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Geistliche Schätze aus der Pilgerreise für heute Es ist faszinierend, wie John Bunyans Erzählung "Die Pilgerreise" unser Glaubensleben bereichern kann - heute genauso wie schon über Jahrhunderte hinweg. Dieses Andachtsbuch führt dich in 40 Wegetappen durch die wichtigsten Stationen dieses christlichen Klassikers. Es gibt dir Orientierung beim Lesen und hilft dir, Bunyans Allegorien auf deine eigenen Nachfolge anzuwenden. Mach dich auf den Weg und entdecke gemeinsam mit uns die Pilgerreise als Antwort auf Gottes Wort, als Gemeinschaftsprojekt, als Dauerlauf und als Wanderschaft mit der Perspektive Ewigkeit!
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Seitenzahl: 305
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SCM R.Brockhaus ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.
ISBN 978-3-417-23000-0 (E-Book)
ISBN 978-3-417-26967-3 (lieferbare Buchausgabe)
Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck
© 2021 SCM Verlagsgruppe GmbH · Max-Eyth-Straße 41
71088 Holzgerlingen
Internet: www.scm-brockhaus.de; E-Mail: [email protected]
Soweit nicht anders angegeben, sind die Bibelverse folgender Ausgabe entnommen:
Elberfelder Bibel 2006, © 2006 by SCM R.Brockhaus in der SCM Verlags-gruppe GmbH, Witten/Holzgerlingen (ELB)
Weiter wurden verwendet:
Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart (LUT) Bibeltext der Schlachter Bibelübersetzung, Copyright © 2000 Genfer Bibelgesellschaft. Wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung. Alle Rechte vorbehalten. (SCHL) NEÜ bibel.heute © 2010 Karl-Heinz Vanheiden, www.derbibelvertrauen.de und Christliche Verlagsgesellschaft Dillenburg, www.cv-dillenburg.de (NEÜ)
Alle Zitate der Pilgerreise wurden entnommen aus:
John Bunyan, Die Pilgerreise, SCM R.Brockhaus, Holzgerlingen, 2021
Lektorat: Mirja Wagner, www.lektorat-punktlandung.de
Umschlaggestaltung & Illustrationen: Maikel Karkoush, Holzgerlingen
Autorenfoto: © Christoph Busch
Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach
Über die Autoren
Prolog
1. Etappe: Aufbruch in ein neues Land
2. Etappe: Den Blick aufs Ziel richten
3. Etappe: Ein Helfer in der Hoffnungslosigkeit
4. Etappe: Der Versuchung widerstehen
5. Etappe: Freiheit aus eigener Kraft?
6. Etappe: Ein Wegweiser auf dem Weg
7. Etappe: Echte und tiefe Wahrheiten
8. Etappe: Geduldig warten
9. Etappe: Ermutigung und Ermahnung
10. Etappe: Mit Hoffnung dem Gericht entgegen
11. Etappe: Errettung nur durch Jesus und das Kreuz
12. Etappe: Wachsam bleiben
13. Etappe: Gegenseitige Unterstützung
14. Kapitel: Jesus an erster Stelle
15. Etappe: Mutig dem Gegner entgegentreten
16. Etappe: Im Leiden Gott erleben
17. Etappe: Falsche und richtige Scham
18. Etappe: Richtig zuhören, verstehen und anwenden
19. Etappe: Den Dauerlauf beenden
20. Etappe: Die Nichtigkeiten dieser Welt
21. Etappe: Die Feinde lieben
22. Etappe: Zuversicht im Angesicht des Todes
23. Etappe: Gegen den Strom
24. Etappe: Kosten-Nutzen-Rechnung des Glaubens?
25. Etappe: Die Gefahr von Geld und Reichtum
26. Etappe: Gemeinsam auf sich achtgeben
27. Etappe: Hoffnung in Zeiten des Zweifels
28. Etappe: Ein Ermutiger an der Seite
29. Etappe: Gottes Verheißungen im Herzen bewahren
30. Etappe: Himmel auf Erden
31. Etappe: Irrwege erkennen
32. Etappe: Geld oder Leben?
33. Etappe: Nicht im Schauen, sondern im Glauben leben
34. Etappe: Schmerzhafte Erkenntnis
35. Etappe: Keine Erlösung durch fromme Taten
36. Etappe: Durch das Hören von Gottes Stimme erkennen
37. Etappe: Trügerisches Herz
38. Etappe: Eine Zeit lang ist nicht genug
39. Etappe: Hoffnungsaussicht im Sterben
40. Etappe: Willkommen in der Ewigkeit
Epilog
Anmerkungen
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
SIMON UND SIMONE MAYER sind verheiratet und leben mit ihrem Sohn in Niederbayern. Simon (Jg. 1990) ist Ingenieur für Elektro- und Informationstechnik und studiert berufsbegleitend Theologie am Martin Bucer Seminar. Simone (Jg. 1991) ist Gymnasiallehrerin für Chemie und Biologie.
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Als ich durch die Wüste dieser Welt zog, gelangte ich an einen Ort, in dessen Nähe eine Höhle war. Dort legte ich mich zum Schlafen nieder und hatte einen Traum, als ich schlief.
