3,99 €
„Ich wette mit dir, dass du es nicht schaffst, eine Woche lang in einer festen und rein monogamen Beziehung zu leben.“
Dieser Satz, den mir mein bester Freund so überaus provozierend an den Kopf geworfen hatte, war es, der mir kurz darauf die längsten 7 Tage meines Lebens bescherte und dieses auch noch komplett auf den Kopf stellte.
Ich bin Kayden Winston und dies ist nun also meine Geschichte ...
Achtung! Es handelt sich hier um eine homoerotische Wett-Komödie mit fünf durchgeknallten Männern, die nichts als Unsinn und Chaos stiften!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2022
»Ich wette mit dir, dass du es nicht schaffst, eine Woche lang in einer festen und rein monogamen Beziehung zu leben.«
Dieser Satz, den mir mein bester Freund so überaus provozierend an den Kopf geworfen hatte, war es, der mir kurz darauf die längsten 7 Tage meines Lebens bescherte und dieses auch noch komplett auf den Kopf stellte.
Mein Name ist Kayden Winston und dies ist nun also meine Geschichte ...
Danksagung
Besonders bedanken möchte ich mich bei meinen Beta-Lesern Iris Biehl-Drucks, Lizi und Elke.
Danke, dass ihr mir so lieb zur Seite gestanden habt.
Impressum und Anmerkungen
Copyrigt Text © Ni Jica 2017
Bildrechte: Andriy Popov/123rf.com
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und andere Verwendung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.
Kontakt: [email protected]
Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden. Ähnlichkeiten sind rein zufällig. Denkt im wahren Leben bitte auch an safer Sex!
»Ich wette mit dir, dass du es nicht schaffst, eine Woche lang in einer festen und rein monogamen Beziehung zu leben.«
Dieser Satz, den mir mein bester Freund so überaus provozierend an den Kopf geworfen hatte, war es, der mir kurz darauf die längsten 7 Tage meines Lebens bescherte und dieses auch noch komplett auf den Kopf stellte. Aber ich greife zu weit vor. Als Erstes sollte ich mich euch wohl vorstellen.
Mein Name ist Kayden Winston. Ich bin 28 Jahre alt und Vorsitzender eines namhaften Computerspiel-Herstellers hier im wunderschön verregneten London. Ich sah sehr gut aus und war zumeist erfolgreich in allem was ich tat. Ich wusste das und hielt damit auch nicht hinter den Berg. Viele Neider würden mich deshalb wohl als arrogant und eingebildet betiteln, aber das stimmte gar nicht. Ich war nur ich. Ein durch und durch schwuler Mann, der eine gute Portion Selbstbewusstsein besaß. Was sollte daran auch schlimm sein?
Ich genoss mein Leben auf der Überholspur in vollen Zügen und dazu gehörte auch ein ... nennen wir es mal so: Sehr aktives Nachtleben. Ich liebte guten Sex und schöne Männer. War das etwa verwerflich? Wohl kaum! Das Leben war zu kurz, um es nicht bis zum letzten Moment auszukosten. Wenn ich einen Kerl wollte, so bekam ich ihn auch. So war das eben. Ich bereute und zweifelte nie. Ich nahm, kam und ging. Punkt!
Eine feste Beziehung käme bei meinem Lebenswandel nie in Frage. Allein schon der Gedanke, für längere Zeit an nur einen Partner gebunden zu sein, verursachte mir wahre Schweißausbrüche. Das war doch Langeweile pur. So biederes Gehabe von wegen Treue und Verbundenheit passte für mich ja gerade noch so in die Welt der Heten, aber mich und die heißen Kerle, die ich jede Nacht fickte, sollte man bloß damit in Ruhe lassen.
Ich glaubte nicht an die Liebe. Ich glaubte nur ans Ficken, denn dies war wenigstens ehrlich und sehr effizient. Mir ging es gut damit. Man könnte sogar sagen, ich lebte den Traum eines jeden schwulen Mannes, bis ... Tja, bis mein bester Freund Ted auf diese grandiose Wette kam.
Die einzige Gemeinsamkeit, die wir beide besaßen, war unsere jahrelange Freundschaft und dass wir beide auf Schwänze abfuhren. Das war es! Mehr gab es da nicht und würde es auch nie geben.
Er war klein und schmächtig. Das unkontrolliert wachsende braune Haar auf seinem Kopf konnte man unmöglich als Frisur bezeichnen und stand zu jeder Tages- und Nachtzeit in alle Himmelsrichtungen ab. In unserer Schulzeit nannte man ihn immer einen Streber. Das stimmte sogar und er war es auch heute noch. Um das auch ja niemanden vergessen zu lassen, rundete er sein Gesamtbild noch mit einer altmodischen Hornbrille ab, hinter der er seine braunen Rehäuglein versteckte. Jeder Versuch meinerseits, aus ihm einmal einen sexy Kerl zu machen, waren bislang kläglich gescheitert. Nun gut, das hatte auch etwas Positives, denn so würden wir uns niemals ins Gehege kommen.
Jetzt wird sich der ein oder andere fragen, warum ich überhaupt mit so jemanden befreundet war. Die Antwort darauf ist sowohl simpel, wie auch teilweise erschreckend. Er war eben der Einzige, der mich in meinem bisherigen Leben nie hintergangen hatte. Seit der siebten Klasse waren wir befreundet. Ich hatte ihm einmal eine Gruppe Mobber vom Hals gehalten und ab da war er mir einfach nicht mehr von der Seite gewichen.
