Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Kurz vor Weihnachten sorgt eine bestialische Mordserie in Wien für Aufsehen. Als ein Kollege dem unbekannten Killer zum Opfer fällt, nimmt Hans Martin Gross, Leiter des Verfassungsschutzes und ehemaliger Undercover-Polizist, an den Ermittlungen teil. Zusammen mit seiner Kollegin Gabriele Zauner und zwei recht unerfahrenen Ermittlern versuchen sie, den Mörder zu fassen. Dabei müssen sie feststellen, dass sie nicht alleine bei ihrer Spurensuche sind. Noch dramatischer wird die Situation, als das wahre Motiv des Serienmörders bekannt wird und Hans Martin sich seiner Vergangenheit stellen muss. Hans Martin Gross und seine Kollegin Gabriele Zauner sind wieder im Einsatz. Ein Jahr nach den Ereignissen von "Kollateralschaden" scheint für beide die Welt in Ordnung, vor allem in privaten Angelegenheiten. Das ändert sich durch den Serienmörder, zu dessen Opfern bekannte Persönlichkeiten und Politiker zählen. Als sie das Motiv des Täters herausfinden, wird Hans Martin mit dem dunkelsten Kapitel seiner Vergangenheit konfrontiert. Bald steht er vor einer Entscheidung, die sein Leben verändern wird.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 309
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Joachim Koller
Adventmörder
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
29. November
18:30 Uhr
18:45 Uhr
18:50 Uhr
21:30 Uhr
21:45 Uhr
30. November
10 Uhr
19 Uhr
1. Dezember
11 Uhr
11:15 Uhr
15:30 Uhr
17 Uhr
17:45 Uhr
19 Uhr
2. Dezember
8:15 Uhr
8:25 Uhr
13:45 Uhr
14:25 Uhr
17 Uhr
18 Uhr
20:30 Uhr
5. Dezember
7:50 Uhr
12: 30 Uhr
14:30 Uhr
19 Uhr
6. Dezember
23:00 Uhr
7. Dezember
1:30 Uhr
8:15 Uhr
8:15 Uhr
10 Uhr
10:20 Uhr
12 Uhr
12:10 Uhr
12:45 Uhr
13:30 Uhr
18 Uhr
19:50 Uhr
20:15 Uhr
8. Dezember
10 Uhr
10:30 Uhr
15:30 Uhr
16:25 Uhr
19 Uhr
23:45 Uhr
9. Dezember
9:30 Uhr
15 Uhr
19:40 Uhr
20:40 Uhr
22 Uhr
22:25 Uhr
22:30 Uhr
22:35 Uhr
22:45 Uhr
22:45 Uhr
10. Dezember
9:15 Uhr
11. Dezember
16 Uhr
12. Dezember
16 Uhr
15. Dezember
16 Uhr
21:30 Uhr
19. Dezember
19:40 Uhr
19:45 Uhr
20:15 Uhr
20:15 Uhr
20:30 Uhr
20: 30 Uhr
22 Uhr
24. Dezember
20:20 Uhr
Epilog
Weitere Veröffentlichungen
Impressum neobooks
18 UhrEs roch nach Alkohol, abgestandenem Zigarettenrauch und dem herben Geruch von Joints. Obwohl die Wohnung im dritten Stock lag, waren die Vorhänge zugezogen, um keine neugierigen Blicke hereinzulassen. Eine zwei Meter breite Hakenkreuzfahne prangte an der Wand des Wohnzimmers, weitere Andenken an die Zeit des Nationalsozialismus verteilten sich über die Räume. Einen Ehrenplatz hatte ein, in Folie geschweißtes, Flugblatt aus dem Jahr 1935. Auf diesem wurde die jüdische Bevölkerung aufgefordert, den Ort innerhalb eines Tages zu verlassen. Der gerade erschienene Mann unterschied sich nur wenig von seinen zwei Kumpanen. Alle trugen unter ihren Jacken ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift »Wiener Reichsfreunde«, ihre Glatzen waren frisch rasiert, ihr Körperbau muskulös.»Hier im Bezirk rennen echt viele Kopftuchweiber herum. Am liebsten hätte ich gleich ...«»Ich weiß, Andi. Es ist inzwischen egal, in welchem Bezirk in Wien Du Dich umschaust, die lauern schon überall. Allein hier im Bau sind drei Familien, natürlich Flüchtlinge. Arbeitslos, ein Haufen lärmender Kinder und die Frauen immer mit einem Kopftuch am Herumlaufen. Wenn mir eine von denen über den Weg läuft, werden sie immer nervös. Gut so, irgendwann wird´s da sicher einmal eine Abreibung geben.« Dabei machte der Angesprochene eine Faust, um sein Vorhaben zu verdeutlichen. Sie setzten sich zusammen an den Wohnzimmertisch, wo schon drei Bierflaschen auf sie warteten.»Ich habe mich heute Nachmittag nochmals schlaugemacht. Die Versammlung dieser Judenkaufleute im zweiten Bezirk findet nach wie vor am 2. Dezember statt. Das gemietete Lokal ist ein leichtes Ziel für uns.«»Hast Du es Dir auch von innen angesehen?«»Ja. Um die Bude wird es nicht schade sein. Eine Negerin als Kellnerin, sogar der Koch ist alles andere als deutsch. Ich weiß, welche Fenster zum großen Speisesaal gehören, wo sich die Juden treffen. Ein paar Molotowcocktails und wir räuchern sie problemlos aus.«»Wie viele Ausgänge?«»Zwei. Beide können von uns leicht überwacht werden. Ich würde vorschlagen die Tür zum Innenhof zu verbarrikadieren und von vorne kommen wir. Es sollte in weniger als drei, vier Minuten für uns erledigt sein. Zeit genug, um zu verschwinden, bevor die Bullen auftauchen.«Die Männer stießen mit ihren Bierflaschen an. Sie waren bester Laune, denn ihrer Meinung nach war der Plan perfekt.Das Läuten der Türklingel ließ sie verstummen.»Erwartest Du noch Besuch?«»Ja, ein Bekannter von mir. Er bringt uns einige nette Videos von frischen Mädchen. Ich habe Euch doch versprochen, ihr bekommt heute noch einiges geboten«, antwortete der Glatzkopf mit einem schmutzigen Grinsen, erhob sich und ging zur Tür.