Ich sah einen Mann, der ein schmutziges und zerrissenes Kleid trug; er stand da, von seinem Haus abgewandt, mit einem Buch in der Hand und einer großen Last auf seinen Schultern. Ich sah, wie er das Buch öffnete und darin las, und während er las, weinte er, und er zitterte, und als er nicht länger an sich halten konnte, brach er in lautes Klagen aus und rief: »Was soll ich nur tun?« In diesem traurigen Zustand ging er ins Haus und beherrschte sich, solange es ihm möglich war, damit Frau und Kinder seine Not nicht bemerkten. Aber dann hielt er es nicht mehr aus. Seine Unruhe zwang ihn, sein Herz vor ihnen auszuschütten. »Ach, liebe Frau und meine lieben Kinder, es ist aus mit mir. Die Last, die ich tragen muss, ist zu schwer. Aber das ist nicht alles: Man hat mir berichtet, dass Feuer vom Himmel unsere Stadt verzehren wird und dass wir alle – ich, du, meine gute Frau, und ihr, meine Kinder – bei dieser schrecklichen Katastrophe elend umkommen werden, wenn wir nicht einen Weg zu unserer Rettung finden, den ich nur noch nirgends sehe.«
Da machte seine Familie sich große Sorgen; nicht etwa, weil sie glaubte, was er sagte, sondern sie meinte, er sei verrückt geworden. Doch da gerade die Nacht hereinbrach, hofften sie, der Schlaf würde ihm helfen, wieder zu sich zu kommen, und so sorgten sie dafür, dass er sich bald zur Ruhe legte. Doch die Nacht war für ihn so unruhig wie der Tag. Statt zu schlafen, weinte und seufzte er unentwegt, und als ihn seine Familie am nächsten Morgen fragte, wie es ihm gehe, antwortete er: »Nur schlimmer und schlimmer!«, und fing aufs Neue an, ihnen zuzureden. Aber sie weigerten sich, ihn anzuhören. Ja, um ihn von seiner Verstimmung zu kurieren, verspotteten sie ihn, dann wieder fielen sie zornig über ihn her, und schließlich beachteten sie ihn gar nicht mehr. Da zog er sich in sein Zimmer zurück, um für sie zu beten und sein eigenes Elend zu beklagen, ging danach hinaus aufs Feld und verbrachte lesend und betend einige Tage. So sah ich ihn in meinem Traum in seinem Buch lesen und hörte ihn aus tief bekümmertem Herzen rufen: »Was soll ich nur tun, dass ich gerettet werde?« Er blickte umher, als wollte er fliehen, blieb jedoch stehen, ungewiss, welchen Weg er einschlagen sollte. Da sah ich einen Mann auf ihn zukommen. Der fragte ihn: »Warum weinst du?«
»Ach, Herr, ich lese in diesem Buch, dass ich verurteilt bin, zu sterben und dann vor Gericht zu erscheinen, und bin doch weder zu dem einen willig noch zu dem anderen bereit.«
Darauf antwortete der Evangelist – so hieß der Mann: »Warum bist du nicht bereit zu sterben, da dieses Leben doch so hart und voller Übel ist?«
»Weil ich fürchte, die auf meinem Rücken liegende Last wird mich tiefer sinken lassen als in das Grab und mich in die Höllengrube hinabstürzen; und wie ich mich fürchten würde, in ein Gefängnis zu gehen, so fürchte ich mich auch vor dem Gericht und vor dem Vollzug der Strafe. Diese Gedanken sind’s, die mich verzweifeln lassen.«
»Wenn das so ist«, sagte der Evangelist, »warum bleibst du dann hier?«
»Ach, ich weiß nicht, wohin ich gehen soll.«
Daraufhin gab ihm der Evangelist einen Briefbogen, auf dem stand: »Entfliehe dem zukünftigen Zorn.«
Der Mann las dies, sah den Evangelist besorgt an und fragte: »Wohin soll ich denn fliehen?«
Der Evangelist deutete mit dem Finger weit, weit hinaus über das Feld. »Siehst du jene enge Pforte?«
»Nein«, erwiderte der Mann.
»Siehst du auch nicht das Licht?«
»Doch, ich glaube, ich sehe es.«
»Behalte jenes Licht im Auge und geh gerade darauf zu. So wirst du bald die kleine Pforte sehen; und wenn du dort anklopfst, wird man dir sagen, was du zu tun hast.«
Pilgerreise S. 13-15
Liebe Leserin, lieber Leser,
mit diesen einleitenden Worten aus der Pilgerreise möchten wir dich herzlich zu unserer 40-tägigen Wanderschaft durch eines der meistverkauften und einflussreichsten Werke der Weltliteratur begrüßen. Unzähligen Menschen wurde John Bunyans Pilgerreise schon zum Segen, unzählige Menschen lernten durch dieses Buch wichtige Prinzipien des christlichen Lebens kennen. Seit der Erstveröffentlichung des englischen Originals im Jahr 1678 wurde es immer wieder neu aufgelegt – und wie wir meinen, vollkommen zu Recht. Es ist ein Werk, das uns persönlich in unserer eigenen Nachfolge gestärkt, getröstet und herausgefordert hat.
Als wir angefragt wurden, ein Andachtsbuch zu diesem Klassiker zu schreiben, haben wir deshalb voller Freude zugestimmt. Auch wenn uns schon im Vorfeld klar war, dass wir in diesem Buch auf keinen Fall die tausend Nuancen von Bunyans Allegorien erschöpfend beschreiben können, gingen wir dieses Abenteuer dennoch begeistert an.
Ja, es sind fragmenthafte Gedanken zur Pilgerreise, die wir hier aufgeschrieben haben, dennoch hoffen wir, dass sie für dich ein Segen sein dürfen – und ein Anreiz, dich noch tiefergehender mit dem Original zu befassen.
Wir sind davon überzeugt, dass die Pilgerreise manche notwendige Korrektur für die deutsche Christenheit des 21. Jahrhunderts bereithält. Deshalb haben wir uns entschieden, in 40 ausgewählten Abschnitten besonders vier Aspekte der Pilgerreise zu betonen, die unserer Meinung nach in der heutigen Verkündigung oftmals untergehen, aber auch für unser christliches Leben, also für unsere eigene Pilgerreise, so entscheidend sind:
Unsere Pilgerreise ist eine Antwort auf Gottes Wort
. Es ist immer wieder notwendig, dass wir auf die Bibel als Wort Gottes hören und entsprechend handeln. In insgesamt zehn Abschnitten stellen wir uns deshalb der Frage, warum wir Gottes Stimme hören müssen.
