75 Jahre Österreichische Volkspartei -  - kostenlos E-Book

75 Jahre Österreichische Volkspartei E-Book

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Beschreibung

75 Jahre Österreichische Volkspartei Geschichte in Geschichten IMMER FÜR ÖSTERREICH Geschichten und Anekdoten aus 75 Jahren Volkspartei illustrieren, was die Österreichische Volkspartei ausmacht – und was sie unverwechselbar macht: Ihr Selbstverständnis als staatstragende Partei der Zweiten Republik. Ihr Einsatz für Österreich und seine Bevölkerung – ohne Wenn und Aber. Ihre Spitzenpolitiker, die stets pragmatisch Lösungen gesucht und gefunden haben. Und ihre Bereitschaft als Partei, immer wieder neue Wege für wichtige Werte zu gehen. Das war nicht immer einfach. Aber einfach richtig. Für Österreich.

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GESCHICHTE IN GESCHICHTEN

Impressum

© Verlag Noir 2021

ISBN: 978-3-9504382-7-7

Grafik: Österreichische Volkspartei (Grafik), Bertram Könighofer (Buchkern) Redaktion: Politische Akademie

Foto-Copyrights: APA, Archiv der Österreichischen Nationalbibliothek, Archiv des Karl von Vogelsang-Instituts, Andi Bruckner, Dragan Tatic, Jakob Glaser, Holzner / Hopi Media, Arno Melicharek, neue Volkspartei, PxHere.com, Wikimedia (Creative Commons): gregoriosz (CC BY-SA 2.0), Medbiker 1965 (CC BY-SA 3.0 AT).

Beigetragen zum Buch mit der Bereitstellung von Texten, wissenschaftlicher Unterstützung und der Bereitstellung von Fotos und Expertise zur Parteigeschichte haben Josef Farda, Gerhard Jelinek, Andreas Kratschmar, Christian Moser-Sollmann, Claus Reitan, Hans Werner Scheidl, Johannes Schönner, Christian Tesch, Herbert Vytiska(✝), Helmut Wohnout, Carina Wurz sowie alle Landes- und Teilorganisationen der Volkspartei.

Hinweis: Die Gründung der Österreichischen Volkspartei erfolgte – nach Vorbereitungen von Widerstands-Netzwerken gegen den Nationalsozialismus – im Jahr 1945 maßgeblich durch Verfolgte und Opfer des Nationalsozialismus. Trotzdem waren einzelne Funktionäre und Mitglieder der Volkspartei auch verschiedentlich mit den Nationalsozialisten verstrickt. Die angemessene Darstellung dieser Thematik sprengt nicht nur den Rahmen dieser Publikation, sondern auch ihren Charakter als Sammlung von Anekdoten und Geschichten aus der Geschichte der Volkspartei seit 1945. Die Redaktion verweist deshalb darauf, dass die Volkspartei nationalsozialistische Verstrickungen früherer Mitglieder und Funktionäre in einem großen Forschungsprojekt aufgearbeitet hat. Darin wird aufgearbeitet, in welchen Ausmaß Personen mit einer früheren Mitgliedschaft in der NSDAP als Mandatare und Politiker in der Volkspartei von 1945 bis 1980 tätig waren. Der Endbericht kann hier kostenlos abgerufen werden:

http://www.vogelsanginstitut.at/at/wp-content/uploads/2019/05/forschungsbericht.pdf

INHALTSVERZEICHNIS

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

Bundesparteiobmänner seit 1945

Wie die Volkspartei entstand

Mission Westösterreich

Die Rückkehr zur Demokratie

Abwesender Parteigründer

Ulrich Ilg – der „Vater des heutigen Vorarlbergs“

„Ing. Fiegl“ in Salzburg

Bei der ersten Wahl gleich Kanzlerpartei

Weihnachten 1945 – eine Ansprache schreibt Geschichte

Südtirol – von der verlorenen Heimat zum völkerrechtlichen Vorbild

Figl blickt nach Westen – Marshallplan statt Sowjetunion

Der Fall Ottillinger – sieben Jahre Zwangsarbeit

„Ich bin doch so gern Landeshauptmann von Oberösterreich.“

Steirische Reformtradition

Ohne Worte: Der schweigsame Staatsvertragskanzler

Molotows Stimme aus dem KZ

Verhandlungen, Mythen und eine Wette: Das schwierige Verhältnis mit der Sowjetunion