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Wohnung bereiteten sich vier Männer in schwarzen Schutzwesten auf ihren Einsatz vor. Die Männer der Spezialeinheit Cobra überprüften ihre Waffen und studierten den Raumplan vor sich. Auf einem Computer waren die Polizeiakten der observierten Personen zu sehen. Davor saß Hans Martin Gross, Abteilungsleiter im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, mit seiner Sekretärin und Kollegin Gabriele Zauner und ging die Einsatzpläne nochmals durch.»Inzwischen sind sie seit einer halben Stunde in der Wohnung versammelt. Auf unseren Befehl wird die Wohnung gestürmt. Alle drei Personen sind vorbestraft und wahrscheinlich bewaffnet. Rechnen Sie mit einem hohen Gewaltpotenzial, dennoch wäre es von Vorteil, wenn wir die Männer lebend einkassieren können«, informierte Gabriele den Teamleiter. Sie blätterte auf ihrem Tablet-PC die Bilder der drei Glatzköpfe durch.»Was glauben Sie, dass wir reingehen und wild herumballern? Das ist nicht unsere Vorgehensweise, schöne Frau«, empörte sich der Teamleiter. Gabrieles Chef trat zu ihnen heran.»Was meine geschätzte Kollegin meint, ist die Tatsache, dass diese Männer bereit sind, für ihre rechtsradikale Einstellung über Leichen zu gehen.«Hans Martin strich sich über seinen grauen Schnauzbart.»Wenn Sie den Männern eine Chance zur Gegenwehr geben, werden sie zu ihren Waffen greifen. Wir wissen, dass sie im Besitz von Handfeuerwaffen sind und es ist anzunehmen, dass sie Gebrauch davon machen würden. Geben Sie ihnen keine Möglichkeit dazu. Ich möchte nur sichergehen, dass niemand von ihrem Team zu Schaden kommt«, erklärte er dem Mann, während er sich seine beige Jacke überstreifte.»Wie lange hat das Bundesamt für Terrorismusbekämpfung schon ein Auge auf die Jungs?«, fragte der Teamleiter.»Wir observieren die Gruppe nun schon seit über vier Monaten und in dieser Zeit haben wir Beweise für unzählige Körperverletzungen und Sachbeschädigungen zusammengetragen. Aber sie planen etwas Größeres, deshalb müssen wir heute eingreifen und sie hochnehmen. Nicht ohne Grund habe ich persönlich die Leitung übernommen. Und meine Kollegin hier ...«, er deutete auf Gabriele, die gerade ihren langen, strohblonden Pferdeschwanz festzog, »... kann über ihren Computer alle notwendigen Informationen parat stellen. Wohnungsplan, Fluchtmöglichkeiten, aktuelle Bilder der Verdächtigen ...«»Das heißt, sie kommen mit uns und Frau Zauner wird sich nach der Festnahme der Personen um die Computer kümmern?«Gabriele nickte.»Ganz genau. Mein Chef und ich werden natürlich erst die Wohnung betreten, wenn wir von Ihnen das Okay dazu haben.«Der Teamleiter grinste sie an.»Gut so. Es wäre wohl keine gute Idee, mit uns in die Wohnung zu laufen, wenn wir es mit derart gefährlichen Subjekten zu tun haben.«»Laufen ist nicht gerade meine Stärke. Mit einem steifen Knie ist das etwas mühsam«, klärte Gabriele ihn auf und zeigte auf ihren ausgestreckten Fuß.»Das ist mir schon aufgefallen. Entschuldigung.«»Kein Problem. Ich humple zwar, aber meine Arbeit wird darunter nicht leiden.«»Noch zehn Minuten bis zum Zugriff«, informierte Hans Martin alle Anwesenden.Der Teamleiter nickte und blickte wieder zu Gabriele. Schon vom ersten Treffen an schien er ein Auge auf sie geworfen zu haben.»Wie ist das passiert, wenn ich fragen darf?«»Können Sie sich an den Hauseinsturz vor einem Jahr erinnern, die Anschläge in Wien?«»Ja, eine sehr unangenehme Angelegenheit.«»Und wie. Ich war damals im Haus, als die Bomben hochgingen.«Der Mann hob seine Augenbrauen und verkniff sich weitere Fragen. Sein Blick wanderte dafür mehrmals über Gabrieles schlanke Figur.»Wir begeben uns in Position. Ich melde mich bei Ihnen, Herr Gross«, verabschiedete sich der Teamleiter und ging mit seinen Männern hinaus.Hans Martin setzte sich seine Kopfhörer auf, um mit dem Einsatzteam verbunden zu sein.»Wenn Oliver gesehen hätte, wie der Typ Dich mit den Augen auszieht, wäre seine Eifersucht wieder mit ihm durchgegangen«, schmunzelte Hans Martin.»Garantiert. Aber dieser Manfred Stabler ist mit seinen 48 Jahren nicht nur über zehn Jahre älter als ich, er ist auch äußerlich und charakterlich alles andere als mein Typ. By the way, vergiss nicht, Du bist morgen zum Abendessen bei uns eingeladen. Wir sind fertig mit der Wohnung, die letzten Spuren von Olivers Umzug sind endlich beseitigt.«»Du wolltest so schnell mit ihm zusammenziehen, oder?«Gabriele grinste.»Ja, Papa. Danke nochmals für Deine Hilfe.«»Selbstverständlich.«Hans Martin Gross und Gabriele Zauner hatten eine besondere Beziehung zueinander, die über das Dienstliche hinausging. Gabriele sah in ihrem Chef nicht nur einen Vorgesetzten, sondern auch einen väterlichen Freund. Genauso wie Hans Martin sie nicht nur als Kollegin, sondern mehr wie eine Stieftochter, sah. Deshalb war es Gabriele sehr wichtig gewesen, mit ihm über ihre Entscheidung zu reden, bevor Oliver bei ihr einzog. Seit eineinhalb Jahren waren sie nun schon ein Paar und Gabriele war sich sicher, einen Mann für eine wirklich lange Beziehung gefunden zu haben. Sein einziges Manko war seine ständige Eifersucht, die aber seit jeher unbegründet war.»Herr Gross, wir sind in Position. Ein Mann sichert den Stiegenaufgang, drei stürmen auf ihren Befehl.«Hans Martin holte tief Luft. In wenigen Minuten würde eine wochenlang geplante Aktion ihren Höhepunkt finden und die mutmaßlichen Neonazis dingfest gemacht werden. Der Erfolg würde mit Sicherheit medienwirksam verbreitet werden, in der Hoffnung, weiteren rechtsradikalen Gruppierungen etwas Wind aus den Segeln zu nehmen.»Dann los, Zugriff!«, befahl er und begab sich mit Gabriele zum Wohnzimmerfenster. Sie standen genau gegenüber der Wohnung der Verdächtigen. Hans Martin hielt sein Headset in der Hand, damit auch Gabriele mithören konnte.
