A Winter to Resist - Morgane Moncomble - E-Book

A Winter to Resist E-Book

Morgane Moncomble

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Beschreibung

»WENN DU FÄLLST, WERDE ICH DA SEIN, UM DICH AUFZUFANGEN.«

Lily hat nur ein Ziel: bei der Weltmeisterschaft die Goldmedaille im Eiskunstlauf zu gewinnen. Um das zu erreichen, wird ihr ein neuer Partner zugewiesen - ausgerechnet Orion Williams, einstiger Champion, Lilys großes Vorbild und heimlicher Schwarm. Doch bei ihrem ersten Kennenlernen verhält Orion sich ihr gegenüber kühl und abweisend. Dennoch müssen die beiden sich nun zusammenraufen und zu einem Team werden. Dass sie Orion bei den langen Trainingsstunden immer besser kennenlernt und ihr Herz bei jeder Hebefigur auf einmal schneller schlägt, kann Lily gar nicht gebrauchen, will sie sich doch eigentlich voll und ganz auf den Sieg konzentrieren ...

»Morgane Moncomble schafft es auf ganz besondere Art und Weise, eine fesselnde, spannende und emotionale Geschichte zu erzählen.« CELEST_READS

Band 2 der SEASONS-Reihe von Morgane Moncomble

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Seitenzahl: 564

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INHALT

Titel

Zu diesem Buch

Leser:innenhinweis

Anmerkung der Autorin

Widmung

Playlist

Prolog

1

2

3

4

5

6

7

8

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Epilog

Danksagung

Die Autorin

Die Bücher von Morgane Moncomble bei LYX

Impressum

MORGANE MONCOMBLE

A Winter to Resist

Roman

Ins Deutsche übertragen von Eliane Hagedorn und Barbara Reitz

ZU DIESEM BUCH

Seit ihrer Kindheit hat Eiskunstläuferin Lily Pham nur einen Traum: eines Tages die Weltmeisterschaft im Paarlauf zu gewinnen. Ihr großes Vorbild – und heimlicher Schwarm – war schon immer Orion Williams, der charismatische kanadische Champion. Als sich ihr Partner kurz vor dem Wettkampf verletzt, droht ihr Traum sich in Luft aufzulösen. Doch gerade noch rechtzeitig kann ein Ersatz gefunden werden – und es ist kein anderer als Orion. Der Weltmeister möchte sich nach dreijähriger Pause endlich wieder aufs Eis wagen. Lily kann ihr Glück kaum fassen, aber bei ihrem ersten Treffen verhält sich Orion kühl und abweisend, ganz anders als sie es sich erhofft hat. Dennoch muss sich Lily für die begehrte Goldmedaille zusammenreißen und beschließt, ihren Jugendschwarm endgültig zu vergessen und sich voll und ganz auf den Sieg zu konzentrieren. Dass sie Orion bei den langen Trainingsstunden immer besser kennenlernt und ihr verräterisches Herz bei jeder Hebefigur auf einmal schneller schlägt, kann sie deshalb gar nicht gebrauchen …

Liebe Leser:innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte.

Deshalb findet ihr hier eine Triggerwarnung.

Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch!

Wir wünschen uns für euch alle

das bestmögliche Leseerlebnis.

Euer LYX-Verlag

Anmerkung der Autorin

Liebe Leser:innen,

dieses Buch ist ein rein fiktionaler Roman. Aus erzählerischen Gründen habe ich mir einige Freiheiten bezüglich des Eiskunstlaufens gestattet – vor allem, was das Reglement und die Austragungsorte betrifft.

Und nun wünsche ich euch eine unterhaltsame Lektüre und viel Spaß mit Lily und Orion auf dem Eis!

Eure Morgane

Für meine Großmutter Danielle.

Danke für die Betty Boop-Nachmittage, die Nudelsuppen

und die Ausflüge mit Chinette-Bier.

PLAYLIST

You’re On Your Own, Kid – Taylor Swift

Trust Fall – Bebe Rexha

Stay – Rihanna feat. Mikky Ekko

Dopamine – Jackson Wang

Comfort Crowd – Conan Gray

UNDERSTAND – Keshi

Next Life – ROSIE

Beautiful – Anne-Marie

Stuck In My Head – BLÜ EYES

cinderella’s dead – EMELINE

Dusk Till Dawn – ZAYN feat. Sia

King of My Heart – Taylor Swift

Finally // beautiful stranger – Halsey

Crowded Room – Selena Gomez feat. 6LACK

Easily – Bruno Major

Like Crazy – Jimin

Love Her – Jonas Brothers

I GUESS I’M IN LOVE – Clinton Kane

Little Bit More – Suriel Hess

It’s Only Love, Nobody Dies – Sofia Carson

Keep Your Head Up Princess – Anson Seabra

Moonlight – Chase Atlantic

Honeymoon Fades – Sabrina Carpenter

Le Lac des cygnes – op. 20, acte II, scène 1, L’Orchestre National du Bolchoï

PROLOG

Lily

Drei Jahre zuvor

Ich war dreizehn Jahre alt, als ich Orion Williams zum ersten Mal im Fernsehen eislaufen sah. Ich erinnere mich noch genau an die Sekunde, als es mir den Atem verschlug. Und auch an das unregelmäßige Pochen meines Herzens – bum, BUM, bum. Es lief bei jeder seiner Bewegungen einen Marathon. Ich weiß noch, wie ich die Hand auf meine Brust legte und erfolglos versuchte, es zu beruhigen. Ich war wie hypnotisiert.

Ich schäme mich dafür, dass ich damals dachte, einen Engel vor mir zu haben, dessen Kopf von himmlischem Licht umstrahlt war. Sein Körper war langgliedrig und anmutig, sein Ausdruck melancholisch, seine Bewegungen so fließend wie die Strömung eines Baches.

Er wurde für mich zum Vorbild, zur Motivation, zu einem Ziel, das ich anstreben konnte.

Ich habe hart daran gearbeitet, um die Chance zu bekommen, ihm zu begegnen, selbst wenn ich ihm nie das Wasser würde reichen können. Es hat sechs Jahre gedauert, aber ich habe es geschafft. Er ist hier, in Fleisch und Blut steht er in der Mitte der eisigen Arena, die Hose und das eng anliegende Spitzenoberteil ganz in Schwarz – wie ein Todesprinz. Die dunklen Federn an seinen Ärmeln verleihen ihm etwas Göttliches, fast Überirdisches, und die goldenen Perlen auf dem Trikot ziehen das Auge magisch an … und das Licht.

In einem leichten, fließenden Eiskunstlaufkleid umschwirrt seine Eislaufpartnerin Harper seine Schenkel. Sie erinnert mich an eine Göttin, die einem Teufel verfallen ist.

Ich stehe am Rande der Eisbahn und habe meine Dehnübungen völlig vergessen, meine Augen sind auf Orion gerichtet, als wäre er ganz allein auf der Eisfläche. Plötzlich schreckt mich der Klang eines Cellos auf, Orion reagiert sofort und gibt sich mit jeder Faser seines Körpers der Musik hin.

Er ist ein Krieger, der mit voller Geschwindigkeit über das Eis gleitet. Mit dem ersten Ton erkenne ich die Melodie, die mir einen Schauder über den Rücken rinnen lässt: Hans Zimmers Wonder Woman Theme.

Die ganze Halle ist ebenso verzaubert wie ich von diesem Kampf, den Orion mit sich selbst austrägt. Seine Schritte sind schnell, die Gesten wütend, so, als hätte für die Dauer der Aufführung der Teufel Besitz von seiner Seele ergriffen. Er setzt seinen Körper ein wie ein Schwert – die zusammengezogenen Augenbrauen eine Mischung aus Konzentration und Entschlossenheit. Das dünne, grausame Lächeln auf seinen Lippen lässt eine kaum gespielte Arroganz erkennen.

Er weiß es.Er ist sich sehr wohl bewusst, dass er der Beste ist.

Mein Herz rast, als er nach einem vierfachen Axel unsauber aufsetzt. Kein Wunder, dass er bei diesem schwierigen Sprung stolpert, aber er fängt sich sofort wieder mit einer Reihe von schnellen Schrittfolgen. Es ist,als sei ihm der Tod auf den Fersen.

Als er den zweiten Teil seiner Kür wie eine Kampfszene inszeniert, bin ich sprachlos, zugleich neidisch und voller Bewunderung. Beim Kampf gegen seine schöne, aber gefährliche Gegnerin Harper sind Orions kraftvolle Figuren unglaublich attraktiv. Und auch die Zuschauenden applaudieren dem beeindruckenden Schauspiel sofort.

Ich weiß, dass mein Eislaufpartner und ich es nicht schaffen werden, ihnen das Wasser zu reichen, zumindest nicht heute. Dies ist meine zweite Weltmeisterschaft bei den Seniors und meine erste gegen Orion. Es ist schon ein Glück, dass ich überhaupt gegen ihn antreten darf.

»Dann kannst du ihn endlich um ein Autogramm bitten!«, sagte meine Mutter begeistert, als sie von meiner Zulassung erfuhr.

Alle wissen um meine Bewunderung für diesen Mann, und das nicht nur, weil ein Poster von ihm an meiner Tür hängt.

»Ein Autogramm, das sie jeden Abend heimlich anstelle ihres Kopfkissens küssen wird«, spottete mein Bruder, was ihm den Mittelfinger von mir einbrachte.

Damit das klar ist: Ich küsse mein Kopfkissen nicht. Ich küsse niemanden. Das ist eine bewusste Entscheidung.

