwei ist dieses Museum leer, bitte. Niemand, ich wiederhole, niemand ist dann noch im Museum. Keine Besucher, kein Personal, absolut keine Menschenseele außer uns.«
»Und die Kinder?«, fragte Simon nach. Er steckte sich eine weitere Zigarette an.
Jakob lachte auf.
»Die bleiben noch etwas hier bei mir. Aber alle anderen können raus. Bitte vergiss nicht, auch das Personal muss raus.«
»Wir können doch nicht ...«
»Doch kannst du. Wenn sich nach halb zwei noch jemand im Museum befindet, dann sind es nur noch fünf Kinder. Ich glaube, das ist deutlich.
So, weiter im Text. Es werden also nur die zwölf Kinder und die Lehrerin übrigbleiben. Bis 14 Uhr besorgst du uns etwas zum Essen. Am besten, du machst einen Großeinkauf beim McDonalds. Hamburger, Getränke, Pommes, Nuggets, … Einfach eine Mischung von allem. Ich muss wohl nicht darauf hinweisen, dass das Essen nicht präpariert werden soll. Immerhin soll es den Kindern ja schmecken, oder Simon?«
Simon ballte eine Hand zur Faust. Es war ihm anzumerken, dass ihm die Art von Jakob nicht gefiel. »Schon verstanden, Jakob. Wie sollen wir euch das Essen bringen?«
»Sobald ihr alles habt, geht einer deiner Leute, notfalls dürfen es auch zwei sein, damit in die Halle. Einfach in der Mitte der Eingangshalle abstellen und wieder raus. Erst wenn die Luft wieder rein ist, wird es jemand holen.
Ich melde mich um halb drei wieder, bis dahin sollten alle Eltern hier versammelt sein. Ich würde einen der Baucontainer empfehlen. Ich möchte, dass du mit deinen Kollegen alles herrichtest, damit mich alle hören können, wenn ich anrufe. Außerdem möchte ich die Leute verstehen können, also braucht ihr ein gutes Mikrofon. Somit weißt du nun, was zu tun ist. Nicht vergessen, 14 Uhr 30. Dann gibt es weitere Anweisungen.
Ach, bevor ich es vergesse, Simon. Du bist meine Ansprechperson, also schick den Psychologen wieder heim. Wir zwei werden uns sicher gut verstehen.« Ohne ein weiteres Wort beendete Jakob das Gespräch.
Simon atmete mehrmals tief ein und aus. Dann stand er auf.
»Ich brauche sofort einen Plan des Museums. Ich will wissen, in welchen Raum sich die Kinder befinden und wie viele Personen an dieser Geiselnahme beteiligt sind«, ordnete er an.
»Die haben da drinnen eine Lautsprecheranlage, gebt durch, dass alle Personen das Museum verlassen müssen. Wirklich alle, keiner darf drinnen bleiben. Dann will ich, dass jeder Eingang doppelt und dreifach gesichert wird. Jede noch so kleine Fluchtmöglichkeit muss abgesichert werden, verstanden?«
Die Polizisten vor ihm nickten und verschwanden, um seine Befehle weiterzugeben. Simon hielt einen Polizisten auf.
»Das Museum wird sicherlich über ein Überwachungssystem mit Kameras verfügen. Ich will Zugriff darauf, damit wir sehen können, was drinnen vor sich geht. Erkundigen Sie sich, umgehend!«, trug er ihm auf.
Er wandte sich an Tom.
»Sie kennen die Kinder, was können Sie mir über sie sagen?«
»Es sind viele krank in der Klasse, ich weiß nicht genau, wer mit im Museum ist. Aber ich kann nachfragen und ...«
»Ich brauche eine Liste aller Kinder, Adresse und Telefonnummern der Eltern. Außerdem will ich wissen, wie es zu diesem Museumsbesuch kam, für mich klingt das alles sehr gut durchgeplant.«
»Na ja, gut geplant vielleicht, aber mit einigen Fragezeichen.«
»Was meinen Sie, Korn?«, wollte Halbmann wissen.
»Also, Herr Chef …«
»Nennen Sie mich Simon, ich fürchte, wir werden hier noch länger sitzen«, unterbrach er Tom.
»Okay, ich bin Tom. Folgendes: Der Museumsbesuch der Klasse wurde mehrmals verschoben, auch der heutige Termin war nicht hundertprozentig fix. Die Klassenlehrerin hat sich dann aber dafür entschieden, den Ausflug heute stattfinden zu lassen, auch wenn relativ viele Kinder krank sind. Wenn es also geplant war, genau diese Klasse zu erwischen, dann dürften die Typen keinen fixen Termin gehabt haben.«
Simon überlegte kurz.