Unsere Pilgerreise ist ein Gemeinschaftsprojekt
. Den Weg der Nachfolge können wir nicht alleine gehen, wir brauchen vielmehr Geschwister, mit denen wir die Reise gemeinsam beschreiten können. In zehn Abschnitten wollen wir darauf eingehen, warum wir einander so sehr brauchen.
Unsere Pilgerreise ist ein Dauerlauf
. Bunyan macht an vielen Stellen deutlich, dass das Christsein mehr einem Marathonlauf als einem Sprint gleicht. Zehn Abschnitte sollen die Frage beantworten, warum Kampf und Ausharren notwendig sind.
Unsere Pilgerreise hat die Perspektive Ewigkeit
. Als Christen sind wir Fremdlinge in dieser Welt, wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern suchen die zukünftige. Weitere zehn Abschnitte zeigen auf, warum wir den Himmel im Blick haben sollen.
John Bunyan wusste um die Wichtigkeit dieser Aspekte nicht nur aus der Bibel, sondern auch aus seinem eigenen Leben. Als Sohn eines ungläubigen Kesselflickers wuchs Bunyan zur Zeit des britischen Bürgerkriegs auf. Er konnte aufgrund der familiären Situation nur kurz zur Schule gehen, sodass es vermutlich gerade zum Lernen von Lesen, Schreiben und Rechnen reichte. Während seiner Zeit in der Armee begann er, in der Heiligen Schrift zu lesen. Zu einer Veränderung in seinem Leben kam es allerdings zunächst noch nicht. Erst als er in der Gemeinschaft mit echten Christen die biblischen Wahrheiten immer wieder hörte und im Leben der einfachen Gläubigen bezeugt sah, wurde er von Gottes Gnade überwältigt. Bunyan begann, auf Gottes Wort zu antworten, und war ab diesem Moment sowohl von dem Ziel der himmlischen Ewigkeit als auch dem Kampf gegen irdische Anfechtungen geprägt. Er erlebte heftige Ablehnung wegen seines Glaubens und harrte dennoch in der Gnade Gottes aus bis zum Ende. An vielen Stellen der Pilgerreise beschreibt er seine eigenen Gefühle und Erfahrungen. Bunyan war ein empfindsamer Mensch, der viele Eindrücke und Träume hatte, was sich auch in seinem Roman widerspiegelt.1
Es ist unsere Hoffnung und unser Gebet, dass dir dieses Andachtsbuch hilft, deine persönliche Pilgerreise bis zum Ziel weiterzuführen. Dabei kannst du ganz frei entscheiden, wie du dieses Buch lesen möchtest: Du kannst der Handlung der Pilgerreise folgen und dabei die verschiedenen Themenbereiche abwechselnd betrachten oder du wählst einen der Themenbereiche aus und liest gezielt, was es mit dieser Fragestellung auf sich hat. Du kannst das Buch alleine oder mit anderen zusammen lesen. So wie es dir und deiner Pilgerreise am besten dient.
Ein Hinweis noch vorweg: Die Kapitel wurden jeweils von einem von uns geschrieben und vom anderen Korrektur gelesen. Und da jeder von uns seinen eigenen Stil hat, zeigen sich auch in unseren Texten gewisse stilistische Unterschiede. Wir hoffen, dass unsere unterschiedlichen Herangehensweisen und Blickwinkel dein Leseerlebnis bereichern. Außerdem möchten wir dir Mut machen: Sei bereit, alles, was wir schreiben, an Gottes Wort zu prüfen und mit Geschwistern darüber zu diskutieren. Und nun mach dich gemeinsam mit uns und Christian2, dem Hauptcharakter der Pilgerreise, auf den Weg, Etappe für Etappe.
Gott segne dich dabei!
Simon und Simone Mayer
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Nun sah ich in meinem Traum, wie der Mann anfing zu laufen. Als aber seine Frau und Kinder das sahen, liefen sie ihm nach und riefen, er solle umkehren. Doch der Mann hielt sich die Ohren zu und lief weiter.
»Leben, Leben, ewiges Leben!«, rief er und sah nicht einmal mehr zurück.
Auch die Nachbarn kamen heraus. Als sie ihn laufen sahen, lachten ihn die einen aus, andere drohten ihm und wieder andere schrien ihm nach, er solle doch zurückkommen. Zwei von ihnen waren entschlossen, ihn mit Gewalt zurückzuholen: Der eine hieß Eigensinnig und der andere Gefügig. Der Mann war zwar schon eine gute Strecke gelaufen, aber die beiden holten ihn trotzdem bald ein.
»Warum lauft ihr mir nach, Nachbarn?«, sprach der Mann sie an.
»Um dich zu überreden, mit uns umzukehren!«
»Das kann ich auf keinen Fall! Ich weiß, dass ihr in der Stadt Verderben wohnt, die auch mein Geburtsort ist; doch wenn ihr früher oder später hier sterbt, werdet ihr tiefer hinabsinken als in das Grab und an einen Ort kommen, wo Feuer und Schwefel brennen. Überlegt nicht lange, gute Nachbarn, kommt mit!«
Eigensinnig hatte Bedenken: »Was, wir sollen unseren Freunden und allem Guten den Rücken kehren?«
»Ja!«, erwiderte Christian – so hieß der Mann –, »denn alles, was ihr verlassen werdet, ist es nicht wert, mit dem Geringsten von dem verglichen zu werden, was mich erwartet. Und wenn ihr mit mir geht, werdet ihr es auch bekommen. Da, wo ich hingehe, ist mehr als genug davon. Kommt mit, und seht, ob ich nicht recht habe.«
»Welche Dinge suchst du, dass du die ganze Welt dafür verlässt?«, fragte Eigensinnig.
