Schwarzes Blut - Joachim Koller - E-Book

Schwarzes Blut E-Book

Joachim Koller

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Beschreibung

Österreich bekommt seinen eigenen Geheimdienst. Während der neugewählte Bundespräsident noch Zweifel hegt, läuft bereits die erste Bewährungsprobe in Wien. In einer Undercovermission wird eine rechtsradikale Gruppe ausspioniert, nachdem es Vermutungen gibt, dass sie einen größeren Anschlag planen. Beinahe gelingt es, die Details zu dem mutmaßlichen Plan zu erfahren, doch dann kommt alles anders: Ein Attentat auf dem Donauturm, ein undurchsichtiger Wissenschaftler und eine Phiole mit einem unbekannten Virus sorgen für Aufregung. Als klar wird, wie gefährlich das entdeckte Virus tatsächlich ist, muss das Team alles riskieren, um eine weltweite Katastrophe zu verhindern. Eine Katastrophe, die die Welt für immer verändern würde...

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Joachim Koller

Schwarzes Blut

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Freitag, 15. Jänner

Sonntag, 24. April

Montag, 25. April

Dienstag 26. April

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Impressum neobooks

Freitag, 15. Jänner

22:20 UhrBurgenlandBundesstraße B50, nahe OberpullendorfDer Mannschaftswagen des Roten Kreuz fuhr gemächlich über die unbeleuchtete Bundesstraße. Die Straße führte durch einen Wald, der um diese Uhrzeit nur schemenhaft zu erkennen war. Von den acht Insassen war nur der Fahrer munter, das Personal ruhte sich nach einem langen Arbeitstag aus. Sie waren auf dem Rückweg einer Blutspendeaktion im mittleren Burgenland, die gut besucht war. Die Mitarbeiter der Firma waren überaus motiviert gewesen, insgesamt hundertfünfunddreißig Konserven konnten abgenommen worden.Während hinter ihm leises Schnarchen und gleichmäßiges Atmen zu hören war, konzentrierte sich Lukas Sedlacek auf die schneebedeckte Straße. Trotz der angenehmen Wärme im Fahrzeug und der Dunkelheit um ihn herum war er hellwach und konzentriert. Deshalb fiel ihm der am Straßenrand abgestellte Wagen schon aus einiger Entfernung auf, kurz bevor seine Scheinwerfer ihn beleuchteten. Hoffentlich kein Unfall. Nicht, dass wir jetzt noch Erste Hilfe leisten müssen, dachte Lukas und wurde langsamer. Im Scheinwerferlicht sah er zwei Personen neben dem Wagen stehen. Plötzlich rannten beide auf die Fahrbahn, eine weitere Person stieg aus dem Fahrzeug.»Was zum Teufel ...!« Erschrocken sprang er auf die Bremse. Erst einige Augenblicke später bemerkte er, dass die Gesichter hinter dunklen Sturmhauben versteckt waren und beide Männer Waffen in ihren Händen trugen. Bislang kannte Lukas Sturmgewehre nur aus dem Fernsehen oder aus sicherer Entfernung in Kasernen.Er brachte den Wagen vor den Männern zum Stillstand, schaltete das Fernlicht ab und starrte mit einer Mischung aus Angst und Verwunderung aus der Windschutzscheibe.»Und jetzt?«, fragte er sich selbst.Vor ihm blieben die Männer regungslos stehen, ihre Waffen auf ihn gerichtet.Lukas hörte, wie die Tür zum Laderaum seines Fahrzeugs geöffnet wurde. Neben ihm erwachte der Arzt und blickte überrascht hinaus.»Sind wir schon da? Warum halten wir?«, fragte er verschlafen.»Weil ich nicht gern Menschen überfahre, Herr Doktor. Schon gar nicht, wenn sie mit Gewehren auf uns zielen.«Ungläubig starrte ihn der Arzt an, gleichzeitig musste auch Lukas zugeben, dass er sich schwertat, die Situation zu realisieren. Doch die Männer vor dem Wagen existierten tatsächlich.Im Laderaum wurden Kisten herumgeschoben und hinausgeworfen.»Was wollen die?«»Keine Ahnung, Herr Doktor. Ich habe nicht vor, auszusteigen, um zu fragen.«Dem Arzt schien die Antwort nicht zu genügen, er schnallte sich ab und öffnete die Beifahrertür. Die Waffen schienen ihn nicht zu beeindrucken.»Guten Abend!«, rief er den Männern höflich zu, »Hier liegt sicherlich eine Verwechslung vor.«»Zurück ins Auto, oder wir schießen!«, bellte ihn einer der Bewaffneten an und richtete sein Gewehr auf den Arzt.»Wir haben nichts, was für Sie von Interesse sein kann.« Der Arzt schien immer noch an eine Verwechslung zu glauben und stieg aus. Ein Geräusch von der Rückseite des Fahrzeuges ließ ihn umdrehen. »Was suchen Sie denn? Wir können sicherlich ...«Ein lauter Knall brachte ihn zum Schweigen. Lukas sah nur, wie der Körper des Arztes nach hinten geschleudert wurde und regungslos neben der offenen Tür liegenblieb. Weitere schockierende Details blieben durch das fehlende Licht verborgen. Wer auch immer neben dem Wagen stand, hatte den Arzt mit einem Schuss ins Gesicht getötet.Das Lenkrad fest umklammert, war Lukas nicht imstande, auch nur eine Bewegung zu machen. Sein Blick war starr auf die zwei Männer gerichtet, die weiterhin bewegungslos vor ihm standen. Die Ladetür wurde zugeworfen. Im nächsten Moment wichen sie zur Seite aus.»Los, fahr oder wir überlegen es uns anders!«Der Aufforderung kam er sofort nach, startete den Motor und gab Gas. Die offene Beifahrertür fiel von selbst zu, als er beschleunigte, um so schnell wie möglich von diesem Ort zu flüchten. Alle Insassen, die spätestens durch den Schuss aufgewacht waren, blieben stumm vor Schock.Erst nach zehn Minuten, als sie die Autobahn erreicht hatten, fuhr Lukas den Wagen zu einer Raststation und stellte den Motor ab.Wortlos, wie in Trance, stieg er aus und rauchte sich eine Zigarette an. Als Nächstes rief er die Polizei und berichtete ihnen ruhig, was gerade geschehen war. Danach sah er im Laderaum nach, was bei dem Überfall mitgenommen wurde. Es fehlten alle Blutkisten mit den frisch abgenommenen Konserven. Nachdem er auch das der Polizei berichtet hatte, setzte er sich auf die Trittfläche des Wagens und wartete auf die Beamten.An eine Weiterfahrt war nicht zu denken, zu stark zitterte sein ganzer Körper.