»Das ist vielleicht einmal ein Ansatz. Aber wer weiß, ob die wirklich genau diese Klasse wollten. Wir müssen jetzt einmal die Eltern verständigen und herholen. Im Moment können wir nur das tun, was dieser Jakob von uns will. Selbst wenn das heißt, dass zwei Beamte mit Fast Food spazieren fahren dürfen.«
Tom ging zur Treppe beim Eingang und blickte auf das Museumsgebäude. Die ersten Personen kamen schon aus dem Museum gerannt. Tom blickte von einem Fenster zum nächsten, aber er konnte nichts erkennen. Irgendwo in diesem riesigen Museum war seine Tochter, in der Hand von einem Geiselnehmer, der davon überzeugt war, alles unter Kontrolle zu haben.
Was ihm am meisten zusetzte, war, dass er nichts für sie tun konnte. Ihr Handy war abgedreht und er hatte keine Möglichkeit sie zu erreichen oder ihr zu helfen. Außerdem waren noch elf andere Kinder in Gefahr.
»Tamara!«, fiel ihm schlagartig ein. Er nahm sein Telefon und wählte die Büronummer seiner Frau.
Sie hob ab, und noch bevor sie zu Wort kam, redete Tom los.
»Tamara hör mir bitte zu. Es ist etwas passiert. Die Klasse von Sophia ist im Museum und ein Verrückter hat sie als Geiseln genommen …«
»Was?«, schrie Tamara erschrocken auf.
»Ja, ich weiß. Bitte versuch, halbwegs ruhig zu bleiben. Ich weiß, das ist schwer, mir geht es nicht anders. Ich bin vor dem Museum, zwischen den ganzen Polizisten …«
»Wo bist Du? Ich mache mich sofort auf den Weg.« Tamara klang aufgeregt und verstört.
Tom erklärte ihr, wo er war und versuchte sie zu beruhigen, aber ohne Erfolg.
Er war selbst nicht ruhig. Innerlich kochte er, wäre am liebsten selbst in das Museum gerannt, um seine Tochter herauszuholen. Aber da er beim Anruf zuhören konnte, war ihm klar, dass dieser Jakob im Moment alle Trümpfe in der Hand hatte.
Tom sah, wie noch mehr Leute aus dem Museum liefen. Sie wurden von der Polizei sofort zur Seite gezogen und verhört. Nach wenigen Minuten kam der Funkspruch, dass das Museum geräumt war. Niemand der herauskommenden Personen konnte Angaben machen, um wie viele Geiselnehmer es sich handelte. Simon drückte einer Beamtin neben ihm ein Handy in die Hand.
»Rufen Sie in der Schule an, wir brauchen eine Liste, welche Kinder in dem Gebäude sind. Die Eltern müssen umgehend informiert und hergebracht werden, verstanden?«
Die Polizistin nickte. Tom teilte ihm mit, um welche Schule es sich handelte und nach welchem Lehrer sie zu fragen hatte.
»Wird erledigt, ich werde eine Einheit abstellen, die die Eltern bei Bedarf abholt und umgehend zu uns bringt.«
»Gut mitgedacht, Kollegin«, lobte Simon die junge Frau. Wieder griff er nach einer Zigarette und zündete sie an.
Ein Mann in Jeans und Lederjacke kam zu ihm und streckte Simon die Hand entgegen.
»Werner Ritter. Ich bin der zuständige Polizeipsychologe«, stellte er sich vor. Er wirkte älter als Tom und Simon, mindestens schon fünfzig. Seine dichten grauen Haare waren gleichmäßig getrimmt, sein Gesichtsausdruck wirklich freundlich und besonnen.
»Sie sind ein Telefonat zu spät. Dieser Jakob hat schon mich als Ansprechpartner ausgesucht«, erklärte Simon und strich über seinen Vollbart. In wenigen Sätzen berichtete er, was bislang passiert war.
»Interessant. Jakob bedeutet in etwa Beschützer, was hier eine interessante Metapher wäre. Er macht zwar Drohungen, verpackt sie aber in seiner gespielten Freundlichkeit. Das zeigt, dass er sehr von sich überzeugt ist und dieser Geiselnahme mit Garantie eine genaue Planung zu Grunde liegt.«
Tom warf ein, dass der Termin für den Besuch sehr kurzfristig geändert wurde und nur einige Kinder aus der Klasse teilgenommen hatten.