Das Wirtschaftswunderland Österreich: Ergebnis eines konsequenten Kurses

„Österreich ist Europa“: Pro-Europäisch von Anfang an

Politiker und Freunde

Der Vater des modernen Österreich

Österreichs erste Ministerin – Grete Rehor schrieb Sozialgeschichte

Mehr als ein „Mailüfterl – Digitalisierung anno 1955

Weltklasseathletin und Spitzenpolitikerin: Eine Pionierin aus Niederösterreich

„Sculpture Truck“ am Springer Schlössl

Aufbruch und Versöhnung mit der Moderne – das Salzburger Programm der Volkspartei

Weckruf von oben

Eine Überraschung aus dem Westen

Das Ende großer Hoffnungen

„Eisern“ auch für die Senioren

Die schwarze Internationale

Bestseller und Chartstürmer

Entscheidung gegen Atomstrom

Das Märchen von den roten Häusern

Zum ersten mal Einkaufen am 8. Dezember

Hainburger Au – Umweltschutz setzt sich durch

Vom Gulasch ohne Saft zur selbstbewussten politischen Kraft

„Jössas, a Weib!“ – die Partei der Pionierinnen

Die Geburtsstunde der Ökosozialen Marktwirtschaft

Voll für den Beitritt – die Jungen preschen vor

Der Brief nach Brüssel

Das Bild vom Ende des Eisernen Vorhangs

Grenzland im Herzen Europas

Die Donau und die deutsche Einheit

Der Balkan-Brief

Ein ungewöhnlicher Ungarn-Besuch

Nichts für schwache Nerven: Die letzten 100 Stunden der Beitrittsverhandlungen

Ein Busserl, das Österreich bewegte

Sein schönster Tag – Österreichs Bevölkerung stimmt für Europa

Ein Spiegel ihrer Zeit – Wahlplakate im Wandel

Wolfgang Schüssel am Weg zur Nummer eins

Europas Staatsspitzen am Wörthersee

Lust aufs Land

Das Ende des Mascherls

Pandas für Schönbrunn

Der erste Versuch – die Volkspartei und die Grünen

Urbane Wellen

Vom schwarz-weiß-Druck zum Instagram-Feed

Neue Perspektiven

Maria Rauch-Kallat: Große Tochter

Schlusspunkt unter der Wehrpflichtdebatte

Ein halbes Jahrhundert im Gemeinderat: „Seit Sebastian Kurz gibt es eine Aufbruchstimmung.“

Mutig und nachhaltig – wie Spindelegger Österreich überrascht hat

Im Wandel der Generationen: Schwarz. Grün. Türkis

Mit Sebastian Kurz wurde die Volkspartei zur neuen Volkspartei

Ein neuer Weg für Österreich

Bettina Rausch, Präsidentin der Politischen Akademie der Volkspartei.

VORWORT

Über eine Partei und ihre Persönlichkeiten, die Österreich geprägt und gestaltet haben

Einen Monat vor dem 75. Geburtstag der Volkspartei trat der erste Corona-Lockdown in Kraft. Die Pandemie hat unser aller Leben durcheinander gebracht, hat menschliches Leid und persönliche Herausforderungen mit sich gebracht.

Wie so viele andere Geburtstage auch, konnte in Zeiten der Pandemie der 75. Geburtstag der Volkspartei nicht gefeiert werden. Mit diesem Buch wollen wir würdigen, wie die Volkspartei und ihre Vertreterinnen und Vertreter die Geschichte Österreichs, die Geschichte der Zweiten Republik, geprägt haben.

Diese Geschichte erzählen wir in Episoden und Anekdoten. Ausgewählte Geschichten fügen sich zu einem Bild der Geschichte einer Partei, die seit 1945 staatstragend Politik für Österreich gestaltet. Und sie erzählen die Geschichte von Persönlichkeiten, die Österreich geprägt haben – von Leopold Figl und Grete Rehor über Alois Mock und Wolfgang Schüssel bis hin zu Sebastian Kurz.

Die Politische Akademie hat sich der Pflege der Werte und Wurzeln unserer Volkspartei verschrieben – immer mit dem Anspruch, auf diesem Fundament und aus diesen Erfahrungen heraus Zukunft zu gestalten. In diesem Sinne mögen uns die Geschichte unserer Volkspartei und die Leistungen unserer Vorgängerinnen und Vorgänger Anspruch und Ansporn sein, unser Österreich auch in Zukunft im Sinne unserer Werte zu gestalten. ■

Axel Melchior, Generalsekretär der Volkspartei.