»Ich suche ein unvergängliches, unbeflecktes und ewiges Erbe, das für die im Himmel aufbewahrt wird, die von ganzem Herzen danach suchen. Da, lest es selbst in meinem Buch, wenn ihr wollt.«
»Weg mit deinem Buch!«, schrie Eigensinnig. »Willst du nun mit uns umkehren oder nicht?«
»Auf keinen Fall! Ich habe meine Hand an den Pflug gelegt …«
»Dann komm, Nachbar Gefügig, lass uns umkehren und ohne ihn nach Hause gehen. Es gibt verrückte Köpfe, die, wenn sie einmal eine fixe Idee haben, sich für schlauer halten als sieben vernünftige Menschen.«
»Nur nicht gleich so ungeduldig!«, mahnte Gefügig. »Wenn wahr ist, was der gute Christian da sagt, dann sind die Dinge, nach denen er sucht, besser als die, die wir haben. Ich wäre doch interessiert, mit ihm zu gehen.«
»Wie? Noch ein Verrückter? Hör auf mich und komm mit zurück! Wer weiß, wohin dich dieser Hirnkranke führt. Kehr um! Sei klug und kehr um!«
»Nicht doch!«, wehrte Christian ab. »Komm du vielmehr mit deinem Nachbarn mit! Die Dinge, von denen ich euch erzähle, sind auf jeden Fall zu bekommen und noch viel Herrlicheres dazu! Glaubt ihr mir nicht, so lest in diesem Buch nach: Die Wahrheit, die darin steht, ist mit dem Blute dessen besiegelt, der das Buch gemacht hat.«
»Nachbar Eigensinnig«, sagte Gefügig daraufhin, »ich gehe mit diesem guten Mann und teile sein Schicksal. Aber«, wandte er sich an Christian, »weißt du denn auch den Weg?«
»Ein Mann namens Evangelist wies mir den Weg zu einer kleinen Pforte. Dort wird man uns lehren, wie der Weg weitergeht.« So gingen beide miteinander. Und Eigensinnig kehrte zurück zu seiner Familie. Er wollte nicht der Begleiter solcher Schwärmer werden.
Die Pilgerreise, Seiten 15-17
Christian lebt schon sein ganzes Leben in der Stadt Verderben. Seine Situation sieht anfangs wirklich hoffnungslos aus. Er spürt das Gewicht seiner persönlichen Last wie einen schweren Rucksack, der ihn regelrecht zu Boden zieht, fühlt, dass da etwas ist, was jeden Schritt schwer macht.
Eines Tages liest er in einem Buch von dem zukünftigen Gericht, das über ihn und alle anderen Bewohner seiner Heimatstadt kommen wird. Er ist verzweifelt und sucht einen Weg der Rettung, klagt anderen sein Leid, betet und ruft zu Gott. Christian weiß nicht mehr weiter, aber er ist sich sicher, dass er in dieser Stadt nicht bleiben kann. Nur: Wohin soll er gehen? Mitten in diese aussichtslose Situation hinein erscheint plötzlich ein Mann namens Evangelist und zeigt Christian den Weg, wie er gerettet werden kann. Evangelist gibt ihm nur einen Rat: »Flieh, Christian, hinaus aus der gottlosen Stadt, dem Licht und der engen Pforte entgegen.« (Der aufmerksame Leser wird dies nicht dem Zufall zuschreiben, sondern der gnädigen und sorgfältigen Fügung eines großen und liebenden Gottes.)
Wie hättest du an Christians Stelle reagiert? Die Stadt zu verlassen und somit der Aufforderung von Evangelist Folge zu leisten, würde schließlich bedeuten, die geliebte Familie und die gewohnte Umgebung hinter sich zu lassen. Ein Kompromiss ist dabei nicht möglich. Jesus fordert ungeteilte Loyalität und seine Worte gelten auch uns: »Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater und die Mutter und die Frau und die Kinder und die Brüder und die Schwestern, dazu aber auch sein eigenes Leben, so kann er nicht mein Jünger sein« (Lukas 14,26).
Und Christian? Der fällt eine schnelle und klare Entscheidung: Er fängt an zu laufen! Er gehorcht, ohne Evangelists Worte zu hinterfragen. Christian handelt und macht einfach das, wozu ihn das Wort Gottes, das ihm verkündigt wurde, auffordert. Und so läuft er aus der Stadt hinaus. Darin offenbart sich sein lebendiger Glaube, der tief aus seinem Herzen kommt. Sicher hätte Christian die Worte von Evangelist auch einfach schön brav abnicken können. Doch ein Glaube, der nur aus einer intellektuellen Zustimmung besteht, führt nicht zur Errettung: »Was nützt es, meine Brüder, wenn jemand sagt, er habe Glauben, hat aber keine Werke? Kann etwa der Glaube ihn retten?« (Jakobus 2,14). Glaube und Taten gehören zusammen. Wäre Christian in der Stadt Verderben geblieben, wäre er am Ende jämmerlich umgekommen.