Viele Jahre vergingen, in denen ich immer wieder aufgrund meiner wohlhabenden Familie ausgenutzt wurde. Echte Freunde? Fehlanzeige! Nur Ted blieb mir am Ende und richtete mich immer wieder auf, wenn mich ein Liebhaber betrog oder mein Bruder seine üblen Spielchen mit mir abzog. Auf die genauen Details möchte ich nicht eingehen, aber es sei noch gesagt, dass auch ich einst so etwas wie ein romantisches Herz besaß, bis mich das Leben und dessen lehrreiche Lektionen auf den richtigen Weg führten.
Jetzt aber mal weiter zu dem Dilemma, in das mich Ted manövriert hatte. Da dieser kleine Scheißer hoffnungslos romantisch und vollkommen naiv veranlagt war, hatte er sich doch tatsächlich einen raffinierten Plan ausgedacht, der mich laut seiner Aussage wieder in die richtige Spur bringen sollte. Was sollte ich dazu noch sagen? Er kannte mich einfach zu gut und wusste daher, dass ich keiner Herausforderung aus dem Weg gehen konnte. Ich war ein Mensch, der gerne spielte und eine interessante Wette durchaus zu schätzen wusste. Hinzu kamen noch mein Stolz und vielleicht auch ein klein wenig Arroganz, die mich dazu brachten, niemals nein zu einer solchen Gelegenheit zu sagen.
In knappen Worten hieß das nun: Wette, sprich Köder gelegt. Dummkopf, sprich ich sofort eingewilligt. Falle zugeschnappt. Ich angeschissen! Und hier nun also, wie alles begann ....
Ich saß gerade mit meinem besten Freund in unserem Stammlokal, als er mir besagte Wette vorschlug. Wie wir überhaupt auf dieses Thema gekommen waren wusste ich gar nicht mehr, da ich viel zu beschäftigt gewesen war, einem schnuckeligen Kerl an der Bar eindeutige Blicke zuzuwerfen. Wenn ich es nur geschickt anstellte, so läge der kleine Blondhaarige in weniger als einer Stunde in meinem Bett oder wir landeten binnen fünf Minuten auf der Männertoilette. Diesbezüglich war ich mir noch nicht ganz genau sicher.
Ich hatte mein Pensum für heute zwar schon gehabt, aber blieben wir mal ehrlich, von Sex konnte man nie genug kriegen und wenn sich ein solches Angebot plötzlich ergab, warum dann nicht zugreifen? Der Kerl war gut gebaut und schien zudem reges Interesse an mir zu haben. So etwas konnte ich auf eine Meile Entfernung wittern.
Könnte also sein, dass Ted deshalb so sauer auf mich war und mir diesen Vorschlag machte, da ich ihm zu wenig Aufmerksamkeit schenkte. Dieser Trottel wollte also spielen? Okay, ich war ganz Ohr. Bevor ich es mich versah, ratterte er auch schon ein paar Regeln herunter und gewann damit tatsächlich meine vollste Aufmerksamkeit.
»Regel Nummer 1: Der Kerl, den ich für diese Wette aussuche, lebt eine ganze Woche lang in deiner Wohnung. Ihr sitzt am selben Tisch und teilt dasselbe Bett.«
Häh? Klang nach einem dummen Scherz. Meine Wohnung war mir heilig und ich schlief niemals mit jemanden in meinem Bett. Ein Quickie da drin war ja okay, aber für längere Zeit neben einem liegen? Bei dem Gedanken daran wurde mir schon übel und ich bekam Platzangst!
»Regel Nummer 2: Es wird in dieser Zeit keine anderen Männer für dich geben. Kein Sex, keine Blow-Jobs oder Sonstiges. Selbst fremdknutschen gilt als Regelverstoß.«
Nun war es amtlich, Ted war übergeschnappt. Wie sollte ich es denn sieben Tage, ohne meine täglichen Blow-Jobs aushalten? Das mit den Küssen ging allerdings klar, denn ich küsste grundsätzlich nie.
»Regel Nummer 3: Ihr geht nur zusammen aus. Keine Alleingänge, sonst Disqualifizierung.«
Ich starrte meinen Freund ungläubig an. Sah ich für den etwa aus wie ein Babysitter? Ich fühlte mich jetzt schon wie ein gefangenes Tier in einem Käfig. Musste der so übertreiben?
»Regel Nummer 4: Sex mit deinem neuen Lebensgefährten ist selbstverständlich erlaubt, muss aber immer einvernehmlich sein. Jeglicher Zwang fällt unter Regelverstoß und du bist raus.«
Okay, das reichte jetzt. Ich hatte lange Zeit versucht, ruhig zuzuhören, aber ... »Für wen hältst du mich eigentlich? Sehe ich etwa aus wie ein Vergewaltiger? Was soll diese komische Regel?«, platzte ich heraus. Die Männer standen bei mir Schlange und ich hatte es mit Sicherheit nicht nötig, irgendwen zu irgendwas zu zwingen!
Ted winkte gelassen ab. »Nur eine Vorsichtsmaßnahme, da ich weiß, wie du bist, wenn du unter Druck stehst. Ich meinte mit dem Zwang Dinge wie Erpressung oder Bestechung. Also merk es dir, das gilt nicht!«
Ich hatte jetzt schon genug von dieser Wette, aber ich würde den Teufel tun und dies vor ihm zugeben. Als ich also nichts mehr erwiderte, sprach er einfach weiter, als hätte es nie eine Unterbrechung gegeben.