Sonntag, 24. April

16:00 UhrWienBundesamtsgebäude Josef-Holaubek-Platz, KellergeschossKommandozentrale der Abteilung 8 des Bundeskriminalamts »Spezialabteilung für inländische Sicherheitsangelegenheiten«»Die Ersten erreichen den Checkpoint Drei.«»Die Schätzung liegt bei zweitausendfünfhundert Personen, bislang laut aber friedlich. Die Gegendemonstranten sind zahlenmäßig fast doppelt so viele. Wie erwartet, das Thema polarisiert und bringt die Leute auf die Straße. Ein Zusammentreffen ist bei der derzeitigen Situation ausgeschlossen.«Im großen, spärlich beleuchteten Raum waren zehn Personen eifrig damit beschäftigt, die Übersicht zu bewahren. Über insgesamt sieben Großbildschirme wurde die Demonstration aus verschiedenen Blickwinkeln verfolgt. Neben den Bildern aus Verkehrsüberwachungskameras und zuvor angebrachten Kameras war auf dem Hauptbildschirm eine Luftansicht der Demonstranten zu sehen. Die dazu benutzte Drohne zeichnete aus einer Höhe von knapp 1.000 Metern alles in gestochen scharfen Bildern auf. Auf dem Bildschirm mit einem Durchmesser von drei Metern konnten die Anwesenden mitverfolgen, wie die Menschenmasse über den unteren Teil der Mariahilfer Straße marschierte.Während jeder Beamte an seinem Tisch saß und auf seinem Computer arbeitete, standen zwei Personen in der Mitte des Raums, um die Operation zu überwachen.»Sobald sie die Ringstraße erreichen, muss der Heldenplatz vorbereitet sein. Ich will nichts von der Abschlusskundgebung versäumen«, befahl Lance Westbrooke, Leiter der, in der Öffentlichkeit unbekannten, Abteilung. Seine Stellvertreterin, Gabriele Zauner, nickte dem dunkelhäutigen Mann zu. Sie hatte ein Tablet in der Hand und tippte einige Befehle darauf ein.»Verstanden, Captain. Die Kameras sind überprüft und die Mikros einsatzbereit. Bislang gibt es keine Auffälligkeiten.«Schon im Vorfeld hatte die angekündigte Demonstration durch die Wiener Innenstadt für Aufsehen gesorgt. Seit dem Wahlkampf zur Nationalratswahl vor sechs Wochen war der Grund für diese Demonstration das beherrschende Thema, sowohl im Inland als auch in den Nachbarländern.Als vor mehr als einem Jahr ein Flüchtlingsstrom von über zehntausend Personen aus dem Nahen Osten nach Österreich kam, löste dies eine europaweite Diskussion über Flüchtlingshilfe, Terrorbekämpfung und Unterstützungen von Entwicklungsländern aus. Aufgrund der Neutralität Österreichs, wählte die Regierung eine nicht militärische Art der Hilfe. Da auch in der Zentralafrikanische Republik der andauernde Kampf zwischen christlichen Milizen und muslimischen Rebellen zunahm, entschied sich die ehemalige und neu gewählte Koalitionsregierung des Landes für die Teilnahme an einem europäischen Hilfsaufgebot. In einer Zusammenarbeit mit Holland, Spanien und Portugal wurde im Norden der Zentralafrikanischen Republik ein Flüchtlingslager aufgebaut, das bis zu 200.000 Menschen Schutz bieten soll.Obwohl als europäische Kooperation mit der UNO geplant, wurde das Thema im zurückliegenden Wahlkampf zum meistdiskutierten Zankapfel zwischen den Parteien. Da gleichzeitig Pläne für ein neuerliches Sparpaket mit spürbaren Belastungen an die Öffentlichkeit kamen, musste die Regierung von vielen Seiten harsche Kritik einstecken. Bis zuletzt spitzte sich die Wahl auf die Parteivorsitzenden der sozialistischen und der freiheitlichen Partei zu. Der Parteichef der freiheitlichen Partei war der Meinung, dass der Bürgerkrieg in Afrika zu weit entfernt und die Kosten für das Land untragbar wären. Bundeskanzler Alfred Haim trat hingegen für eine volle Unterstützung der Flüchtlinge und der Hilfe vor Ort ein. Obwohl die sozialistische Partei bei der Wahl hohe Stimmenverluste hinnehmen musste, konnte sie weiterhin mit der konservativen Volkspartei ihre Koalition weiterführen.Die politischen Hintergründe waren für die Abteilung 8 des Bundeskriminalamtes nur nebensächlich. Bei dieser Mission mussten sie beweisen, dass es eine gute und sinnvolle Idee war, eine neue geheimdienstähnliche Abteilung zu schaffen.»Wir kriegen Ton!«, sagte einer der Kollegen und schaltete das dazugehörige Video auf den Hauptschirm. Die Kamera war in einem Lieferwagen versteckt, der neben der Straße parkte und somit direkt neben den Demonstranten war.»Kein Geld für uns, aber Millionen für Afrika!«»Kein Geld für Afrika!«»Zuerst wir, dann die Welt!«»Wir sind das Volk!