»Das macht diesen Fall noch interessanter. Er muss auf diesen Moment gewartet haben. Jakob ist nicht alleine tätig, möchte uns aber im Unklaren lassen, wie viele Personen von seiner Seite involviert sind. Interessant ist auch die Wahl des Museums. Wir haben es hier mit einem riesigen Bau zu tun. Er muss sich seiner Sache sehr sicher sein, wenn er glaubt, dass die Spezialeinheit nicht reinkommen wird.«
»Was schlagen sie vor, Herr Ritter?«, wollte Simon wissen.
»Er kann weiterhin mit Ihnen reden, ich halte mich im Hintergrund. Jakob klingt nach einer interessanten Persönlichkeit …«
»Wie bitte?«, mischte sich Tom erzürnt ein, »Interessant? Das ist wohl ihr Lieblingswort, Herr Psychologe! Sie können ja nachher gerne ein langes Gespräch mit dieser Kreatur führen, wenn meine Tochter und die anderen Kinder frei sind.«
Werner Ritter wandte sich an Tom.
»Ja, diese Person ist sehr interessant für mich, da haben sie Recht. Glauben Sie mir, ich bin ganz auf ihrer Seite. Ich werde mein Bestes geben, damit diese Situation so schnell wie möglich vorüber ist und niemand zu Schaden kommt. Sehen Sie, ich kann nur beraten und reden«, erklärte er ihm gelassen und sachlich.
Ein weißhaariger Mann kam mit wütender Miene aus der Masse der Polizisten rund um die drei Männer auf Simon zu.
»Sie haben hier das Sagen?«, schnauzte er Simon an.
»Ja, das habe ich wohl, und wenn Sie sich nun beruhigen würden ...«
»Beruhigen? Verdammt, Sie lassen einfach ein paar Kriminelle alleine in einem der bedeutendsten Museen der Welt. Da drinnen sind unbezahlbare Schätze und diese Verbrecher können sich seelenruhig bedienen. Wissen Sie eigentlich, wie viel alleine die Gemälde in diesem Haus wert sind?«, fuhr er den Chefinspektor an.
Simon wollte gerade antworten, als Tom an ihm vorbeischoss und den Mann fest an seinem Hemdkragen packte. Er zog ihn zu sich und blickte ihn mit wutentbranntem Gesicht an.
»In diesem, ach so wertvollen, Museum ist meine Tochter und sie ist in den Händen eines Verbrechers. Ihre Kunstschätze sind mir so was von egal, solange mein Kind wieder heil rauskommt. Von mir aus können die da drinnen alles mitnehmen, solange den Kindern nichts passiert! Wenn ich könnte, würde ich selber ...« Simon riss Tom von dem Mann weg. Er stellte sich zwischen die beiden und schubste Tom zurück.
»Das reicht! Du beruhigst dich jetzt, sofort. Hier werden gleich einige aufgebrachte Eltern genug Chaos machen, es wäre nett, wenn wenigstens einer versucht, die Nerven zu bewahren, verstanden?«
Tom schnaubte wild. Er ließ seine Wut an dem Kommandowagen neben ihm aus und schlug mit der Faust mehrmals gegen die Wand. Der Polizeipsychologe legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Auch wenn es schwer ist, versuchen Sie ruhig und tief zu atmen und vor allem positiv zu denken. Mehr können Sie im Moment leider nicht machen«, riet er ihm.
Simon drehte sich zu dem weißhaarigen Mann um.
»Und nun zu Ihnen. Da drinnen werden zwölf Kinder und eine Erwachsene als Geiseln gehalten. Mir sind ihre Bedenken bewusst, aber herzlich egal. Ich will die Kinder da raus haben, der Rest ist Nebensache. Und jetzt helfen Sie uns lieber, einen Überblick zu bekommen, ansonsten können wir Sie gerne abführen, haben Sie das verstanden?«, fauchte Simon ihn scharf an.
Ein Polizist, mit dem Abzeichen der Spezialeinheit WEGA kam zu ihnen.
»Herr Chefinspektor, unsere ersten Informationen versprechen nichts Gutes.«
Noch immer aufgebracht winkte Halbmann zwei Polizisten zu sich.
»Passt mir auf diesen Kerl auf, ich will, dass er hier bleibt und keine Dummheiten macht! Tom, sie bleiben bei mir und versuchen, sich etwas zu beruhigen.«
»Beruhigen? Mein Kind ist ...«, fluchte Tom.
»Ja, ich weiß!«, schrie ihn Simon an, »Ich verstehe dich, ehrlich. Aber es hilft niemanden, wenn du jetzt durchdrehst. Wir müssen zuerst einmal einen Überblick bekommen, was genau unsere Möglichkeiten sind.«
Zusammen mit dem Mann der Spezialeinheit gingen sie in den Kommandowagen. Werner Ritter setzte sich schweigend in eine Ecke.