»Regel Nummer 5: Du wirst für die Dauer der Wette Urlaub beantragen, damit du dich voll und ganz deinem Partner widmen kannst.«
Na klar! Wäre ja auch langweilig, wenn ich nur die Abende mit meinem baldigen Macker verbringen müsste. Ich verschränkte die Arme und ließ mir nicht anmerken, dass ich kurz vorm Platzen stand.
»Regel Nummer 6: Die Wette beginnt, wenn ich es sage und endet dann genau 7 Tage später.
Regel Nummer 7: Mir ist es erlaubt, mich jeden Tag nach dem aktuellen Stand der Dinge zu erkundigen. Sollte mir in dieser Zeit auch nur ein Regelverstoß gemeldet werden, gilt das für dich als Wette verloren. Du kannst natürlich jederzeit abbrechen.
Der Wetteinsatz ist ein zwei Wochen Urlaub All-Inclusive, wobei der Zielort vom Gewinner selbst ausgesucht werden darf. Bist du mit allem einverstanden? Dann schlag ein.«
Ted hielt mir auffordernd seine Hand hin, während ich ihn misstrauisch musterte. Er schien sich schon einige Gedanken um diese Wette gemacht zu haben.
»Du hast mir vor fünf Minuten diese Wette vorgeschlagen und hast dir in dieser Zeit so plötzlich diese Regeln ausgedacht? Willst du mich verarschen? Was steckt wirklich hinter dieser Sache? Das riecht verdammt nach einer Falle.«
Ted grinste nur spöttisch. »Natürlich ist das eine Falle. Ich will dir einen Denkzettel verpassen und das werde ich auch, denn du wirst auf diese Wette trotzdem eingehen und sie verlieren. Deine Art zu leben stinkt mir schon lange gewaltig. Du fickst dich ständig ohne Hirn durch die Gegend. Die Gefühle anderer sind dir dabei egal. Du schaffst keine sieben Tage in einer Beziehung. Ich werde diesen Sieg genießen und mich dann auf in die Sonne machen. Also, was ist jetzt? Gibst du lieber gleich auf oder schlägst du ein?«
Ganz schön dreist von dem kleinen Scheißer, mir das so offen zu gestehen. Hätte ich ihm gar nicht zugetraut, aber er irrte sich gewaltig wenn er dachte, ich würde ihm so leicht den Sieg schenken. Ich hatte noch nie eine Herausforderung abgelehnt und diese Wette könnte durchaus sehr spaßig werden. Nur leider war Ted sehr schlau und hinterhältig. Ich musste verdammt aufpassen, dass der mich nicht übers Ohr haute.
»Du suchst also den Kerl aus? Wie willst du jemanden finden, der sich auf diese Sache freiwillig einlässt?«
Er winkte müde lächelnd ab. »Lass das nur meine Sorge sein. Ich hab da schon eine Idee.«
Diese Antwort beruhigte mich nicht gerade. »Wenn du dir denkst, du könntest mir einen alten Knacker oder irgendeinen hässlichen Knilch vor die Nase setzen, hast du dich aber geschnitten. Ich verlange, an der Wahl beteiligt zu sein.«
Ted fing an zu lachen. »Hältst du mich wirklich für so fies?« Als ich nichts darauf erwiderte und ihn nur weiter argwöhnisch musterte, knickte er ein.
»Okay. Ich gewähre dir ein Mitspracherecht. Ich habe vor, ein Casting zu veranstalten, denn du hast recht. Freiwillig oder ohne Bezahlung wird das keiner so einfach mitmachen, schon gar nicht bei deinem Ruf. Wir machen also eine Ausschreibung. Es gibt bestimmt genug Verzweifelte, die sich gegen Bezahlung auf dieses Experiment einlassen. Aus denen, die sich daraufhin melden, wähle ich drei aus und du darfst dann die endgültige Entscheidung treffen. Deal?«
Ich klatschte mir stöhnend die Hand vor die Stirn. Ein Casting? Das wurde ja immer bescheuerter. Trotzdem musste ich sagen, dass mich diese Idee reizte. Was für Menschen würden sich wohl auf ein solches Jobangebot melden? Meine Neugier siegte. Das war eine abgefahrene Idee und würde ein sehr interessantes Spiel werden.
»Okay. Deal! Ich werde diese Wette ohne große Probleme gewinnen und dir die Niederlage deines Lebens bescheren. Spar schon mal dein Geld für meinen Karibikurlaub. Ich habe nämlich vor, deine Kreditkarte voll auszuschöpfen.«
Mit diesen Worten schlug ich ein und besiegelte damit mein Schicksal.
»Chris ... Chris, hörst du mir zu?«
Verwirrt schaute ich über den Esstisch zu meinem besten Freund und Mitbewohner Andrew. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie er in die Küche gekommen war. »Oh, guten Morgen. Hast du etwas gesagt?«
Andrew schnaubte. »Du bist mir einer. Ich sitze hier seit geschlagenen fünf Minuten, erzähl dir von meinem heißen Date gestern Abend und du hörst mir gar nicht zu? Wo bist du nur wieder mit deinen Gedanken?«
Mir entkam ein leiser Seufzer. »Tut mir leid. Ich bin noch nicht ganz wach. Ich hatte gestern eine Doppelschicht in der Bar.« Müde strich ich mir durch mein blondes Haar und gähnte dabei herzhaft. Andy trat von hinten an mich heran und schlang die Arme um mich.