»Das Stiegenhaus ist leer, wir erreichen den dritten Stock.«»Eingang gesichert, niemand zu sehen.«»Wir gehen jetzt rein. Achtung, es kann laut werden.«Hans Martin und Gabriele blickten zur Wohnung hinüber und verfolgten gespannt den Funkverkehr. Die Vorhänge waren noch immer zugezogen und ließen keine Blicke hindurch.»Wir stehen vor der Wohnung. Auf mein Zeichen ...«»Viel Glück«, flüsterte Gabriele leise.»Zugriff!«Im nächsten Moment hörten sie, wie die Holztür mit einem schweren Rammbock aufgebrochen wurde.»Polizei, keine Bewegung. Alle Waffen zu Boden oder wir schießen«, schrie der Teamleiter und stürmte in die Wohnung.»Vorraum gesichert ... Badezimmer gesichert«, gab eine weitere Stimme bekannt und riss daraufhin die nächste Tür auf.»Keine Bewegung, oder ...« Die Stimme stockte.Es blieb für einige Sekunden still.»Was ist los? Bericht!«, verlangte Hans Martin. Mit einem Schlag stieg seine Anspannung.»Holy Shit! ... das ist ...«»Wohnung gesichert«, gab der Teamleiter deutlich geschockt bekannt, »Aber ... Sie sollten zu uns kommen, Herr Gross. Aber ohne Gabi, bitte.«»Ich hasse es, wenn man mich Gabi nennt«, fluchte Gabriele. Hans Martin drückte ihr den Kopfhörer in die Hand, schnappte sich seine Dienstwaffe vom Tisch und wollte zur Tür hinauseilen.»Was ist mit mir, Chef? Ich will auch ...«»Du hältst hier die Stellung, ich melde mich bei Dir.«Sie bekam keine Möglichkeit zu widersprechen, so schnell stürmte Hans Martin aus der Wohnung. Nur Sekunden später sah sie ihn über die Straße hetzen. Obwohl er älter als einundfünfzig aussah, war er körperlich topfit. Er stieß beinahe mit einem Mann zusammen, der gerade das Haus verließ. Der vollbärtige Mann wich ihm im letzten Moment aus, blickte Hans Martin kurz nach und ging dann weiter.»Teamleiter, was ist los? Was ist mit unseren Verdächtigen?«Es dauerte einige Augenblicke, bis sie eine Antwort bekam.»Alle ... alle sind tot. Ermordet. Besser gesagt, abgeschlachtet. Bitte bleiben Sie in der Wohnung, dieser Anblick ist ... nichts für Sie.«»Danke für Ihre Vorsorge, Herr Stabler«, keifte sie in das Mikrofon, »Ich bin schon einige Zeit in diesem Job und werde ...«Gabriele stutzte. Eigentlich hatte sie in ihrem Beruf bisher noch nie direkt mit Leichen zu tun gehabt.»Nein, Du bleibst drüben, Gabriele.« Das war Hans Martins Stimme. Er klang ernst und ebenfalls leicht schockiert.»Das ist ein Befehl. Schalte das Headset aus und warte auf mich. Verstanden?«Verwundert blickte Gabriele auf den Kopfhörer in ihrer Hand. Wenn ihr Chef einen Befehl so deutlich gab, musste etwas sehr Schlimmes vorgefallen sein. Trotz ihrer Neugier vertraute und gehorchte sie Hans Martin.»Jawohl Chef. Ich schalte aus.«Das Headset flog auf die Couch. Leicht verärgert setzte sie sich zum Computer und hoffte, dass Hans Martin einen wirklich guten Grund hatte.