»Herr Chefinspektor, wir haben es hier mit Profis zu tun. Unsere Wärmebildkameras ...«, er drückte einige Knöpfe am Tisch vor ihnen und auf einem der Bildschirme erschien ein farbiges Bild. Zunächst erkannte Tom nur unterschiedliche Farbenspiele auf grellgrünen Hintergrund. Mehrere rote Flecken konzentrierten sich auf einen Punkt.
»… zeigen uns, dass wir es mit mindestens vier Personen zu tun haben. Wir sehen hier sehr deutlich die Kinder, die alle zusammensitzen und die Erwachsenen, die im Raum verteilt stehen.«
Er holte einen gefalteten Plan hervor und legte ihn vor Simon hin. Er zeigte den ersten Stock des Kunsthistorischen Museums, die Räume 15 und X waren eingekreist.
»Der Saal, in dem sich alle befinden, hat drei Zugänge. Die angrenzenden großen Räume sind möglicherweise verwanzt, um einen Zugriff zu erschweren. Der kleine Raum zwischen dem großen Saal und dem Fenster zur Rückseite des Museums macht einen Überraschungsangriff von außen unmöglich.
Der Saal selbst hat keine Fenster, die WC-Anlage ist nicht weit entfernt, was mit der Zeit wichtig werden kann. Die Fenster im kleinen Raum davor sind allesamt undurchsichtig. Da die Geiselnehmer das gesamte Museum haben räumen lassen, müssen wir davon ausgehen, dass sie Vorkehrungen getroffen haben, um ein Eindringen zu bemerken.«
»Dann bleiben uns nur die Überwachungskameras«, überlegte Simon.
»Leider noch nicht. Die Kameras sind außer Betrieb. Kurz nach elf Uhr ging eine Meldung bei der zuständigen Technikfirma ein, dass die Kameras ausgefallen sind. Aber bevor der Techniker kommen konnte, um sich den Fehler anzusehen, haben die Geiselnehmer zugeschlagen. Wir suchen gerade nach Möglichkeiten, uns in das System zu hacken. Im Moment können wir nichts machen, ohne die Geiseln zu gefährden.«
Der Chefinspektor fluchte etwas Unverständliches in seinen dichten Bart.
»Mithilfe der Pläne haben wir alle Zugänge zum Museum gesichert«, fuhr der Beamte fort. »Niemand kann rein oder raus, ohne, dass wir es sehen. Meine Leute … Moment, was passiert denn da?«, er deutete auf den Bildschirm.
Die roten Flecken, die die Personen erkennen ließen, verschwanden und der Raum leuchtete nur noch im gleichmäßigen Grün auf.
»Was hat das zu bedeuten, wo sind die Kinder hin?«, fragte Tom nervös.
»Das kann nur heißen …« Der Polizist vergrößerte mit ein paar Knopfdrücken das Bild.
»Was heißt das? Haben die etwa die Kinder …?« Tom lehnte sich zu dem Bildschirm vor und drängte den Polizisten zu Seite.
»Gehen Sie bitte wieder zurück, wir haben hier zu arbeiten!«, meinte der Polizist streng.
»Was ist mit meiner Tochter, verdammt! Ich will jetzt sofort wissen, was da vor sich geht!«, schrie Tom ihn an und kam ihm bedrohlich näher. Simon sprang auf und zog ihn zurück.
»Tom! Ich sage es nur noch einmal: Bleib ruhig!«
»Muss er hier sein?«, fragte der WEGA-Beamte, dem die Anwesenheit eines Zivilisten eindeutig zuwider war.
»Im Moment möchte ich ihn lieber hier wissen, bevor er einen Blödsinn macht«, erklärte Simon.
»Ihre Entscheidung. Die Geiselnehmer haben damit gerechnet, dass wir Wärmebildkameras einsetzen. Sie haben die Wände des äußeren Raums abgedeckt. Solche Spezialdecken sind sehr dünn und leicht zu transportieren. Das zeigt uns, dass sie mit ziemlicher Sicherheit einen Insider haben, der ihnen bei der Vorbereitung geholfen hat. Wir wissen, dass sie mit Computern ausgestattet sind. Unsere Experten versuchen, sich in ihr WLAN-Netz zu hacken.«
Toms Handy läutete. Es war Tamara. Er hob ab, kam aber nicht zum Reden.