»Ach, Schnuppi. Wie lange willst du diesen Job noch machen? Die endlosen Doppelschichten und dein Jurastudium, das bekommst du doch jetzt schon kaum noch unter einen Hut. Wenn das so weitergeht, klappst du mir noch zusammen.«
Ich stöhnte genervt und schob Andy von mir. Diese Diskussion hatten wir schon oft geführt. »Das packe ich schon. Ich habe eben niemanden, der mich finanzieren kann. Die Rechnungen bezahlen sich nicht von allein und ich bin wie immer knapp bei Kasse. Das weißt du genau.«
Andy zog einen Schmollmund und setzte sich mir wieder gegenüber. Er war eine richtige Diva, die es gar nicht leiden konnte, wenn man ihr Widerworte gab. Aber da musste er durch.
»Ich habe dir schon angeboten, dich in meiner Agentur unterzubringen. Da verdienst du ein Haufen Geld und musst dich nicht für so einen Hungerlohn abrackern.«
Ich schüttelte unwillig den Kopf. Andrew arbeitete für eine Escort-Firma. Es stimmte zwar, dass er unglaublich gut verdiente, aber ich könnte mir das für mich nicht vorstellen. Außerdem ...
»Du vergisst, ich bin immer noch ein Hetero und deine Agentur vermittelt nur schwule Männer. Was soll ich also da?«
Andy grinste frech und winkte ab. »Ach, das sind doch nur unwichtige Details. Du musst ja keinem verraten, dass du auf Frauen stehst und Sex gehört eh nicht zu unseren Dienstleistungen.«
Er machte eine kurze Pause und zwinkerte. »Offiziell jedenfalls nicht. Die meisten meiner Kunden sind alte Knacker, die einfach nur ein wenig Gesellschaft wollen. Geh mit ihnen ins Theater oder in die Oper, unterhalte dich einfach mit ihnen und schon sind sie zufrieden.«
Ich musste lachen. »Du willst mir weismachen, dass du in die Oper gehst?« Das konnte ich nicht glauben, denn Andrew war das, was man einen wahren Paradiesvogel nannte. Er sah sehr gut aus, einer vom Typ Südländer, mit rabenschwarzen Locken und schokobraunen Augen. Er war genauso groß wie ich - guter Durchschnitt also - wirkte dafür aber sehr viel schlanker, wobei er seine Statur durch mehrmalige Besuche im Fitness-Studio ziemlich gut aufpoliert hatte. Den schlacksigen Kerl von früher gab es nicht mehr, was seine feinen aber sehr ausgeprägten Muskeln bewiesen. Das hatte was, das musste ich zugeben, jedoch sein schriller Kleidergeschmack war doch ziemlich eigen.
Die Farben Schwarz oder Grau existierten für ihn nicht. Alles an ihm war immer bunt und voller Glamour. Jedem Menschen war mit einem Blick auf ihn sofort klar, dass dieser Kerl schwul sein musste und dies lebte er auch sehr offen aus. Mich störte das nicht. Ich kannte ihn nicht anders, da wir bereits seit der Grundschule befreundet waren. Er war halt völlig verdreht und ging einem nicht gerade vorzeigbaren Job nach, na und? Ich liebte ihn trotzdem, aber das mit der Oper ... Nee, das konnte nicht sein.
»Ich habe ja nicht gesagt, dass ich diese Sachen mache. Ich werde eher für andere Dinge gebucht, aber es wäre perfekt für dich. Schau dich doch an. Du bist großgewachsen, sportlich und hast zudem noch diese babyblauen Augen. Du bist so hübsch und sweet! Wenn man dann auch noch deine spießige Aufmachung dazu nimmt, das schreit doch geradezu nach: führ mich ganz groß aus. Die alten Geldsäcke würden nur so auf dich fliegen und dir jeden Wunsch von den Augen ablesen.«
Schmunzelnd schenkte ich mir noch einen Kaffee ein und bot ihm auch einen an. »Ich weiß, du meinst es nur gut, aber ich verzichte trotzdem dankend. Ich durchforste einfach weiterhin die Stellenanzeigen und arbeite solange weiter hinter der Bar. Das geht schon, bis ich etwas Besseres gefunden habe.«
Andrew warf theatralisch die Hände in die Luft und seufzte übertrieben. »Wie du meinst, aber ich werde dich nicht vom Boden aufkratzen, wenn du vor Erschöpfung umfällst.«
Ich stand lachend auf und zerwuschelte sein Haar. »Alles klar. Ich muss dann mal los, hab gleich meine erste Vorlesung. Tu mir den Gefallen und zerbrich dir nicht mehr meinen Kopf und ach ja, räum endlich die Spülmaschine aus. Du bist diese Woche dran.« Mehr als ein paar grummelnde Laute bekam ich nicht mehr als Antwort und so machte ich mich auf den Weg zur Uni.
Die Vorlesung war unterirdisch. Der Professor der diese hielt, stimmte einen monotonen Singsang an, dem ich einfach nicht folgen konnte und so nickte ich immer wieder ein. Das Ende vom Lied war, dass ich am Schluss nicht die geringste Ahnung hatte, worum es überhaupt gegangen war. Die Fahrt zur Uni war demnach umsonst gewesen und die Zeit hätte ich mal besser für ein richtiges Schläfchen genutzt. Ich beschloss, dass es für heute genug war und ich nach Hause fahren würde. Konzentrieren konnte ich mich eh nicht mehr.