Ich beobachte, wie sich Orion am Ende seines Auftritts anmutig und voller Demut vor dem Publikum verneigt, während sich die Brust im Rhythmus seines keuchenden Atems hebt und senkt. Fasziniert sehe ich zu, wie seine Fans Blumensträuße und Plüschtiere aufs Eis werfen, die seinem Dalmatiner namens Princess ähneln. Junge Eisläuferinnen sammeln sie ein, während der Champion zusammen mit seiner Partnerin die Eisfläche verlässt.

»Lily, mach dich fertig«, ruft mir meine Trainerin zu. »Ihr seid gleich dran. Wo ist Walter?«

Ich will nicken, während ich meine Daunenjacke öffne, um mein samtenes Eislaufkleid zu enthüllen, als ich plötzlich bemerke, dass er auf mich zukommt. Meine Augen weiten sich, ich möchte cool und lässig wirken, aber es gelingt mir nicht, stattdessen gerate ich in Panik. Mit seinen gerade mal dreiundzwanzig Jahren ist Orion für mich schon eine Legende. Ein Mythos und in der Welt des Eislaufens genauso berühmt wie der Trojanische Krieg oder der Untergang von Atlantis in der Geschichte. Und doch nimmt er jetzt vor mir Gestalt an.

Sein kurzes lockiges Haar kräuselt sich auf dem Oberkopf, Schweißperlen rinnen über seine dunklen Schläfen. Er ist groß, und der schwarze Stoff seines Anzugs schmiegt sich eng an seinen muskulösen, lang gestreckten Oberkörper. Seine Aura erdrückt mich förmlich und nimmt mir jeden klaren Gedanken.

Orion passiert die Schneise, die als Ein- und Ausgang dient, kommt direkt neben mir zum Stehen und atmet tief durch. Seine Eislaufpartnerin, das blonde Haar zu einem perfekten Knoten frisiert, umarmt ihn freudig, bevor sie zu ihrem Trainer geht.

Er bleibt allein zurück und winkt dem Publikum zu. Mein Augenblick ist gekommen. Aber ich weiß absolut nicht, was ich tun soll. Soll ich ihm Hallo sagen? Mich ihm vorstellen? Ihn vielleicht beglückwünschen?

Ich habe keine Zeit, eine Entscheidung zu treffen. Seine dunklen Augen ruhen auf mir, während ihm jemand eine Wasserflasche reicht und ihm ein Kompliment für seine Leistung macht. Ich bin wie erstarrt, gelähmt vor Lampenfieber. Ich muss etwas sagen, irgendetwas, auch wenn ich dann als Trottel dastehe. Aber meine Lippen sind wie versiegelt, ich kann nur schlucken, während meine Schlittschuhe im Boden Wurzeln zu schlagen scheinen.

Elizabeth Linh Pham, jetzt reiß dich mal zusammen! Du machst dich gerade vor Orion Williams zum Narren.

Er runzelt die Stirn, als er sieht, wie ich ihn unverhohlen mustere, wahrscheinlich ist ihm diese unerwünschte Aufmerksamkeit peinlich. Ich weiß, wie ich wirke, kann aber den Blick nicht abwenden. Ich hoffe nur, ich erröte nicht wie ein verliebtes Groupie. Das ist normalerweise wirklich nicht meine Art.

»Bist du die Nächste?«

Er spricht mich an. Orion Williams redet mit mir.

Ich öffne den Mund, aber es kommt nichts heraus, also nicke ich nur. Er ist wahrscheinlich daran gewöhnt, dass er diese Art von Schock auslöst. Ich bin ja nicht der erste Fan, dem er begegnet. Ich erwarte, dass er geht, und ich würde es ihm nicht übel nehmen. Stattdessen ist es magisch wie im Traum – einem Traum, von dem ich wünschte, ich würde nie wieder aufwachen –, ein amüsiertes Lächeln huscht plötzlich über sein Gesicht, und er legt mir eine behandschuhte Hand auf die Schulter.

»Dann wünsche ich dir viel Glück. Ich werde dir zusehen.«

Viel Glück? Ich brauche kein Glück!

Er hat keine Zeit, meine Reaktion zu bemerken, denn sein Trainer zieht ihn am Arm weg, weil er mit ihm zusammen den Punktestand in Erfahrung bringen will.

Die Stelle, die er berührt hat, brennt unter dem Samt meines Kostüms, ein Beweis dafür, dass ich mir seine Geste nicht eingebildet habe. Ein seltsamer Stolz durchströmt mich bei dem Gedanken, dass er mich kennt, mich ermutigt. Und gleichzeitig bedeutet es, dass er mich nicht als Rivalin betrachtet, sonst würde er mir eher wünschen zu verlieren.

Seine Bemerkung trifft mich, aber ich reiße mich zusammen. Schließlich hat er ja recht: Ich kann mich nicht mit ihm messen. Noch nicht.

Aber eines Tages wird es so sein.

Eines Tages werde ich seine Rivalin sein.

Eines Tages werde ich seinen Rekord brechen.

Als mein Eislaufpartner Walter endlich auftaucht, ist mein Kopf noch immer voller Euphorie.

»Tut mir leid, ich war auf der Toilette«, entschuldigt er sich und ergreift meine Hand.

Mit einem scheinheiligen Lächeln führt er mich aufs Eis. Ich weiß, dass wir keine Chance gegen Orion und Harper haben, aber ich verspreche mir, alles zu geben. Ich will, dass er meinen Namen kennt. Ich will, dass er seinerseits applaudiert, auch wenn er nicht weiß, dass er mich schon seit Jahren inspiriert und ich davon träume, seine Nachfolge anzutreten.

»Bereit?«, flüstert Walter, als wir in der Mitte der Eisbahn stehen.

Ich atme tief ein und verdränge die Welt um mich herum aus meinem Geist: all die ungeduldigen Zuschauenden, die Reporter mit den geschulterten Kameras.

»Immer.«

Ein Atemzug.

Zwei Atemzüge.

Drei Atem…

Mein Körper bewegt sich eine Nanosekunde, bevor die Musik einsetzt. Als die märchenhafte Melodie Chandelier von Sia erklingt und den Rhythmus meiner Schritte bestimmt, bin ich von einer neuen Besessenheit erfüllt. Der kalte Wind weht mir über die Wangen, fährt durch meine zweifarbige Perücke, hebt meinen Rock, während ich laufe.

Ich achte auf nichts mehr, außer auf die Harmonie zwischen meinem Eislaufpartner und mir. Wir laufen Schlittschuh, tanzen und fliegen wie verzauberte Marionetten, die nach Freiheit streben.

Unsere perfekt ausgeführten Figuren bringen uns viel Applaus ein, aber das reicht mir nicht. Allein unsere Kreativität und unsere makellose Technik sind nicht genug. Es mangelt uns an Risiko. An Emotionen. All das fordere ich seit Monaten, aber Walter will nicht, er ruht sich lieber auf seinen Lorbeeren aus. Ich hingegen will der Welt zeigen, wozu ich fähig bin.

Plötzlich spüre ich eine überbordende Zuversicht in mir aufsteigen. Ich denke nicht mehr vernünftig. Und wenn ich mir eine kleine Freiheit nehmen würde? Eine Dummheit, die mich im schlimmsten Fall einen Knochenbruch oder den Platz auf dem Podest kosten könnte, aber ich bin ohnehin davon überzeugt, dass wir dort nicht landen werden.

Mein Mund verzieht sich zu einem aufgeregten Lächeln, das Walter nicht entgeht. Sein Blick erfasst aus der Ferne meine Haltung, und ich sehe, wie er blass wird. Eine Sekunde zu spät begreift er, was ich vorhabe.

Ich lasse mir keine Zeit, meine Meinung zu ändern oder Angst zu bekommen. Ich atme ruhig durch und stoße mich schwungvoll mit den Füßen ab zum Sprung. Ich mache einen Rückwärtssalto, obwohl dieser Sprung wegen seiner Gefährlichkeit streng verboten ist. Ein einziges Mal wurde er erfolgreich bei einem Wettbewerb gesprungen, und zwar von Surya Bonaly.

Die Zeit scheint für eine kleine Ewigkeit stillzustehen.

Ich werde mit dem Kopf aufschlagen. Ich werde mir das Rückgrat brechen.

Die Uhr läuft weiter, und plötzlich lande ich … auf einem Fuß!

An Walters verblüfften Blick sehe ich, dass ich es geschafft habe. Es ist mir gelungen!

Meine Beine zittern so stark, dass ich Angst habe, sie könnten nachgeben. Aber ich laufe weiter, um seine ausgestreckte Hand zu ergreifen. Die Menge johlt, aber ich achte nicht darauf. Mein Herzschlag hallt so laut in meinen Ohren wider, dass er alle anderen Geräusche übertönt. Der Stolz steht mir wohl ins Gesicht geschrieben, während wir unser Programm fortsetzen.

Als die Musik verklingt, schüttelt Walter den Kopf. Er scheint bewundernd, aber auch verärgert. Ich war egoistisch, ich habe nicht eine Sekunde an ihn gedacht, als ich innerlich schon eine Bestrafung für meine Rebellion akzeptiert hatte.

»Was sollte das?«

»Es tut mir leid«, sage ich lächelnd und mit Tränen in den Augen.

Wir wissen beide, dass das nicht stimmt.