Hans Martin stürmte in die Wohnung und lief in das Wohnzimmer. Was ihn dort erwartete, ließ ihn erschrocken einen Schritt zurücktaumeln.»Nein, Du bleibst drüben, Gabriele«, befahl er geschockt. Dieses Blutbad wollte er Gabriele ersparen.»Das ist definitiv kein Anblick für Ihre hübsche Kollegin«, meinte der Teamleiter, der mit einer Hand das Mikrofon seinen Headsets abdeckte. Er hatte vollkommen recht.»Das ist ein Befehl, Gabriele. Schalte das Headset aus und warte auf mich. Verstanden?« Hans Martin nahm den Kopfhörer ab und strich sich entsetzt über seinen Schnurrbart.Alle drei Verdächtigen waren auf äußerst brutale Art und Weise ums Leben gekommen. Neben Hans Martin saß ein Glatzkopf mit weit aufgerissenen Augen. Ein Stofffetzen ragte ihm aus dem geöffneten Mund. Sein Gesicht war knallrot, was Hans Martin auf den Einsatz von Pfefferspray oder Ähnlichem zurückführte. Dazu passte auch der beißende Geruch in der Wohnung, der in den Augen brannte. Die abgetrennten Hände des Mannes lagen einige Meter entfernt in einer Blutlache. Beide Hände waren an den Gelenken abgetrennt worden. Von dort zog sich eine Blutspur bis zum Sessel. Hans Martin blickte auf die stumpfen Enden der Arme, aus denen immer noch das Blut tropfte. Es sah nach einem fein säuberlichen Schnitt aus, die Fasern, das Gewebe und die Knochen waren zu sehen. Die passende Waffe dafür steckte im Körper des Mannes. Jemand hatte ihn mit einem Samuraischwert nahezu zweigeteilt. Es war von unten nach oben durch das Opfer gezogen worden und steckte in Höhe der Rippen im Leichnam. Neben dem Blut quollen auch Innereien aus dem sitzenden Mann.Hans Martin hatte schon viel gesehen, doch dieser Anblick setzte ihm zu. Er musste sich angewidert abwenden, wobei sein Blick auf die zweite Leiche fiel. Zumindest auf den Kopf der Leiche, der neben der Wohnzimmertür lag, ebenfalls sauber abgetrennt. Hans Martin blickte auf den Hinterkopf und musste dem Toten nicht ins Gesicht blicken. Der restliche Körper lag neben dem Esstisch auf dem Boden, anscheinend ohne weitere Verletzungen.Der dritte Glatzkopf lag mit dem Rücken auf dem Tisch, die Beine hingen hinab. Seine Arme lagen ebenso auf dem Tisch, etwa einen halben Meter vom restlichen Körper entfernt. Knapp unterhalb der Schultern wurden die Arme abgetrennt, noch immer tropfte das Blut vom Tisch hinab. Weitere tiefe Schnitte, die willkürlich über den Körper verteilt waren, tauchten die Tischoberfläche in ein dunkles Rot. Von den Beinen tropfte das Blut auf den Parkettboden. Die dazugehörige Wunde war leicht ausfindig zu machen. Im Schritt der ehemals hellblauen Jeans war ein großer Blutfleck zu sehen, der sich nach unten fortzog.Hans Martin strich ungläubig über sein Gesicht. Der Raum war voller Blutspritzer, die sich über den Boden, die Möbel und die Wände verteilten. Von einer Wand war eine Fahne heruntergerissen worden. Bei näherer Betrachtung erkannte Hans Martin, dass es sich um eine Hakenkreuzfahne handelte. An ihrer Stelle hatte der Schwertmörder eine Nachricht mit dicken Buchstaben aus Blut hinterlassen: REMEMBER YVONNE»Ich muss raus, mir wird schlecht«, flüsterte der jüngere Kollege des Einsatzteams betroffen und rannte aus der Wohnung.»Wer auch immer das war, er hat zu viel ‚Kill Bill‘ gesehen. Das ist ja krank«, stellte ein weiterer Kollege kopfschüttelnd fest.»Was für ein Schlachtfeld. Wie kann das sein, die Wohnung wurde doch überwacht?«, fragte Manfred Stabler entsetzt.»Wir haben nur den Hauseingang überwacht. Das letzte Wärmebild stammt von halb sechs, also vor mehr als eine Stunde.« Hans Martin musste sich abwenden, er ging zurück in den Vorraum der Wohnung.»Dieses Gemetzel ... es kann noch nicht lange her sein, vielleicht ein, zwei Stunden ...«»Nein, maximal knapp mehr als eine halbe Stunde. Wir haben ja gesehen, wie der Letzte zu Besuch gekommen ist«, erinnerte Hans Martin den Mann.»Das heißt ...? Innerhalb der letzten halbe Stunde, in der wir uns auf den Zugriff vorbereiteten, muss sich jemand Zutritt verschafft haben und ... und die Männer einfach abgeschlachtet haben.«Manfred Stabler schüttelte den Kopf.»Ich informiere die Spurensicherung und das Morddezernat.« Während Hans Martin sein altmodisches Klapphandy nahm und die Nummer der Spurensicherung suchte, sah er im Vorraum ein Gestell auf einem Schuhschrank. Auf diesem lag ein halb geöffnetes, knapp einen Meter langes Schwert. Es war die kleinere Ausgabe der Mordwaffe.»Wer auch immer für diese Schlachtung verantwortlich ist, hat gleich beim Eintreten das Werkzeug vorgefunden«, murmelte er mürrisch.Hans Martin fürchtete, dass er noch viel Arbeit mit diesem Blutbad haben würde.