«Diese Sprechchöre waren am deutlichsten zu hören. Die Kamera fing die Gesichter der Demonstranten ein, die gleichzeitig durch eine Gesichtserkennungs-Software überprüft wurden.»Eine weitere Person mit rechtsradikalem Hintergrund. Männlich, 39, Bewährungsstrafe wegen Körperverletzung.«»Solange er nur schreit, lassen wir ihn. Das oberste Gebot ist es, die Lage nicht eskalieren zu lassen. Wir stehen unter Beobachtung und dürfen uns keinen Fehler erlauben.« Lance Westbrooke klang angespannt und hoch konzentriert.»Gabriele, wissen wir schon mehr über die Bewegung, die dahintersteht?«, erkundigte er sich.Gabriele ging zu ihrem Platz, wobei sie bemüht war, sich nicht von ihrem steifen Bein behindern zu lassen.»Keine neuen Erkenntnisse. Diese Gruppe ‚Neue Weltordnung‘ scheint wie ein Mythos aus dem Untergrund zu sein. Entweder haben wir es mit einigen Größenwahnsinnigen zu tun, oder einer ernsthaften Bedrohung. Noch haben wir nur Indizien.«---***---Die Spitze der Demonstranten  bestand aus knapp zwanzig Männern, die immer wieder dieselben Phrasen skandierten.»Kein Geld für Afrika!«, »Österreich zuerst!«Eine Gruppe von vier Männern marschierte hinter den vordersten Trägern von Plakaten mit der Aufschrift »Österreich zuerst!«»Wir kommen gleich zum Heldenplatz. Leute, wenn die Bullen ernst machen, können die uns dort einkesseln und spielend einsammeln.« »Du bist Dir sicher, dass die das vorhaben, Sascha?«Sascha, der eigentlich Sam hieß, nickte. Er wirkte hektisch und sah sich immer wieder aufgeregt um. Seine Anspannung war nicht gespielt, denn sein Undercover-Einsatz in der rechtsradikalen Szene war an einem entscheidenden Punkt angelangt. Die drei Männer neben ihm hatten mehr als einmal angedeutet, dass sie mehr über die Gruppe namens »Neue Weltordnung« wussten. Sie waren Teil dieser Gruppe, davon war Sam inzwischen überzeugt. Aber sie waren auch sehr vorsichtig und misstrauisch.»Ich kann nur sagen, was ich gehört habe. Ich arbeite im Verkehrsamt und dort habe ich aufgefangen, dass sie eine Razzia planen, sobald die komplette Demo sich zur Abschlusskundgebung versammelt.«»Eine Razzia wäre nicht gut, wenn ich daran denke, was ich unter meiner Jacke trage.« Alex Brunner, der vermutete Anführer der Gruppe, schob seine offene Jacke etwas zur Seite und präsentierten darunter einen Revolver. Sam erkannte das Modell anhand des kurzen Laufs. Wahrscheinlich eine Taurus Modell 85, staunte er über den Mut oder die Dummheit von Alex.»Wenn die Dich damit erwischen, hast Du echt Probleme!«, sagte sein Vertrauter Bernd Neuwirth und blickte sich angespannt um. Aber niemand achtete auf sie. »Hört zu, ich kann für etwas ... Aufregung sorgen, dann könnt ihr untertauchen.« Sam sah sich um und erkannte, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb, hundertfünfzig Meter trennten sie noch vom Heldentor, dem Durchgang zur Abschlusskundgebung am Heldenplatz.»Warum willst Du so ein Risiko eingehen?« Alex Brunner sah ihn skeptisch durch seine dünne Brille an.»Ich bin jetzt seit über zwei Monaten bei Euch. Auch wenn mir nicht viel verraten wurde, ihr habt doch etwas vor, etwas Größeres, als hier nur laut zu sein. Und ich bin Eurer Meinung, dass man endlich etwas unternehmen muss. Etwas gegen diese linken, selbstherrlichen und absolut realitätsfremden Politiker. Wir haben gestern über dieses Afrikaprojekt gesprochen. Wie ich gesagt habe, reinste Geldverschwendung, lasst die da unten sich einfach selber abschlachten.«Seine deutlichen Worte hatten schon seit längerem dafür gesorgt, dass man ihn akzeptierte.»Nun gut Sascha. Was schlägst Du vor?«»Ich werde für einen kleinen Tumult sorgen und ihr haut ab. Ihr müsst, noch bevor wir zum Heldentor kommen, hier verschwunden sein. Gleich um die Ecke in der Bellariastraße steht mein Wagen.«Er zog seinen Autoschlüssel hervor und überreichte ihn Alex Brunner.»Sag mir einfach, wo ich ihn nachher holen kann. Und gib mir Deine Waffe.«---***---Im Untergeschoss des Bundeskriminalamtes im neunten Bezirk wurde jedes Wort von Sams Unterhaltung mitgehört. Über dessen Ohrstecker, der ihm offiziell als Hörgerät diente, konnten die anwesenden Mitglieder der Abteilung alles mitverfolgen.»Fuck it, was macht er da?«, stieß Lance Westbrooke erbost hervor.»Er weicht komplett vom Plan ab!«, meinte Gabriele und blickte über die Bildschirme. Sie lehnte neben ihrem Vorgesetzten an einem eigens für sie aufgebauten Geländer mit Rückenpolster. Als stellvertretende Leiterin musste sie den Überblick bewahren, durch ihr steifes Bein konnte sie aber nicht lange stehen. Einen Gehstock lehnte sie entschieden ab, mit der Begründung, dass sie mit sechsunddreißig noch viel zu jung dafür sei.»Captain, was soll ich der Einsatzgruppe melden?