»Ich stehe hier vor einer Absperrung und die wollen mich nicht durchlassen! Ich will sofort zu dir und wissen, wie es unserer Tochter geht!«, rief Tamara komplett aufgewühlt ins Telefon.
»Wo stehst du genau, ich hole dich, Schatz.«
Simon klopfte ihm auf die Schulter.
»Gib her, ich sage dem Kollegen Bescheid, dass er sie zu uns bringen soll.«
Es genügte ein Satz vom Chefinspektor und schon war Tamara auf dem Weg zu ihnen.
»Danke. Wohin sollen wir nachher mit den anderen Eltern gehen?«
Simon überlegte und sah sich um.
»Jakob hat leider Recht, diese Baucontainer sind am praktischsten. Wir werden einige Stühle beschaffen und eine Verbindung für das Handy legen. So können alle mithören, wenn er anruft, ganz so, wie er es sich gewünscht hat.«
Simon war deutlich anzuhören, wie sehr es ihm missfiel, nach der Pfeife dieses Entführers tanzen zu müssen. Er suchte einige Polizisten zusammen, die den Auftrag erhielten, einen der Container zu räumen und nach seinen Wünschen auszustatten.
Zwei Beamte gingen an Tom vorbei und trugen den Einkauf ins Museum. Schnell kamen sie wieder heraus. Ihr Bericht war kurz und wenig hilfreich. Sie hatten nichts Auffälliges gesehen, die Halle war menschenleer.
Tom sah, wie Tamara zu ihm gelaufen kam. Rund um sie herum huschten unzählige Polizisten in alle Richtungen, jeder schien es sehr eilig zu haben, wobei die wenigsten wussten, was genau hier vorging. Nicht einmal Simon, der die Leitung hatte, konnte sich im Moment ein klares Bild machen.
»Schatz, was ist passiert? Wo ist Sophia, wie geht es ihr?«, bombardierte sie Tom mit Fragen. Er erkannte, dass sie bis vor Kurzen noch geweint hatte. Sie war außer Atem und zitterte am ganzen Körper. Fest an sich gedrückt, versuchte er, sie zu beruhigen. Auch Tom tat es gut, ihre Nähe zu spüren.
»Komm mit. Ich weiß auch nicht viel, aber dieser Mann hier hat die Leitung.« Er zeigte auf Simon. Dieser nickte kurz, stellte sich vor und widmete sich dann wieder seinen Leuten. Tom berichtete seiner Frau, was er bislang wusste. Dabei bemühte er sich, selbst nicht in Rage zu geraten.
Währenddessen fuhren die ersten Wagen mit den Eltern der gefangenen Kinder vor. Die fassungslosen Eltern wurden zu dem Container geführt, wo inzwischen ein Wasserspender aufgebaut wurde. Neben einigen Beamten der Polizei waren nun auch einige Sanitäter eingetroffen.
Tom kannte nur wenige Eltern, die bislang Eingetroffenen waren ihm fremd. Das erste Paar war aufgeregt und gestikulierte wild mit den Polizisten vor ihnen. Nur mit viel Mühe konnten sie etwas beruhigt werden. Dahinter kam eine Frau, heulend und von einem Polizisten gestützt.
Plötzlich ließ sie ein Schuss aus dem Inneren des Museums zusammenzucken. Die bewaffneten Einheiten vor dem Museum richteten sofort ihre Waffen auf das Museum. Toms erster Gedanke galt seiner Tochter. Die eingetroffenen Eltern schrien auf. Der gerade noch wild herumgestikulierende Mann erstarrte und blickte voller Angst zum Museum.
»Was geht da drinnen vor?«, fragte Simon verärgert. Da hörte er den altmodischen piepsenden Klingelton aus dem Kommandowagen.
Simon spurtete hinein und hob ab.
»Was ist los, was hat es mit diesem Schuss auf sich?«, fragte er beunruhigt. Das Handy war noch immer mit dem Lautsprecher verbunden, so konnten Tom und Tamara, die neben dem Kommandowagen standen, mithören.
»Hallo Simon. Keine Sorge, es ist nichts passiert. Ich musste nur kurz klarstellen, dass ich allergisch auf zu viel Kinderlärm reagiere. Aber es ist niemanden etwas passiert, auch keinem der wertvollen Gemälde, die hier rings um uns hängen.«
Tom atmete auf. Er spürte, wie Tamara in seinem Arm immer noch zitterte und ihr wieder Tränen in die Augen traten.
»Ganz ruhig, das wird alles wieder«, flüsterte er ihr ins Ohr. Er versuchte sie zu trösten, obwohl er am liebsten selbst laut losbrüllen und in das Museum laufen wollte, um seine Tochter herauszuholen.