Immer wieder begegnen uns Menschen, die sich als Christen bezeichnen und behaupten, an Gott zu glauben. Ihr Leben spricht jedoch eine andere Sprache und ist nicht durch den Gehorsam gegenüber seinem Wort gekennzeichnet. Doch wie sieht es bei uns aus? Bei anderen sehen wir schnell, wenn etwas nicht zusammenpasst, und es ist leicht, über andere den Kopf zu schütteln. Aber seien wir auch ehrlich mit uns. Es ist eine Illusion zu meinen, nur durch ein Abnicken in der ewigen Herrlichkeit anzukommen. Wir sollten uns – genauso wie Christian – durch nichts und niemanden vom Weg der Nachfolge abhalten lassen. Nachfolge kann uns unglaublich viel kosten. Ganz bewusst hält Christian sich die Ohren zu, um die Schreie seiner Frau und seiner Kinder nicht hören zu müssen, die ihn zur Umkehr bewegen wollen. Den Spott und die Drohungen der Nachbarn, die ihm entgegenschlagen, nimmt er in Kauf. Sein Blick ist einzig und allein auf den Weg, der vor ihm liegt, und das Licht, das er erreichen möchte, fokussiert.
Als sich Eigensinnig und Gefügig zu ihm gesellen und entschlossen sind, ihn (notfalls mit Gewalt) zurückzubringen, lässt Christian sich nicht von ihnen einschüchtern. Im Gegenteil: Mutig berichtet er auch ihnen von dem schrecklichen Gericht, das der ganzen Stadt Verderben bevorsteht. Zugleich malt er ihnen die Herrlichkeit vor Augen, die auf sie wartet, wenn sie mit ihm gehen. Seine Worte laufen bei Eigensinnig ins Leere, Gefügig allerdings zeigt ein gewisses Interesse. Die Botschaft einer glorreichen Zukunft hat seine Abenteuerlust geweckt. Doch im Laufe der Geschichte wird deutlich, dass die Begeisterung nicht lange anhalten wird.
Vielleicht hast du es selbst schon mal erlebt, dass dich Menschen von deiner Entscheidung für Jesus abbringen wollten. Wir alle werden auf Widerstand stoßen und müssen uns (immer wieder) die Frage stellen: Auf welche Stimme wollen wir hören? Gleichzeitig sind solch herausfordernde Begegnungen aber auch eine gute Möglichkeit, selbst die gute Nachricht weiterzugeben, dass es einen Weg der Rettung gibt. Lasst uns mutig den Weg Gottes gehen.
Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater und die Mutter und die Frau und die Kinder und die Brüder und die Schwestern, dazu aber auch sein eigenes Leben, so kann er nicht mein Jünger sein.
Lukas 14,26
Himmlischer Vater,
danke, dass du einen Weg der Errettung bereitet hast. Danke, dass du mich aus der Vergänglichkeit dieser Welt hinausrufst.
Danke, dass du ein unvergängliches Erbe für alle bereithältst, die Jesus Christus nachfolgen.
Ich bin entschlossen, Herr, deiner Stimme zu folgen und dir den ersten Platz in meinem Leben einzuräumen, selbst wenn ich dabei auf großen Widerstand stoßen sollte.
Hilf du mir dabei.
Amen.
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Ich sah dann in meinem Traum Christian und Gefügig über die Ebene gehen und hörte sie miteinander reden. Christian begann:
»Nun, lieber Nachbar, ich bin froh, dass du dich entschlossen hast, mit mir zu gehen. Wüsste nur Eigensinnig mehr von den Kräften und Gefahren der unsichtbaren Welt, er würde uns nicht so leichtfertig den Rücken zukehren.«
»Hör, Nachbar Christian, da außer uns beiden jetzt niemand hier ist: Sag mir nun, welche Dinge es denn eigentlich sind, denen wir entgegengehen, und wie wir sie erreichen werden«, wollte Gefügig wissen.
»Ich kann nicht so gut davon reden. Ich will aus meinem Buch vorlesen.«
»Meinst du denn, dass die Worte des Buches wirklich wahr sind?«
»Aber natürlich, denn es sind die Worte von dem, der nicht lügen kann.«
»Nun, das ist gut«, sagte Gefügig. »Was sind es denn für Dinge?«
»Ein ewiges Königreich und ein ewiges Leben – beides soll uns für ewig gegeben werden.«
»Das ist herrlich. Und was weiter?«
»Ehrenkronen sind für uns bestimmt und Kleider, in denen wir leuchten wie die Sonne am Himmel.«
»Wie schön! Und was noch mehr?«
»Da wird kein Leid mehr sein und kein Geschrei, auch keine Schmerzen, denn der Herr jenes Ortes wird alle Tränen von unseren Augen abwischen.«
»Und welche Kameraden werden wir dort haben?«
»Cherubim und Seraphim, Geschöpfe, die deine Augen blenden würden, wenn du sie anschauen würdest. Tausende und Abertausende sind vor uns an diesen Ort gekommen, und keiner von ihnen tut dem anderen Leid an, denn alle sind erfüllt von Liebe und Heiligkeit. Sie leben vor dem Angesicht des Herrn und stehen in seiner Gegenwart und erfreuen sich seines ewigen Wohlgefallens. Dort werden wir auch die Ältesten mit ihren goldenen Kronen sehen. Wir werden die heiligen Jungfrauen mit ihren goldenen Harfen sehen und jene Männer, die aus Liebe zum Herrn jenes Ortes von der Welt zerhackt, in Flammen verbrannt, von wilden Tieren zerrissen und in die Tiefe des Meeres geworfen wurden; und nun sind sie alle glücklich und gekleidet mit Unsterblichkeit wie mit einem Gewand.«
»Das hört sich tatsächlich sehr schön an. Aber kann man sich an diesen Dingen wirklich so erfreuen? Wie bekommen wir denn Anteil daran?«, fragte Gefügig.