«, fragte Thomas Ostovitsch, der über seinen Computer mit der Polizei vor Ort verbunden war.»Abwarten, ich glaube, Sam weiß, was er tut«, entschied Gabriele spontan.»Hoffen wir es.« Lance klang weniger optimistisch.---***---Alex Brunner steckte den Schlüssel ein und reichte Sam die Pistole.»Bist Du Dir sicher, mit dem was Du da tust, Sascha?«»Ja. Ich besitze einen Waffenschein und ich weiß, dass ich als Beamter schnell wieder draußen bin. Vertraut mir, Hauptsache, ihr kommt heil hier weg.«Alex wechselte einen Blick mit seinen Männern und nickte Sam anerkennend zu.»Ich melde mich, wenn wir untergetaucht sind. Und dann reden wir über wirkliche Veränderungen für dieses Land … oder sogar noch mehr.«Sam nickte ihm zu und sah sich um. Nur wenige Meter von ihm entfernt standen mehrere Polizisten und beobachteten den Demonstrationszug. Er wartete noch, bis Alex und seine zwei Vertrauten sich zurückfallen ließen und im großen Pulk untertauchen konnten. Unterdessen näherte er sich einem Polizisten, dessen schwarzes Barett und Ärmelzeichen ihn als Beamten der Einsatzeinheit auswies. Dieser polizeiliche Verband war unter anderem speziell dazu ausgebildet, Demonstrationen abzusichern oder schnell einzugreifen und Eskalationen zu vermeiden.Direkt neben dem Polizisten, schrie Sam lautstark auf und riss demonstrativ die rechte Hand hin die Höhe.»Nieder mit dem schwarzen Pakt! Heil …«Weiter kam er nicht. Wie erwartet, wurde er innerhalb von Sekunden aus der Menge gefischt und von zwei Beamten gegen den Zaun gedrückt.»Das geht zu weit, Bursche! So handelst Du Dir jede Menge Ärger ein«, drohte ihm der Polizist.»Ihr seid doch auch nur linkes Polizistenpakt und Arschkriecher für diese unfähigen Politikerschweine«, fuhr er ihn lautstark an. Während viele aus dem Zug der Demonstranten sich zurückhielten, stimmten einige mit deutlich rechtsradikalen Parolen ein.»Das war´s für Dich, Du bist festgenommen.« Schon im nächsten Moment hatte Sam die Hände auf dem Rücken und Handschellen an den Handgelenken. Ein Großaufgebot an Polizisten versuchte, die Demonstration zu beruhigen und allzu gewaltbereite Personen auszumustern. Unterdessen wurde Sam zum nächstgelegen Einsatzwagen gebracht.»Wohin bringen Sie mich, verraten Sie mir das doch bitte?« Sams Stimme klang plötzlich nicht mehr wütend und aggressiv. Für einen Moment verwunderte er damit den Beamten, dennoch ließ er ihn nicht los und zerrte ihn mit sich.»Du kommst mit aufs Revier und wirst dort einige Zeit haben, um über Deine Aussagen nachzudenken.«---***---»Und das war klug?« Westbrooke war unüberhörbar stinksauer.»Captain, Sam ist im Wagen und wird weggebracht.«»Danke Denise. Behalten Sie weiter die Menge im Auge.«Obwohl ihn alle Captain nannten, trug Lance Westbrooke keinen österreichischen militärischen Rang. Er war Engländer und offiziell nicht mehr als ein Berater für EDV-Anlagen des Bundeskriminalamtes. Doch was nicht in seinem öffentlichen Lebenslauf stand, waren die Jahre im Dienste des englischen Geheimdienstes MI-5 und die kurzzeitige Leitung der Organisation. Schon damals war sein Spitzname Captain und den wollte er auch hier beibehalten.»Ich bekomme die ersten Meldungen. Der Großteil der Demonstranten verhält sich ruhig«, informierte Denise das Team.»Wo sind unsere Zielpersonen?«, wollte Gabriele wissen.Der Kollege vor ihr, der die Drohne in knapp hundert Meter Höhe steuerte, lenkte und tippte wie wild auf seinem Computer.»Sie sind untergetaucht. Ich kann den Wagen von Sam überwachen und sie so …«»Unnötig, der Wagen hat einen Peilsender«, unterbrach ihn Gabriele und tippte selbst auf ihrem Tablet.Lance Westbrooke hatte genug gehört und übernahm wieder die Leitung. Sobald er das Wort erhob, wurde es still im Raum.»Okay, folgendes: Der Wagen wird mittels Peilsender beobachtet, keine sonstige Observation. Ich will nicht, dass die Verdacht schöpfen. Die Razzia bei der Kundgebung ist abgesagt, es sei denn, es gibt polizeiliche Gründe. Wir sind am Heldenplatz fertig. Findet heraus, wohin Sam gebracht wird und holt ihn raus. Max und Maurice sollen ihn abholen, sie sollen ihre Ausweise vom Verfassungsschutz verwenden. Gabriele, sie fahren mit und fragen, welcher Teufel ihn geritten hat, verstanden?«»Jawohl Captain!«