»So bist du immer …«, knurrt er leise. »Du denkst immer nur an dich.«

Da hat er nicht unrecht, deshalb unterdrücke ich die Bemerkung, dass wir beide eben völlig verschieden sind. Walter ist Eisläufer geworden, weil er diesen Sport liebt, ich bin Eisläuferin geworden, weil ich ohne ihn nicht atmen kann. Er begnügt sich mit einem glatten einfachen Programm, ohne sich je herauszufordern, ich hingegen versuche, mich ständig weiter zu verbessern. Ich will schwitzen, den stechenden Muskelkater in meinen Gliedern spüren, Tränen der Anstrengung vergießen.

Mein einziger Gegner ist mein eigenes Potenzial.

Mein einziger Gegner ist mein Perfektionismus.

Als ich die Eisfläche verlasse, suche ich mit den Augen nach Orion. Ich bin mir der allgemeinen Aufmerksamkeit ebenso bewusst wie der verblüfften Kommentare der Preisrichter. Leider kann ich ihn nirgendwo entdecken, aber ich hoffe, dass er mich gesehen hat.

Meine Trainerin bedenkt mich mit vernichtenden Blicken, hebt sich aber ihre Moralpredigt für später auf, wenn wir allein sind. Ich habe nicht einmal den Anstand, Bedauern zu heucheln.

Mein Verstoß gegen das Reglement bringt uns eine hohe Strafe ein. Orion und Harper gewinnen die Goldmedaille, was niemanden überrascht, Walter und ich dagegen liegen abgeschlagen auf dem letzten Platz. Doch ich bereue nichts. Denn ich weiß, dass sich die Leute ab heute an meinen Namen erinnern werden.

1

Lily

Montreal, Dezember 2023

»Noch mal!«, ruft Isabella mit verschränkten Armen. »Du musst dich mehr anspannen, du bist zu weich.«

Ich rapple mich mühsam auf und versuche, mein schmerzverzerrtes Gesicht zu verbergen. Der Schweiß klebt mir die Haare an die Stirn, und mein ganzer Körper protestiert gegen den x-ten Versuch, aber ich gehorche dennoch.

An meinen Sportleggings kleben Eisreste – eine Folge meiner unablässigen Versuche, heute Nachmittag den dreifachen Axel zu lernen. Ich bin siebenmal gestürzt, begleitet von den missbilligenden Blicken meiner Trainerin und den mitleidigen meiner Kameraden. Allen voran Piper, die ebenfalls übt.

Meine Freundin schenkt mir ein aufmunterndes Lächeln, während ich Anlauf nehme, entschlossen, jetzt den perfekten Sprung hinzubekommen. Bisher sind mir nur zwei von drei Sprüngen gelungen. Ich beuge das Knie und werfe das andere Bein nach vorn. Mein Körper kommt in Schwung und vollführt eine, zwei, drei und eine halbe Drehung. Doch als ich wieder auf dem Boden lande, geben meine erschöpften Muskeln unter der Last des Aufpralls nach, und ich schlage hart aufs Eis.

»Verdammt noch mal!« Fast hätte ich es geschafft.

Ich bin so wütend über meinen Misserfolg, dass ich laut fluche.

Piper kommt zu mir gefahren und reicht mir die Hand, um mir auf die Beine zu helfen.

Ich nehme widerwillig an.

»Danke«, flüstere ich.

Isabella mustert mich von der Tribüne aus mit strenger Miene. Ich weiß, was sie denkt: dass ich noch nicht bereit für die Weltmeisterschaft bin. Und sie hat recht, auch wenn ich fest entschlossen bin, es in vier Monaten zu sein.

»Du musst an deiner Landung arbeiten«, sagt sie mir, als ich zu ihr komme, nachdem ich auf dem Weg den Schülern ausgewichen bin, die ihre Figuren üben, ohne auf mich zu achten. »Du bist nicht konzentriert genug.«

»Ich habe letzte Nacht nicht gut geschlafen …«

»Isst du im Moment richtig? Du siehst aus, als hättest du zugenommen. Morgen früh werden wir dich wiegen.«

Ich nicke stumm, obwohl ich sie gern daran erinnert hätte, dass ich seit heute Morgen, acht Uhr, hier bin und kaum eine Mittagspause eingelegt habe. Genau wie die letzten sechs Tage der Woche. Ich kann mir nicht vorstellen, wie ich hätte zunehmen sollen.

»Geh dich jetzt ausruhen. In diesem Zustand bist du nicht zu gebrauchen.«

In diesem Augenblick vollführt Piper einen doppelten Salchow und landet perfekt auf ihrem Fuß. Isabella lobt sie, was mich wundert. Sie ist nicht gerade großzügig mit Komplimenten, davon kann ich ein Lied singen, denn sie ist schon seit drei Jahren meine Trainerin.

Nach der Weltmeisterschaft, bei der ich mit Walter den letzten Platz belegte, wechselte ich den Verein, um Orion Williams näher zu sein. Mein Bruder bezeichnete mich als Stalkerin, aber er versteht es nicht. Wenn sein Trainer es geschafft hat, ihn zur größten Hoffnung seiner Generation zu machen, dann ist er der Richtige für mich. Natürlich verabschiedete sich Orion in eben dem Moment, als ich dazukam … Und so landete ich schließlich bei Isabella, und selbstverständlich hatte ich kein Mitspracherecht, was meinen neuen Eislaufpartner betraf: Oliver.

»Was machst du noch hier?«, fragt mich meine Trainerin, als sie sieht, dass ich immer noch am Rand der Eisbahn stehe. »Husch, husch!«

Ich lasse mich nicht lange bitten. Normalerweise bin ich der Typ Frau, der bis zur Schließung der Eishalle bleibt. Ich beschwere mich nie. Ich übe unermüdlich weiter, trotz der blauen Flecken und des Schweißes. Aber heute falle ich um vor Müdigkeit.

Ich humple in die Umkleidekabine, weil meine rechte Pobacke nach den vielen Stürzen besonders schmerzt.

Ich entkleide mich und verziehe das Gesicht, als ich den Bluterguss sehe, der sich an meiner Hüfte bildet.

»Wow! Dich hat’s gut erwischt.«

Ich drehe meinen Kopf zu Piper, die mir gefolgt ist, und nehme den Eisbeutel, den sie mir reicht. Ich drücke ihn auf das Hämatom und spüre sofort, wie der Schmerz nachlässt.

»Warum bin ich die Einzige, die so hart trainiert?«, seufze ich, als ich mich, nur mit meiner Unterwäsche bekleidet, hinsetze. »Wo ist Oliver?« Ich weiß nicht einmal, warum ich diese Frage stelle.

Mein Eislaufpartner ist wahrscheinlich gerade dabei, ein paar Drinks mit Freunden zu nehmen oder ein Nickerchen auf seiner Couch zu machen. Druck? So was kennt er nicht. Harte Arbeit offensichtlich auch nicht. Darin unterscheiden wir uns, und das ist auch der Grund, warum ich – obwohl ich es nie sagen würde – weiß, dass er mich nicht dorthin bringen wird, wo ich hinwill.

Plötzlich kommen zwei der Nachwuchsläuferinnen in die Umkleidekabine, und eine sagt: »Lily, dein Bruder ist da.«

Ich reagiere mürrisch. Ich hasse die Tage, an denen mein großer Bruder mich abholt. Nicht nur, weil ich mir im Auto seinen dämlichen Rap – und seinen schiefen Begleitgesang – anhören muss, sondern vor allem, weil die Mädels jedes Mal, wenn er in der Nähe ist, komplett ausrasten.

»Jane ist da?«, fragt Piper überrascht und richtet schnell mit den Händen ihr Haar.

Ich beobachte sie mit einem vor Entsetzen erstarrten Gesicht. Schon seit der Grundschule bin ich es gewohnt, dass meine Freundinnen auf meinen dämlichen Bruder stehen. Ich habe nie begriffen, warum das so ist. Ich muss ihnen immer klarmachen, dass dieser Hockeyspieler mit dem charmanten Lächeln nur einmal im Monat seine Socken wechselt und drei Tage alte Pizza isst. Etwas mehr Niveau, meine Lieben!

»Nein … Piper, ich flehe dich an, nicht auch noch du.«

»Was?«

»Egal wen, aber nicht Jane!«

Sie errötet und wirft mir einen vernichtenden Blick zu. »Ob es dir nun passt oder nicht, dein Bruder ist der Hammer. Im Gegensatz zu dir, die durch die Blutsbande blind geworden ist, sehe ich sehr gut.«

Ich tue so, als müsste ich mich übergeben, was sie zum Lachen bringt. Nicht ich bin blind, sondern sie und die anderen Frauen lassen sich von dem Trikot blenden, das mein Bruder auf dem Eis trägt. Die Mädels sind ganz verrückt danach. Es würde mich übrigens nicht wundern, wenn sich Jane nur aus diesem Grund für seinen Beruf entschieden hätte.

»Ernsthaft … Es gibt Milliarden von Männern auf der Welt, von denen einer enttäuschender ist als der andere, warum hast du da ausgerechnet ein Auge auf meinen Bruder geworfen?«

»Wenn sie alle durch die Bank enttäuschend sind, warum sollte ich mich dann nicht für einen umwerfenden Schönling entscheiden?«, sagt sie und lächelt mich an. »Ich bin sicher, er ist gut im …«

Ich unterdrücke erneut ein Würgen, und sie bricht in schallendes Gelächter aus, statt ihren Satz zu beenden. Ich will nichts mehr hören.

»Ich werde dir die Rechnung für meine nächsten Sitzungen beim Psychiater schicken«, sage ich, während ich meine Schlittschuhe in die Tasche packe.