»Der Herr, der Herrscher jenes Landes, hat das in diesem Buch aufschreiben lassen. Und das Wesentliche ist, dass er uns das alles umsonst schenken wird, wenn wir nur von Herzen danach verlangen.«
»Gut, lieber Christian, das alles höre ich gerne. Komm, lass uns schneller gehen.«
Aber Christian konnte nicht. »Die Last auf meinem Rücken drückt, ich kann nicht so schnell.«
Die Pilgerreise, Seiten 17-19
Als Kind hatte ich die Angewohnheit, bei Büchern zunächst das Ende zu lesen, bevor ich überhaupt damit begann, meine Lektüre von vorne anzufangen. Das klingt ziemlich seltsam, weil man ja denken könnte, dass das Lesen des Buches dann unendlich langweilig gewesen sein muss. Für mich war es aber genau das Gegenteil: Zu wissen, wie die Geschichte ausgehen würde, hat mich erst motiviert, mit dem Lesen anzufangen. Zu wissen, was beim Lesen auf mich zukommt, hat mich letztlich erst ermutigt, ein Buch in Angriff zu nehmen.
Ähnlich wird es auch im Leben von Christian beschrieben. Als Gefügig ihn fragt, wohin sie denn eigentlich unterwegs sind, liest Christian ihm aus der Bibel vor. Er schlägt sie erst mal am Ende auf und Gefügig kommt gar nicht mehr aus dem Staunen heraus. Christian weiß, dass er mit seinen Worten nicht beschreiben kann, was im Himmel auf ihn wartet. Letztlich sind auch die Worte von Johannes in der Offenbarung nur ein Ringen darum, irgendwie zu beschreiben, was mit menschlichen Worten nicht beschrieben werden kann. Christian liest aus Gottes Wort vor, weil er weiß, dass das, was dort beschrieben wird, die Wahrheit ist. Gott kann nicht lügen. Demzufolge sind die Berichte über den Himmel absolut wahr.
Weiße Kleider, eine Krone, Engelwesen, Harfen, kein Leid, keine Tränen und Gott selbst wird anwesend sein – so erzählt ChristianGefügig vom Himmel. Und der ist begeistert. So begeistert sogar, dass er sich gar nicht mehr aufhalten lassen und noch schneller weitergehen will, immer weiter dem Ziel entgegen.
Beim Lesen dieses Abschnittes frage ich mich, wie es in meinem Leben mit dem Blick auf mein Ziel, den Himmel, aussieht. Viel zu oft nehmen mich die Dinge um mich herum regelrecht gefangen, und es vergehen Wochen, in denen ich nicht an den Himmel denke. Wochen, in denen ich mit den Dingen um mich herum kämpfe und den Blick auf das Ziel verliere. Dabei vergesse ich völlig, was Gott der Herr dort im Himmel für mich bereithält: das neue Gewand, das ich tragen werde, weil Christus mich reingewaschen hat von meiner Schuld; die Krone, die ich tragen darf, weil ich durch Christus Miterbe des Königs bin, die Cherubim und Seraphim, mit denen zusammen ich Gott den Herrn anbeten werde. Und vor allem: Ich werde ihm selbst begegnen, ihm, der dann alle Tränen aus meinem Gesicht wischen wird. Wie schnell verlieren wir dieses herrliche Ziel doch aus den Augen und aus dem Sinn.
Im zweiten Timotheusbrief beschreibt Paulus sein Glaubensleben rückblickend unter anderem als einen Lauf. Er befindet sich jetzt bildlich gesprochen auf der Zielgeraden. Paulus steht nicht am Anfang des Weges, sondern er hat, wie er selbst sagt, den Lauf vollendet. Vor ihm liegt nun der Siegeskranz der Gerechtigkeit. Nach ihm streckt er sich aus. Aber dieses Ziel ist für Paulus nichts Überraschendes. Wie jeder gute Läufer hat er sich vor dem Startschuss das Ziel angeschaut und eingeprägt. Ein guter Läufer startet nicht mit der vagen Hoffnung, dass es schon irgendwie ein Ziel geben wird. Aufgrund dieses Ziels hat Paulus seinen Lauf überhaupt erst begonnen. Auch während des Laufes hat sich Paulus immer wieder an dieses Ziel erinnert, hat sich ausgemalt, wie es dort sein wird, und wurde dadurch ermutigt, weiterzulaufen. Er wusste, dass aller Schmerz und alles Leid, welche er beim Laufen aushalten muss, im Ziel von ihm abfallen werden. Das hat ihn dazu motiviert, noch schneller am Ziel ankommen zu wollen.
Ich wünsche dir und bete, dass auch du den Himmel im Blick behältst. Dort wartet ewiges Leben voller Herrlichkeit und ohne Leid und Schmerzen auf dich. Daran darfst du, daran darf ich festhalten.
Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt; fortan liegt mir bereit der Siegeskranz der Gerechtigkeit, den der Herr, der gerechte Richter, mir als Belohnung geben wird an jenem Tag; nicht allein aber mir, sondern auch allen, die sein Erscheinen lieb gewonnen haben.
2. Timotheus 4,7-8
Herr, himmlischer Vater, gerechter Richter,
ich danke dir, dass ich die Herrlichkeit des Himmels in deinem Wort sehen darf.
Ich bekenne, dass ich mich so oft von irdischen Dingen ablenken lasse und dabei das Ziel aus dem Blick verliere. Deshalb bete ich, dass du mir immer wieder neu aufzeigst, welchen Schatz du im Himmel für mich bereithältst.
Ich bete, dass dieses Ausstrecken nach dem Himmel und die Sehnsucht danach auch in meinem Leben mehr und mehr Realität werden können.
Ich bete, dass ich mit allen, die dich liebe, den Lauf vollenden kann und den Glauben bewahre, damit du mir den Siegeskranz überreichen kannst. Vater, lenke meinen Blick auf den Himmel.
Amen.