16:20 UhrDas markante Gebäude nahe an der Donau war schon seit Jahrzenten der Sitz der Vereinten Nationen in Wien, von der Bevölkerung nur UNO-City genannt. Besonders bekannt waren die Amtssitze der internationalen Atomenergiebehörde und die Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung. Beide Organisationen hatten schon seit über vierzig Jahren ihren Hauptsitz in diesem Gebäude.Zwei Männer gingen durch den weißen, steril wirkenden Gang, der zum Konferenzsaal der UNO-City führte.»Und es muss unbedingt jetzt sein, vor der Versammlung?«»Ja, Josef. Wir haben diese Unterhaltung schon zu lange aufgeschoben«, sagte der österreichische Bundeskanzler Alfred Haim und bat seinen Parteikollegen und seit nunmehr zwei Wochen neugewählte Bundespräsidenten Josef Geringer in ein kleines, kahles Büro. Neben einem einfachen Metalltisch waren nur zwei Sesseln in diesem ansonsten unbenutzten Raum. Dafür bot es einen Ausblick auf die Donau und die inneren Bezirke der Stadt. Alfred Haim hatte den Raum für ihre Besprechung reservieren lassen, um ungestört und abseits der Medien reden zu können.Josef Geringer strich über seinen weißgrauen Bart und richtete seine Brille.»Die letzten Tage waren wirklich anstrengend. Nach dem Tod meines Vorgängers und der neuen Zusammenstellung der Regierung kehrt jetzt hoffentlich etwas Ruhe ein. Was liegt Dir am Herzen und wieso diese Geheimniskrämerei?« Er war noch immer verwundert, wieso Alfred Haim ihn unbedingt hier und jetzt unter vier Augen sprechen wollte. Ihre Amtsräume im ersten Bezirk lagen immerhin gleich gegenüber, es wäre ein Weg von nicht einmal fünfzehn Minuten gewesen.»Ich muss mit Dir als Bundeskanzler reden und es muss heute sein. Aufgrund der Demonstration gegen unsere Afrika-Hilfe mit der geplanten Kundgebung am Heldenplatz wollte ich einen anderen Ort wählen. Einen, wo wir ungestört sind.«»Dann sind wir hier richtig. Wir haben ja noch etwas Zeit, bis sich die Delegierten zum Gipfel zusammenfinden. Dieses Treffen wird zeigen, welche Länder sich an humanitären Aufgaben beteiligen, und wie wir weiterhin mit den Flüchtlingen umgehen werden. Ich werde in meiner Rede darauf hinweisen, dass die Dürre und der jahrelange Krieg in den Regionen Afrikas nicht über Nacht enden werden. Ganz Europa, vielleicht sogar die ganze Welt muss jetzt zusammenhalten, um weitere Katastrophen zu vermeiden.«»Ich bin ganz Deiner Meinung. Mein Grund für dieses Treffen bezieht sich auch indirekt auf diesen Afrika-Gipfel. Du solltest wissen ...«Die Tür hinter ihnen ging auf und Innenministerin Ingrid Böhm trat ein. »Guten Tag, meine Herren.« Ihr versteinerter, verbitterter Gesichtsausdruck verriet nicht, ob sie gutgelaunt oder verärgert war, Lächeln war für sie ein Fremdwort. Sie war in der letzten Regierungsperiode für einige Erfolge mitverantwortlich und hatte somit ihren Posten weiterbehalten.»Herr Bundeskanzler, Herr Bundespräsident, es ist gut, dass wir endlich dieses Gespräch führen.« Ingrid Böhms Stimme hatte eine bestimmende, strenge Art, mit freundschaftlichen Floskeln hielt sie sich nicht auf. Das lag nicht nur daran, dass die beiden Männer aus der sozialistischen Partei waren. Gegenüber den eigenen Parteimitgliedern der konservativen Volkspartei verhielt sie sich nicht anders.»Frau Böhm, schön Sie zu sehen. Wenn mich nun jemand aufklären könnte, worum es hier geht ...«»Hat Herr Haim noch nicht damit begonnen?«, unterbrach sie ihn.Der Bundeskanzler schüttelte den Kopf.»Wir sind gerade erst gekommen. Ich war gerade dabei ...«»Schon gut, dann werde ich das übernehmen.« Sie wandte sich an den Bundespräsidenten und beachtete Alfred nicht weiter.»Wie Sie wissen, Herr Bundespräsident, untersteht mir als Innenministerin auch der Polizeiapparat.«»Ja, das weiß ich. Ich hatte erst vorgestern Besuch vom Landespolizeipräsidenten. Es war ein sehr langer Vortrag über alle Abteilungen des Bundeskriminal...«»Es wurde Ihnen nicht alles verraten und genau deshalb bin ich hier.«Josef Geringer blickte erstaunt auf. Einerseits, weil er es nicht leiden konnte, unterbrochen zu werden, andererseits wegen Ingrid Böhms Behauptung.»Was ich Ihnen nun erzählen werde, wissen innerhalb der Regierung nur der Kanzler, der Bundespräsident und der jeweilige Innenminister. Selbst ihr Advokat vom Bundesheer oder ihr Sekretärsind nicht darüber informiert.