»Nur zu. Hier, für dein Hinterteil«, sagt sie und reicht mir eine Tube Salbe.

Ich bedanke mich und ziehe mich an. Jane ist ein Trottel, dessen Hobby es ist, mir das Leben zur Hölle zu machen. Mein Kontaktname auf seinem Handy ist Kreacher – eine Anspielung auf den Hauself in HarryPotter. Andererseits holt er mich, sobald er Gelegenheit hat, mit dem Auto ab und erspart mir so den Heimweg zu Fuß durch den Schnee. Er hat nicht nur Fehler …

»Verdammt, habt ihr das gehört?«, murmelt ein Mädchen, das mit besorgtem Gesichtsausdruck die Umkleidekabine betritt.

Ihre Freundinnen fragen sie, was los sei. Die anderen – auch Piper und ich – bedenken sie mit neugierigen Blicken. Ich beschließe jedoch, mich den Klatschtanten nicht anzuschließen, und konzentriere mich auf die Schnürsenkel meiner Turnschuhe. Ich hasse Klatsch und Tratsch, und das nicht nur, weil diese Mädchen hinter meinem Rücken auch über mich reden, wenn es ihnen in den Kram passt. Jede ist sich selbst die Nächste. Zusammenhalt unter uns Eislaufmädels? So was gibt es hier nicht.

Ich habe meinen Mantel angezogen und will gerade gehen, als ich bemerke, dass alle Blicke auf mich gerichtet sind.

Ich bleibe verständnislos stehen. Einige Läuferinnen scheinen entsetzt und schlagen die Hand vor den Mund, andere verziehen mitfühlend das Gesicht.

»Darf ich fragen, was los ist?«, sage ich laut, während meine Finger den Riemen meiner Tasche umklammern.

Keine hat den Mut, es mir zu sagen.

Schließlich wiederholt Piper die Frage.

Eines der Mädchen räuspert sich verlegen, und dann folgt das Drama: »Oliver wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Ich habe Isabella vor fünf Minuten am Telefon gehört …«

Der Schock trifft mich mit voller Wucht. Ich taumle, aber Piper hält mich am Ellenbogen fest. Damit habe ich absolut nicht gerechnet. Ist Oliver verletzt?

Ich habe zwar monatelang gebetet, dass ich einen neuen Eislaufpartner bekomme, aber ich habe nie gewollt, dass ihm etwas passiert, das schwöre ich.

Panisch stürze ich aus der Umkleidekabine. Mein Herz klopft bis zum Zerspringen, als ich meine Trainerin endlich auf der Tribüne finde. Sie ist im Gespräch mit einem imposanten dunkelhaarigen Mann, dem ich keinerlei Aufmerksamkeit schenke.

»Isabella!«, rufe ich ihr zu und versuche, mir meine Angst nicht anmerken zu lassen. »Was ist los? Wie geht es Oliver?«

Als sie mich kommen sieht, hebt sie den Kopf und legt mir mit einer beruhigenden Geste die Hand auf die Schulter.

»Logensyndrom … im Bein.«

Ich erstarre und sehe sie verblüfft an. Das Logensyndrom ist eine häufige Verletzung bei bestimmten Sportlern, es handelt sich um einen Druckanstieg innerhalb eines Muskelkompartiments, der so stark ist, dass die Blutzufuhr unterbrochen wird. In schweren Fällen, in denen das Gewebe im betreffenden Körperteil abstirbt, kann es zu dessen Verlust führen. Ein solches Szenario ist eine Tragödie für jeden, für einen Sportler aber ist es der schlimmste Albtraum.

»Dann wird er operiert, ja?«

Isabella nickt, während mir ein Schauer des Entsetzens über den Rücken läuft. Ich stelle mir vor, wie er allein im Krankenhaus liegt und Panik hat, sein Bein zu verlieren.

Sein Arbeitswerkzeug. Ich spreche es nicht laut aus, weil ich weiß, was die Leute sagen werden. Oliver selbst erklärt immer wieder, dass ich herzlos sei und immer nur an mich selbst denke. Ich erfahre, dass ihm vielleicht eine Amputation bevorsteht, und das Erste, was mir Sorgen macht, ist das Ende seiner Karriere. Denn die ist für mich das Wichtigste.

Ohne das Eislaufen bin ich nichts.

»Ich hoffe, er hat keine Angst, dass …«

»Solche Dinge passieren. Er wird es schaffen.«

Ich nicke gedankenverloren. Wenn Oliver jetzt operiert wird und alles nach Plan verläuft, wird er einen Trainingsrückstand aufbauen. Wir müssen aber in nur einem Monat bei den kanadischen Meisterschaften antreten und in weniger als vier Monaten bei der Weltmeisterschaft. Es ist ein Rückschlag, aber den könnten wir in den Griff bekommen.

Ich werde dafür sorgen, dass ich genug Vorsprung habe, um den Rest auszugleichen, auch wenn ich dafür den dreifachen Axel Tag und Nacht üben muss.

»Glaubst du, dass er rechtzeitig zurückkommt, um im Januar antreten zu können? Ich nehme an, dass er sich nach seiner Operation ausruhen muss, aber …«

Die Worte sterben in meinem Mund. Isabella sieht mich an, als wäre ich völlig übergeschnappt. Ihr Gesprächspartner, der bisher geschwiegen hat, seufzt mitfühlend. Erst als ich mich zu ihm umdrehe, wird mir klar, um wen es sich handelt. Oh, verdammt! Meine Augen weiten sich, und ich weiß nicht, was ich sagen soll.

Er ist es. Scott Martinez. Er ist groß, das Haar schütter. Sein massiver Körperbau könnte einschüchternd wirken, aber seine lockere Art erinnert an einen großen Teddybären. Ich weiß natürlich, wer er ist. Ich bin unter anderem seinetwegen hier.

»Lily … ich glaube, du hast mich nicht verstanden.«

Ich ziehe eine Augenbraue hoch, und eine schlechte Vorahnung überkommt mich. Schließlich antwortet mir Scott: »Oliver wird nicht an den kanadischen Landesmeisterschaften in einem Monat teilnehmen können. Und auch an keiner anderen im nächsten Jahr.«

Etwas in mir zerbricht. Denn ich weiß genau, was das bedeutet. Wenn Oliver nicht in der Lage ist Eiszulaufen, betrifft das auch mich. So funktioniert das nun mal in einer Partnerschaft.

Kein Wettkampf im nächsten Jahr.

Ich bin weder traurig noch enttäuscht. Ich bin frustriert und wütend, auch wenn ich weiß, dass ich das nicht sein sollte. Schließlich liege nicht ich auf dem Operationstisch und muss Angst haben, ein Bein zu verlieren. Aber was ist mit meinem Traum?

»Also … habe ich ganz umsonst ein Jahr lang wie eine Wahnsinnige trainiert?«, flüstere ich leise mit zitternden Schultern. »Ich habe geschwitzt, geblutet, geweint, und das alles nur, um jetzt aufzugeben? Isa, das darf nicht …«

Ich kann nichts dagegen machen. Die Tränen steigen mir in die Augen, aber ich unterdrücke sie. Ich will nicht wegen einer Lappalie weinen, und schon gar nicht vor meiner Trainerin. Sie hasst das. Sie hat mir immer wieder gesagt, das sei eine Schwäche und es gebe nur wenige Dinge, für die es sich zu weinen lohne.

»Ich kann nichts für dich tun, Lily. Was soll ich machen?«

»Finde einen anderen Eislaufpartner für mich!«, flehe ich sie an und drücke ihre Hände.

Ich weiß, es ist schrecklich, aber ich nehme die Situation als ein Zeichen. Es ist eine Gelegenheit, die Dinge zu verändern.

»Das ist nicht so leicht. Selbst wenn ich schnell jemanden finden würde, ein ganz neues Paar einfach so aufs Eis zu schicken, wäre Selbstmord. Du wirst ein Jahr warten müssen, das ist doch nicht schlimm.«

Nicht schlimm? Natürlich ist es das!

Sie versteht es nicht, niemand versteht es. Ich habe mir selbst etwas versprochen: den Rekord von Orion Williams zu brechen. Ich wollte unbedingt in die Geschichte des Eiskunstlaufs eingehen und bei der nächsten Weltmeisterschaft im Alter von nur zweiundzwanzig Jahren Gold gewinnen. Er war dreiundzwanzig in dem Jahr, als er mich anlächelte und mir viel Glück wünschte.

Es ist, als würde Isabella einen vergifteten Dolch in meine Kinderträume stoßen. Das Gift verteilt sich und infiziert all meine Hoffnungen. Ich realisiere zu spät, dass ich weine. Scott reicht mir ein Taschentuch, das ich beschämt annehme.

»Du willst also Gold, junge Dame?«

Ich hebe meinen Kopf so schnell, dass ich mir den Hals verrenke, und sehe ihn verblüfft an. Seine zusammengekniffenen Augen sind auf mich gerichtet. Ich habe das Gefühl, er würde mich anstarren, um zu taxieren, was ich wert bin. Ich nicke mit klopfendem Herzen. Ein seltsamer Glanz glüht in seinen dunklen Augen.

»Das trifft sich gut, ich auch. Ich habe dich schon auf dem Eis gesehen – du bist gnadenlos.«

»Sie ist auch ein Sturkopf, der nicht auf das hört, was man ihr sagt«, brummt Isabella.

Scott lächelt darüber, als wäre es eher ein Kompliment als ein Argument gegen mich.