Andrew hatte recht gehabt. Es musste sich etwas ändern, wenn ich jemals mein Studium erfolgreich abschließen wollte. Doch wie stellte ich das an? Gut bezahlte Jobs gab es leider nicht wie Sand am Meer und es musste zudem etwas sein, wo ich flexibel genug sein konnte, um eventuell mal etwas zu lernen.
Ob ich es tatsächlich mal mit dieser Escortsache probieren sollte? Allein von dem Gedanken bekam ich eine Gänsehaut, aber das Geld reizte schon irgendwie. Ich sah ja jeden Tag, wie gut Andrew davon leben konnte und das, obwohl er meist nur dreimal wöchentlich gebucht wurde. Es wäre also eine Überlegung wert.
Nein! So verzweifelt konnte ich doch gar nicht sein. Oder doch, eigentlich schon. Es war erst Mitte des Monats und ich war schon so gut wie abgebrannt. Ich lebte derzeit allein vom Trinkgeld aus Eddie's Bar und dies war meist nicht gerade viel. Ich dachte also zum ersten Mal ernsthaft darüber nach. Andrew würde ausflippen, wenn ich ihm davon erzählen würde.
Ich zerbrach mir immer noch meinen Kopf darüber, als ich wieder zu Hause ankam. Mein Mitbewohner war ausgeflogen und so hatte ich ein wenig Zeit, noch einmal alles genau zu überdenken. Es schadete wohl auch nicht, sich etwas auf der Agenturseite, wo Andrew arbeitete umzuschauen.
Ich fuhr also meinen alten klapprigen PC hoch und machte mich ans Werk. Gay-Boy-Rental.com machte trotz des Namens auf der Webseite einen seriösen Eindruck. Man musste ein registriertes Mitglied sein, um die Bilder und Lebensläufe der zu mietenden Männern sehen zu können. Kostenpunkt ab 300 Pfund aufwärts für nur eine Stunde. Oha, das war nicht gerade wenig. Das könnte sich ein armer Schlucker wie ich nie leisten.
Andrew hatte mir einmal erzählt, umso beliebter man bei den Kunden wurde, umso mehr konnte man verlangen. Auf die Frage nach seinem Stundenlohn hatte er mir allerdings keine Antwort geben wollen. Umso länger ich auf die Webseite starrte, umso mehr reizte mich die ganze Sache. Blieb jetzt nur noch die Frage, ob ich den Kunden einen schwulen Mann vorspielen könnte. In der Not konnte man ja bekanntlich vieles bewerkstelligen und eigentlich hielt ich mich auch nicht für verklemmt.
»Ach, hier bist du!« Erschrocken fuhr ich zusammen, als ich hinter mir Andrews Stimme vernahm. Ich drückte schnell auf die Esc-Taste, während er in mein Zimmer geschossen kam. Ich wollte meinen Freund nicht auf komische Gedanken bringen, solange ich selbst noch unsicher war.
»Dein Handy war aus und deshalb habe ich dich überall in der Uni gesucht. Was machst du schon hier? Ach ... egal. Schau dir das an. Ich habe die Lösung für all deine Probleme. Na gut, nicht für alle, aber zumindest für dein Geldproblem.«
Andy hielt mir total aufgeregt einen Zettel unter die Nase. Erstaunt stellte ich fest, dass es sich um eine ausgedruckte Anzeige handelte. »Nun lies schon! Das ist total irre und abgefahren!«
Ich griff nach dem Blatt und tat ihm den Gefallen, bevor er noch vor Aufregung in Ohnmacht fiel. Was ich dann zu lesen bekam, konnte ich fast nicht glauben. Das konnte doch nur ein blöder Scherz sein.
Erfolgreicher Geschäftsmann sucht Lebensgefährten für sieben Tage.
Bist du jung, aufgeschlossen und wagst es, dich auf ein kleines Experiment einzulassen? Dann bewirb dich. Die Bedingungen sind: Du bist im Alter zwischen 21-30 Jahren, siehst gut aus und bist zudem schwul. Die Vergütung beträgt 1000 Pfund pro Tag. Hast du Interesse und erfüllst alle Kriterien? Dann melde dich unter ...