«»Kommt jetzt die Sache mit den Aliens?«, versuchte der Bundespräsident zu scherzen, doch keiner seiner beiden Gesprächspartner verzog eine Miene. Unbeeindruckt fuhr Böhm fort.»Wie sie sicherlich wissen, ist das Bundeskriminalamt in sieben Abteilungen unterteilt, deren Hauptbüros zusammen mit dem Verkehrsamt in Spittelau untergebracht sind. Weiteres ist uns allen und auch der Bevölkerung bekannt, dass Österreich nicht über einen Geheimdienst im herkömmlichen Sinn verfügt.«Josef Geringer kam sich im Moment wie ein Schuljunge vor, der sich eine wenig interessante Wiederholung anhören musste. »Soweit ich informiert bin, unterhält das Bundesheer den Nachrichtendienst und das Abwehramt, die diese Aufgaben ...« »Vergessen wir den Heeresnachrichtendienst. Ich spreche von geheimdienstlichen Aufgaben im Land. Das bislang dafür zuständige Abwehramt untersteht, zusammen mit dem Heeresnachrichtenamt, dem Bundesheer. Nachdem es in letzter Zeit bei einigen Operationen zu Kommunikationsproblemen gekommen ist, wurde beschlossen, eine eigene Abteilung zu schaffen.«»Definieren Sie bitte Kommunikationsprobleme?«»Konkurrenz zwischen Bundesheer und Bundesministerium. Es darf nicht mehr vorkommen, dass eine Stelle wichtige Informationen zurückhält oder vorzeitig bekanntgibt, nur um besser dazustehen. Ausschlaggebend war ein Vorfall, bei dem das Abwehramt bei der Internetsicherheit versagt hat und einen großangelegten Cyberangriff nicht verhindern konnte. Wenn nicht eine Beamtin, eigentlich nur eine ehemalige Sekretärin mit besonderen Hacker-Fähigkeiten, in Eigenregie gehandelt hätte, wären alle Parteien und Institutionen betroffen gewesen.«»Eine einfache Sekretärin war also schlauer als unser Nachrichtendienst?«, meinte Geringer amüsiert, »Alleine das unterstützt meine Meinung über genau diese Institutionen. Was wurde aus der Frau?«»Sie wurde befördert und steht jetzt im Dienste der Republik.«»Eine kluge Entscheidung.«Ingrid Böhm ließ sich nicht beirren und fuhr fort.»Es gab bis vor kurzem die öffentliche Diskussion rund um eine eigene Internetpolizei. Eine Einheit, die vor allem auf Onlinearbeit und Überwachung spezialisiert sein sollte.«Josef Geringer verdrehte die Augen, nur zu gut erinnerte er sich daran.»Und wie ich mich erinnere. Oft genug bin ich vor der Wahl gefragt worden, ob ich eine solche Abteilung genehmigen würde und jedes Mal waren die Worte Persönlichkeitsrechte und Überwachungsstaat zu hören. Zum Glück hat Alfred damals klar und deutlich gesagt, dass dieses Thema vom Tisch ist.«»Das hat er, nur den Grund dafür hat er nicht öffentlich erklärt.«Geringer blickte verdutzt zu seinem Parteifreund und wieder zur Innenministerin.»Ich verstehe nicht, worauf sie hinauswollen, Frau Böhm.«»Das Thema ist deshalb erledigt, weil es diese Sektion inzwischen gibt. Um es genau zu nehmen, läuft im Moment die erste richtige Bewährungsprobe für die Abteilung 8.«»Abteilung 8?«Josef starrte sie mit überraschtem Blick an. Er erinnerte sich an endlose interne Diskussionen, an unterschiedliche Medienberichte zu dem Thema und auch an die Stellungnahme des Bundeskanzlers.»Was soll das heißen? Von was für einer Abteilung sprechen wir hier, welche Rechte, Aufgaben und Befugnisse wurden ihr zugeteilt?«, fragte er.»Zunächst einmal, diese Abteilung ist und bleibt geheim. Sie ist im Bundesamtsgebäude, dem Sitz des Bundeskriminalamts, untergebracht, aber als spezielle EDV-Abteilung angegeben. Zurzeit arbeiten fünfzehn Personen unter der Leitung eines sehr erfahrenen Mannes für die Abteilung 8. Die genaue Bezeichnung lautet Spezialabteilung für inländische Sicherheitsangelegenheiten. Eigentlich unnötig, denn diese Abteilung wird unerwähnt bleiben. Der derzeitige Auftrag dreht sich um eine neu aufgetauchte rechtsradikale Gruppierung, namens Neue Weltordnung. Ein Mann wurde eingeschleust, um den Kopf der Gruppe ausfindig zu machen und ihre Absichten zu erfahren. Dazu stehen dem S.I.S. alle technischen Möglichkeiten und gegebenenfalls auch polizeiliche Hilfe zur Verfügung.