»Das ist doch bei allen Großen so, oder? Wenn du bereit bist, alles zu tun, um zu gewinnen, dann kann ich dir helfen.«

»Worauf willst du hinaus, Scott?«, fragt ihn meine Trainerin.

Isabella und ich betrachten ihn mit einer Mischung aus Neugierde und Misstrauen.

»Ich kenne jemanden, der euch vielleicht in dieser Situation helfen kann«, erklärt er, und die Erleichterung, die mich überkommt, erstickt mich fast … »Er wird mich wahrscheinlich zunächst abblitzen lassen, aber wenn ich ein bisschen dränge … stehen die Chancen gut, dass er zustimmt. Niemand lehnt eine Goldmedaille ab, oder?«

Ich habe Mühe, mich zu beherrschen, damit ich ihm nicht um den Hals falle. Ich könnte ihn sogar küssen, so glücklich und dankbar bin ich für seine Hilfe. Wenn Scott einen Eislaufpartner für mich findet, wer auch immer es sein mag, werde ich mein Bestes geben.

Isabella betrachtet mich zögernd und verschränkt die Arme vor der Brust. »Ich höre. Wen genau hast du im Sinn?«

Scott lächelt, bevor er den Blick auf mich richtet.

»Orion Williams. Ich nehme an, du weißt, wer das ist.«

Was?

Ich habe das Gefühl, mein Herz würde explodieren, als würde man mit einer Nadel in einen Luftballon stechen. Mein Lächeln verschwindet, und ich bin wie versteinert. Ich habe mich verhört, oder? Zwangsläufig spielt mir meine Fantasie einen Streich. Träume ich? Ich muss gestehen, dass mich solch realitätsferne Szenarien bereits in manchen Nächten verfolgt haben.

Ich kneife mir stumm in den Arm. Nein, es ist wirklich wahr.

»Orion?«, wiederholte Isabella verständnislos. »Ich dachte, der hätte aufgehört.«

»Wer sagt denn so etwas? Ich bestimmt nicht.«

Ich höre ihnen zu, ohne den Mund aufzubekommen, weil ich wie benommen bin.

»Zum Teufel, Scott. Dein Schützling ist seit drei Jahren nicht mehr aufgetreten. Tu nicht so, du kennst bestimmt die Gerüchte, die über ihn kursieren.«

Isabella hat recht, das ergibt keinen Sinn. Abgesehen von der Tatsache, dass Orion und ich nicht auf demselben Niveau sind, weiß jeder, dass er nicht mehr eisläuft.

Ich habe das Getuschel und die Gerüchte über ihn gehört, auch wenn ich schnell beschlossen habe, ihnen keine Beachtung zu schenken. In meinem tiefsten Inneren habe ich daran geglaubt, dass Orion eines Tages zur Überraschung aller mit einem großen Knall zurückkehren würde. Aber nicht so. Nicht an meinem Arm.

»Wie ich bereits sagte, werde ich ein wenig Überzeugungsarbeit leisten müssen … Die Frage ist eher: Fühlt sich die Madame der Aufgabe gewachsen? Das bedeutet, von vorn anzufangen, um Orions Niveau zu erreichen.«

Die beiden Trainer drehen sich zu mir um und sehen mich mit vielsagendem Blick an.

Ich bin nicht gut genug, das weiß ich. Aber ich kann es werden, wenn ich mich anstrenge.

Für eine unglaubliche Sekunde stelle ich mir vor, wie ich mit ihm zusammen auf dem Eis stehe, meine Hand in der seinen, bevor ich die Goldmedaille auf der obersten Stufe des Siegerpodests in die Luft halte … Mein Entschluss steht fest. Da muss ich nicht lange nachdenken.

»Es wäre mir eine Ehre«, versichere ich leise, mit geradem Rücken und entschlossenem Gesichtsausdruck. »Ich bin zu allem bereit.«

»Das kommt mir verdächtig vor«, mischt sich Isabella ein. »Warum würdest du Lily einer anderen vorziehen?«

Scott seufzt, dann lächelt er aufrichtig. »Ich will ehrlich sein: Ich bin verzweifelt. Niemand will mit ihm zusammenarbeiten, alle Frauen, die ich bis jetzt angesprochen habe, haben zu viel Angst, das Angebot anzunehmen.«

Das ist einfach unmöglich. Wer würde eine solche Chance ausschlagen?

»Ich verstehe das nicht. Wovor haben sie Angst?«

Eine betretene Stille breitet sich aus, dann flüstert Scott: »Hast du die Gerüchte nicht gehört? Sie behaupten alle, Orion sei verflucht.«

2

Orion

Montreal, Dezember 2023

»Ich habe eine Frau gefunden.«

Das ist das Erste, was mir Scott, seit zwanzig Jahren mein Trainer, mitteilt, als ich ins Eisstadion komme. Kein »Hallo« oder »Du hast zugenommen«, was leider dennoch der Fall ist. Ich habe vor Kurzem meine Vorliebe für Schokoladenkuchen entdeckt. Das ist offenbar das Einzige, was ich essen kann, ohne dass meine geliebte Hündin Princess mich anbettelt, mit ihr zu teilen.

»Das ist nett, aber für wie verzweifelt hältst du mich, dass du mich zu einem Blind Date schickst? Wenn es wieder darum geht, die Freundinnen deiner Tochter zu beeindrucken, dann muss ich dich warnen, ich werde dir am Ende eine Rechnung stellen.«

»Quatsch«, murmelt er und klopft mir auf die Schulter, was mir ein Lächeln entlockt. »Dieses hübsche Gesicht ist Gold wert, Scott. Apropos, da fällt mir ein, dass ich es versichern lassen sollte …«

»Ich hatte vergessen, dass du zu viel redest.«

Er seufzt und setzt eine genervte Miene auf, aber ich weiß, dass er sich freut, mich zu sehen. Ich mich übrigens auch, aber das würde ich nie zugeben.

Wir setzen uns etwas abseits oben auf die Tribüne. Ich habe die Eisbahn vermisst. Seit drei Jahren meide ich sie, ganz einfach, weil ich die neugierigen Blicke und das Getuschel hasse, die mich hier erwarten.

Früher habe ich diesen Ort geliebt. Ich war hier der Star. Die Mädchen bedachten mich mit einem verführerischen Lächeln, die Jungs schüttelten mir die Hand und luden mich abends auf ein Bier ein. Heute flüstern sie hinter vorgehaltener Hand, damit ich ihre Kritik nicht höre. Ihre Blicke sind jetzt neugierig und zufrieden, so, als würden sie sich an meinem Misserfolg erfreuen. Sie träumen nur davon, mich gänzlich am Boden zu sehen, und ich kann sie sogar verstehen.

»Ernsthaft: Sie ist perfekt, Orion«, fährt Scott aufgeregt fort. »Sie wird dir wirklich gefallen.«

»Nichts für ungut, aber ich habe einige Vorbehalte, was deinen Frauengeschmack betrifft …«

»Komisch, das sagt mir meine Tochter auch immer wieder, seitdem sich ihre Mutter von einem Tag auf den anderen aus dem Staub gemacht hat.«

Die Arme auf die gespreizten Knie gestützt lache ich belustigt auf. Scott hat mich entdeckt, als ich gerade mal sechs Jahre alt war. Er versprach mir, wenn ich ihn als Trainer wählen würde, ginge ich in die Geschichte ein – allerdings nur unter der Bedingung, dass ich alles machte, was er es mir sagte.

»So ein Talent gibt es nur einmal pro Generation«, meinte er zu meiner Mutter. »Ihr Sohn hat eine Gabe.«

Damals bekam sie es mit der Angst zu tun. Aber schließlich akzeptierte sie, weil sie begriff, dass ich begabt war. Und seit ihrem Tod hat Scott immer ein Auge auf mich.

Ich werde ihm ewig dankbar sein, dass er mir eine Chance gegeben, etwas in mir gesehen hat, als niemand sonst mich beachtete. Nachdem wir zwanzig Jahre lang Zeit zusammen verbracht haben, sind Scott und ich uns nähergekommen. Er ist die einzige Vaterfigur, die ich je hatte …

»Ernsthaft, was habe ich hier verloren? In zwanzig Minuten kommt ein Eishockeyspiel, das ich mir unbedingt ansehen will.«

Mit den Augen folge ich den wenigen Schlittschuhlaufenden, die unten auf dem Eis trainieren. Ein vertrauter Impuls drängt mich, meine Schlittschuhe anzuziehen und zu ihnen zu gehen, aber ich rühre mich nicht vom Fleck. Ich bin nicht zum Eislaufen hier.

»Ich spreche von einer neuen Eislaufpartnerin, du Trottel«, fährt Scott ruppig fort. »Es ist an der Zeit, dass du wieder in die Gänge kommst. Du hast lange genug in deiner Ecke geschmollt, meinst du nicht?«

Mein Körper erstarrt. Es ist nicht das erste Mal, dass Scott versucht, mich zurückzuholen, doch ich habe das Gefühl, heute ist es irgendwie anders.

Scott war ziemlich geduldig mit mir, und das ist nicht gerade seine Stärke. Wenn ich nicht bald wieder in den Wettkampf einsteige, wird er mich fallen lassen. Das weiß ich. Und ich könnte es ihm nicht verübeln. Drei Jahre sind eine lange Zeit. Auch ich habe gespürt, wie sie verrann.