»Willst du mich verarschen? Was soll das sein?«, fuhr ich meinen Freund an. »Denkst du wirklich, ich melde mich auf so eine merkwürdige Anzeige? Selbst wenn das kein Fake sein sollte, dann steckt da zumindest mit Sicherheit ein riesen Perversling dahinter.«
Andrew grinste mich frech an und hob gespielt abwehrend seine Hände. »Bleib locker! Ich habe das ja auch erst für einen Scherz gehalten. Aber halt dich fest. Ich habe da angerufen und mit einem Ted Soundso geredet. Der hat die Anzeige für einen Freund geschaltet, der mal sehen will, wie das so in einer Beziehung läuft. Es ist ein Test oder eine Art Experiment für den, weil er noch nie einen festen Partner hatte. So genau habe ich das nicht verstanden. Ist wahrscheinlich irgendein hässlicher Nerd, der nie einen abgekriegt hat, aber ... egal. Jedenfalls machen die ein Casting und wenn du ausgewählt wirst, musst du für eine Woche bei diesem armen Kerl einziehen und so tun, als wärt ihr zusammen. Sex ist kein Muss. Das hat mir dieser Ted eindringlich versichert und gemeint, es wäre ihm sogar am liebsten, wenn ich mich auf keine sexuellen Handlungen mit seinem Freund einließe. Warum? Keine Ahnung. Vielleicht ist der auch impotent. Also, was sagst du? Klingt doch unglaublich, oder? Du würdest 7000 Pfund in nur einer Woche verdienen!«
Ich war geschockt und wusste nicht, was ich darauf noch erwidern sollte, außer ... »Das ist doch krank.«
Andrew nickte eifrig. »Ja, das ist es. Der arme Schlucker kann einem nur leidtun, dass er sich einen Freund kaufen muss, aber das kann dir egal sein. Denk einfach an das viele Geld und geh zu diesem Casting.«
Ich schüttelte immer wieder den Kopf und überlegte hin und her. 7000 Pfund! Meine Fresse! Wie lange müsste ich sonst für dieses Geld hinter der Bar stehen und Gläser spülen? Es war sehr verlockend mich zu bewerben, aber ich konnte das nicht. Ich müsste dann einem armen Menschen, der sich anscheinend verzweifelt nach einem Freund sehnte vorspielen, dass ich schwul sei. Konnte ich wirklich so charakterlos handeln? Nein, beschloss ich und redete mir das genau so lange ein, bis ich trotzdem zwei Tage später, geschniegelt und gestylt vor dem Hotel stand, in dem das Casting stattfinden sollte.
Ich war bekloppt und total verrückt, dass ich mich doch noch von Andy zu diesem Unsinn habe breitschlagen lassen. Die letzten zwei Tage hatte ich immer wieder hin und her überlegt und mir dabei auch selbst vorgehalten, wie moralisch verwerflich es doch wäre, wenn ich mich hier wirklich bewerben würde. Letztendlich hatte ich mir aber eingestehen müssen, dass ich durchaus nicht ganz der Saubermann war, wie ich es gerne hätte.
Ich merkte, wie ich mir die Sache immer schöner redete. Zum Beispiel musste es dem Anzeigenaufgeber ja klar sein, dass sich die Männer nur wegen des Geldes bei ihm melden würden. Es wäre also von vornherein nichts Ernstes. Er suchte ja eigentlich auch nur einen Schauspieler, der kurzzeitig seinen Freund spielte. Das war dem Kerl doch alles klar und so wäre es doch bestimmt nicht soooo schlimm, wenn ich auch wegen meiner sexuellen Orientierung schauspielern würde, oder? Ansonsten passten ja auch alle Kriterien.
Zudem war ich sonst auch ein ziemlich guter Mensch. Na ja, fand ich zumindest. Ich hatte mir nie wirklich etwas zu Schulden kommen lassen und daher wäre eine moralische Verfehlung bestimmt akzeptabel. Obwohl, war das überhaupt eine Verfehlung? Ich meine, gingen nicht alle Menschen wegen des Geldes arbeiten? Und diese Anzeige war doch auch nichts anderes, als ein Stellenangebot. Es gab noch einige dieser Argumente, mit denen ich mich selbst zu überzeugen versuchte oder die Andy mir immer wieder vorhielt. Daran sah man doch auch, dass ich mir echt Gedanken und es mir nicht leicht gemacht hatte. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich hab's trotz aller Bedenken getan!
Da stand ich nun neben meinem besten Freund in der Eingangshalle und wünschte mich zum wiederholten Male selbst zum Teufel. Ich hatte hier nichts verloren und passte auch nicht hierher, das würde doch sofort jeden auffallen. Das Hotel war sehr nobel. Überall blinkte und strahlte es hier, aber das war es nicht, was mich so abschreckte, sondern die vielen Männer, die sich hier tummelten.
Ich hätte echt nicht gedacht, dass sich so viele Interessenten auf diese merkwürdige Anzeige melden würden. Es befanden sich alle Nationalitäten darunter, jede Größe und jede Statur, die man sich vorstellen konnte. Das mussten mindestens fünfzig Mann sein, wenn nicht noch mehr. Das war doch einfach nur Wahnsinn.
Andrew fand das auch. Er klatschte aufgeregt in die Hände und sprang vor Freude in die Luft. »Schau dir das an, Chris. Ich glaube fast, ich bin im Himmel gelandet. So viele attraktive und schwule Männer auf einem Haufen. Das ist wie ein All-you-can-eat Buffet!«
Er zwinkerte mir verschmitzt zu. »Ich denke, bei einigen werde ich heute noch ein privates Casting durchführen müssen, wenn du verstehst, was ich meine.«
Klar verstand ich, aber ich fand das alles nur halb so amüsant wie er. Ich fing an, an seinen Arm zu zupfen. »Du, ich habe es mir anders überlegt. Lass uns lieber wieder verschwinden. Das ist doch alles Zeitverschwendung.«
Andrew starrte mich schockiert an. »Spinnst du? Nach dem ganzen Theater der letzten Tage? Ich habe mir doch nicht umsonst den Mund fusselig geredet, um dich endlich zu überzeugen! Wir sind nun extra hergekommen. Jetzt machst du auch mit und lässt mich gefälligst noch ein bisschen gucken ... Oh, sieh mal da! Der kleine Asiate zieht sein Hemd aus. Mannomann, das brennt einem ja die Augen aus den Höhlen!«
Trotz meiner Anspannung musste ich lachen. »Okay, dann schau dich noch ein wenig um, aber dann hauen wir ab. Bei dem Aufgebot hab ich eh keine Chance und ausziehen werde ich mich ganz bestimmt nicht.«
Jetzt wurde Andrew ärgerlich. »Tu doch nicht so, als wärst du hier das schwarze Entlein. Lass die Kerle sich doch ausziehen, du hast das nicht nötig, da du sowieso der heißeste Bewerber bist.« Er fuchtelte mir mit dem Zeigefinger vor der Nase herum und verengte die Augen. »Das sag ich nicht nur, weil du mein bester Freund bist, sondern weil das stimmt. Verstanden?«
Ich nickte artig, denn ich wollte das jetzt bestimmt nicht mit ihm ausdiskutieren. Ein paar der Männer schauten schon ziemlich verstohlen in unsere Richtung, was natürlich auch an Andrews bunten Styling liegen könnte.