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Nun schwiegen sie beide und ich sah sie in meinem Traum auf einen Sumpf zugehen. Der lag mitten auf dem Weg, und da sie nicht darauf geachtet hatten, fielen sie beide hinein. Der Name des Sumpfes war Hoffnungslosigkeit. Sie waren schon eine Weile darin herumgewatet, als Christian anfing, wegen der Last auf seinem Rücken im Schlamm zu versinken.
»Wo sind wir nur hingeraten, Nachbar Christian?!«, rief Gefügig.
»Ich weiß es auch nicht«, erwiderte Christian.
Gefügig war empört. Zornig schrie er seinen Begleiter an: »Ist dies etwa die Glückseligkeit, von der du gesprochen hast? Wenn es schon am Anfang so schlimm ist – was haben wir dann am Ende unserer Reise zu erwarten? Ich muss jetzt sehen, wie ich mit dem Leben davonkomme. Geh du meinetwegen allein in dein herrliches Land!« Mit diesen Worten setzte er alles daran, aus dem Morast herauszukommen. Es gelang ihm auch. Er machte sich eilig davon und wurde von Christian nie mehr gesehen.
Christian, nun sich selbst überlassen, taumelte im Sumpf der Hoffnungslosigkeit hin und her. Er versuchte sich zu der Seite des Sumpfes hin durchzuarbeiten, die näher am Licht und der engen Pforte lag. Es gelang ihm auch, die Richtung zu halten, aber wegen der Last auf seinem Rücken schaffte er es nicht, allein herauszukommen. Da sah ich in meinem Traum, wie ein Mann namens Helfer zu ihm kam und ihn fragte, was er da mache.
»Oh Herr«, sagte Christian, »ein Mann namens Evangelist hat mir diesen Weg gewiesen, ich sollte auf jene Pforte dort zugehen, um dem zukünftigen Zorn zu entfliehen, und auf dem Weg bin ich nun in diesen Sumpf geraten.«
»Aber warum hast du nicht auf die Fußstapfen achtgegeben?«, fragte Helfer.
»Ich fürchtete mich so sehr, dass ich den erstbesten Weg nahm, und so kam ich in diesen Sumpf.«
»Nun, gib mir deine Hand.« Christian streckte seine Hand aus, Helfer nahm sie und zog ihn aus dem Schmutz und Schlamm, stellte ihn auf festen Grund und ließ ihn seinen Weg weitergehen.
Ich trat nun zu dem, der ihn herausgezogen hatte, und fragte ihn: »Herr, weshalb wird wohl dieser Sumpf, der mitten auf dem Weg zwischen der Stadt Verderben und jener Pforte liegt, nicht ausgetrocknet, damit die armen Reisenden mit größerer Sicherheit an ihr Ziel kommen?«
»Das geht nicht«, antwortete er, »denn dies ist der Sumpf, in dem der Abschaum und der Abfall abfließen, die sich immer dann bemerkbar machen, wenn es zur Erkenntnis der Sünde kommt. Deshalb heißt der Sumpf auch Hoffnungslosigkeit. Denn sobald der Sünder seinen verlorenen Zustand erkennt, regen sich in seiner Seele Furcht, Zweifel und bange Sorge. Diese alle lagern sich hier ab und daher kommt es zu diesem Sumpf. Es ist nicht des Königs Wille«, fuhr Helfer fort, »dass dieser Ort so bleibt, wie er ist. Unter Anleitung königlicher Beamter mühen sich schon seit Jahrhunderten die Arbeiter, dieses Stück Land trockenzulegen. Millionen Wagenladungen heilsamer Belehrungen hat der Boden schon verschlungen, die zu allen Jahreszeiten von allen Gegenden des Reiches herbeigeschafft worden sind. Und die Sachverständigen behaupten, es gäbe nichts Besseres, um den Morast in guten Boden umzuwandeln. Aber es hat alles nichts genutzt. Der Gesetzgeber hat zwar dafür Sorge getragen, dass gute und sichere Fußstapfen mitten durch den Sumpf gelegt wurden, aber zu Zeiten, wenn hier der Abfall gärt, was bei eintretender Witterungsveränderung passiert, übersieht man leicht diese Spuren; und selbst wenn sie wahrgenommen werden, so treten die Leute doch leicht daneben wegen des Schwindels, der sie hier erfasst, und so werden sie dann vom Schlamm beschmutzt. Aber sobald man die kleine Pforte hinter sich gelassen hat, ist der Boden gut.«
Die Pilgerreise, Seiten 19-21
Gerade eben noch hat Christian begeistert und hoffnungsvoll von der herrlichen Zukunft geschwärmt, die auf die Pilger wartet, und Gefügig hat voller Tatendrang zur Eile aufgerufen, schneller dem großartigen Ziel entgegenzugehen. Und jetzt das. Nur wenige Augenblicke später erwartet die beiden eine erste, große Glaubensprobe: der Sumpf der Hoffnungslosigkeit. Damit hatten sie beide nicht gerechnet.
Ihre Reaktion auf diese Glaubensherausforderung offenbart ihren wahren Charakter, zeigt, wie es um ihren Glauben wirklich steht. Gefügig ist nicht bereit, eine Reise, die gleich mit solchen Schwierigkeiten beginnt, fortzuführen – ganz egal, was die langfristige Zukunft bereithält. Er macht direkt auf dem Absatz kehrt, watet aus dem Morast heraus und verschwindet auf Nimmerwiedersehen. Jesus vergleicht Menschen, die ein solches Herz haben, mit einem steinigen Boden: Sie nehmen das Wort anfangs voller Freude auf, aber es bilden sich keine tiefen Wurzeln. Mit der ersten Herausforderung verdorrt der Glaube wieder (Matthäus 13,5-6.20-21).