VORWORT

Was mich an der Volkspartei fasziniert

Das sind unsere Werte, aber vor allem auch die vielen, vielen herausragenden Persönlichkeiten, die das Land mitgestaltet haben und weiter mitgestalten, und ihre Geschichten. Es freut mich daher als Generalsekretär der neuen Volkspartei sehr, dass wir in diesem Buch anlässlich 75 Jahre Volkspartei einige dieser Persönlichkeiten vor den Vorhang holen können. Von Leopold Figl über Alois Mock und Wolfgang Schüssel – die Volkspartei hat immer wieder gezeigt, dass sie in schwierigen Zeiten Verantwortung übernimmt, erkennt, was die Menschen beschäftigt und mutig ist, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen, wenn diese notwendig sind.

Auch Sebastian Kurz hat das während der Migrationskrise oder auch gerade in der Corona-Krise bewiesen.

Es ist eine wunderbare Aufgabe, in der Volkspartei tätig sein zu können – und ich darf mich an dieser Stelle bei allen bedanken, die Funktionen tragen, die für die Menschen in diesem Land arbeiten – ob als Mandatar oder ehrenamtlich. Die Volkspartei ist am Ende die Summe all dieser Persönlichkeiten, die tagtäglich ihr Bestes geben. Wir hoffen, dass dieses Buch für manche Erinnerungen an die Zeit in der Volkspartei weckt, vielen zeigt, wie wichtig das Engagement für unser Land ist und vielleicht bei manchen das Interesse weckt, sich für die Volkspartei engagieren zu wollen.

Gerade die Corona-Krise macht deutlich, dass Politik kein Selbstzweck ist, sondern dass wir alle eine große Ver- antwortung tragen. Ich darf hier ein besonderes Danke an alle aussprechen, die gerade in den letzten Monaten ihren Beitrag geleistet haben, für andere da sind und gemeinsam mit Sebastian Kurz Österreich aus der Krise führen. In ‚normalen‘ Zeiten hätten wir dieses Buch mit jenen präsentiert, die hier auch Beiträge geschrieben haben und ihre Geschichten mit euch teilen, das war leider nicht möglich - ich wünsche aber umso mehr Freude beim Lesen und bedanke mich bei der Politischen Akademie für das Zusammenstellen dieses Buches. ■

Wie die VOLKSPARTEI entstand

Eine der ersten Vorstandssitzungen der ÖVP-Bundespartei im Herbst 1945 im Niederösterreichischen Landhaus, Herrengasse 11, Wien 1. V. l. n. r.: Edmund Weber, Hans Pernter, Felix Hurdes, Lois Weinberger, Leopold Figl, Raoul Bumballa, Julius Raab, Ferdinand Graf, Franz Latzka.

„Auf der Dachauer Lagerstraße haben wir Österreicher von nichts anderem geredet als was wir machen werden, wenn Österreich frei sein wird, und wir dann Österreich wiederaufbauen.“

Daran erinnert sich Fritz Bock in seinem Zeitzeugen-Beitrag für das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. Und er spricht vom Sommer 1938. Kurz davor ist der 27-Jährige mit dem „Prominententransport“ ins Konzentrationslager Dachau überstellt worden. Den Nazis galt er als prominent, weil er einer der Hauptorganisatoren der geplanten Volksabstimmung über den „Erhalt der österreichischen Selbstständigkeit“ war. Dass er sieben Jahre später die Österreichische Volkspartei mitbegründen würde, konnte er damals nicht ahnen, allenfalls hoffen.

Und diese Hoffnung teilten viele, so begannen die Vorüberlegungen zur Gründung einer neuen Partei bald Fahrt aufzunehmen. Schon während der NS-Zeit wurde daran in geheimen Missionen gearbeitet; in den Konzentrationslagern, in den alliierten Kriegsgefangenenlagern, aber auch in kleinen Untergrundzirkeln, die nicht einmal in Verbindung zueinander standen.

Viele der späteren Führungsriege der Volkspartei waren dabei – ehemalige Repräsentanten des Ständestaats ebenso wie politische Opfer des Nationalsozialismus, allen voran Leopold Figl. Sie alle hatten unterschiedliche Positionen, die in einer bürgerlich-konservativen und sozialen Integrationspartei mit christlich-abendländischem Gedankengut – offen auch für liberale Grundsätze – auf einen Nenner gebracht werden sollten.