Als ich mich nach dem Gewinn meiner ersten Goldmedaille bei der Weltmeisterschaft im Paarlauf zurückzog, wurde in den Medien sofort wild spekuliert. Die einen meinten, ich hätte mich in aller Stille zur Ruhe gesetzt, andere vermuteten, ich würde mein Comeback vorbereiten. Aber in beiden Fällen wissen sie alle, warum ich mich dazu entschieden habe abzutauchen, und das ist auch genau der Grund dafür, warum es Scott nicht gelingt, eine neue Eislaufpartnerin für mich zu finden. Eine nach der anderen suchen sie das Weite.

»Ich habe es dir schon gesagt: Ich will keine Wettkämpfe mehr im Paarlauf. Das ist nichts für mich, das war es noch nie.«

»Du willst also aufgeben? Ich hätte nicht gedacht, dass du so bist. Das enttäuscht mich sehr.«

Ich weiß, dass er das nur sagt, um meinen Stolz und meinen Ehrgeiz anzustacheln. Und unter anderen Umständen hätte das wohl auch funktioniert. Schließlich sehnt sich jede Faser meines Wesens danach, wieder auf dem Eis zu stehen. Die Aufregung bei den Wettkämpfen, die Anspannung vor den Ergebnissen, das Adrenalin bei komplizierten Figuren und die Verehrung der Fans fehlen mir so sehr, dass ich jede zweite Nacht davon träume. Doch dann holt mich die Realität wieder ein.

Die Gerüchte breiten sich in meinem Kopf aus und lassen mich aufschrecken. Ich bin nicht taub, ich weiß genau, was die Leute über mich sagen.

Der verfluchte Champion.

Der Unglücksrabe.

Und so langsam glaube ich selbst, dass sie recht haben.

»Wenn es dir gelungen ist, eine Frau aufzutreiben, die verzweifelt genug ist, um mit mir beim Paarlauf anzutreten, dann gibt es einen Haken. Also los, raus mit der Sprache: Was stimmt nicht mit ihr?«

Ich bin nicht schwer von Begriff. Auch wenn ich Scott sage, dass ich nicht mehr will, bemüht er sich seit drei Jahren darum, eine neue Eislaufpartnerin für mich zu finden. Keine hat sich darauf eingelassen. Sie haben zu viel Angst: um ihre Karriere, um ihr Leben. Und ich verstehe sie.

Es heißt, Pech sei ansteckend, aber ich bin überzeugt, dass es mir von Geburt an anhaftet. Ich frage mich immer noch, was ich bloß getan habe, um das zu verdienen.

Harper lacht immer und sagt, ich hätte offenbar einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Sie denkt, ihre Scherze würden die Situation entspannen, aber im Grunde bringen sie mich eher dazu, mich selbst infrage zu stellen: Sind diese Tragödien der Preis für ein Talent wie das meine?

»Ihr Eislaufpartner liegt im Krankenhaus. Logensyndrom.«

Ich werfe meinem Trainer einen teilnahmsvollen Blick zu. Ich kenne den Jungen nicht, aber ich fühle mit ihm. Diese Krankheit ist wie Gift. Das weiß ich, weil Nathalie, meine Eislaufpartnerin Nummer drei, deswegen ein Bein verloren hat. Sie macht mich im Übrigen immer noch dafür verantwortlich.

»Und?«, beharre ich und kneife die Augen leicht zusammen.

»Sie ist ein Fan von dir. Ihre Augen haben gefunkelt wie Sterne, als ich deinen Namen erwähnt habe; das war süß.«

Er grinst mich belustigt an, weil er glaubt, diese Sache würde mich überzeugen, aber ich verdrehe nur die Augen. Diese Frau, wer auch immer sie sein mag, muss von ihrer Bewunderung für mich geblendet sein. Das würde sie bald bereuen, genau wie die anderen. So ist es immer.

»Ich arbeite nicht mit Groupies.«

»Du bist ein Snob. Eigentlich haben die Leute recht, du bist überheblich geworden.«

Ich weiß, dass er das nur sagt, um mich zu provozieren, also gehe ich nicht weiter darauf ein.

»Ist sie Anfängerin?«

»Nein, sie läuft schon seit ihrem fünften Lebensjahr«, erklärt Scott, sichtlich zufrieden, mein Interesse geweckt zu haben. »Mit siebzehn hat sie zum ersten Mal die kanadischen Meisterschaften gewonnen.«

Nichtschlecht. Ich lasse mir meine Überraschung und schon gar nicht mein Interesse anmerken. Aber Scott kennt mich in- und auswendig. Er lächelt und deutet auf die Eisbahn.

»Siehst du die kleine Brünette da drüben mit den weißen Ohrenschützern? Das ist sie.«

Jetzt verstehe ich alles. Dieser Trottel hat mich absichtlich hierhergelockt, damit ich sie sehe. Trotz meiner Verärgerung über diesen hinterhältigen Trick beobachte ich besagte Frau. Asiatin, sehr hübsch, mit pechschwarzem Haar, das zu einem endlosen Zopf geflochten ist, der ihr über den Rücken fällt. Unter den Anweisungen ihrer Trainerin wiederholt sie unablässig ihren dreifachen Salchow. Ich sehe, wie sie stürzt, wieder aufsteht und es erneut versucht – ohne sich auch nur ein einziges Mal zu beklagen.

»Elizabeth Pham«, erklärt Scott mit leiser Stimme. »Besser bekannt unter dem Namen Lily. Sie ist zwar noch jung, aber im Moment die geheime Favoritin. Alle sagen ihr eine große Zukunft voraus. Ihr Ziel ist es, bei der diesjährigen Weltmeisterschaft Gold zu holen … und deinen Rekord zu brechen.«

Ich seufze belustigt und beobachte die Frau, die sich in einer perfekt ausgeführten Biellmann-Pirouette um die eigene Achse dreht. Ihre Körperhaltung ist anmutig, die Augen sind geschlossen, während sie ihr rechtes Bein greift und es über ihren Kopf streckt.

»Und? Meinst du, sie kann es schaffen?« Scott schweigt eine lange Weile. »An deiner Stelle würde ich lieber mit ihr arbeiten als gegen sie.«

Also ein Ja.

Ein leichter Anflug von Eifersucht bohrt sich in mein Herz, aber ich ziehe den Stachel so leicht wieder heraus wie einen Splitter. Ich wusste, dass ich nicht lange der Beste bleiben würde – und schon gar nicht nach drei Jahren Pause. Ich bin nicht der Mittelpunkt der Welt, sie dreht sich auch ohne mich weiter. Diese Erkenntnis ist trotzdem schmerzhaft, vor allem, weil ich davon überzeugt bin, noch nicht mein ganzes Potenzial entfaltet zu haben.

Je länger ich besagte Elizabeth beobachte, desto mehr habe ich das Gefühl, sie zu kennen. Ihr Gesicht kommt mir trotz der Entfernung vertraut vor. Bin ich ihr schon einmal irgendwo begegnet?

»Ich muss darüber nachdenken.«

»Keine Sorge«, sagt Scott und erhebt sich. »Du hast bis morgen Zeit.«

Das ist wenig.

»Und wenn ich ablehne?«, seufze ich und sehe ihn an.

Er zuckt mit den Schultern und macht ein sehr ernstes Gesicht. »Wenn du ablehnst, werden sich unsere Wege trennen.«

Orion: Brauche deine Hilfe. Treffen wir uns bei Tim Hortons?

Harper: Ich komme ASAP, Baby.

Ich lächle über Harpers Botschaft, während ich trotz der eisigen Kälte zu Fuß durch Montreal laufe. Sie ist die Erste, die mir eingefallen ist, als ich eine weitere Meinung zu dem Thema hören wollte, und dafür gibt es mehrere Gründe. Der erste ist, dass sie meine Eislaufpartnerin war. Die siebte … und bislang letzte.

Harper ist die einzige von ihnen, mit der ich noch regelmäßig Kontakt habe, und die einzige, die mir nicht die Schuld an dem gibt, was passiert ist. Sie hat vor drei Jahren mit dem Eislaufen aufgehört, nach unserer Goldmedaille im Paarlauf … und nach ihrem Autounfall. Das hat sie aber nicht davon abgehalten zu heiraten und eine perfekte Beziehung zu führen. Ich war übrigens ihr Trauzeuge, auch wenn viele – wie ich weiß – ihre Nachsicht mir gegenüber nicht verstehen.

Ich schlendere durch das Kulturviertel, das Quartier des Spectacles, und flüchte mich dann ins nächstgelegene Tim Hortons. Während ich auf sie warte, ziehe ich mein Handy aus der Tasche und öffne meinen Chat mit Scott. Er hat mir ein Video von Elizabeth Pham geschickt, um mich davon zu überzeugen, mit ihr zusammenzuarbeiten. Also stecke ich die Kopfhörer in die Ohren und schaue mir das Video an.

In einem roten Paillettenkleid, das einen Kontrast zu ihrem pechschwarzen Haar bildet, steht sie allein auf der Eisfläche. Unfaithful von Rihannas zweitem Album AGirlLikeMeertönt, und plötzlich bin ich nicht mehr in der Lage, den Blick abzuwenden. Anmutig gleitet sie dahin, ihre Kufen ziehen deutlich sichtbare Linien in die Eisbahn. Während sie an Tempo zulegt, sind ihre Arme seitlich ausgestreckt wie die Flügel eines Vogels, der bereit ist abzuheben. Ihre Haltung ist stabil und kontrolliert, die Bewegungen sind fließend, wenn sie sich umdreht und rückwärtsläuft. Die Wangen sind rosig, und ein aufgeregtes Lächeln umspielt ihre Lippen. Sie genießt es wirklich.