Im kleinen Konferenzzimmer des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung waren alle Personen versammelt, die mit der Überwachung der rechtsradikalen Gruppe zu tun hatten. Insgesamt war ein achtköpfiges Team unter der Leitung von Hans Martin an der Operation beteiligt gewesen. Hans Martin stand vor seinen Leuten und berichtete von dem Blutbad in der Wohnung und dem Abschluss ihres Falls. »Für uns ist die Operation damit vorerst erledigt. Wie wir vermuteten, war ein Anschlag auf ein jüdisches Lokal geplant. Aus Sicherheitsgründen wird diese Versammlung nun mit unauffälligem Polizeischutz abgehalten werden. Die genauen Umstände, was mit den drei Subjekten passiert ist, wird die Mordkommission zu klären haben.«»Es tut mir leid, aber ich habe nicht gerade großes Mitleid mit diesen Nazischweinen, Chef«, meldete sich Omar, einer der Experten, wenn es um Telefon- und Internetüberwachung ging.»Ich weiß Omar. Aber es wäre mir lieber gewesen, wir hätten sie noch befragen können. So muss man den Medien etwas geben, damit nicht zu viele Fragen gestellt werden.«»Was sollen wir den Medien mitteilen?«, fragte Michaela, die für die Pressearbeit der Abteilung zuständig war.»Im Moment gar nichts. Ich bin mir sicher, dass ein voll motiviertes Team aus der Mordabteilung sich des Falles annehmen wird und wir keine Arbeit mehr damit haben werden. Somit bleibt es eine Geheimoperation und wir haben keine Probleme mehr. Damit sind wir für heute fertig, gehen Sie heim und genießen Sie alle morgen einen freien Tag.«Diese Nachricht wurde mit lautem Beifall aufgenommen.Gabriele wartete, bis alle den Raum verlassen hatten, bevor sie zu Hans Martin ging.»Gilt der freie Tag auch für mich?«»Ja, Gabriele. Du hast erwähnt, dass Oliver auch frei hat, also macht Euch gemeinsam einen schönen Tag.«»Vergiss nicht, morgen um 17 Uhr, bei uns. Du kannst Camilla gerne mitnehmen, wenn Du möchtest. Natürlich mitsamt Tochter.« Gabriele schmunzelte.»Ich weiß noch nicht. Camilla und ich ... Sagen wir so, wir gehen es langsam an. Seit sie nicht mehr in der Bar arbeitet und den Kurs als Buchhalterin macht, ist sie sehr beschäftigt. Die Therapie für ihre Tochter hat zwar keine Wunder bewirkt, aber die Kleine kommt inzwischen sehr gut mit ihrem Rollstuhl zurecht.«»Triffst Du sie heute noch?«, bohrte Gabriele nach.»Ja. Hast Du noch mehr Fragen, oder willst Du endlich heim zu Deinem Oliver?«»Schon gut Chef.« Gabriele setzte ein Lächeln auf. »Bis morgen Hans Martin.«Sie war schon fast aus der Tür hinaus, als sie sich umdrehte.»By the way, der freie Tag darf auch von Dir genossen werden.«Dann war sie verschwunden.Hans Martin packte alle Unterlagen zusammen und sortierte sie ein. Als er mit seinen Bürotätigkeiten fertig war, zeigte die Uhr schon nach 22 Uhr. Mit einem Glas Wasser und einer Zigarette in der Hand überlegte er, ob er Camilla noch anrufen sollte.Er hatte sie vor längerem in einem Nachtlokal kennengelernt, als sie dort als Prostituierte arbeitete. Mit etwas finanzieller Unterstützung konnte er sie überzeugen, den Job aufzugeben und sich um eine gute Ausbildung zu kümmern. Camillas Tochter Juliana war seit ihrer Geburt an den Rollstuhl gefesselt, konnte aber mit ihren zehn Jahren bemerkenswert gut damit umgehen. Sie hatte Hans Martin ins Herz geschlossen und nahm ihn jedes Mal in Beschlag, wenn er zu Besuch kam. Auch ihm tat es gut, für einige Zeit den Beruf zu vergessen und ganz unbeschwert sein zu können.Camilla war zwar noch wach, als er sie anrief, hatte aber einen anstrengenden Tag hinter sich und wollte nur noch ins Bett. Dafür hatte sie einen Vorschlag für Hans Martin.»Ich habe Juliana versprochen, morgen den Tiergarten zu besuchen. Sie würde sich freuen, wenn Du mitkommst.«»Warum nicht? Ich habe morgen allen frei gegeben, das gilt wohl auch für mich.«»Ich würde mich natürlich auch freuen, außerdem ...«Hans Martin hörte aus ihrer Stimme, dass sie etwas bedrückte.»Was ist los, Camilla?«, fragte er besorgt. »Es ist nichts ... Nur etwas, was ich mit Dir besprechen möchte.«»Worum geht es, Du klingst, als würde Dir etwas Sorgen machen.«Camilla schwieg einige Sekunden.»Es ist wegen Juliana. Ihr Erzeuger hat sich gemeldet.«Hans Martin wurde hellhörig. Er wusste nur wenig von dem Mann, den Camilla aus ihrer Zeit in der Slowakei kannte. Julianas leiblicher Vater war noch vor ihrer Geburt verschwunden. Er war in diverse kriminelle Machenschaften verwickelt, von Drogen bis zu Menschenhandel. Camilla wollte sich damals von ihm nicht hineinziehen lassen und brach jeden Kontakt ab. In den Jahren in Victors Bar konnte sie auf die Hilfe und den Schutz durch Victor, und vor allem seine beiden Türsteher Igor und Sergie, zählen.»Er hat mich heute angerufen und will mich sehen«, erzählte sie.»Und Du?«»Ich will ihn nicht in meinem Leben haben. Juliana kennt ihn nicht. Sie ... Sie hat zu mir gesagt, sie braucht keinen Papa.«Hans Martin hörte, wie Camilla schmunzelte.»Juliana hat gemeint, der einzige Mann, auf den sie hören würde, wärst Du.«Hans Martin konnte nicht antworten, ihm steckte plötzlich ein Kloß im Hals. Er mochte das Mädchen sehr, und nicht nur einmal hatte er darüber nachgedacht, wie ein glückliches Familienleben mit beiden aussehen würde. Aber seit dem Tod seiner Tochter und der Trennung von seiner damaligen Frau war er zum verschlossenen, oft griesgrämigen Einzelgänger geworden. Selbst Gabriele, die er schnell ins Herz geschlossen hatte, erfuhr erst vor einem Jahr Genaueres aus seinem privaten Vorleben. Camilla wusste nur, dass er geschieden war und seine Tochter nicht mehr am Leben war. Die genauen Hintergründe hatte er ihr verschwiegen.»Wenn das so ist, dann bin ich ja direkt verpflichtet, Euch morgen zu begleiten. Welche Tiere mag sie besonders?«»Das sind eindeutig die Pinguine. Sie kann stundenlang vor deren Gehege stehen bleiben und den Tieren zusehen.«Hans Martin versprach, in der Früh mit frischem Gebäck vorbeizukommen und den Tag mit ihnen zu verbringen. Gleichzeitig hatte er eine besondere Überraschung für Juliana im Kopf.