«»S.I.S.? Wird nicht auch der britische Geheimdienst …«Wieder unterbrach ihn die Ministerin.»Der Secret Intelligence Service, besser bekannt als MI6 bezeichnet den Auslandsgeheimdienst in Großbritannien. Unsere Abteilung versteht sich eher als ein Pendant zum britischen Inlandsgeheimdienst MI5. Ironischerweise hat ein ehemaliger Leiter des MI5 die Leitung unserer Abteilung übernommen. Wenn ich nun …«»Moment!«, schnitt ihr Josef Geringer schroff das Wort ab.»Haben Sie gerade gesagt, ein Engländer leitet einen österreichischen Geheimdienst?«»Ja. Lance Westbrooke hat die Erfahrung, die es für diese Position braucht. Er ist die ideale Person um die S.I.S. von Anfang an als effiziente Unterstützung neben dem herkömmlichen Polizeiapparat arbeiten zu lassen.«»Es gibt noch einen Vorteil, Josef«, meldete sich Alfred Haim, »Denn er ist absolut unparteiisch und hat von Anfang an klargestellt, sich von niemand instrumentalisieren zu lassen.«»Darüber werden wir sicherlich noch sprechen müssen. Frau Böhm, definieren Sie bitte alle technischen Möglichkeiten.« Geringer versuchte, seine aufsteigende Verärgerung gegenüber der Innenministerin zu verstecken. Er war immer ein Verfechter der Transparenz gewesen. Seiner Meinung nach sollten die Bürger das Recht haben, über die wichtigsten Bereiche der Politik informiert zu sein.»Die primären Aufgaben dieser Abteilung sind Überwachung und Informationsbeschaffung. Dazu gehören Telefonüberwachung, Zugriff auf Verkehrs und Überwachungskameras, Drohnenflüge und auch die Überwachung im Internet.«»Was die Datenschutzbehörde niemals genehmigen würde.«Ingrid Böhm überging den Einwand des Bundespräsidenten kommentarlos und fuhr mit ihrem Vortrag fort.»Dabei wird jede Aktion dokumentiert und überprüft, jede Handlung muss gerechtfertigt sein. Die analysierten Daten werden an die zuständigen Behörden weitergegeben. Für intensivere Aufklärungen steht auch ein Undercoverteam parat.Das Abwehramt wird weiterhin für die Erstellung des Lagebildes im In- und Ausland hinsichtlich der militärischen Sicherheit zuständig sein. Auch Angelegenheiten der Verlässlichkeitsprüfungen werden vom Bundesheer übernommen. Neu ist, dass diese Daten und Auswertungen nun direkt, und vor allem vollständig, an die Abteilung 8 übermittelt werden.«»Für mich klingt das nach einer weiteren Ebene, die mit sensiblen Daten von österreichischen Bürgern hantiert.«»Ich verstehe Ihre Skepsis, Herr Bundespräsident, aber bei der aktuellen weltpolitischen Lage sollten wir nichts unversucht lassen, um unser Land und die Bürger zu schützen.« Überzeugt war Josef Geringer dennoch nicht.»Wir sprechen also definitiv von einem Inlandsgeheimdienst?«»Ganz genau, Herr Bundespräsident.« »Darf ich erfahren, wozu es einen Geheimdienst braucht? Wir haben erst vor einem Jahr ein neues Gesetz erlassen, dass dem Staatsschutz mehr Kompetenzen ermöglicht und das Personal aufgestockt. Zusammen mit den anderen Behörden verfügen wir über einen umfangreichen Sicherheitsapparat ...«»Ein Apparat, den jeder kennt und der viel zu öffentlich agiert. Wie Sie wissen, muss jede Aktion vom Bundessenat überprüft werden, ebenso darf dem Parlament Auskunft gegeben werden. Im Sinne der Transparenz und für das Sicherheitsgefühl der Bürger an sich eine gute Sache. Doch es gibt Operationen und Ereignisse, die besser unerwähnt bleiben und nicht publik werden sollten. Nehmen wir nur den aktuellen Fall: Wir erleben gerade eine große Demonstration in der Innenstadt, über zweitausend Personen sind auf der Straße. Das Ganze kann sich als riesige Luftblase entpuppen. Nichts dahinter, nur große Worte, keine Taten. Dann hat sich niemand blamiert und es gibt keine Diskussionen über die Sinnhaftigkeit. Oder es kommt das Gegenteil heraus und eine Gruppierung plant tatsächlich einen großen Anschlag. Dann kann man es im Vorfeld verhindern und in Ruhe überlegen, wie wir es den Medien und damit der Bevölkerung präsentieren.«»Das heißt, die machen die Drecksarbeit und die Lorbeeren kassiert wer anderes?«»Ja, ganz genau. Das ist auch der Sinn eines Geheimdienstes.«Josef Geringer war unschlüssig. Einerseits verstand er die Beweggründe der Innenministerin, auf der anderen Seite widersprach das alles seinen bisherigen Prinzipien.»Sie haben eine Gruppierung erwähnt, was hat es mit damit auf sich? Wie hoch ist die Gefahr?