Ich beobachte, wie sie sich wie ein Kreisel um sich selbst dreht, der Körper ist gebeugt, der Kopf nach hinten geworfen. Sie ist so schnell, dass ich jetzt nicht mehr in der Lage bin, ihren Gesichtsausdruck zu erkennen. Dennoch nimmt sie anschließend ohne jegliche Verunsicherung ihre Choreografie wieder auf, tanzt auf dem Eis, als hätte sie ihr ganzes Leben nie etwas anderes getan.

Jeder neue Schritt ist ein Kunstwerk.

Erst jetzt bemerke ich, dass mein Herz schneller in meiner Brust schlägt. Verdammt, Scott hatte recht: Sie ist unglaublich. Es gibt nur sehr wenige, die in der Lage sind, mit ihrem Lauf solche Emotionen in mir auszulösen. Diese Frau scheint die kompliziertesten Figuren ohne jede Anstrengung und mit einer Leichtigkeit auszuführen, dass ich eifersüchtig werden könnte.

Ein außergewöhnliches Talent. Ein Talent, das man nur einmal in jeder Generation findet – wie Scott sagen würde, dem ich gerade eine Nachricht geschrieben habe.

Orion: Ich habe das Video gesehen.

Scott: Und?

Orion: Na ja.

Scott: Lügner. Weißt du, an wen sie mich erinnert?

Orion: Ich habe da so eine Ahnung.

Scott: An dich.

Bingo! Ich runzle die Stirn, schaue auf mein Handy und frage ihn, wie er das meint.

Scott: Sie hat unglaubliches Talent. Aber das ist nicht alles, sie ist auch wild entschlossen. Diese Frau ist zu allem bereit, um die Beste zu werden … Und darum wird sie es weit bringen.

Das will ich gern glauben, auch wenn ich sie noch nie getroffen habe. Ich habe gesehen, wie sie einen Sprung nach dem anderen macht, immer wieder stürzt und immer wieder aufsteht, ohne um eine Pause zu bitten. Klar, sie ist zu allem bereit. Warum sollte sie sich entschließen, mit mir zu laufen? Zu diesem Zeitpunkt wäre das glatter Selbstmord.

»Bonjour, mein Hübscher.«

Ich hebe den Kopf zu Harper, die wunderschön ist und in ihrem Rollstuhl auf mich zufährt. Ich erhebe mich, nehme ihr das Tablett ab, das auf ihren Knien liegt, und küsse sie auf die Wange.

»Wie geht es dir?«

»Jetzt besser, wo ich dein Gesicht sehe«, meint meine Freundin lächelnd, während ich ihr gegenüber wieder Platz nehme. »Ich bin froh, dass du deine Grotte verlassen hast.«

Ich wollte mich eigentlich bei ihr entschuldigen, weil ich sie bei dieser Kälte nach draußen gelockt habe, aber stattdessen beiße ich mir auf die Lippe. Harper hat mir strengstens verboten, mich auch nur noch ein einziges Mal bei ihr zu entschuldigen.

Sie hält mir einen der beiden Donuts auf ihrem Tablett hin. Ich nehme ihn, und wir stoßen an wie zwei Kinder.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich liebe Harper. Wir waren ein tolles Duo, und es ist unserer Freundschaft zu verdanken, dass wir bei der Weltmeisterschaft die Goldmedaille gewonnen haben.

»Was ist los?«, fragt sie mit vollem Mund und streicht sich eine blonde Strähne hinters Ohr.

Ich seufze und komme direkt zur Sache: »Scott hat eine neue Eislaufpartnerin für mich gefunden. Und er setzt mich unter Druck, damit ich einwillige.«

Sie reißt die Augen auf und verschluckt sich fast an ihrem Gebäckstück. Schließlich legt sie es beiseite und verlangt, dass ich ihr alles von Anfang an erzähle.

Und das tue ich auch, ohne ein einziges Detail auszulassen. Ich zeige ihr sogar das Video von Elizabeth, das sie sich schweigend ansieht.

»Wow! Und du zögerst noch, nachdem du das gesehen hast?«, fragt sie und zieht eine Augenbraue hoch.

Ich zucke nur mit den Schultern. Es fällt mir schwer, meine Gedanken zu ordnen und noch mehr, sie zu formulieren.

»Du willst es doch, oder? Das sehe ich in deinen Augen.«

Ich lächle amüsiert, doch sie wirft mir einen vernichtenden Blick zu.

»Mach dich nicht über mich lustig, ich meine es ernst! Ich kenne dich in- und auswendig, Orion Williams. Du glaubst, du könntest ohne das Eislaufen leben, aber das stimmt nicht. Es ist dein Lebenselixier. Wenn du dir dieses Comeback entgehen lässt, wirst du es immer bereuen.«

»Ich mache mich nicht lustig … ich lächle, weil es wahr ist.«

»Und dann? Diese Frau ist gut, viel besser, als ich oder all deine früheren Eislaufpartnerinnen es waren. Ich nehme also an, dass nicht sie das Problem ist.«

»Nein. Das Problem bin ich.«

Ich erkenne meinen Fehler im selben Moment, in dem ich diese Worte ausspreche. Harper presst die Lippen zusammen, sodass nur eine schmale Linie bleibt, und ich errate, dass sie sauer ist. Lange mustert sie mich schweigend, ihr Donut scheint völlig vergessen. Ich spüre, dass sich eine Moralpredigt ankündigt.

»Orion.«

»Hmm.«

»Hältst du dich für Gott?«

Angesichts ihrer kalten Stimme und der seltsamen Frage runzle ich die Stirn.

»So hat man mich schon manchmal genannt – vor allem im Bett, aber …«

Der Blick, den sie mir zuwirft, ist vielsagend, hält mich aber nicht davon ab fortzufahren.

»… ansonsten nein«, schließe ich mit einem strahlenden Lächeln. »Warum fragst du?«

»Weil man glauben könnte, du fühlst dich für das, was mir passiert ist, verantwortlich«, fährt sie ernst fort. »Allerdings wissen wir beide, dass dieser Unfall Schicksal war. Du hast nicht so viel Macht.«

Ich wage es nicht, sie anzusehen. Wie könnte ich auch? Jeder hatte sie gewarnt. Harper hatte vorher gewusst, dass jeder einzelnen meiner Eislaufpartnerinnen ein böses Ende vorherbestimmt war. Bei der ersten glaubte ich an Zufall. Bei der zweiten an Schicksal. Bei der dritten an Pech. Ab der vierten war ich davon überzeugt, dass ich verflucht war. Meine Schuld bestand darin, den Frauen diese Hölle zugemutet zu haben. Meine Schuld liegt in meinen Egoismus – meinem größten Laster.

Nie wieder.

Ich kenne Elizabeth nicht, aber ich weiß, dass sie das nicht verdient hat. Sie ist zu gut, um das Risiko einzugehen, dass ich ihre Chance ruiniere.

»Es geht nicht nur um dich, Harper. Du musst dem Offensichtlichen ins Auge sehen, es sind langsam zu viele …«

»Das ist doch völlig irrsinnig«, ruft sie entnervt. »Ich weigere mich, an diesen Unsinn zu glauben. Du steigerst dich in einen Strudel falscher Schuldgefühle, und ich hasse dein Selbstmitleid wegen eines an den Haaren herbeigezogenen Gerüchts.«

Glaubt sie etwa, es fiele mir leicht, mich aus dem Wettkampfgeschehen zurückziehen, das Einzige, was mich am Leben hält, aufzugeben und mich mit meinem Hund in den Wald zurückzuziehen? Ich tue das nicht, weil es mich glücklich macht. Ich tue es, weil ich Angst davor habe, irgendwann jemanden umzubringen.

»Reiß dich zusammen«, sagte Harper mit Nachdruck. »Was die anderen denken, ist ihr Problem. Du bist nicht verflucht. Du bist mit das Beste, was mir im Leben passiert ist.«

Rührung schnürt mir die Kehle zu, aber ein Lächeln umspielt meine Lippen. Ich habe die Freundschaft eines Engels, wie Harper einer ist, nicht verdient – auch wenn ich froh bin, sie zu haben.

»Dein Mann würde sich bestimmt freuen, das zu hören.«

»Er kommt natürlich zuerst«, antwortet sie und verdreht die Augen. »Tom Hardy übertrumpft allerdings euch beide.«

Ihre Hand gleitet über die Tischplatte und ergreift die meine.

Ich lasse sie gewähren und genieße die beruhigende Wärme ihrer Haut. Harper ist für mich wie eine große Schwester, die ich nie hatte. Zwischen uns lief nie etwas – und das nicht nur, weil Scott es verboten hatte. Ich bringe ihr eine reine und unschuldige Liebe entgegen, wie einem Familienmitglied.

»Und? Wirst du dieser Frau eine Chance geben?«

Ich seufze mit zusammengebissenen Zähnen. Alle Alarmglocken warnen mich, aber ich zwinge mich dennoch. Es kostet schließlich nichts, sie zu treffen, oder? Und ich habe sowieso keine Wahl. Scott hat mir ein Ultimatum gestellt.

Ich greife nach meinem Handy, was Harper mit einem stolzen Lächeln quittiert. Als die Nachricht abgeschickt ist, krampft sich mein Herz unter einer neuen Angstattacke zusammen.

Orion: Du hast gewonnen. Mach ein Treffen mit Elizabeth aus.