Christian jedoch gibt nicht auf. Es kommt für ihn überhaupt nicht infrage, in die Stadt Verderben zurückzukehren. Er hat seine Hand, wie Jesus es in einem Bild beschreibt, an den Pflug gelegt und sieht nicht mehr zurück (Lukas 9,62). Stück für Stück arbeitet er sich in Richtung Licht und Pforte vor und versucht mit aller Kraft, aus dem Sumpf herauszukommen. Doch die Last auf seinem Rücken macht jeden seiner Schritte schwer und es gelingt ihm nicht. Christian ist auf die Hilfe eines anderen angewiesen. Und dieser kommt gerade noch rechtzeitig: Helfer zieht ihn aus Schlick und Schlamm heraus und stellt seine Füße wieder auf sicheren Boden.
Der Sumpf der Hoffnungslosigkeit, den Bunyan uns hier so eindrücklich vor Augen malt, ist ein Bild für die Furcht, die Menschen überkommen kann, wenn sie von der Erkenntnis ihrer eigenen Schuld überwältigt werden. Schon zu Beginn kann der Blick auf sich selbst einen vom Glaubensweg ablenken. Plötzlich macht sich ein Gefühl von Unwürdigkeit und Verzweiflung breit. Man begreift die große Kluft, die zwischen der Heiligkeit Gottes und der eigenen Sündhaftigkeit existiert, und meint, diese Kluft irgendwie aus eigener Kraft heraus überwinden zu müssen. Aber alles Ringen und Rackern lässt einen nur weiter im Sumpf versinken.
In einer solchen Situation mit der unbequemen Frage konfrontiert zu werden, warum man denn nicht auf die Fußstapfen achtgegeben habe, mag vielleicht übertrieben hart wirken, in Wahrheit ist diese Frage aber ein Zeichen echter Fürsorge. Nur Gott kann uns unsere Schuld und Last nehmen, nur der von ihm vorgegebene Weg führt zu echter Freiheit. Deshalb ist es so wichtig, diesen Weg immer im Blick zu behalten, um nicht im Sumpf der Hoffnungslosigkeit zu versinken. Am Anfang des eigenen Glaubensweges kann man da auch schon mal ganze »Wagenladungen voll heilsamer Belehrung« brauchen und einen »Helfer« an der Seite, der einen aus der Hoffnungslosigkeit »herauszieht«.
Unsere Pilgerreise ist von Anfang an ein Gemeinschaftsprojekt. Wir sind nicht alleine unterwegs und dürfen dankbar sein für jeden, der mit uns zusammen im Glauben unterwegs ist und uns auf den wahren Weg verweist, sollten wir selbst davon abgekommen sein. Und auch wir dürfen beherzt wie Helfer eingreifen und zupacken, wenn wir sehen, wie ein Bruder oder eine Schwester, durch die eigene Schuld bedrückt, in Verzweiflung zu versinken droht. Halten wir es hier mit Jesaja: »Stärkt die schlaffen Hände und festigt die wankenden Knie!« (Jesaja 35,3).
Über allem jedoch sollten wir Gott loben für den größten und aufopferungsvollsten Helfer überhaupt: Jesus Christus. Er hat uns, wie Psalm 40,3 es so schön ausdrückt, »heraufgeholt aus der Grube des Verderbens, aus Schlick und Schlamm; und er hat [unsere] Füße auf Felsen gestellt, [unsere] Schritte fest gemacht«. Jesus tat dies, indem er unsere Last auf sich nahm und selbst bis zum Tod im Sumpf der Hoffnungslosigkeit versank. Er blieb jedoch nicht für immer dort: Am dritten Tag weckte Gott ihn von den Toten auf. Aus diesem Grund werden auch die Sümpfe unseres Lebens nicht ewig Bestand haben. Deshalb: Gib nicht auf, wenn du dich darin befindest. Kämpfe weiter. Gottes Hilfe naht.
Er hat mich heraufgeholt aus der Grube des Verderbens, aus Schlick und Schlamm; und er hat meine Füße auf Felsen gestellt, meine Schritte fest gemacht.
Psalm 40,3
Himmlischer Vater,
hilf mir in Zeiten der Anfechtung und des Zweifels den Blick erneut auf deine Verheißungen und den Weg zur wahren Freiheit zu richten.
Hilf mir, weiterzukämpfen und niemals zurückzuschauen. Ich möchte lieber auf meiner Pilgerschaft zugrunde gehen, als in die Stadt Verderben umzukehren.
Lass mich offene Augen haben für Geschwister, die sich in einer verzweifelten Lage befinden, damit ich ihnen zu einem Helfer in der Not werden kann. Über allem jedoch möchte ich dir danken für deinen Sohn Jesus Christus, der meine Füße auf Felsen gestellt hat.
Amen.
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Christian wanderte nun wieder allein weiter. Da sah er, wie jemand quer über das Feld auf ihn zukam. Der Herr, der seinen Weg kreuzte, kam aus der Stadt derHinterlistigkeit, einer sehr großen Stadt, ganz nahe dem Ort, aus dem Christian gekommen war. Herr Weltlich hatte schon von Christian gehört, denn Christians Auswandern aus der Stadt Verderben hatte manches Aufsehen erregt und war in vielen Orten Stadtgespräch geworden.
»Wohin des Wegs mit solcher Last, guter Freund?«, sprach Weltlich unseren Wanderer an.
»Ja, beladen bin ich armes Geschöpf«, antwortete Christian. »Ich gehe auf jene kleine Pforte zu, die da vorne liegt. Dort werde ich, wie man mir gesagt hat, auf den Weg gebracht, auf dem ich meine Last loswerde.«
»Hast du nicht Frau und Kinder?«