»Oh, schau mal! Ich glaube, es geht los«, flüsterte mir dieser gerade wieder zu und tatsächlich, es kam Bewegung in die Männergruppe. Eine Hotelangestellte war aufgetaucht und geleitete nun alle in einen großen Saal. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, was die wohl gerade über uns dachte.
Der neue Raum war groß genug, damit alle genügend Platz hatten und ich ging zielstrebig mit Andrew am Arm auf die erste Reihe zu. Wenn ich schon mitmachen musste, dann wollte ich es auch gleich hinter mich bringen. »So gefällst du mir, Schnuppi! Immer auf Angriff, aber sag mal, warum schleifst du mich mit?«
Ich grinste ihn verschlagen an. »Ich habe gerade beschlossen, ich zieh das nicht alleine durch. Du machst auch mit, immerhin war das deine blöde Idee und zudem blamiere ich mich dann wenigstens nicht allein.«
Gesagt, getan ... Da standen wir also plötzlich ganz vorne und ignorierten das Gemecker im Hintergrund. Die Veranstalter waren noch nicht aufgetaucht und so starrten wir nur auf einen leeren Tisch vor uns. Hoffentlich ließen die sich nicht zu viel Zeit. Wenn ich Glück hatte, könnte ich heute noch eine Schicht bei Eddie‘s übernehmen, dann wäre der heutige Tag wenigstens keine reine Zeitverschwendung gewesen. Ein leichter Rippenhieb riss mich aus meinen Gedanken.
»Ich hatte recht«, flüsterte mir Andrew ins Ohr. »Der Kerl ist ein Nerd. Sieh nur.«
Ich drehte meinen Kopf und da sah ich ihn. Ein kleiner Mann mit braunem Wuschelkopf und einer sehr fiesen Streberbrille, schlängelte sich vom Eingang auf uns zu. Er trug einen schicken Anzug und wirkte sehr unsicher. Oje, der Arme tat mir instinktiv leid. Er schien sich nicht wohl in seiner Haut zu fühlen und das konnte ich absolut verstehen. Warum tat er sich das aber auch an? Und dann auch noch in dieser Aufmachung! Ohne dieses Drahtgestell würde er gar nicht mal so schlecht aussehen.
Er war fast am Tisch angekommen, als plötzlich ein lautes Raunen durch die Menge ging und wildes Geflüster anfing. Ich wollte natürlich sofort wissen, was los war und reckte wieder neugierig den Kopf, doch Andrew versperrte mir die Sicht.
»Heiliges Kanonenrohr«, entfuhr es ihm. »Das ist Kayden Winston! Was macht der hier?«
Ich lugte um ihn herum und erspähte einen großen und sehr stattlichen Mann im schwarzen Anzug. Sein braunes Haar war adrett nach hinten gekämmt und seine grünen Augen funkelten belustigt, als er selbstbewusst und gemächlich durch die Menge schritt. Er sah ziemlich gut aus, das musste ich zugeben, aber ich verstand trotzdem nicht die Aufregung.
»Wer ist das?«
Andrew schnaubte und verdrehte die Augen. »Sag mal, wo lebst du eigentlich? Es kennt doch jeder Kayden Winston! Er ist eine Legende. Fickt alles und jeden, wenn dieser nur einen Schwanz zwischen den Beinen hat. Wie kann es sein, dass du noch nie von dem gehört hast?«
Ich zuckte die Achseln und beugte mich zu seinem Ohr, sodass nur er mich hören konnte. »Sorry, aber ich bin immer noch nicht schwul.«
»Ach ja, stimmt. Da war ja was.« Mein bester Freund wirkte plötzlich sehr beunruhigt. »Ich glaube kaum, dass der sich bewerben will und er ist auch nicht dieser Ted, mit dem ich telefoniert habe. Das kann nur eins bedeuten ...«
Andrew schnappte sich meine Hand und wollte mich fortziehen. »Was ist denn plötzlich los mit dir?« Ich verstand es nicht und entzog mich ihm.
»Das war eine dumme Idee. Ich werfe dich bestimmt nicht diesem Raubtier zum Fraß vor. Wir verschwinden von hier«, zischte er mir zu und griff wieder nach meinem Arm. So langsam wurde ich richtig wütend. Einmal sollte ich hier mitmachen und dann wieder nicht. Für was hatte ich mich denn die letzten Tage so verrückt gemacht? Für was hatte ich denn alle meine moralischen Bedenken über Bord geworfen? Um jetzt den Schwanz einzuziehen? Ich kam mir vor wie ein Pingpong-Ball und das wollte ich mir nicht länger gefallen lassen.