3

Lily

Montreal, Dezember 2023

»Wie fühlst du dich?«, fragt mich Piper, während ich die Schnürsenkel meiner Schlittschuhe zubinde.

Ich richte mich auf, lege die Hände auf meine Oberschenkel und atme tief durch. Doch das reicht nicht aus, um meinen rasenden Herzschlag zu beruhigen. Wie fühle ich mich? Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen und komme mir vor wie eine Bombe kurz vor der Explosion.

»Als würde ich gleich in Ohnmacht fallen, und mich dann übergeben. In genau dieser Reihenfolge.«

Meine Freundin zieht verwirrt eine blonde Augenbraue hoch. »Du planst also, dich zu übergeben, während du bewusstlos bist? Pfui! Erwarte nicht, dass ich den Dreck wegputze.«

Sie setzt eine angewiderte Miene auf, die mich zum Lachen bringt. Ich entspanne mich langsam ein wenig, aber es bleibt schwierig. Ich bin kein ängstlicher Typ. Nie habe ich Lampenfieber, nicht einmal, bevor ich vor Tausenden von Zuschauenden auftrete. Das ist meine Superkraft. Piper sagt, ich gebe an, aber das ist die Wahrheit. Meine Mutter hat mir stets gesagt, dass es unnötig sei, sich wegen etwas zu stressen, das man nicht beeinflussen kann.

Aber heute ist alles anders. Ich bin eingeschüchtert und aufgeregt. Ich werde den Mann treffen, den ich seit so vielen Jahren bewundere, der mein Vorbild ist. Ich habe Angst, mich zu blamieren oder dass er mich uninteressant findet. Vor allem möchte ich ihn beeindrucken.

»Bist du sicher, dass du das wirklich willst?«, fragt mich Piper zum dritten Mal an diesem Tag.

»Ich habe dir schon mal gesagt, dass ich nichts auf Gerüchte gebe.«

Ich weiß, was man sich auf den Gängen der Eishalle zuraunt und was im Internet steht – also auch, welche Last Orion auf seinen Schultern trägt. Und ehrlich gesagt: Ich bedauere ihn. Das ist alles Schwachsinn, den Leute verbreiten, die neidisch sind und sich über seinen Abstieg in die Hölle freuen. Ich bin nicht abergläubisch, also gehe ich über solche Gedanken hinweg.

»Es ist nur … Findest du das nicht auch seltsam?«

»Nein. Wir üben einen gefährlichen Beruf aus, wir wissen genau, was wir riskieren.«

»Lil … Er hat alle seine Eislaufpartnerinnen verletzt! Das kann man jetzt nicht mehr als Zufall bezeichnen.«

Ich seufze, denn plötzlich geht mir ihr Verhalten auf die Nerven. Ich weiß, dass sie sich nur Sorgen macht, und dafür bin ich ihr dankbar, aber es ist nicht fair, Orion wegen dieser Unfälle zu verurteilen.

»Worauf willst du hinaus?«

»Der Typ war sicher als Kind Opfer eines Voodoo-Fluchs oder so was Ähnlichem.«

»Was für ein Unsinn … Die meisten seiner Partnerinnen haben sich außerhalb der Eisbahn verletzt. Und nicht in Anwesenheit von Orion. Er hat nichts damit zu tun.«

Ich erhebe mich, um das Gespräch zu beenden, und ziehe meine Lycra-Handschuhe an; auf meinen Schlittschuhen steckt noch immer der Klingenschutz. Piper scheint das zu verstehen, denn sie beharrt nicht weiter darauf, und ich beginne meine Dehnübungen an der Gymnastikstange.

Wir beide haben uns bei meinem Eintritt in den Club kennengelernt. Sie ist sehr nett und das genaue Gegenteil von mir: sanft, zurückhaltend, ultrafeminin … In einem dunklen, hässlichen Teil meines Herzens bin ich insgeheim eifersüchtig auf sie. Im Gegensatz zu mir muss Piper sich nicht so sehr anstrengen, um in den Augen aller perfekt zu wirken. Aber ich nehme an, das ist das Privileg, das jedem blonden Mädchen mit blauen Augen zusteht.

Eingepackt in unsere Fleecewesten steigen wir nebeneinander zur Eisbahn hinab. Einige Schüler üben schon, beobachtet von ihren Eltern, die gemütlich bei einer Tasse Kaffee hinter der riesigen Glasscheibe sitzen, die die Eisbahn schützt.

»Sie kommen!«, flüstert Piper plötzlich und zieht sich zurück. »Viel Glück!«

Ich erstarre förmlich und versuche, meinen Atem zu beruhigen, dann wende ich mich mit verschränkten Armen den beiden Männern zu, die auf mich zukommen. Orion ist so, wie ich ihn in Erinnerung habe, auch wenn er ohne Bühnenkostüm weniger einschüchternd wirkt. Heute trägt er ein Sweatshirt mit Kapuze, die er über seine dunklen Haare gezogen hat, und eine graue Jogginghose. Er schielt auf den Boden und hört zerstreut auf das, was Scott ihm sagt.

Ob er sich an mich erinnert?

»Entschuldige die Verspätung«, erklärt der Trainer, als sie bei mir angelangt sind. »Ich habe dreißig Minuten gebraucht, um die eingefrorene Tür meines Wagens aufzubekommen.«

Ich beruhige ihn und sage, dass ich auch gerade erst gekommen bin, was natürlich eine Lüge ist. Ich habe den Hausmeister gegen vier Uhr morgens mit Kaffee bestochen, in der Hoffnung, dass er mich vor der offiziellen Öffnungszeit hereinlässt. Das hat bisher jedes Mal funktioniert.

»Orion, das ist Elizabeth«, sagt Scott und lächelt ruhig.

Ich öffne den Mund, um ihn zu korrigieren, da es mir peinlich ist, mit meinem vollständigen Namen angesprochen zu werden: »Einfach nur Lily.«

Im selben Moment hebt Orion den Kopf, und unsere Blicke treffen sich. Wie vor vielen Jahren steht die Zeit still. Das Einzige, was ich höre, ist das Geräusch meines Herzens, das gegen meinen Brustkorb hämmert. Verdammt, er sieht wirklich unglaublich gut aus.

Ich schenke ihm ein freundliches Lächeln, er nickt mir zu. Seine Mundwinkel heben sich leicht, aber das Lächeln erreicht seine Augen nicht.

»Freut mich sehr, Einfach nur Lily.«

Er erinnert sich nicht an mich. Ich wünschte, diese Tatsache würde nicht so sehr schmerzen, aber vermutlich ist mein Ego schwächer, als ich dachte.

Scott beherrscht eine ganze Weile das Gespräch, vor allem, um Orions Vorzüge zu loben. So, als wäre mir sein Talent nicht bereits bekannt.

»Ist Isabella noch nicht da?«

»Hier bin ich!«, ertönt ihre Stimme, als sie die Türen zur Eislaufbahn öffnet.

Die beiden wechseln ein paar Banalitäten, während Orion seine Sporttasche auf eine Bank legt und schweigend beginnt, sich umzuziehen. Da ich bereits fertig bin, halte ich mich im Hintergrund. Doch ich kann nicht umhin, ihn heimlich neugierig zu mustern.

Ich hatte nie die Gelegenheit, ihn im richtigen Leben, also abseits der Wettkämpfe, zu sehen. Ich weiß nicht genau, warum, aber irgendwie hatte ich mir unsere erste offizielle Begegnung anders vorgestellt … entspannter vielleicht.

Ich verberge meine Enttäuschung, während er erst seinen Pullover und dann die Jogginghose auszieht. Darunter kommt ein enger schwarzer Ganzkörperanzug zum Vorschein. Seine Schlittschuhe haben die gleiche Farbe, was seine Beine noch länger wirken lässt.

Piper gibt mir durch ein Zeichen zu verstehen, dass ich mit ihm sprechen soll, aber ich traue mich nicht. Er ist nicht sehr redselig, was mich eigentlich erstaunt. Wenn er auf dem Eis ist, lächelt er stets und fängt Gespräche mit Anfängern an, also hätte ich ihn für ein eher sonniges Gemüt gehalten.

»Hast du dich schon aufgewärmt?«, fragt mich Isabella mit einem kritischen Blick auf meine Frisur.

Ich nicke und nehme den Klingenschutz ab.

Als ich auf dem Eis bin, ist auch Orion fertig. Und in seinem Element. Sein enges Oberteil betont jeden Muskel seines Oberkörpers, und ich sehe, wie Piper in der Ferne die Augenbrauen hebt und senkt.

Ich ignoriere sie, aber ich spüre, wie sich meine Wangen röten. Orion ist nicht von universeller Schönheit, zumindest nicht hübsch genug, als dass jeder diese Meinung teilen würde, aber sein Charme ist jungenhaft und sehr wirksam. Wenn ich ihn nicht so sehr bewundern würde, könnte ich mich von der Intensität seiner schokoladenbraunen Augen verführen, von der Anmut seiner Bewegungen und der Eleganz des schlanken Körpers verzaubern lassen.

Schließlich entdecken ihn die anderen Schüler und reißen die Augen auf. Die Jüngeren bleiben stehen, um ihn beim Eislaufen zu beobachten. Die Anwesenheit eines Stars schüchtert sie ein.

Willkommen im Club, Kinder!

»Bist du nervös?«

Ich zucke fast zusammen und wende mich überrascht zu meinem neuen Partner. Er bedeutet mir, ihm zu folgen, und wir laufen gemächlich Seite an Seite los.