«»Genau das herauszufinden ist der Auftrag der Abteilung 8. Wir haben von den deutschen Kollegen eine Warnung erhalten, nachdem bei einer Hausdurchsuchung Stadtpläne und Kontakte in Wien gefunden wurden. Die Gruppe nennt sich NWO, Neue Weltordnung. Die gefassten Mitglieder sind sehr verschwiegen und es scheint nur eine unbedeutende, kleine rechtsradikale Verbindung zu sein. Wir sprechen hier von kleineren Delikten, wie Sachbeschädigung, Beleidigungen und Wiederbetätigung.«»Kleine Delikte? Ich finde Personen, die mit nationalsozialistischem Gedankengut ...«, warf der Bundespräsident ein. Aber Ingrid Böhm erlaubte ihm wieder nicht, den Satz zu Ende zu sprechen.»Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich bin ebenso der Meinung, dass hart gegen diese Individuen vorgegangen werden soll, aber dafür benötigt man keine Sondereinheit. Unser Interesse wurde geweckt, da bei einem Verhör plötzlich der Verdächtige davon sprach, dass die Neue Weltordnung schon bald jeder kennen wird.«Die Innenministerin machte eine Pause und blickte Geringer fordernd an. Scheinbar wartete sie auf eine Reaktion von ihm. Wie eine strenge Lehrerin, kam ihm in den Sinn.»Das kann auch nur eine leere Drohung oder Wunschdenken sein.«Ein Wunder, ich durfte einen ganzen Satz zu Ende sprechen, dachte er spöttisch.»Theoretisch. Aber es häufen sich Indizien, die als bedenklich einzustufen sind. So gibt es zum Beispiel Hinweise auf weitere NWO-Gruppen in England und eben auch in unserem Land. Scheinbar nur mit wenigen relevanten Personen, aber einer sehr guten Vernetzung untereinander. Vergleichbar mit der Struktur einer typischen Terrorzelle. Die deutschen Beamten konnten Konten aufspüren, die auf eine gute Finanzierung der Gruppe hinweisen. Der letzte Punkt, der uns zu dem Einsatz bewogen hat, war die Aussage eines Verdächtigen.«»Ich dachte, die waren so verschwiegen?«Alfred Haim, der bislang nur stumm neben ihnen gestanden war, ergriff das Wort, wobei er sich einen verachteten Blick von Ingrid Böhm einfing.»Das stimmt auch so. Doch es kam zu einer Situation, als ein farbiger Beamter das Verhör führte. Der Kollege wurde bewusst geholt, um den Mann zu provozieren, was auch gelang.«Geringer bemerkte die Spannung zwischen seinem Parteikollegen und der Ministerin und blieb stumm. Auch Ingrid Böhm hielt sich zurück und blickte abwartend zum Bundeskanzler. Sie schien ihn zu mustern und jedes seiner Worte auf die Waagschale legen zu wollen.»Mit farbig meinst Du wohl einen Schwarzafrikaner?«»Genau Josef. Der Inhaftierte soll nach kurzer Zeit vollkommen ausgerastet sein und hat ihn angeschrien. Er sagte wortwörtlich, dass er mit einem Negerschwein nicht reden werde und die Gruppe dafür sorgen wird, dass dessen Rasse bald Geschichte sein wird.«Bundespräsident Geringer sah ihn erstaunt an.»Starke Worte. Passend für eine Person mit diesem verdrehten Weltbild und absolut verwerflich.«»Er hat dafür Untersuchungshaft ohne Kaution ausgefasst und natürlich eine weitere Anzeige. Aber der anwesende Psychologe meinte in seinem Bericht, dass man dem Mann nach dieser Bemerkung ansehen konnte, wie er ...« Alfred Haim überlegte, um den genauen Wortlaut wiederzugeben. Sofort sprang Ingrid Böhm ein und übernahm wieder das Wort. Trotz ihrer eisigen Miene war deutlich zu erkennen, dass sie den Männern zeigen wollte, wer hier das Sagen hatte und sie über alles Bescheid wusste.»Der Psychologe meinte, die Meldung hätte er bereut. Nicht wegen der rassistischen Bemerkung, sondern eher, als hätte er zu viel verraten. Ab diesem Zeitpunkt war nichts mehr von ihm zu erfahren. Als würde er sich selbst Vorwürfe machen, was ein komplett untypisches Bild ergab. Zwei Tage später hat sich der Verdächtige in der Zelle die Pulsadern aufgeschnitten, Fremdeinwirkung ausgeschlossen.«Josef Geringer ließ den Schwall an Informationen auf sich wirken und bemühte sich, alles zu verstehen. Nach einigen Sekunden Stille sprach Alfred weiter.»Gleich bei den ersten Hinweisen auf diese Gruppe in Wien haben wir einen verdeckten Einsatz genehmigt. Unser Mann soll die Mitglieder der Neuen Weltordnung identifizieren, den Kopf der Gruppe ausfindig machen und gegebenenfalls herausfinden, ob ein Anschlag, in welcher Form auch immer, geplant ist.«»Und? Gibt es schon Erfolge?«»Bei der Demonstration heute wird hoffentlich etwas herauskommen.«