Kaum war Omar in seiner Wohnung angekommen, setzte er sich zum Computer. Schon auf dem Heimweg hatte er ein Treffen ausgemacht, in wenigen Minuten würde es an seiner Tür läuten. Die Aussicht, was ihm bei diesem Treffen geliefert würde, erregte ihn und ließ ihn vor Vorfreude leicht zittern.Die Türklingel riss ihn aus seinen Gedanken. Er sprang hoch und beeilte sich zur Tür.»Ja bitte?«»Grüß Dich, Omar. Ich komme wie versprochen mit einer neuen Lieferung.« Die männliche Stimme erkannte Omar sofort.»Endlich. Ich habe morgen frei und kann es nicht ...«, er stockte, als er die Tür aufriss. Der Lauf einer Pistole zielte genau auf sein Gesicht.»Rein mit Dir. Einen Ton und Dein Hirn wird im Vorraum verteilt sein«, begrüßte ihn der Mann mit eiskalter, entschlossener Stimme.Omar machte einen Schritt zurück und ließ ihn in seine Wohnung. Sein Blick wanderte kurz zu einer Kommode neben der Tür. Dort standen griffbereit ein Eisenrohr und eine handliche Dose Pfefferspray.»Vergiss es, so schnell kannst Du nicht sein«, machte ihm der Mann unmissverständlich klar.»Was soll das? Wieso? Was willst Du?«, fragte er verwundert.»Du wirst mir einige Fragen beantworten ... und dann wirst Du sterben.«
8:30 UhrObwohl Hans Martin noch verschlafen war und nur einige Gehminuten vom Tiergarten Schönbrunn entfernt wohnte, fuhr er quer durch Wien, da Camilla im 22. Bezirk wohnte. Es war Sonntag und auf den Straßen herrschte gähnende Leere. Die eiskalte Luft blies durch das offene Fenster und half ihm munter zu werden. Er kannte die Umgebung bei Camillas Wohnung inzwischen recht gut, wusste, wo die Bäckerei lag und wo er zu seinem Tagesvorrat an Zigaretten kam. Wobei er sich vorgenommen hatte, Juliana und Camilla zuliebe sein Laster einzuschränken.Er fühlte sich gut und ausgeglichen, der bevorstehende Tag versprach, ein besonderer zu werden. Die gestrigen Ereignisse wollte er für heute ausblenden. Ein Tag, der, fernab von seinem Job und seinen Geistern aus der Vergangenheit, wie in einer ganz normalen, glücklichen Familie ablaufen sollte.Hans Martin schmunzelte. Familie war ein Wort, das er schon lange nicht mehr benutzt hatte. Viel zu lange, wie er zugeben musste, während er vor Camillas Wohnung stand und rauchte. Als er bei dem Namen Cerovská anläutete, meldete sich Juliana.»Morgen Hans Martin. Hast Du die Semmeln geholt?«»Hallo, kleiner Sonnenschein. Ja, und für Dich ein Schokocroissant, wie versprochen.«»Dann hör auf zu rauchen und komm rauf. Mama duscht gerade, aber ich mag schon mein Frühstück.«Fünf Minuten später saßen sie zu dritt beim Tisch. Camilla hatte sich nur einen weißen Bademantel übergezogen, der locker zugebunden war und Hans Martin tiefe Einblicke gewährte. Die lockigen, dunkelbraunen Haare waren noch nass und wild durcheinander. Juliana saß schon angezogen in ihrem Rollstuhl und fragte Hans Martin wieder einmal über seinen Beruf aus.»Hast Du gestern Verbrecher geschnappt?«»Ja. Ganz schlimme Jungs.«»Was haben die angestellt?«Hans Martin kamen die grausigen Bilder vom Vortag in den Sinn. Schnell verbannte er sie aus seinem Kopf.»Das waren Männer, die glauben, dass Ausländer schlechte Leute sind. Und weil diesen Männern auch Straftaten nachgewiesen ...«»Welche Straftaten?«»Diebstahl, Körperverletzung und noch mehr. Aber sie werden niemanden mehr etwas antun. Und jetzt genieß Dein Frühstück, ich habe noch eine Überraschung für Dich.«Augenblicklich waren die abenteuerlichen Geschichten von Hans Martin vergessen, Julianas Augen blitzen vor Neugier.»Überraschung? Was denn?«»Das erfährst Du, wenn wir im Tiergarten sind«, erklärte ihr Hans Martin mit einem verschwörerischen Grinsen.»Bitte nur einen kleinen Hinweis«, bettelte Juliana.Hans Martin strich ihr sanft über den wuscheligen Lockenkopf.»Lass Dich überraschen, mehr wirst Du von mir nicht erfahren.«
Hans Martin hatte noch vor dem Frühstück mit den beiden Damen mit seinem Wohnungsnachbar Josef telefoniert, der im Zoo arbeitete. Dieser war sofort bereit, Hans Martins Überraschung zu unterstützen. Außerdem hatte er ihm einen Parkplatz im Wirtschaftshof des Tiergartens reserviert. So mussten sie mit dem Rollstuhl nicht durch den Schlosspark fahren, was bei den Schotterwegen beschwerlich sein konnte. Den Weihnachtsmarkt vor dem Schloss Schönbrunn wollten sie sowieso an einem anderen Tag besuchen.Hans Martin hob das Mädchen aus dem Fahrzeug in ihren Rollstuhl und übernahm das Schieben.Das Wetter meinte es gut mit ihnen, es versprach ein kalter, aber trockener Tag zu werden. Erst im Laufe der nächsten Tage sollte der Schnee nach Wien kommen.»Wo fangen wir an?«, fragte Juliana aufgeregt. Während der Autofahrt hatte sie Hans Martin mit Fragen nach der Überraschung gelöchert, aber nichts erfahren. Auch Camilla wusste nichts von seinem Vorhaben.Zu dritt spazierten sie zum Polarium des Tiergartens. Das Gebäude beherbergte nicht nur die Pinguine, davor befand sich auch eine der Hauptattraktionen des Zoos, die Robben. Deren Becken war besonders großzügig gehalten, mit viel Landfläche und einem Schwimmbecken, das den Besuchern einen Blick unter Wasser bot. Die Fütterung der Robben wurde jedes Mal von etlichen Besuchern verfolgt, die ihren Spaß daran hatten, wenn die Tiere im hohen Bogen ins Wasser sprangen, um die Fische in der Luft zu erwischen.Vor dem Eingang zur Pinguinanlage erwartete sie ein Mann in Hans Martins Alter. Er reichte Juliana die Hand.»Hallo, da seid ihr ja. Ich heiße Josef und bin unter anderem für die Pinguine verantwortlich. Hans Martin hat mir verraten, dass Du die kleinen Tierchen so gerne hast.