Schon 1940/41 zeichnete sich ab, dass die Wiederbelebung der Christlichsozialen Partei keine Option wäre. Man wollte einen Schlussstrich ziehen und dem politischen Katholizismus der „alten“ Christlichsozialen und der Vaterländischen Front eine klare Absage erteilen. Eine völlig neue Partei sollte entstehen, die den Anforderungen der Zeit Rechnung trägt. Ein Namensvorschlag war bald gefunden: Eine Gruppe um Lois Weinberger und Felix Hurdes plädierte dafür, die neue Partei als „Österreichische Volkspartei“ aus der Taufe zu heben.

Die 15 programmatischen Leitsätze stellten 1945 das erste Parteiprogramm der Österreichischen Volkspartei dar.

Doch der Zuspruch rundum war nicht besonders groß. Es vergingen Jahre, ehe man sich auf diesen Namen einigen konnte. Endgültig fiel die Entscheidung erst 1944, im Haus des erst kurz davor aus dem KZ entlassenen Leopold Figl. Kurz darauf wurde Figl erneut verhaftet und ins KZ Mauthausen verbracht. Formell wurde die „Österreichische Volkspartei“ schließlich am 17. April 1945 im Wiener Schottenstift von Leopold Kunschak, Hans Pernter, Lois Weinberger, Leopold Figl, Julius Raab und Felix Hurdes gegründet. Keine Frage: Die Partei hatte eine Vorgeschichte. Als Neugründung war sie jedoch eine politische Innovation. Das unterstrich die damals junge Österreichische Volkspartei mit 15 programmatischen Leitsätzen, die sie von Beginn an als soziale und wirtschaftliche Integrationspartei charakterisierten. ■

Leopold Figl schrieb aus dem KZ berührende Briefe an seine Familie.

MISSIONWESTÖSTERREICH

Von Tag zu Tag mehrten sich die russischen Übergriffe.

Fabriken wurden ausgeräumt, Menschen wurden verschleppt, es gab nur wenig Brot und verfaulte Erbsen zu essen. Die Situation war schwer zu ertragen. Tagelang wartete man auf das Eintreffen der westlichen Alliierten. Doch sie kamen nicht. Für die neu gegründete Volkspartei drängte die Zeit. Sie wollte rasch den Anstoß zur österreichweiten Gründung einer einheitlichen bürgerlichen Partei geben und eine Spaltung verhindern.

Also blieb nur eine Möglichkeit: den Weg in den Westen selbst anzutreten. Doch wie das ausgehen würde, war ungewiss. Julius Raab hatte es bereits mit dem Auto versucht. Aber schon knapp nach St. Pölten wurde er von den Russen zurückgewiesen. „Ich bin der Jüngste und in guter Verfassung“, bot sich Herbert Braunsteiner an, den Versuch zu wagen. Das Zeug dazu hatte der ehemalige Widerstandskämpfer der Gruppe O5 jedenfalls. Aber die Bedingungen waren schwierig.

Er brauchte jede nur mögliche Unterstützung, um Zugang zu den Politikern Westösterreichs zu bekommen. So unterstützten ihn auch Bischöfe mit einem Empfehlungsschreiben. Am 18. Mai trat Herbert Braunsteiner dann mit dem Auto des Bauernbundes seine Reise an, unter dem Vorwand, die Milchlieferungen nach Wien wieder in Gang bringen zu wollen. Begleitet wurde er von einem russischen Offizier. Erster Halt war ein verlässlicher Bauer in Aschbach (Niederösterreich). Nach einer kurzen Nacht brach Braunsteiner im Morgengrauen zu Fuß Richtung Westen auf.

„Als ich gegen Abend bei Weyer an die Enns kam, war die Brücke von russischen Posten besetzt. Ich ging stromabwärts, zog meine Schuhe und meinen Rock aus, gab sie in den Rucksack und durchschwamm die Enns an einer günstigen Stelle bei Großraming. Ich zog die nassen Kleider an, die Papiere hatte ich in einem wasserdichten Verschluss, und ging so rasch ich konnte nach Norden“, berichtete er später. Es war schon dunkel, als er endlich ein schwaches Licht in der Ferne erkennen konnte. Es war ein Bauernhof. Der Bauer gab dem durchnässten Braunsteiner eine grobe Decke und wies ihn in eine Scheune. Er war nicht der erste, der vorbeikam.