»Ich habe immer noch keine Ahnung, was dein Problem ist, aber ich bleibe. Du kannst ja alleine gehen.« Andrew stampfte ärgerlich mit dem Fuß auf und wollte gerade etwas erwidern, als ...
»Könnte sich das Pärchen in der ersten Reihe bitte beruhigen? Wir wollen dann anfangen.«
Ich spürte, wie mir ziemlich heiß im Gesicht wurde. Hatten das jetzt etwa alle mitgekriegt? Langsam drehte ich mich zu dem Tisch um, aus der die tiefe Stimme gekommen war. Dieser Kayden Winston schaute spöttisch in unsere Richtung und machte eine einladende Handbewegung. »Da ich jetzt eure Aufmerksamkeit habe, warum fängt nicht gleich einer von euch an?«
Ich versuchte ein Lächeln aufzusetzen, was aber kläglich misslang und schubste rein instinktiv Andrew nach vorne. Dieser strauchelte und warf mir einen letzten vernichtenden Blick zu, bevor er sich ein paar Meter vor den Tisch stellte und ... oje, sich dort tief verbeugte.
Wie peinlich war das denn? Es wäre wahrscheinlich das Beste gewesen, wenn ich jetzt einfach gegangen wäre, aber ich konnte einfach nicht und starrte stattdessen wie gebannt auf das, was nun weiter passierte. Andrew richtete sich wieder auf und warf sein Haar zurück. Stolz reckte er sein Kinn nach vorne und begann von sich zu erzählen.
»Mein Name ist Andrew Burns. Ich bin 23 Jahre alt und stehe auf harte Schwänze. Mir ist es egal, ob sie groß, klein, dick oder dünn sind, die Hauptsache für mich ist, sie sind geil und ...«
An dieser Stelle weigerten sich meine Ohren weiter zuzuhören. Das war mir einfach zu viel. Ich machte dicht und dachte an alles, nur nicht an meinen Freund und schon gar nicht daran, was der gerade alles von sich gab. Meine Lauscher waren sowieso darauf trainiert, sofort auf Durchzug zu schalten, wenn Andy von seinem regen Sexleben redete. Das meinte ich gar nicht böse. Mein lieber Freund neigte nur einfach immer dazu, sehr offenherzig jedes noch so kleine Detail zu beschreiben und das na ja, war mir zumeist eher unangenehm. Ich war nicht verklemmt, aber es gab Dinge, die musste ich einfach nicht wissen. Dass er jetzt genauso frei alles von sich gab, was ihm gerade so im Kopf herumfuhr, war mir auch schon wieder peinlich. Ich wollte nur noch weg und die ganze Sache vergessen. Scheiß auf das Geld. Das war es nicht wert, sich hier zum Affen zu machen.
»Danke dir, Andrew. Ich glaube, wir haben genug gehört und melden uns gegebenenfalls bei dir. Schreib uns deine Nummer auf.« Der Nerd hatte gesprochen und hielt ihm jetzt ein Formular unter die Nase. Andrew schnappte es sich und kritzelte etwas, während mich Mr. Winston neugierig musterte.
»Du bist dran, Blondi«, forderte er mich auf und schon war er bei mir unten durch. Ich trat entschlossen nach vorne und erwiderte fest dessen Blick. Dachte der etwa, er könne mich einschüchtern?
»Ich heiße Chris, bin 23 Jahre alt und halte dieses Casting für absolut bescheuert. Warum ich trotzdem hier bin? Keine Ahnung! Wahrscheinlich ein Anfall von vorübergehender Schwachsinneritis. Egal, ich bereue es zutiefst und werde deshalb jetzt von hier verschwinden.«
Ich hatte mich schon halb abgewandt, als mich Kaydens Stimme zurückhielt. »Bist du aktiv oder passiv?«
Ich runzelte verwirrt die Stirn. Was war das denn für eine blöde Frage? Wollte der jetzt meine Hobbys wissen? Sah ich etwa aus wie ein passiver Stubenhocker? Dieser Kerl hatte eigentlich keine Antwort verdient, aber ich gab sie ihm aus Höflichkeit trotzdem. »Ich bin schon seit Jahren aktiv im Judoverein. Außerdem schwimme und laufe ich.«
Neben mir fasste sich Andrew stöhnend an den Kopf und auch hinter mir gab es einige lachende Bemerkungen. Musste ich das verstehen? Kayden lachte nicht. Im Gegenteil, der schien über irgendwas verärgert zu sein, während mich Wuschelkopf nun sehr interessiert, ja fast lauernd musterte.
»Judo? So, so. Das klingt spannend. Liegst du dabei oben oder unten?«, fragte mich dieser neugierig. Die Meute im Raum grölte los.
»Mal so und mal so«, erwiderte ich verständnislos. Was für ein Film lief hier ab?
»Aha! Ich schreibe bei dir einfach flexibel.« Der Nerd lächelte mich völlig verzückt an. Was stimmte mit dem denn nicht? Egal, was es auch war, ich machte mich hier anscheinend gerade zum Deppen und das gefiel mir nicht.
Ich schnappte mir Andrew und machte mich raus aus diesem Irrenhaus. Das »Hey, ich brauch noch deine Nummer!« ignorierte ich einfach. Das Casting war gelaufen und ich wollte nie mehr etwas davon hören. Tja, schön wäre es zumindest gewesen, aber es kam leider alles ganz anders ...