«»Ja und wie. Die sind so süß, und sie können so gut schwimmen. Und wenn sie an Land herumwatscheln, das ist so lieb zum Anschauen«, sagte Juliana strahlend.»Wenn das so ist, wie wäre es dann, wenn Du mir beim Füttern hilfst, Fräulein?«Julianas Gesicht strahlte noch mehr.»Sehr, sehr gerne. Aber geht das denn überhaupt? Ich meine, wie komme ich denn mit meinem Rollstuhl …«»Wir werden nicht die Pinguine im Polarium füttern, sondern nehmen uns die Gruppe im Freigehege vor. Hans Martin wird Dich sicherlich gerne über die Absperrung heben. Mit etwas Glück lässt sich einer der kleinen Freunde vielleicht auch kurz streicheln.«Juliana nickte mehrmals, das Angebot verschlug ihr die Sprache. Schon fünf Minuten später stand sie mitten im Gehege der Pinguine, umringt von ihren Lieblingstieren und einem Eimer mit Fischen auf ihrem Schoß. Josef zeigte ihr, wie sie den hungrigen Tieren den Fisch zuwerfen sollte. Es dauerte nicht lange, bis der erste Pinguin nahe genug kam und Juliana ihm zaghaft über das Fell streichen konnte.Neben der Absperrung standen Camilla und Hans Martin und sahen dem überglücklichen Mädchen zu.»Danke Hans Martin. Sieh nur, wie sie strahlt.«»Josef wohnt neben mir. Wir haben uns vor Kurzem über seinen Job hier unterhalten, und nachdem Du die Pinguine erwähnt hast, habe ich mich bei ihm erkundigt.«»Dir ist schon klar, damit bist Du bei ihr zu einer ganz besonders wichtigen Person geworden. Ich meine nur, wenn … Also, wenn Du Dir nicht sicher bist, dann … Wie soll ich sagen, Du hast gemeint, Du bist Dir selbst nicht sicher …«, stotterte Camilla herum, da sie nicht wusste, wie sie es Hans Martin genau sagen sollte.»Ich weiß, was Du sagen willst, Camilla.« Hans Martin holte tief Luft. Diese Art von Gesprächen fiel ihm schwer. Er war es nicht gewohnt, über seine Gefühle zu sprechen, doch ihm war klar, dass er Camilla gegenüber offener werden musste.»Ich bin nicht der Typ Mann, der viel darüber spricht. Aber Du und Juliana seid mir sehr wichtig. Du bedeutest mir viel und ich bin gerne mit Euch unterwegs. Ich habe nicht vor … Nein, ich werde nicht einfach von einem Tag auf den anderen verschwinden, ich möchte bei Dir bleiben.«Camilla sah ihn verschmitzt an und hakte sich bei ihm ein.»Schon gut, mein grauer Hase. Bemüh Dich nicht weiter, ich verstehe Dich schon.« Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange.»Wenn wir gerade dabei sind, was war das mit Deinem Ex?«, lenkte Hans Martin ihre Unterhaltung auf ein anderes Thema.»Ein Fehler aus meiner Jugend. Ich habe Radu in der Slowakei kennengelernt. Damals war ich jung, naiv und von seinem Geld beeindruckt. Er hat mir teure Geschenke gemacht und mich in noble Lokale ausgeführt. Natürlich war ich ihm schnell verfallen, ohne nachzufragen, woher das viele Geld kam. Bis er mich seinen Freunden vorgestellt hat und ich erfahren habe, was er so macht. Er hat mir angeboten, für ihn Drogen zu schmuggeln und als ich abgelehnt habe ...« Ihr Blick wurde nachdenklich und traurig.Hans Martin zog Camilla zu sich.»Ich war fast zwei Wochen im Krankenhaus, nachdem er und seine Freunde sich ... austobten. Da war ich schon schwanger, was ich aber erst im Spital erfahren habe. Meine Schwester hat mich geholt und nach Wien gebracht. Ich bin untergetaucht, Juliana kam auf die Welt und den Rest kennst Du.«»Julianas Behinderung, ist er dafür verantwortlich?«»Kann sein. Ihre Beine bekommen durch ein Nervenleiden keine Befehle vom Hirn, eine Behandlung ist nicht möglich. Ich brauchte Geld, um ihr ein normales Leben bieten zu können. Zufällig habe ich Victor getroffen und er hat mir angeboten, legal bei ihm zu arbeiten. Ich habe gewusst, was er mit Arbeiten meint, dass ich in seiner Bar als Nutte tätig bin. Aber ich brauchte Geld. Du weißt selber, bei ihm ist es wenigstens sauberes Geld und er sorgt dafür, dass das Lokal drogenfrei bleibt.«»So hat jeder von uns eine dunkle Vergangenheit.« Hans Martin küsste ihre Stirn.»Aber was zählt, ist das Hier und Jetzt. Sieh Dir Deinen kleinen Sonnenschein an, wie glücklich sie ist. Du hast genug Geld auf der Seite, um Dich auf eine Ausbildung zu konzentrieren. Und Deinem Exfreund kannst Du ausrichten, dass er sich nicht mit mir anlegen soll.«»Was das Geld betrifft …«»Frag nicht nach«, unterbrach er Camillas Versuch, ihn zu fragen, und umarmte sie.Eine Minute lang drückte sich Camilla schweigend an Hans Martin.»Danke. Ich ...«»Ich weiß, Camilla. Ich Dich auch.«Trotz allem fiel es Hans Martin schwer, romantische Gefühle zu zeigen. Camilla löste sich von ihm und versuchte, ihr trauriges Gesicht zu überspielen.»Was ist mit Deiner Vergangenheit? Wann erzählst Du mir, was Dich zu diesem unromantischen, meist mürrischen Mann hat werden lassen?«»Nicht hier, nicht heute. Wenn wir zwei in Ruhe zusammensitzen, dann vielleicht.«Die Fütterung war vorüber, für Hans Martin genau zum richtigen Zeitpunkt. Er hob Juliana wieder über die Absperrung, wobei sie ihn mehrmals fest umarmte und sich bedankte.»Das habe ich gern gemacht, kleiner Sonnenschein.«»Das war unglaublich. Hast Du gesehen, ich habe sie sogar streicheln können. Und wie sie geplaudert haben. Das ist der beste Tag meines Lebens!«, meinte sie aufgeregt und verpasste Hans Martin einen Schmatzer auf die unrasierte Wange.»Du musst Dich wieder einmal rasieren, das sticht.«Sie spazierten zwar noch an den anderen Gehegen vorbei, die Pinguinfütterung blieb aber Julianas Highlight, von dem sie noch beim Verlassen des Tiergartens schwärmte.»Was habt ihr heute Abend vor?«, fragte Hans Martin, als sie wieder im Wagen saßen.Er erzählte ihnen von der Einladung bei Gabriele, die Camilla von einigen Besuchen in seinem Büro kannte.Für Juliana war klar, dass sie hingehen würden, da sie sich noch mehr Erzählungen über Hans Martins Beruf erhoffte.