„Am Morgen bekam ich eine Suppe und ein Stück Brot. Dann marschierte ich wieder weiter. Es wurde ein schöner, sonniger Tag. Gegen Mittag war ich in Sierning. Ich legte mich an einer trockenen Stelle unter einen blühenden Baum und schlief tief und fest. Als ich erwachte und dieses fruchtbare, blühende Land um mich sah, war ich glücklich.“

Von St. Florian erreichte er mit der elektrischen Bahn Linz, wo er zügig das Bischöfliche Palais anstrebte. Am nächsten Tag, gewaschen und rasiert, wurde er zu Bischof Fließer geführt. „Sein Sekretär führte mich zum Landhaus, wo ich eine ganze Gruppe von Leuten, darunter den ehemaligen Landeshauptmann Gleißner traf. Ich gab meinen Bericht, nannte die Namen, die Gleißner von der gemeinsamen Haft bekannt waren, und sprach mit ihnen über unsere Ängste bezüglich der Spaltung des Landes und der Partei“, hält Braunsteiner fest. Das Treffen war ein voller Erfolg.

Am nächsten Tag setzte Braunsteiner seine Reise fort: Auf einem Lastzug bis nach Wels fahren, weiter zu Fuß in Richtung Ischl und dann per Autostopp bis Salzburg. Dort lief es weniger glatt: „Erzbischof Rohracher sagte kaum ein Wort und gab mir auch keine Empfehlung. Ich lernte Rudi Strasser kennen, der gerade fünf Jahre Zuchthaus hinter sich gebracht hatte. Es gibt in Notzeiten Freundschaften auf den ersten Blick“, erinnert sich Braunsteiner. Über ihn gelangte er zu Hans Becker, der nach seiner Befreiung aus dem KZ Mauthausen Berater des amerikanischen Generals Collins geworden war. Dieser ließ sich genau unterrichten. In Wien hatte den Volkspartei-Gründern die Möglichkeit der Bildung einer Gegenregierung in Salzburg und damit die Spaltung des Landes große Sorgen bereitet. Tatsächlich wurden laut Collins aber nur Ansätze unternommen, die nicht ernst zu nehmen waren.

Mit dem Fahrrad setzte Herbert Braunsteiner seinen Weg – inklusive illegalem Grenzübertritt – bis Kundl, dann mit dem Lastwagen bis Innsbruck fort. Bischof Rusch stellte den Kontakt zu Landeshauptmann Gruber her. „Gruber machte einen sehr guten Eindruck. Er war jung und ehrgeizig und wusste, dass Innsbruck ihn auf Dauer nicht halten konnte“, beschrieb Braunsteiner.

Gruber verzichtete auf die Gründung einer Staatspartei und schloss sich der Volkspartei an. Die Reise hatte sich gelohnt.

Damit war es Zeit, die mühsame Rückreise anzutreten, unterwegs schloss sich Hans Becker auf dem Weg nach Wien an. „Wir kamen am Lager Gusen [Konzentrationslager in Oberösterreich, Anm.] vorbei“, erinnert sich Braunsteiner an einen längeren Fußmarsch. „Obwohl sie schon einige Wochen befreit und notdürftig versorgt waren, lagen die ehemaligen Häftlinge noch immer in kläglichem Zustand herum.“ Endlich in Wien überquerten sie die Donau bei Floridsdorf. Stege führten über den Strom und die Trümmer der Floridsdorfer Brücke.

Über zwei Wochen hatte die Mission gedauert, am 4. Juni konnte Braunsteiner den Parteivorstand über das erfolgreiche Ergebnis informieren.

Dazu Braunsteiner: „Die Parteileitung sprach mir Dank und Anerkennung aus. Es war der 4. Juni, die Universität öffnete ihre Tore und ich verabschiedete mich. Ich habe nie mehr ein politisches Amt ausgeübt. Ich erreichte mein Ziel. Ich studierte Medizin.“■

DIE RÜCKKEHRZUR DEMOKRATIE

Es war ein denkwürdiger Moment.

Und dennoch war von feierlicher Stimmung nicht allzu viel zu spüren an diesem 17. April 1945 im Wiener Schottenstift. Denn rund um die Stadt tobte nach wie vor die Schlacht, auch wenn die sowjetische Rote Armee Wien bereits wenige Tage zuvor erobert hatte. In einem eilig errichteten Lazarett in der Johanneskapelle und in der Aula des Schottenstifts wurden Bevölkerung und sowjetische Soldaten versorgt. In dieser Situation öffnete Abt Hermann Peichl die Räumlichkeiten der Prälatur für einige christlichsoziale Politiker. Zum Teil waren sie gerade erst von den Sowjets aus der Nazi-Haft befreit worden. Bis zum heutigen Tag sind nicht einmal alle Teilnehmer bekannt oder zu rekonstruieren. Ungefähr 20 waren es, die an diesem Tag im Schottenstift zusammenkamen, unter ihnen Leopold Kunschak, Hans Pernter, Lois Weinberger, Leopold Figl, Julius Raab und Felix Hurdes. Ihre Absicht war so einfach wie weitreichend: Die Gründung der Volkspartei.

Ein Meilenstein, um zu einer funktionierenden Demokratie und Unabhängigkeit in Österreich zurückzukehren. Zum ersten Obmann wählten die Gründungsmitglieder den gelernten Sattler und späteren Redakteur Leopold Kunschak.

Am 27. April 1945 – der Krieg war immer noch nicht offiziell beendet – setzte Leopold Kunschak den nächsten historischen Akt: Als Mitglied der provisorischen Staatsregierung unterzeichnete er die Gründungsurkunde der Republik – gemeinsam mit den SPÖ-Politikern Karl Renner und Adolf Schärf sowie Johann Koplenig von der KPÖ.

Mit dieser „Proklamation über die Selbständigkeit Österreichs“ wurde der „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich vom 13. März 1938 für null und nichtig erklärt, die Zweite Republik war gegründet.

Leopold Kunschak war als überzeugter Demokrat Gegner der Heimwehr und des NS-Regimes. Dennoch ist darauf hinzuweisen, dass er sich in der Zwischenkriegszeit antisemitisch geäußert hat – davon distanziert sich die neue Volkspartei heute in aller Form. Kunschak ist unter anderem Träger des Dr.-Karl-Renner-Preises und Ehrenbürger der Stadt Wien. ■

Erster Nationalrat im Parlament (Karl Renner am Rednerpult, rechts von ihm Adolf Schärf, links Leopold Figl, neben Figl Adolf Schärf und Johann Koplenig, hinter Renner Leopold Kunschak).

Die Salzburger Landeshauptleute (v. l.) Hans Lechner (1961–1977), Josef Klaus (1949–1961), Wilfried Haslauer sen. (1977–1989) und Hans Katschthaler (1989–1996) im Jahr 1989.

ABWESENDERPARTEIGRÜNDER

Es war eine Zeit, die man sich heute kaum mehr vorstellen kann.

Als die Salzburger Volkspartei am 7. Mai 1945 im Gebäude des Salzburger Landesgerichts gegründet wurde, waren Versammlungen jeder Art streng verboten. Das Treffen erfolgte also geheim und – offensichtlich – sehr spontan. Denn am Vormittag fand nur die Parteigründung statt, in aller Kürze.

Über die Parteiführung wurde noch nicht entschieden, was ungewöhnlich war. Allerdings wurde dann doch für 14 Uhr die erste Parteiversammlung einberufen, um dort den ersten Obmann der Salzburger Volkspartei zu wählen. Diese – ebenfalls illegale – Zusammenkunft fand im unzerstörten Mozarteum statt.

Reihum wurden die Anwesenden gefragt, ob sie die Obmannschaft übernehmen wollen. Jedoch – einer nach dem anderen lehnte ab. Was also sollte man tun?

Man wählte Adolf Schemel zum ersten Parteiobmann. In Abwesenheit. Schemel weilte nämlich zu jener Stunde bei Kontaktgesprächen mit den Amerikanern, die Salzburg vom Nationalsozialismus befreit hatten. Als er zur Versammlung nachkam, war er schon gewählt. Am 23. Mai 1945 wurde Schemel, der schon 1934 bis 1938 Landeshauptmann-Stellvertreter war und von den Nazis abgesetzt und inhaftiert wurde, schließlich erster Salzburger Landeshauptmann nach dem Zweiten Weltkrieg. ■

ULRICH ILGDER „VATER DES HEUTIGEN VORARLBERGS“

Als im Mai 1945 der Zweite Weltkrieg endete, gab es in der Bevölkerung einen innigen Wunsch nach einer demokratischen Regierung.