In der Küche ihrer Wohnung bereitete Gabriele die Nachspeise vor, obwohl alle Anwesenden von den Hauptspeisen schon mehr als satt waren. Unterdessen studierte Juliana die CDs neben der Stereoanlage.»Die Anlage ist ja echt groß«, staunte das Mädchen.»Die Stereoanlage hat einen Sechsfach-CD-Wechsler, den Bassverstärker habe ich mir selber hinzugebaut …«, erklärte Gabrieles Freund Oliver mit Stolz.»Und wer ist ABBA? Was haben die denn für komische Klamotten an?«, unterbrach ihn Juliana und hielt eine CD hoch.»Das ist Gabrieles Musik, eine Band aus den 70er und 80er Jahren.«In diesem Moment kam Gabriele zurück, in ihren Händen eine große Schüssel Mousse au Chocolat.»Im Gegensatz zu Deiner Hard Rock Musik sind die angenehm zum Hören.«Die Unterhaltung entwickelte sich schnell zu einer angeregten Diskussion über diverse Musikrichtungen, die Juliana mittels der Fernbedienung für die Stereoanlage, musikalisch unterstützte. Dabei musste Gabriele oft ungläubig ihren Chef ansehen. Als Camilla mit Juliana in Richtung Toilette verschwand, beugte sich Gabriele zu Hans Martin vor.»Was ist denn mit Dir los, Chef? Wie lange kennen wir uns jetzt, zehn Jahre?«, fragte sie ihn schmunzelnd.»Ich weiß nicht, was Du meinst.«»Deine gute Laune. Kein bisschen mürrisch, wie man Dich sonst kennt.«»Es war einfach ein angenehmer Tag«, rechtfertigte sich Hans Martin.Gabriele grinste ihn wortlos an.»Angenehm, schön, nett. Was willst Du hören, Gabriele?« Sie lächelte weiter.»Nichts Hans Martin. Du brauchst nichts zu sagen.«
9:10 Uhr»Guten Morgen Chef. Immer noch so gut gelaunt?«Gabriele betrat das kleine Büro, wie immer elegant angezogen. Ihre blonde, schulterlange Haarpracht hatte sie zu einem Zopf geflochten.»Grüß Dich. Da ich schon die Unterlagen der Spurensicherung durchgesehen habe, nicht mehr ganz so gut. Kaffee ist schon fertig.«Gabriele füllte sich eine Tasse ein und setzte sich an den Computer, um ihre E-Mails zu sichten.»Willst Du die E-Mails mit den Bildern ...«»Nicht!«, rief Hans Martin plötzlich, als ihm einfiel, dass Gabriele nicht genau wusste, was sie erwartete. Doch sein Aufschrei kam zu spät, auf Gabrieles Bildschirm war das erste Bild des Tatorts. Sie blickte schockiert auf die Leiche des Mannes, in dem das Schwert steckte, und rutschte erschrocken vom Bildschirm zurück.»Oh mein Gott, das ... Wie ...?«Sie wurde blass.»Jetzt weißt Du, warum ich Dich nicht in die Wohnung geholt habe und ich gestern nicht darüber reden wollte. Geht’s wieder?«»Schlimmer als jeder Horrorfilm. Mein Frühstück meldet sich.« Sie schloss die E-Mail wieder.»Die Bilder sind inzwischen bei der Mordkommission, Du musst sie nicht durchsehen«, beruhigte Hans Martin sie und fasste den Bericht für sie zusammen.»Wir haben nicht viel herausgefunden. Keine Fingerabdrücke auf der Waffe, dafür Fasern eines Lederhandschuhs. Das Schwert stammt aus der Wohnung, in die nicht gewaltsam eingebrochen wurde. Der Todeszeitpunkt ist klar, er passt mit unserer Überwachung überein. Beweise, dass wir richtig gelegen sind, gibt es zuhauf. Die Wohnung gleicht einem Museum für Freunde des Nationalsozialismus. Hakenkreuzfahne, einschlägige Literatur, Souvenirs, ... Die Computer werden untersucht, sicherlich gibt es da noch mehr Beweise. Soweit ist die Operation ‚Braune Freunde‘ abgeschlossen. Was die Morde betrifft, wird sich eine andere Abteilung damit rumschlagen dürfen. Ach ja, der Mörder hat eine Nachricht hinterlassen. Remember Yvonne, geschrieben mit dem Blut der Opfer.«Gabriele lauschte seinen Ausführungen mit einer Mischung aus Ekel und Neugier. Kaum hatte Hans Martin fertig gesprochen, tippte sie auf ihrer Tastatur.»Remember Yvonne, da gibt es eigentlich nur eines, was auf die Schnelle erscheint. Ein Lied aus den 80ern.«»Danke Gabriele, das Lied kenne ich. Nicht ganz Deine Musikrichtung, so wie ABBA, dafür mehr mein Geschmack. Es handelt aber weder von Mord, Nazis oder sonstigen kriminellen Handlungen.«Gabriele griff nach ihrem Lieblingsspielzeug, einen Tablet-PC, der mit dem Standcomputer synchronisiert war.»Und nun?«»Nun, werte Frau Kollegin, warten wir auf einen gewissen Herrn Tobias Iger, der den Fall übernimmt. Er sollte gegen elf Uhr auftauchen. Damit haben wir auch die Medienarbeit abgegeben.«Gabriele verzichtete darauf, die restlichen Bilder der Bluttat anzusehen. Vielmehr interessierte es sie, wie der Abend für Hans Martin verlief, nachdem er mit Camilla und Juliana gegangen war.»Ich habe die Damen heimgebracht. Und bevor Du noch genauer fragst, ja, ich habe bei ihr übernachtet und mehr gibt es nicht zu sagen.«Gabriele grinste.»Das freut mich für Dich, Hans Martin. Camilla tut Dir richtig gut.«»Wenn Du das sagst.«»Darf ich Dich etwas fragen? Seit ... Seit Du Deine Tochter damals ...«, Gabriele wusste, dass dieses Thema sehr heikel war.